Merkwürdige Hofnachfolge und meine Gedanken dazu

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5535

    #16
    Zitat von sternap Beitrag anzeigen
    irgendwann begreift die obrigkeit vielleicht, dass für den hof die abgabenlast gemindert werden muss- und dann kann er wieder wirtschaftlich geführt werden.
    Das war definitiv nach der Pestzeit so. Da ging der Bauer einfach, sofern er persönlich frei war, und suchte sich einen Hof eines anderen Grundherren, den er zu besseren Bedingungen bewirtschaften konnte. Die Obrigkeit, wenn man damit die Regierung meint, hatte aber mit solchen Einzelfällen natürlich nicht viel zu tun. Weitblickende Fürsten versuchten durchaus, das Leben und die Einkommenssituation der Bauern zu verbessern. Sie hatten es aber oft genug mit einem unwilligen und auch starken Adel zu tun, was Reformen verhinderte oder wenigstens verlangsamte.

    Zitat von sternap Beitrag anzeigen
    hattet ihr in eurer gegend arbeitsverpflichtungrn vergleichbar mit einem frondienst- und das bei ohnehin zu wenig dienstboten?
    Ja, diese Verpflichtungen gab es natürlich. Ackerleute dienten zwei Tage in der Woche mit einem vollen Gespann, also mit vier Pferden und dem jeweils angeforderten Gerät, also Pflug oder Wagen. Halbspänner dienten einen Tag in der Woche mit dem vollen Gespann. Der Spitzspänner, der nur drei Pferde hatte, diente mit denen. Kothsassen dienten zwei Tage wöchentlich mit der Hand. Und das waren nur die Dienste, die dem Gutsherrn zu leisten waren.

    Dem Grundherren, also dem Obereigentümer des zu einem Hof gehörigen Landes, waren gar keine Dienste zu leisten. Der bezog lediglich Natural- oder Geldabgaben.

    Und dann gab es noch die Dienste, die dem Landesherrn zu leisten waren. Reisefuhren, Wegebesserungen, Burgfesten. Ein 11xUrgroßvater etwa ist 1630 dabei ertrunken, als er den Wassergraben um das Residenzschloß von Eis befreit hat. Solche Dinge eben.

    Zitat von sternap Beitrag anzeigen
    jedenfalls muss es irgendwann beim dienstherrn zur einsicht gekommen sein.
    Beim Adel oft nicht oder spät. Die Amtmänner, zwangsläufig unternehmerisch denkende Bürgerliche, waren häufig einsichtiger. So bevorzugten die Amtmänner meistens ein Dienstgeld, also ein monetäres Äquivalent zum Frondienst, da sie ganz genau wußten, daß unwillig und unter Zwang geleistete Arbeit nicht gut erledigt wird. Für die Pflichtigen war das Dienstgeld auch günstiger, da es nominel immer gleich blieb, vom Wert her also sank.
    Suche:

    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

    Kommentar

    • Sbriglione
      Erfahrener Benutzer
      • 16.10.2004
      • 1177

      #17
      Hallo Consanguineus,

      jetzt ist ja schon eine ganze Menge geschrieben worden und ich kann nur hoffen, dass ich da nichts übersehen habe, was die Sache für Dich grundlegend verändert.
      Daher von mir nur so viel:
      1. ich halte Deinen Gedankengang vom Anfang für insgesamt durchaus schlüssig;

      2. ich kenne diverse Verträge, bei denen die Kinder verstorbener Eltern noch durchgehend minderjährig waren und der Gesamthof gegen einen entsprechenden Ausgleich entweder an den Stiefvater und seine neue Familie übergegangen ist (in dem Fall wurde dieser vertraglich verpflichtet, die Waisen bis zu ihrer Volljährigkeit auf dem Hof leben zu lassen und sie mit dem Notwendigen zu versorgen, sowie ihnen vertraglich festgelegte Mittel für den Fall ihrer eigenen Eheschließung zukommen zu lassen), oder aber, wenn es keinen Stiefvater gab, sogar an eine komplett fremde Person verkauft wurde - mit vergleichbaren Vertragsinhalten!

      Wenn die Familie viele Kinder hatte, auf die der Verkaufsertrag verteilt werden musste, konnte es auch schon alleine aus diesem Grund schon mal sein, dass es den Kindern besser erschien, durch Einheirat oder Kauf kleinere Wirtschaften zu übernehmen, als hoch verschuldet den elterlichen Hof zu halten.

      Grüße!
      Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
      - rund um den Harz
      - im Thüringer Wald
      - im südlichen Sachsen-Anhalt
      - in Ostwestfalen
      - in der Main-Spessart-Region
      - im Württembergischen Amt Balingen
      - auf Sizilien
      - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
      - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

      Kommentar

      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 5535

        #18
        Hallo Sbriglione,

        vielen Dank für Deine Gedanken zum Thema!

        Es ist ein Jammer, daß zu diesem konkreten Fall keine Verträge überliefert sind. Andres sieht es für spätere Zeiten aus. Der Sohn Hans Jürgen Knopfs, Heinrich Hennig, wurde mit drei Jahren Halbwaise. Seine noch junge Mutter heiratete erneut. Mit dem zweiten Mann hatte sie ebenfalls Kinder, aber die hätten definitiv nur geerbt, wenn auch Heinrich Hennig kinderlos gestorben wäre. Genau dasselbe in der nächsten Generation. Heinrich Hennig starb sehr früh und hinterließ kleine Kinder. Seine Witwe heiratete wieder, da der Hof bewirtschaftet werden mußte. Hier gibt es detaillierte Verträge, die jedes Detail regeln. Auch der Stiefvater, der ja oft 20 Jahre und länger einen Hof bewirtschaftete, der nicht seiner war, hatte selbstverstndlich Anspruch auf ein angemessenes Altenteil!

        Viele Grüße
        consanguineus
        Suche:

        Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
        Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
        Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
        Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
        Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
        Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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