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  #1  
Alt 30.03.2023, 05:43
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Standard Wie verhielten sich unsere Vorfahren 1933 - 1945?

Hallo in die Runde,


interessanter Beitrag:

https://chrismon.evangelisch.de/ns-g...uZ6QIpuRD3kKAQ


Von einem meiner Urgroßväter liegen Lebenserinnerungen vor, da bin ich gut im Bilde. - Leider war er braun angehaucht.

Ein anderer war katholisch und für "die Sache" vermutlich nicht so empfänglich.

Mein Großvater Fischer stand der SPD nahe.


Mit besten Grüßen
Wolfgang

Geändert von Wolfg. G. Fischer (30.03.2023 um 14:23 Uhr)
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  #2  
Alt 30.03.2023, 09:00
Silvio52 Silvio52 ist offline männlich
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Hallo Wolfgang,

Allgemein

Nun ja, es waren normale Leute, mit ihren alltäglichen Sorgen und Problemen. Zumal die Entwicklung langsam vonstatten ging. "Aufgewacht" sind die meisten erst, als die Bomben fielen, die Versorgungslage angepannter, die Verlustlisten länger wurden und der Russe vor der Tür stand.

Konkret

Großvater A war ein armer Handwerker, der schon im 1. WK einen Unterschenkel verloren hatte. Im Jahr 1933 wendete sich für ihn alles zum Guten: Junge Ehefrau, noch in die NSDAP gekommen, ruhiger Bürojob, Beamter. Letztlich 1945 an seinen Krankheiten, nebst der alten Kriegsverletzung, gestorben.

Großvater B war Bauer, skeptisch, hat ab 1943 wie "alle" in der Wehrmacht gekämpft, hat überlebt.

Meine Onkel, die in dieser Zeit groß geworden waren, konnten meist nicht schnell genug in die Waffen-SS und ähnliche Formationen. Einer machte einen Lernprozeß durch, starb aber noch 1946 durch eine Mine. Ein anderer mordete selbst Zivilisten und fiel 1942 im Osten. Ein weiterer blieb als absolute Ausnahme formal "Pole" und starb 1943 im KZ.

Ich versuche derzeit diese Fälle beispielhaft aufzuarbeiten.

VG
Silvio
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  #3  
Alt 30.03.2023, 09:32
Benutzerbild von consanguineus
consanguineus consanguineus ist offline männlich
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Interessantes Thema! Ich hatte das Glück, noch alle Großeltern kennenlernen zu dürfen. Als die Eltern meiner Mutter starben, war ich allerdings noch nicht alt genug, um mich für das Nazi-Thema zu interessieren. Mit meinem Großvater väterlicherseits habe ich sehr offen gesprochen, was mit seiner Frau nie möglich gewesen wäre. Meine Großeltern, alle Akademiker, waren sämtlich in der Partei. Von beiden Großmüttern sagt man sich, sie seien sogar von "der Sache" überzeugt gewesen. Die Mutter meines Vaters soll rassistische Äußerungen getan haben. Die Mutter meiner Mutter fand blond und blauäugig auch gut. Kaum zu glauben, sie war Ärztin! Ihr Mann, mein Großvater mütterlicherseits benutzte die Partei wohl eher als Möglichkeit, einen bestimmten Job zu bekommen, der ohne Mitgliedschaft in weiter Ferne lag. Er hatte fünf Kinder durchzubringen. Sein Bruder fiel in den ersten Kriegstagen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war er sich, so erzählt man, sicher, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Mein Großvater väterlicherseits war auch ein eher pragmatischer Mann. Er sagte mir, es ging damals eine große Angst vor den Bolschewisten um. Stalin hatte eindrucksvoll gezeigt, daß er ohne mit der Wimper zu zucken Millionen Menschen grausam verhungern lassen konnte. Da mein Großvater als Landwirt genau zu dem Kreis Menschen gehörte, den die Kommunisten so hassten und den sie unter Garantie als erstes ermordet hätten, war es klar, daß er sich einer Partei anschließen würde, die sich zu Gegnern des Kommunismus erklärte. Er meinte, die anderen Parteien der Weimarer Republik waren zu schwach und untereinander zu uneinig, um dem Kommunisten etwas Wirksames entgegensetzen zu können. Auf die Frage, ob er sich denn keine Gedanken um den Antisemitismus der NSDAP gemacht hätte, antwortete mein Großvater, daß in seinem Umfeld niemand "Mein Kampf" gelesen hätte. Das Thema stand damals wohl nicht so sehr im Vordergrund. Für viele scheinen die Nationalsozialisten angesichts eines Stalin ganz einfach das geringere Übel gewesen zu sein.

Interessanterweise waren meine Urgroßeltern wohl fast alle mehr oder weniger offene Gegner des Nationalsozialismus. Verständlich eigentlich, denn sie wuchsen im Kaiserreich auf, in dem es ihnen gut ging, und waren daher teils recht monarchistisch eingestellt. Ein echter Monarchist kann seiner Natur und Überzeugung nach natürlich kein Nationalsozialist sein. Einer der Urgroßväter stellte sich Anfang der 30er Jahre tatsächlich vor das Wahllokal und gab allen Geld, die nicht NSDAP oder eine linke Partei wählten. Auch später konnte er nicht seinen Mund halten und wurde mit etwa 70 Jahren von der Gestapo abgeholt und inhaftiert. Ein anderer Urgroßvater, Arzt, behandelte, so wird erzählt, Juden umsonst, also ohne abzurechnen, da sie, die teils im Untergrund lebten, sonst aufgeflogen wären.

Der Riß ging also mitten durch die Familien. Jedenfalls durch meine. Was ich für mich gelernt habe: es ist im Nachhinein immer sehr einfach, sich hinzustellen und mit dem heutigen Wissen über "die Alten" zu richten. Wie hätten wir uns in deren Situation verhalten? So wie nicht jedes SED-Mitglied Kommunist war, so war sicherlich auch nicht jedes Mitglied der NSDAP von der inneren Überzeugung her das, was man heute als Nazi bezeichnen würde. Ich möchte manchen, der heute das Maul am weitesten aufreißt mal sehen, wie mutig er vor 80 oder 90 Jahren gewesen wäre. Bei weitem nicht alle Deutschen hatten das Format eines Stauffenberg oder der Geschwister Scholl...
__________________
Suche:

Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561
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  #4  
Alt 30.03.2023, 11:03
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Zu meinen eigenen Vorfahren ist mir nur von einem Urgroßelternpaar etwas zu deren Einstellung zum Nationalsozialismus überliefert.

Mehr aber zu meiner Urgroßmutter (1904-1972), als zu meinem Urgroßvater (1902-1980), der eingezogen war, dem ich aber mal eine ähnliche Grundhaltung unterstelle. Von meiner Urgroßmutter weiß ich beispielsweise, dass es für sie mal Ärger gab, weil eine Nachbarin erfahren hatte, dass sie Hirtenbriefe las - die Nachbarstochter und meine Oma waren wohl befreundet, so hatte die Nachbarin das erfahren. Ebenso hat sie hinter verschlossenen Türen während des Krieges ein kleines Ritual durchgeführt, bei dem sie hauchdünnes Papier angezündet hat, zu Boden sinken lassen hat und dabei gesagt hat "Hitler soll in der Hölle brennen, Göbbels soll in der Hölle brennen, ...".

Ebenso ist mir ein wenig - und zwar eher gegenteiliges - zu zwei "Stiefvorfahren" bekannt.

Der Großvater meiner Stiefmutter (1913-1976) trat bereits im März 1933 der SS bei. Ab Mai 1934 war er im KZ Dachau eingestellt. Dort war er auch später während des Krieges als Wärter tätig. Der mündlichen Überlieferung nach soll er wohl aber relativ mild mit den Insassen umgegangen sein. Da er vor dem Eintritt in die SS auch zwei Jahre lang arbeitslos war, kann man ihm wohl unterstellen, dass diese Entscheidung nicht unbedingt auf voller Überzeugung vom Nationalsozialismus beruhte. Seine Strafe hat er wohl dennoch in Form von 4 Jahren und 7 Monaten russischer Kriegsgefangenschaft mit entsprechenden Beeinträchtigungen der Gesundheit bekommen. Zusätzlich starb er letztlich ziemlich genau eine Woche nach Renteneintritt.

Der Urgroßvater meiner anderen Stiefmutter (1891-1945) war bis 1933 freier Architekt in Bremen. Danach musste er seine Tätigkeit - zumindest offiziell - aufgeben, da er sich aus politischer Überzeugung weigerte, Mitglied der Reichskulturkammer zu werden.

Nico
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  #5  
Alt 30.03.2023, 15:29
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Juanita Juanita ist offline
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Ich habe mich sehr für das Thema (Eltern/Grosseltern in d. Nazizeit) schon als Jugendliche interessiert. Natürlich war "man" unterschiedlich bereit, darüber zu reden. Beide GE-Paare stammten aus Landarbeiter-/Handwerkerkreisen.
Grossvater W. Gothe -väterlicherseits (1904 - 1984) war Maurer begeisterter Radfahrer, gehörte einem Radfahrverein an. Deshalb wohl SPD- Mitglied, denn er hatte eigentlich nichts für Politik übrig. Bei Hitlers Machtergreifung trat er aus der SPD aus. Er war später im Krieg u. erlitt eine schwere Kopfverletzung, die er aber überlebte. Mein Vater (1928 - 1951) war ein begeisterter Hitlerjunge. Er liebte Sport über alles u. wurde entsprechend gefördert. So machte er u.a. einen Segelflugschein, u. das in Mühlhausen/Th., einem kleinem Städtchen. Mit 16 J. kam er zum "letzten Aufgebot" u. geriet in engl. Gefangenschaft. Dort konnte er mit einem Freund fliehen. Das war wohl mit Augenzudrücken der Bewacher, da sie wohl die Jüngsten u. sehr verstört waren. Über seinen Kriegseinsatz sprach er nur einmal, als er alkohoisiert war, dann nie wieder. Sie waren sehr motiviert in den Kampf gezogen, aber nach einem starken Angriff kam die entsetzliche Ernüchterung. Mit einer Wolldecke sammelten sie Körperteile der Freunde u. Mitkämpfer ein.
Mein GV P. Martin mütterlicherseits (1908 - 1989) war Waldarbeiter u. überzeugter Nazi bis an sein Lebensende. Er war getrennt von meiner Oma, später geschieden, u. war Postangestellter in Polen. Darüber habe ich nur wenig erfahren, aber er hatte wohl eine leitende Stelle, denn er war sehr stolz darauf. Da ich ihn erst als Erwachsene kennenlernte, kann ich nicht viel dazu sagen. Er wurde im Krieg ebenfalls schwer verletzt, Bauchschuss, aber überlebte. Meine GM lebte im Dorf Schönstedt/Th. u. zog ihre beiden Töchter allein gross. Politik war bei ihr kein Thema. Es ging ums Überleben. Meine Mutter (1929 - 2011) war begeisterte Hitleranhängerin, wollte BDM- Führerin werden. Das Arbeitsjahr bei enem Bauern hatte ihr gut gefallen. Nach dem Krieg war dann alles anders. Verbittert waren beide Eltern nicht. Sie mussten wohl oder übel sich mit der neuen Situation abfinden, zumal sie dann mit knapp 18 u. 19 J. mich hatten. Also hiess es arbeiten und lernen u. ich wuchs erst einmal bei den Grosseltern auf. Am Beispiel meiner Eltern kann man klar erkennen, was Hitler für einen Einfluss auf die Jugend hatte. Zu DDR-Zeiten war es nicht viel anders, zumindestens in den ersten 10 - 15 Jahren.
Juanita

Geändert von Juanita (30.03.2023 um 15:34 Uhr)
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  #6  
Alt 30.03.2023, 20:50
Andrea1984 Andrea1984 ist gerade online weiblich
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Zitat:
Zitat von nav Beitrag anzeigen
Zu meinen eigenen Vorfahren ist mir nur von einem Urgroßelternpaar etwas zu deren Einstellung zum Nationalsozialismus überliefert.

Mehr aber zu meiner Urgroßmutter (1904-1972), als zu meinem Urgroßvater (1902-1980), der eingezogen war, dem ich aber mal eine ähnliche Grundhaltung unterstelle. Von meiner Urgroßmutter weiß ich beispielsweise, dass es für sie mal Ärger gab, weil eine Nachbarin erfahren hatte, dass sie Hirtenbriefe las - die Nachbarstochter und meine Oma waren wohl befreundet, so hatte die Nachbarin das erfahren. Ebenso hat sie hinter verschlossenen Türen während des Krieges ein kleines Ritual durchgeführt, bei dem sie hauchdünnes Papier angezündet hat, zu Boden sinken lassen hat und dabei gesagt hat "Hitler soll in der Hölle brennen, Göbbels soll in der Hölle brennen, ...".

Ebenso ist mir ein wenig - und zwar eher gegenteiliges - zu zwei "Stiefvorfahren" bekannt.

Der Großvater meiner Stiefmutter (1913-1976) trat bereits im März 1933 der SS bei. Ab Mai 1934 war er im KZ Dachau eingestellt. Dort war er auch später während des Krieges als Wärter tätig. Der mündlichen Überlieferung nach soll er wohl aber relativ mild mit den Insassen umgegangen sein. Da er vor dem Eintritt in die SS auch zwei Jahre lang arbeitslos war, kann man ihm wohl unterstellen, dass diese Entscheidung nicht unbedingt auf voller Überzeugung vom Nationalsozialismus beruhte. Seine Strafe hat er wohl dennoch in Form von 4 Jahren und 7 Monaten russischer Kriegsgefangenschaft mit entsprechenden Beeinträchtigungen der Gesundheit bekommen. Zusätzlich starb er letztlich ziemlich genau eine Woche nach Renteneintritt.

Der Urgroßvater meiner anderen Stiefmutter (1891-1945) war bis 1933 freier Architekt in Bremen. Danach musste er seine Tätigkeit - zumindest offiziell - aufgeben, da er sich aus politischer Überzeugung weigerte, Mitglied der Reichskulturkammer zu werden.

Nico
Zwei Stiefmütter ? Wie ist das möglich ? Meinst du vielleicht eine Schwiegermutter ?

-

Meine Vorfahren mütterlicherseits haben ab und zu etwas über den Krieg erzählt, meine Vorfahren väterlicherseits gar nichts. Letztere haben eine Arbeit gehabt, ein Dach über den Kopf und sollen - diese Aussage beruht aus Informationen aus zweiter Hand - politisch nicht interessiert gewesen sein.

Der Vater von meinem Opa mütterlicherseits hat die rechte Hand bzw. den rechten Unterarm im 1. Weltkrieg verloren. Wodurch weiß ich nicht. Krankheit ? Unfall ?

Zwei weitere Urgroßväter sind unbeschadet davon gekommen bzw. von Verletzungen weiß ich nichts, der vierte Urgroßvater ist in Mauthausen verschollen. Es gibt keine offizielle Sterbemeldung und auf der öffentlichen Liste bei der Ausstellung ist er nicht zu finden.

Meine Oma mütterlicherseits hat da und dort was mitgeteilt und Glück gehabt, einen Bombenangriff unverletzt überlebt zu haben. Ein paar Mitschülerinnen meiner Oma sind dabei ums Leben gekommen. Das muss ca. 1940 oder 1941 gewesen sein. Mehr Details habe ich nicht dazu.

Herzliche Grüße

Andrea
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  #7  
Alt 31.03.2023, 09:59
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Sbriglione Sbriglione ist offline männlich
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Mein deutscher Großvater war Mitglied der Waffen-SS, mindestens zeitweise "Hilfspolizist" und wohl nicht NUR als Bahnarbeiter weitestgehend vom Militärdienst befreit.
Er gehörte nach meiner Einschätzung (ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt, weil er vor meiner Geburt gestorben ist) als ehemaliger Knecht, der - weil seine Mutter aus ETWAS wohlhabenderen Kreisen (Kleinbürgertum) kam - zu einer Personengruppe, die für die Nazis besonders anfällig gewesen sein dürften: autoritätsgläubig, ungebildet und gesellschaftlich schlechter gestellt, als er meinte, es "eigentlich" verdient zu haben.
Zu seiner "Ehrenrettung" in gewissem Sinne könnte man vielleicht sagen, dass er nach Aussage eines Sohnes, dem er sich anvertraut hatte, ein ziemlich schlechtes Gewissen hatte und kaum über die "schlimmen Dinge", die er mit ansehen musste und womöglich auch mitgemacht hat, so wenig hinweg gekommen ist, dass er später seinen Trost bei einer von den Nazis verfolgten religiösen Sekte gesucht hat.


Dagegen mein anderer Großvater (auf Sizilien): ungebildet (auch sein Vater), seit Generationen Mitglied der Unterschicht, musste schon als Kind so hart arbeiten, dass er bei seiner Musterung zunächst durch das Raster gefallen ist (verkrümmter Rücken und erkennbar unterernährt - ich bin bei meinen Forschungen über seine Musterungsakte "gestolpert" - ), Analphabet aus Not. Er ist schließlich gegen Ende des Krieges doch noch eingezogen und auf Sardinien stationiert worden (das erste Mal, dass er aus seiner Heimat weg war), hatte dort auch erstmals mit Deutschen zu tun - und ist nach der Kapitulation Italiens zunächst mit einem Fischerboot auf das Festland gekommen, dann zu Fuß bis nach Süditalien gewandert, wieder mit einem Fischerboot nach Sizilien gekommen, wieder zu Fuß weiter gelaufen - und kurz vor Erreichen seiner Heimatstadt vor einem Erschießungskommando gelandet!

Was war passiert? Nun: seine Kleidung war unterwegs dermaßen zerschlissen, dass er sich nur all zu sehr gefreut hat, als er am Wegesrand eine ziemlich gut erhaltene Uniform fand, bei der er sich sehr darüber gewundert hat, warum man so etwas einfach weg geworfen hat (man bedenke seine geringe Bildung und seine auch politische Unwissenheit!). Es handelte sich natürlich um eine Faschistenuniform...
Dass ich diese supertolle, tolerante, humorvolle und menschenfreundliche Persönlichkeit kennen lernen durfte (er hat mir die Geschichte selbst erzählt) verdanke ich alleine der Tatsache, dass er von einem Mitglied des Erschießungskommandos gerade noch rechtzeitig erkannt wurde, der wusste, wer und wie mein Großvater war.
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Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
- rund um den Harz
- in Ostwestfalen
- in der Main-Spessart-Region
- im Württembergischen Amt Balingen
- auf Sizilien
- Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen
- Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

Geändert von Sbriglione (31.03.2023 um 10:03 Uhr)
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  #8  
Alt 31.03.2023, 11:29
idrzewiecki idrzewiecki ist offline männlich
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Ich weiß hier tatsächlich kaum etwas. Mütterlicherseits war der Großvater Reichsbahner. Ich gehe hier erst einmal davon aus, dass er nicht direkt in das Kriegsgeschehen involviert war. Allerdings könnte man bei einem Beamten (!) bei der Bahn schon diverse (Zwangs)-Mitgliedschaften erwarten. Danach gesucht habe ich allerdings noch nicht.

Väterlicherseits gibt es den ersten Sohn meines Großvaters, welcher seit 1942 in der heutigen Ukraine als verschollen galt. Da er erst 20 Jahre als war wird es sich hier eher um einen "einfachen" Soldaten gehandelt haben.

Bei meinem Großvater weiß ich, dass er im 1. Weltkrieg durch einen Kopfstreifschuß schwer verwundet wurde und daher im Zweiten WK nicht mehr eingezogen wurde.

Es gibt aber Familienerzählungen darüber, dass eben dieser Großvater in den 1940er-Jahren auf dem Dachboden zwei Juden versteckt haben soll. Angeblich gab es sogar eine Razzia, weil Nachbarn wohl gemeldet hatten, dass auf dem Dachboden Licht wäre. Gefunden wurden dann aber keine Personen. Auch hier wäre es interessant, ob es dazu tatsächlich noch Unterlagen geben könnte - z.B. Polizeiliche Protokolle o.ä.

So etwas wie Ahnenpässe o.ä. habe ich allerdings bisher noch bei keiner Person ausfindig machen können.
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  #9  
Alt 31.03.2023, 16:56
Andrea1984 Andrea1984 ist gerade online weiblich
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Ahnenpässe o.ä. habe ich auch bei den meinigen Vorfahren nicht gefunden. Vermutlich haben sie alles weggeworfen, wie es nicht mehr gebraucht worden ist.

Mein Opa väterlicherseits ist nicht im Krieg gewesen, sein Bruder schon und verwundet worden. Mehr darf ich dazu nicht schreiben, wegen dem Datenschutz. Beide Herren haben eine Familie gegründet und sind in relativ jungen Jahren - gerade 50 und Mitte 50 - gestorben.

Der Bruder meiner Oma mütterlicherseits ist im 2. Weltkrieg gewesen, jedoch eher hinter der Front. Was er genau getan oder nicht getan hat, ist mir unbekannt. Er hat den Krieg, zumindest äußerlich gesehen unverwundet überstanden. Über eine Verletzung ist mir nichts bekannt.

Herzliche Grüße

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  #10  
Alt 31.03.2023, 18:04
assi.d assi.d ist offline weiblich
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Hallo,

mein Großvater mütterlicherseits trat 1931 aus Not (seit Jahren arbeitsloser Bäcker) in den Militärdienst ein und bleib bis zu seinem Tode 1943 in Russland einfacher Soldat einer Pioniereinheit. Erst mit seinem Tod wurde er zum (Unter-)gefreiten befördert. Er war ein stiller Mitläufer, der überleben wollte und nach dem Krieg mit der Familie an die Wolga auswandern wollte. (Werdegang lt. Wast)

Der Großvater väterlicherseits war 1940 schon gestorben und hatte aber mit "der brauen Brut" nichts am Hut. Er, sowie auch dann der Vormund meines Vaters, waren tief im Bauerntum und im katholischen Glauben verwurzelt und wollten nur ein frommes, arbeitsames Leben führen. (Tagebuch des Vormundes von 1950).

Gruß
Astrid
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