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  #21  
Alt 08.11.2021, 18:53
Sneezy
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Hallo,
zum Glück hat mein polnischer Uropa Stanisław Bronisław Bołeslaw Trąbalski (* 1896) eine sehr umfangreiche Biographie über seine Kindheit in Leipzig und in Kattowitz geschrieben, wo er auch sehr viel über seine Eltern und Großeltern geschrieben hatte.
Nur sein Vater Franciszek (Taufname Franciscus) Trąbalski (* 1870) ist nicht freiwillig wegen finanzieller Not nach Leipzig gekommen. Er und seine Freunde aus der Fachhochschule und der Heimatstadt waren aktive Gegner der Germanisierungspolitik in der Provinz Posen und sie nahmen an geheimen Zirkeln teil, wo sie Flugblätter drucken ließen und diese verteilten. Nur leider hatte dies die preußische Polizei herausgefunden und wollten meinen Ururgroßvater verhaften. Deswegen ist er im Jahr 1888 nach Berlin geflüchtet, wo er bei seinem Onkel einen Unterschlupf fand. Da er aber ein preußischer Postbeamter war, wollte er nicht das Risiko eingehen, seine Arbeit zu verlieren. Also ging er weiter nach Halle an der Saale, wo er viele Polen und Russen gelebt hatten. Diese hatten ihm geraten weiter nach Leipzig zu gehen, da es dort bereits seit langer Zeit eine polnische Gemeinde aus der Zeit der Personalunion Polen-Sachsen gab. Außerdem ist die sächsische Polizei nicht so streng wie die preußische Polizei. Der Franciszek und die Maryanna haben sich über die PPS kennengelernt, da beide Parteimitglieder waren.

Und auch mein Ururgroßvater Robert Richard Lipinski (* 1867) hatte über seine sehr ärmliche Kindheit in Danzig eine umfangreiche Biographie geschrieben. Er ist im Jahr 1885 nach Leipzig umgezogen. Seine Mutter hatte als Aufwartefrau bei der Herrschaft Klawitter und als Wäscherin gearbeitet. Der Vater hat als Balkenhauer in der Danziger Werft gearbeitet. Da der Vater ein temperamentvoller Pole katholischer Herkunft war und die Mutter eine strenge, wortkarge Protestantin aus Hinterpommern, kam es zur zwangsläufigen Trennung der Eltern. Sie haben 10 Jahre in Trennung gelebt, die Ehe wurde aber seltsamerweise nie geschieden.

Solche Geschichten sind echte Familienschätze.

Geändert von Sneezy (08.11.2021 um 19:00 Uhr)
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  #22  
Alt 08.11.2021, 18:59
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Da hast du großes Glück, dass deine Vorfahren so schreibfreudig waren. Um so mehr, weil sie eben nicht mit dem goldenen Füller in der Hand aufgewachsen sind, ist das hoch zu schätzen! Da trittst du ja ein großes Erbe an


LG Iris
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  #23  
Alt 08.11.2021, 19:16
Sneezy
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Hallo,
das stimmt. Da sie als Sozialisten sehr viel erreicht haben, wurde auch sehr viel über sie geschrieben. Ich hätte auch sehr gerne über die anderen Vorfahren so viele Informationen und Fotos. Der Franciszek war zum Beispiel im Nachkriegspolen Senior-Marschall des Sejms und war für ein paar Stunden in einer Übergangsregierung das Staatsoberhaupt Polens. Es haben auch schon einige polnische Historiker Bücher über ihn geschrieben, nur leider beherrsche ich die polnische Sprache nicht.
Die Familie Trąbalski war mit der Familie Ulbricht befreundet, da sie Ende des 19. Jahrhunderts Nachbarn waren und beide in der Poniatowskistraße gewohnt haben. Außerdem war der Franciszek mit den Genossen Wilhelm Liebknecht und Karl Liebknecht befreundet. Karl Liebknecht hatte Franciszek im Jahr 1904 bei dem Königsberger Geheimbundprozess als Rechtsanwalt verteidigt. Ihm wurde der Schmugggel anarchistischer Schriften nach Russland, Geheimbündelei und Beleidigung des russischen Zaren vorgeworfen. Auch mit den Genossen Rosa Luxemburg, Wladimir Lenin und Feliks Dzierżyński war er eng befreundet. Nur mit Rosa Luxemburg und mit Feliks Dzierżyński gab es Meinungsverschiedenheiten, da sie nicht die Unabhängigkeit Polens wollten, sondern nur von Russland aus die Weltrevolution planen wollte, während Lenin in dieser Zeit die polnische Unabhängigkeit unterstützte.
Und der Richard Lipinski hat im Jahr 1933 als Sozialdemokrat gegen das Reichsermächtigungsgesetz gestimmt. Dafür kam er in verschiedene Haftanstalten der Nazis, wo er im Jahr 1936 an den Spätfolgen seiner Haft starb. Außerdem war er während einer Übergangsregierung von 1918-1919 Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten das erste demokratisch gewählte Ministerpräsident von Sachsen und später Innenminister von Sachsen.

Geändert von Sneezy (09.11.2021 um 01:22 Uhr)
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  #24  
Alt 08.11.2021, 19:50
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das wird ja immer spannender. Als DDR-Kind sind mir diese Namen natürlich vertraut. Haben die Vorfahren denn das 3. Reich erlebt und wenn ja, wie überlebt?
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  #25  
Alt 08.11.2021, 20:49
Sneezy
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Hallo,
hier eine Übersetzung von zwei polnischen Webseiten:
Eine besonders schwierige Zeit für die polnische Minderheit in Deutschland kam nach 1933, als die NSDAP und Adolf Hitler an die Macht kamen. Damals wurden die Aktivitäten der als linksgerichteten Parteien sofort verboten, was die formelle Auflösung der PPS und die Notwendigkeit einer Fortsetzung der politischen Aktivitäten unter dem Deckmantel der Gewerkschaftsaktivitäten innerhalb der CZZP zur Folge hatte. Die Verfolgung betraf auch den zukünftigen Vizepräsidenten von Zabrze. Er wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er die polnischsprachige Presse verbreitet hatte. Diese Strafe verbüßte er jedoch nicht, da das Bezirksgericht in Gliwice die Berufung gegen das zuvor vom Gericht in Zabrze erlassene Urteil positiv beurteilte. Die nächsten, viel schwerwiegenderen Vorwürfe gegen Trąbalski betrafen Hochverrat. Wie der Angeklagte zeigte, wurden Zeugen, die gegen ihn aussagten, von Angehörigen der Gestapo dazu erpresst. Dadurch wurde die anschließende Berufung für den Angeklagten positiv gewertet.

Aufgrund von Belästigungen und Befürchtungen einer Festnahme und einer ungerechtfertigten Verurteilung zog Franciszek Trąbalski 1937 für kurze Zeit nach Polen. Er kehrte jedoch schnell nach Zabrze (Hindenburg) zurück, wo ihm 1939 vom Reichssicherheitsministerium ein Verbot jeder Tätigkeit im Zusammenhang mit den Organisationen der polnischen Minderheit erteilt wurde. Bald darauf erfuhr er von einem Freund, der in der örtlichen Verwaltung arbeitete, dass er und seine Frau auf der Liste der Personen standen, deren Pässe die Behörden behalten und in einem Konzentrationslager inhaftieren wollten. Es war der Impuls, der die sofortige Abreise der Familie Trąbalski nach Polen bestimmte. Es fand kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs statt. (23)

Während der Besetzung versteckten sich die Trabalskis an verschiedenen Orten in Oberschlesien. Sie lebten in ständiger Angst vor dem Eindringling und wechselten daher mehrmals ihren Aufenthaltsort. Sie blieben in Istebna und Wisła und dann in Ligota, das später Teil der Verwaltungsstruktur von Kattowitz wurde. Erst 1942 zogen sie nach Leipzig, wo Franciszek Trąbalski viele Jahre zuvor seinen Abschluss machte. Dort gelang es ihm mit Hilfe eines befreundeten Nazi-Vereins, der Organisation Arbeitsfront, an einen falschen Personalausweis zu gelangen. Von da an operierte er im Dritten Reich unter dem Namen Kurt Müller.( seinen gefälschten Pass habe ich witzigerweise völlig zufällig beim durchsuchen des riesigen Nachlasses meines Uropas in dem Haus meiner Großeltern gefunden.) Bemerkenswert ist damals, dass es ihm im Herzen des nationalsozialistischen Totalitarismus gelang, Geheimbünde für Menschen polnischer Herkunft zu organisieren.Seine Aktivitäten erregten die Aufmerksamkeit eines anderen angesehenen und viel berühmteren sozialistischen Aktivisten, Kazimierz Pużak. Trąbalski kam auf seine Initiative nach Oberschlesien und schloss sich unter dem Pseudonym „Kurt“ den Aktivitäten des mit der sozialistischen Bewegung verbundenen Unabhängigkeits-Undergrounds an.(24)

Natürlich hat Hitlers Aufstieg an die Macht den Betrieb erschwert - Zensur, Unterdrückung. 1935 saß Tr ąbalski fünf Monate Gefängnis. Wie er sagte, gab es keine Woche, in der er keinen Besuch zu Hause oder im Büro hatte. Kurz vor dem Ausbruch des Krieges flüchtete er nach Polen (sein Sohn wurde damals siebenmal von der Gestapo verhaftet). Während der Besetzung versteckte er sich in der Weichsel, Istebna und Katowice Ligota. Er konnte aber nicht untätig stehen.
Hawranek schrieb: ′′ Er setzt sein Leben oft aufs Spiel. Er war geprägt von Ehrlichkeit und Selbstlosigkeit. Er war ein selbstgeborener Anführer-Typ ".
Trąbalski ist im August 1942 nach Leipzig aufgebrochen, um im Namen von Kurt Mueller - Sportlehrer - gefälschte Dokumente zu erhalten. Er begann, sich mit alten Kameraden zu verbinden. Für fast tausend Polen arrangierte er Dokumente, um sie vor der Entsendung in Konzentrationslager zu schützen.
Ein Jahr später kehrte er auf Empfehlung der Zentralbehörden von KKS nach Schlesien zurück und organisierte eine sozialistische Widerstandsbewegung. Wie erwähnt, wurden Waffen für Guerillas gewonnen. in. in. für Gefangene Lebensmittel: ′′ Russen, arbeiten am Abriss der Kriegsführung von vorne in der Marta ′′ Marta ′′ in Katowice. (...) Einmal konnte man den ganzen Panzer da rausholen, aber es gab keinen Platz, um ihn zu verstecken und der Transport war eine große Schwierigkeit ".

Außerdem habe ich irgendwo gehört, dass der Franciszek sich am Warschauer Aufstand beteiligt hatte und Waffen nach Warschau geschmuggelt hatte. Vor allem seine jüngere Schwester Stanisława hatte ihn sehr geschützt, da sie bei Befragungen die Nazis immer in die falsche Richtung geschickt hatte.

Der Stanisław Trąbalski wurde zwischen 1933 und 1945 sieben Mal verhaftet und er wurde im Jahr 1937 wegen Hochverrat angeklagt, wurde aber wegen mangelnden Beweisen eingestellt. Durch die Familie weiß ich, dass der Stanisław die ganze Nazizeit weg war und seine Ehefrau Margarethe Lipinski musste in dieser Zeit die 6 Kinder alleine durchbringen. Außerdem wusste ich, dass alle Kinder des Stanisław nicht in der Hitlerjugend waren, was eine absolute Ausnahme war. Möglichkeiten gab es aber immer.

Geändert von Sneezy (08.11.2021 um 21:26 Uhr)
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  #26  
Alt 08.11.2021, 22:01
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gelöscht, weil doppelt

Geändert von Geschichtensucher (08.11.2021 um 22:03 Uhr)
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  #27  
Alt 08.11.2021, 22:02
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Danach, vermute ich, baute er das sozialistische Polen mit auf?
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  #28  
Alt 08.11.2021, 23:04
Sneezy
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Ja, richtig. Hier gibt es eine sehr gute Biographie von Franciszek inklusive der Nachkriegszeit:

https://wzabrzu-info.translate.goog/..._tr_pto=nui,sc

Hier gibt es auch eine gute Biographie, allerdings ist der Text sehr schlecht zu übersetzen:

https://www.facebook.com/slaskzbunto...7396890809310/

Kurioserweise waren meine Vorfahren väterlicherseits dem russischen Zaren treu ergebene Deutschbalten aus Riga, polnische Adelige sowie Oberverwalter von fürstlichen Gütern, die etliche Leibeigene beschäftigt hatten, während meine Vorfahren mütterlicherseits die größten Gegner des Zaren waren. Da die Ungerechtigkeit im russischen Kaiserreich war sehr groß. Der russische Kaiser war auch lange vor den Deutschen ein Antisemit und hatte Juden verfolgen lassen. Andersdenkende wurden von der zaristischen Geheimpolizei gnadenlos verfolgt, eingesperrt oder erschossen. Und die russischen Adeligen waren die reichsten Adeligen in ganz Europa und die Arbeiter und Bauern wurden in keinem anderen Land stärker unterdrückt. Der Neffe meiner Vorfahrin aus dem russischen Kaiserreich war sogar Mitglied der Weißen Bewegung und hatte gegen die Rote Armee gekämpft. Er war Grenzkosake und Prokurist der Firma Sigismund Maimann in Riga. Zwei Brüder meiner Vorfahrin aus Riga waren Kadetten, die an einer Kadettenanstalt unterrichtet wurden. Offiziere in der Kaiserlich Russischen Armee wurden sie aber nicht mehr, da sie sehr früh verstorben sind. Ihr Großvater war auch ein Offizier, allerdings in der polnischen Kronarmee.

Geändert von Sneezy (09.11.2021 um 01:09 Uhr)
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  #29  
Alt 09.11.2021, 04:34
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Zitat:
Zitat von Balduin1297 Beitrag anzeigen
Andersdenkende wurden von der zaristischen Geheimpolizei gnadenlos verfolgt, eingesperrt oder erschossen.
Also exakt so wie im Sozialismus...
__________________
Suche:

Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561
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  #30  
Alt 09.11.2021, 11:30
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Standard Frieden:)

Lasst uns an dieser Stelle die Geschichte(n) betrachten, nicht bewerten.



Bitte Frieden in diesem Thread über die Berliner Dienstmädchen, der sich nun interessant erweitert hat auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts.



Liebe Grüße an alle hier Beteiligten und Mitleser, Iris
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berlin , dienstmädchen , hausangestellte , lebensbedingungen , personal

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