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#1
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Erneuerung eines Lehens bei Herrenfall bzw. Mannfall
Hallo zusammen!
Mein Anliegen ist nicht primär genealogischer Art, aber dann am Ende doch wieder. Es geht um das Lehnsrecht im Mittelalter. Starb der Lehnsherr ("Herrenfall"), dann wurde dem Lehnsnehmer ein neuer Lehnsbrief ausgestellt. Starb umgekehrt der Lehnsnehmer eines erblichen Lehens ("Mannfall"), dann wurde seinem Erben ebenfalls ein neuer Lehnsbrief augestellt. So weit, so einfach. Nun gab es aber viele Fälle, ich möchte sagen, sie stellten bei Lehnsbindungen zwischen Territorialherren und deren ritterlichen Vasallen und zwischen letzteren und deren Aftervasallen die Regel dar, in denen sowohl Lehnsherr als auch Belehnter nicht aus einer Person bestanden, sondern aus einem "Familienverband". Das stellte für den Lehnsnehmer insofern eine sinnvolle Regelung dar, als sie die Wahrscheinlichkeit erhöhte, ein Lehen in der Familie zu behalten, da meistens ein Agnat zur Stelle war um in den Vertrag einzutreten. Wie wurde es in denjenigen Fällen mit der Ausstellung eines Lehnsbriefes gehandhabt, in denen irgendeine mitbelehnte Person starb? Wurde dann auch gleich ein neuer Lehnsbrief ausgestellt (was ja immer mit Kosten verbunden war), oder wurde das Lehen nur ausdrücklich erneuert, falls der Senior der Familie, also beispielsweise der älteste Bruder als Repräsentant, starb? Dieselbe Frage stellt sich umgekehrt für den Familienverband der Lehnsherren. Ich habe bisher nur Fälle kennengelernt, in denen lediglich bei Tod des jeweiligen Ältesten ein neuer Lehnsbrief ausgefertigt wurde. Aber kann man das als generelle Regel annehmen? Der Bezug zur Genealogie tritt nun hier zutage. Wenn ich einen Lehnsbrief vorliegen habe, also die Erneuerung eines Lehens, dann darf ich doch (unter der Annahme, daß nur bei Tod des jeweiligen Seniors ein solcher ausgestellt wurde) davon ausgehen, daß diejenige Person, welche nun, im Gegensatz zum vorigen Lehnsbrief, nicht mehr erwähnt wird, der älteste (Überlebende) einer Anzahl von Brüdern war (falls sicher ist, daß es sich um Brüder handelt). Falls ich aus anderen Quellen nicht ersehen kann, in welcher Folge mehrere Brüder altersmäßig rangieren, dann wäre doch also eine Reihe von Lehnsbriefen ein gutes Hilfsmittel, hier Ordnung hineinzubringen. Oder habe ich einen Denkfehler gemacht? Vielen Dank für eure Ideen! Geändert von consanguineus (15.07.2018 um 21:05 Uhr) |
#2
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Hallo consanguineus,
auch ich habe Kopien von Lehnsbriefen, die mir sehr geholfen haben, weil die Kirchenbücher aus dieser Zeit nicht mehr vorhanden waren. Die Lehen betrafen auch einen Familienverband, also die Nachkommen des ersten Lehnsnehmers. Die Lehen wurden nur erneuert, wenn der älteste starb und an einen Bruder, Halbbruder (den älteren) oder einen Sohn weitergegeben wurde. Immer an die männliche Linie. Die Mitlehnsnehmer wurden namentlich genannt. Viele Grüße Roswitha |
#3
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Hallo Roswitha,
vielen herzlichen Dank für Deine Antwort! Genauso, wie Du es beschreibst, kenne ich es auch aus den mir vorliegenden Urkunden. Ich habe meine Frage gestellt, weil ich wissen wollte, ob man das generell als Regel annehmen kann. Wenn es so wäre, dann wüßte man sicher, daß derjenige, der in einem neuen Lerhnsbrief nicht mehr genannt wird, der älteste Bruder oder Vetter gewesen sein muß. Die ergänzende Frage ist aber nun diese: falls von einer Anzahl von Brüdern einige Ritter geworden, andere Knappen geblieben sind, hat dann der älteste Ritter das Seniorat inne, auch wenn er einen älteren Bruder hatte, der es vorzog, Knappe zu bleiben? Oder geht es strikt nach dem Lebensalter, ungeachtet des Ranges? Geändert von consanguineus (15.07.2018 um 09:52 Uhr) |
#4
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Hallo consanguineus,
genau kann ich deine Frage nicht beantworten. Ich gehe davon aus, das es nicht zwingend nach dem Alter ging, wenn der Vater einen anderen Erben bestimmt hatte. Er wird den bevorzugt haben, der sich als der Tüchtigere erwiesen hat. Aber das ist nur eine Vermutung von mir. Vielleicht antwortet noch jemand, der besser über dieses Thema informiert ist. Viele Grüße Roswitha |
#5
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Hallo Roswitha,
nach Lehnsrecht war es wohl nicht so einfach, jemanden zum Erben zu bestimmen. Ein Lehnsverband bestand ja häufig aus mehreren Personen, die, wenn das Lehen schon lange in der Familie war, durchaus auch gar nicht mehr so nah miteinander verwandt gewesen sein mußten. Entscheidend war nur die Abkunft in direkter männlicher Linie vom ersten Lehnsnehmer bzw. den ersten Lehnsnehmern. Ich kann es halt nur für die Fälle sagen, die ich kenne. Aber mich würden die allgemein geltenden Regeln interessieren. Ein schönen Sonntag wünsche ich! |
#6
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Guten Morgen in die spätmittelalterlich/frühneuzeitliche Lehnsrechts-Diskussionsrunde
Zitat:
Meine Erfahrungen zu Deinen Fragen sind Folgende (basierend auf einer Vielzahl ausgewerteter Lehnsbücher und -urkunden/briefe): Zitat:
Zitat:
Zitat:
Also meiner Meinung nach: nein. Ich handhabe das genauso. Schön sind ja Lehnsbriefe, die noch in die Zeit der Kirchenbücher hineinragen und anhand derer man die Reihenfolge der Söhne prüfen kann. In meinen Fällen stimmte bisher die aus den Lehnsbriefen gezogene Schlussfolgerung. Deshalb gehe ich davon aus, dass man auch für die Vor-KB-Zeit methodisch davon ausgehen kann. Zitat:
Für niederadlige Familien im 15. Jh. kann ich dazu aber nichts sagen: Von meinen kursächsischen Ehrbarmannen, für die ich Lehnsbriefe kenne, war keiner Ritter und wird keiner als Knappe bezeichnet. Und unter meinen schweizerischen und niederrheinischen Vorfahren habe ich zwar Knappen und Ritter, aber für die wiederum gibt es keine Lehnsbriefe, die zur Lösung Deiner Frage beitragen. Aber: Wenn Du den "Rang" Ritter erwähnst, dann darfst Du nicht vergessen, worauf er sich bezieht; auf einen lehnsrechtlichen Vorteil unter standesmäßig Gleichen (hier: ritterbürtigen) wohl eher nicht. Außerdem: So toll ist das Seniorat nun auch wieder nicht, da man als Senior offenbar die ganze Verantwortung und Verwaltung innehatte. Zitat:
Erbe wird nach Erbrecht vererbt, und da konnte man auch testieren, sofern man zwingende Rechte wie die Gerade nicht beschnitt. Lehen dagegen werden nur nach Lehnsrecht weitergegeben, und das man dahingehend letztwillig verfügen könnte, ist mir noch nirgends aufgefallen oder untergekommen. Verkaufen/ verschenken: ja, sofern der Lehnsherr Konsens erteilt. Aber selbstbestimmt vererben: nein. Es grüßt der Alte Mansfelder Geändert von Alter Mansfelder (15.07.2018 um 11:22 Uhr) Grund: Im vorletzten Absatz den Schluss ergänzt. |
#7
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Alter Mansfelder, ich danke Dir sehr für die Zeit, die Du Dir genommen hast, Dich meiner Frage so sorgfältig anzunehmen. Das ist mir eine große Hiilfe!
In dem konkreten Fall, der mich beschäftigt, geht es um die Frage, wie ich die Brüder Heinrich d. Ä. (Knappe), Wedigo (Ritter) und Heinrich d. J. (Ritter) von dem Rode altersmäßig sortieren kann. Daß Heinrich d. Ä. älter ist als sein gleichnamiger Bruder, der als "der Jüngere" bezeichnet wird, versteht sich von selbst. Es ergeben sich nun theoretisch folgende Optionen: 1. Heinrich d. Ä., Heinrich d. J., Wedigo 2. Heinrich d. Ä., Wedigo, Heinrich d. J. 3. Wedigo, Heinrich d. Ä., Heinrich d. J. Bislang ging ich davon aus, daß Wedigo in der Mitte rangiert, denn man findet es auch in anderen Generationen, daß der Älteste Heinrich heißt, der nächste Wedigo und der folgende jüngere Bruder (so vorhanden) wiederum Heinrich. Danach war es offenbar egal. Diese drei Brüder waren seit 1359 Pfandnehmer (ich bin mal so frei, die lehsnrechtlichen Gepflogenheiten auf das Pfandgeschäft zu übertragen) auf dem Falkenstein. Zum ersten Male taucht im Jahre 1385 ein Revers gegenüber dem Bischof von Halberstadt als Pfandgeber auf. Es reversieren sich Ritter Heinrich d. J. (in der Urkunde allerdings d. Ä. genannt, da sein gleichnamiger Neffe ebendort als d. J. auftaucht) und seine Neffen, die Brüder Heinrich, Wedigo und Friedrich. Ich folgere daraus, daß Wedigo (deren Vater) verstorben war und seine Söhne aus diesem Grunde namentlich als Mitinhaber des Pfandes genannt werden. Da nun der Knappe Heinrich d. Ä. in diesem Revers ebenfalls nicht mehr erwähnt wird, kann er 1. nicht mehr am Leben sein, muß er 2. jünger als Wedigo sein (ansonsten, also wenn er älter gewesen, mithin der Senior gewesen wäre, hätte der Pfandbrief schon vor 1385, nämlich anläßlich seines, des Knappen Heinrich Tod, erneuert werden müssen) muß er 3. auch vor seinem Bruder Wedigo verstorben sein. Wäre Wedigo nämlich zuerst verstorben, wäre Heinrich d. Ä. Senior geworden. Weiterhin scheint Heinrich d. Ä., der Knappe, keine zu diesem Zeitpunkt, also 1385, noch lebenden Erben gehabt zu haben, da diese sonst, analog zu Wedigos Söhnen, nach dem Tode ihres Vaters als Mitinhaber des Pfandgutes aufgeführt worden wären. Im Jahre 1386, bereits ein Jahr später, reversieren sich die Rodes erneut gegenüber dem Bischof, und zwar anläßlich des Todes des Ritters Heinrich d. J. Nun ist die erste Generation der Pfandnehmer komplett verstorben. Pfandinhaber sind, wie zuvor, die drei Söhne des Wedigo, nämlich Heinrich, Wedigo und Friedrich. Auch Heinrich d. J. scheint ohne männliche Erben aus der Welt geschieden zu sein, denn weitere Rodes werden nicht aufgeführt. Stattdessen werden Hans Marschalk und Friedrich von Bendeleben Mitinhaber, wofür es eigentlich nur zwei Gründe geben kann: entweder, die Rodes benötigten Geld und ließen es zu, daß Marschalk und Bendeleben sich in den Falkenstein "einkauften", worüber es allerdings unter den zahlreichen Urkunden des Hochstifts Halberstadt keine Belege gibt, oder aber Marschalk und Bendeleben sind die Schwiegersöhne Heinrichs d. J. von dem Rode, wofür es allerdings ebenfalls keine Belege gibt. Ich persönlich neige zur zweiten Version. Falls sie nämlich Töchter Heinrichs d. J. geheiratet hätten, so wird dies aller Wahrscheinlichkeit vor der Übernahme des Falkensteins durch die Rodes passiert sein, als nämlich die Rodes noch in ihrer alten Heimat, der Goldenen Aue, lebten und wirkten, aus der auch die Marschalks und Bendelebens stammten. Einen vierten Bruder Heinrich hat es, wie ich unlängst feststellte, ebenfalls gegeben, welcher allerdings vor 1345 verstorben ist. Ich vermute, dieser war der älteste von allen, so daß die Reihenfolge folgendermaßen gelautet haben könnte: Heinrich (+ vor 1345), Wedigo, Heinrich d. Ä., Heinrich d. J. Somit wäre die traditionelle "Rode'sche Ordnung" wiederhergestellt! Falls sich jemand wundern sollte, worüber man sich in seiner knappen Freizeit Gedanken machen kann: mir bereiten solche Dinge tatsächlich Freude! Geändert von consanguineus (15.07.2018 um 14:32 Uhr) |
#8
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Hallo consanguineus,
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Warum? Wenn er sonst stets vor Wedigo steht, war er gewiss älter. Zitat:
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Es grüßt der Alte Mansfelder |
#9
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Hallo Alter Mansfelder,
zunächst einmal ein dickes Lob: ich schätze Deinen Scharfsinn und Dein Wissen sehr. Deine Anmerkungen sind mir stets eine große Hilfe und zugleich Anregung, meine Gedanken neu zu denken. Zitat:
1345: Wedigo "nomine Rade" und seine Brüder 1346: Heinrich, Wedigo und Heinrich "fratres, dicti vonme Rode" 1348: dito, aber inhaltlicher Bezug auf die beiden Urkunden von 1346 1349: Heinrich der Ritter (also d. J.), Heinrich und Wedigo (damals Knechte) 1356: Ritter Wedigo und Heinrich (also d. J.) sowie der Knecht Heinrich 1359: Wedigo und Heinrich, Ritter, und Heinrich, Knecht 1366: Wedigo und Heinrich, Ritter, sowie deren Bruder Heinrich d. Ä. 1369: Wedigo und Heinrich, Ritter, sowie Heinrich, Knecht Das sind jetzt alle mir bekannten Urkunden, in denen ALLE DREI Brüder erwähnt werden. Offensichtlich wird der Rang dem Alter vorgezogen. Sobald einzelne Personen als Ritter oder Knecht bezeichnet werden, steht der/stehen die Ritter vorne an. Die Urkunde von 1345 stellt Wedigo an prominente Position. Seine Brüder werden zwar erwähnt, aber nicht namentlich. Es geht aber aus dem Kontext klar hervor, daß es sich um die Heinrichs handelt. Die Urkunden von 1346 und 1348 legen die Vermutung nahe, daß tatsächlich ein Heinrich der Älteste ist, gefolgt von Wedigo und Heinrich. Im Jahre 1349 wird Heinrich (d. J. ) erstmals als Ritter erwähnt und steht folgerichtig am Anfang. Heinrich und Wedigo sind die Knappen. Schlußfolgerung siehe oben. 1356, Wedigo ist inzwischen zum Ritter geschlagen worden und rangiert vor seinem Bruder Heinrich d. J., welcher schon einige Jahre zuvor als Ritter bezeichnet wird. Beide werden vor dem Knappen Heinrich d. Ä. genannt. Im Grunde muß ich zugeben, daß die allermeisten Urkunden den Schluß nahelegen, daß der Knappe Heinrich der älteste Bruder ist, gefolgt von Wedigo und dem jüngeren Heinrich. Nur die erste Urkunde paßt nicht in das Bild. Warum könnte Wedigo hervorgehoben worden sein? Es geht um eine von den Lehnsherren genehmigte Schenkung an das Kloster Ilfeld. Was denkst Du? Zitat:
Ob die Leitnamentheorie wirklich überholt ist, darüber streiten sich die Gelehrten. Mangels einer echten Ausbildung in dieser Richtung will und werde ich mich dazu nicht äußern. Ich will auch gar keine Wissenschaft davon machen, habe aber beobachtet, daß es durchaus typische Namen in bestimmten Familien gibt. Aufgrund sich verändernder Moden wird vielleicht nicht mehr die Mehrzahl der Jungs auf einen dieser Namen getauft. Aber dennoch ist es so. Ein gutes Beispiel ist die Familie meiner Frau, in der ein bestimmter Name gehäuft vergeben wurde (und gelegentlich noch wird). Außerhalb dieser Familie tritt dieser Name äußerst selten auf. Man muß dieses Phänomen nicht in die Schublade "Leitnamen" stecken. Es ist einfach nur ein netter Brauch, der in manchen Familien gepflegt wurde und wird. Viele Grüße über den Berg! |
#10
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Hallo consanguineus,
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Zum Schluss eine interessierte Frage: Weshalb ist es Dir so wichtig, die Altersreihenfolge der Brüder zu klären? Es grüßt der Alte Mansfelder |
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