Altpreußisches Infanterieregiment No. 9 - Sentinel Johann Dietrich Sengersmann - 1732

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  • hmw
    Erfahrener Benutzer
    • 16.06.2016
    • 1369

    Altpreußisches Infanterieregiment No. 9 - Sentinel Johann Dietrich Sengersmann - 1732

    Guten Morgen,

    bei meiner Forschung im Kirchspiel Schwelm bin ich auf folgenden Eintrag gestoßen, dessen Deutung hier https://forum.ahnenforschung.net/sho...d.php?t=195292 schon eifrig diskutiert wurde:

    Der Ehrsame Junggesell Johann Dietrick Sengersmann, Engelbert Sengersmann auf'm Sengersmann, Ksp. Volmarstein ehelicher Sohn mit Jungfer Elisabeth Voss seel. Ebbert Voss im Hermanssiepen aufm Wege hinterlassener ehelicher Tochter. Dazu der Randvermerk, dass der Bräutigam letztens (= zuletzt) sentinel (= Wachsoldat) beim (= bei seinem) Abschied vom Obrist v. Waldau(schen Regiment) war, der in Hamm am 18. Juli 1732 erfolgte. Dimissi den 29. Juni 1733.

    Leider kann ich weder die Taufe noch die eigentliche Eheschließung des J.D. Sengersmann (oder auch Sengs(t)mann) finden, sodass ich an dieser Stelle nicht weiterkomme. Daher nun meine Frage: Gibt es für das genannte Regiment noch irgendwelche Dokumente, die mehr über die gesuchte Person preisgeben würden? Freue mich über jeden Tipp!

    Gruß
    Martin
  • Manni1970
    Erfahrener Benutzer
    • 17.08.2017
    • 2396

    #2
    Hallo Martin,

    zunächst ziehe ich meinen Hut vor den Leseexperten hier im Forum, besonders was Christian und Xylander da geleistet haben, ist schon sehr rekordverdächtig.

    Dass man dir unter "Militärexperten" aber viel weiterhelfen wird, möchte ich bezweifeln, weil:
    - 1730er Jahre ist natürlich schon ziemlich weit zurück, da wird es schon für Offiziersdaten nicht so einfach, aber für einen Gemeinen kaum machbar (höchstens vielleicht für sächsische Soldaten?);
    - hier dreht es sich aber um die preußische Armee, bekanntlich wurde das Potsdamer Heeresarchiv im Frühjahr 1945 durch die Royal Air Force praktisch vollständig zerstört, damit u.a. auch die Mannschaftsstammrollen;
    - es handelt sich um das IR 9 ap, von diesem Regiment waren jedoch bereits vor dem Luftangriff die Stammrollen nur noch seit 1789 erhalten;
    - obwohl die Gründung des Regiments noch im 17. Jhd. stattfand, blieben die MKB nur seit 1759 erhalten, das war also im 7jährigen Krieg und deutet draufhin, dass frühere Jgg. eben in diesem Krieg verlorengingen.

    Es gab und gibt also keine Stammrollen und auch keine MKB für die 1730er Jahre von diesem Regiment. Damit geht der Ball vom Leser-, über das Militär-Forum an das Regional-Forum, also hier NRW. Denn möglicherweise blieben in Stadt- o. Landesarchiven die Kantonrollen erhalten. Ich kenne mich in NRW nicht aus, bezweifele aber ein bisschen, dass es so frühe Rollen dort heute noch gibt. Eingehend mit der altpreußischen Armee in Westfalen hat sich der frühere Direktor des GStA Berlin, Prof.Dr. Kloosterhuis, beschäftigt. Das zweibändige Werk "Bauern, Bürger und Soldaten. Quellen zur Sozialisation des Militärsystems im preußischen Westfalen, 1713 - 1803. Müster 1992" hatte ich mal ausgeliehen. Das war aufgrund der vielen Quellenhinweise auch für Familienforscher interessant, ich weiß aber nicht mehr, ob darin auch das IR 9 ap behandelt wurde.

    Noch zur Heirat. Erst 1750 wurde in der pr. Armee die Trauung eindeutig dem jeweiligen Regimentsprediger zugestanden, ob die Brautleute nun ev.-luth., ev.-ref. oder kath. waren. Davor konnte der Kantonist, der also nicht ständig vor Ort in der Garnison mit einem anwesenden Feldprediger seinen Dienst versah, auch vom örtlichen Pfarrer - wohl dem am Heimatort der Braut - getraut werden. Was aber in jedem Fall auch in den 1730er Jahren notwendig war, war die Erlaubnis seines Hauptmann/Kapitäns (also Kompaniechef). Eine Trauung ohne Erlaubnis wurde nachträglich aufgehoben, der Soldat bekam 1 Jahr Festungshaft und das "Weibsstück" kam 1 Jahr ins "Spinnhaus". Demnach wurde die Tr wohl vom Feldprediger am Garnisonstandort aufgeboten, der Hauptmann musste zustimmen und dann erfolgte noch das zivile Aufgebot bei den Heimatpfarrern der beiden Brautleute. Die Zustimmung des Feldpredigers nach dem erfolgten Aufgebot könnte dann als Dimissoriale ins MKB aufgenommen worden sein.

    MfG
    Manni
    Zuletzt ge?ndert von Manni1970; 29.10.2020, 10:57.

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    • Schlumpf
      Erfahrener Benutzer
      • 20.04.2007
      • 355

      #3
      Hallo

      nun, die alte Knüppelgarde. Bei der Ziehung von Rekruten dieses Regimentes kam es schon-
      mal zu gewaltsamen Todesfällen. Der Kanton dieses Regimentes war die Grafschaft Mark.
      Wegen der Gewaltexzesse wurde 1735 ein wenig sich besonnen und sowas untersagt, doch
      wohl nicht mit durchschlagendem Erfolg. Das Regiment stand vor 1763 in Soest, Unna und
      Hamm. Nach Archion gibt es Militärkirchenbücher von Lippstadt erst ab 1775, von Unna und
      Soest wohl eher nicht, oder sie befinden sich im Zentralarchiv in Spandau.
      Verheiratete Soldaten gab es auch in anderen Armeen. 1756 wurde deren Zahl in hiesiger
      Armee auf 6 pro Kompanie begrenzt. "Per Matrimonium subsequenz legimatus (a) est"
      steht dann immer neben dem Taufeintrag eines Soldatenkindes. Aber das nur am Rande,
      da der Mann offensichtlich entlassen war.

      Aber: Da steht klar: Dimittiert! also wurde das Ehepaar in Schwelm verkündigt und hat in
      einer anderen Pfarrgemeinde geheiratet. Aus dem Originalen Eintrag (eine subopti-
      male Kopie) geht der Ort der Trauung nicht hervor. Möglich, dass der Pastor von Volmar-
      stein die Trauung vollzog. Wie das so ist, kann die Trauung auch in einem ordentlichen
      Wirtshaus vollzogen worden sein. Ab 1691 erlaubte die märkische Synode die Trauung
      außerhalb der Kirche. Das kostete aber 5 Rthlr. Ab 1677 wurde vorgeschrieben: Die
      Proclamation soll ord. geschehen und soll 6 Wochen, vom Tage der Sponsalien, die
      priesterl. Einsegnung folgen. Offensichtlich waren beide Ehepartner lutherisch.
      Nach der Auflistung bei Archion existiert für Volmarstein im Kirchenkreis Hagen kein
      Proclamationsbuch (oder Heiratsbuch) vor 1748, also kann man das getrost vergessen.
      Es gibt aber sehr wohl ein Taufbuch, was 1672 beginnt.

      Viel Spaß damit
      Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

      Kommentar

      • hmw
        Erfahrener Benutzer
        • 16.06.2016
        • 1369

        #4
        Hallo zusammen,

        ganz herzlichen Dank für die fachkundigen Auskünfte! Sehr spannend, auch wenn es nichts Neues über die gesuchte Person hervorbringt und die Hoffnung schmälert. Ich werde mich aber noch mal mit den Taufen von Volmarstein beschäftigen, vielleicht finde ich ihn doch noch.

        Gruß
        Martin
        Zuletzt ge?ndert von hmw; 29.10.2020, 21:04.

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        • Xylander
          Erfahrener Benutzer
          • 30.10.2009
          • 6446

          #5
          Zitat von Schlumpf Beitrag anzeigen
          Hallo Aber das nur am Rande,
          da der Mann offensichtlich entlassen war.

          Aber: Da steht klar: Dimittiert! also wurde das Ehepaar in Schwelm verkündigt und hat in
          einer anderen Pfarrgemeinde geheiratet. Aus dem Originalen Eintrag (eine subopti-
          male Kopie) geht der Ort der Trauung nicht hervor. Möglich, dass der Pastor von Volmar-
          stein die Trauung vollzog. Wie das so ist, kann die Trauung auch in einem ordentlichen
          Wirtshaus vollzogen worden sein. Ab 1691 erlaubte die märkische Synode die Trauung
          außerhalb der Kirche. Das kostete aber 5 Rthlr. Ab 1677 wurde vorgeschrieben: Die
          Proclamation soll ord. geschehen und soll 6 Wochen, vom Tage der Sponsalien, die
          priesterl. Einsegnung folgen. Offensichtlich waren beide Ehepartner lutherisch.
          Nach der Auflistung bei Archion existiert für Volmarstein im Kirchenkreis Hagen kein
          Proclamationsbuch (oder Heiratsbuch) vor 1748, also kann man das getrost vergessen.
          Es gibt aber sehr wohl ein Taufbuch, was 1672 beginnt.
          Viel Spaß damit
          In welchem Alter wurden die Rekruten gezogen und wann wieder entlassen? Ließe sich ein Zeitraum für die Suche im Taufbuch angeben?
          Vile Grüße
          Xylander

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          • Schlumpf
            Erfahrener Benutzer
            • 20.04.2007
            • 355

            #6
            Hallo

            Leider kann ich dazu keine Angaben machen. Die hiesige Gegend gehörte nich zu Preußen.
            Wie erwähnt, dienten die Soldaten hier meist 6 Jahre. Ich habe einen Soldaten, der 1744
            geboren wurde und 1766 zur Armee nach Jülich ging. 1768 erhielt er eine Heiratserlaubnis
            vom Chef und 1772 seinen Abschied.
            Ein anderer Fall ist der eines Bauern, der sich für Geld für einen anderen ziehen ließ: Er war
            1699 geboren, zog zur Riesengarde nach Potsdam und heiratete 1732, nachdem er seinen
            Militärdienst hinter sich hatte. Gestorben ist er 1775. Die Nachricht über sein Potsdamer
            Abenteuer hat der Pastor beim Tode seiner Tochter 1818 überliefert.
            1799 kam es bei der Ziehung von Rekruten des Rgt. Nr. 9 zu einem Zwischenfall, als ein
            dummer Soldat einen Rekruten erschoss. Der Rekrut war 1773 geboren, starb 1799.

            Mehr kann ich dazu nicht sagen.
            Viel Spaß damit
            Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

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            • hmw
              Erfahrener Benutzer
              • 16.06.2016
              • 1369

              #7
              Vielen Dank für den Einblick. Wenn ich es richtig sehe, gehörte Volmarstein zur Grafschaft Mark, die seit 1609 zu Brandenburg bzw. Brandenburg-Preußen gehörte. Was ließe sich denn daraus ableiten? Gab es für (Brandenburg-)Preußen ein festes Alter für die Wehrpflicht?

              Gruß
              Martin
              Zuletzt ge?ndert von hmw; 08.11.2020, 11:36.

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              • hmw
                Erfahrener Benutzer
                • 16.06.2016
                • 1369

                #8
                Kleiner Nachtrag: Habe die Familie im FB Silschede/Asbeck gefunden. Der Sentinel Johann Dietrich Sengstmann wurde am 29.09.1707 in Volmarstein getauft. Aus dem Eintrag ergab sich sogar, dass Sengst eine Ortsbezeichnung ist: https://www.google.com/maps/place/Ge...64!4d7.3148106

                Noch mal herzlichen Dank für eure Hilfe, hier und bei der Lesehilfe!

                Gruß
                Martin

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                • Xylander
                  Erfahrener Benutzer
                  • 30.10.2009
                  • 6446

                  #9
                  Hallo Martin,
                  sehr schön!

                  Hier noch die Deutung des Ortsnamens nach Leithaeuser
                  sang, senge, m. f ,
                  gehören zu dem Ztw. sengen und bezeichnen die durch Feuer gesengte und so gerodete Waldstelle 122 ).
                  Sangen Kr. Sieg (Herchen), an der Sangen K. Düssel- dorf (Gerresheim), in der S. K. Gummersbach (Wiehl), auf den Sängen ö. Unterbach (Mettmann), Gesangs K.Remscheid (Wermelskirchen), am Sengst n. Asbeck (Hattingen),



                  Viele Grüße
                  Xylander

                  Kommentar

                  • hmw
                    Erfahrener Benutzer
                    • 16.06.2016
                    • 1369

                    #10
                    Moin Xylander,

                    danke für die aufschlussreiche Ergänzung!

                    Gruß
                    Martin

                    Kommentar

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