Briefe meiner Großmutter aus Riga 1903 - 17

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  • Frank K.
    Erfahrener Benutzer
    • 22.11.2009
    • 1318

    #16
    Dokument 10: 8./26.01.1904, Riga, Große Brauer Str. 2/4.
    Lieber Arthur,
    Ich fürchte, wenn Du die oben beigefügten Marken siehst, daß Du es für eine Belästigung hältst. Ich schäme mich so, Dir so viel Ärger zu machen, da ich weiß, daß Du viel zu tun und wenig Zeit hast. Wenn ich es aber zu Alf schreibe, wird es vergessen und bei Ted ist es hoffnungslos. Läßt er mir eigentlich einmal die Kontenaufstellung zukommen? Wir sahen in einem "Weekly Dispatch", den uns Alf schickte, eine Karte vom Fernen Osten angeboten, auf der Forts, Schiffe, Häfen und alle wichtigen Orte sonst aufgeführt sind, die 1/- oder 2/6 kostet. Sie soll von Phillips & Sons bei der Daily Mail herausgegeben werden, aber dummerweise war keine Anschrift aufgeführt. Wenn Du sie weißt, dann schicke ihnen bitte Briefmarken dafür und 1/- fürs Porto und teile ihnen meine Anschrift mit. Karten sind hier furchtbar teuer.
    Das ist jetzt aus meinem Gedächtnis heraus! Danke für die "I.P." Es ist eine gute Zeitschrift. Ich habe Deinen Artikel sehr genossen, auch wenn er viel zu kurz war. Ada Wood hat auch geschrieben, und meinte, sie wolle einige seiner Bücher lesen. Ich habe zweimal versucht, Dir von der herrlichen Karte zu erzählen, die Rudolf von Dana aus M´bro erhalten hat. Dort steht eine Bank und über ihr hängt ein Plakat, auf dem Steht "Dieser Platz ist offizielles Eigentum von Großbritannien, darf aber von allen anderen kostenlos benutzt werden". Auf ihr machten sich ein Amerikaner, ein Deutscher, ein Italiener (oder Franzose) und ein Russe mit einem äußerst grimmigen Aussehen breit und saßen nebeneinander. Sie haben fast den auf der anderen Seite sitzenden John Bull herunter geschubst, der sehr hilflos aussieht. Unten drunter steht folgende Unterschrift: "Auf geht’s John, mach Platz!" Diese Karte war so adressiert, daß sie über Deutschland kam! Sie ist eine der besten Ansichtskarten, die ich jemals gesehen habe. Der Deutsche hat darauf den besten Platz. Ich hoffe, daß es jetzt Florrie schon besser geht und sie nicht anfängt, zu langweilen. Dieser Brief ist für sie und auch für Jennie, aber aus wirtschaftlichen Gründen kann ich nicht jedem von Euch einzeln schreiben, da es jedesmal das Gleiche wäre.
    Jennie wird es interessieren zu hören, daß wir gestern zu einer Taufe gingen. Die Leute waren Rudolf nur wenig bekannt. Der Vater kam erst am Donnerstag, um uns einzuladen. Aus der kurzfristigen Einladung schloß ich, da sie zu Hause stattfinden sollte, daß die Leute nicht damit angeben wollten, und daher diesen Fehler machten. Rudolf dachte wie ich, daß meine Brosche oder das weiße Seidenkleid zu großartig wäre. Also zog ich mein neues braunes Kleid an. Im ersten sah ich nett, plump und matronenhaft aus (so wie jetzt in jedem Kleid).
    Die meisten anderen erschienen in weißen oder hellen Farben und herrlichen weißen Glacéhandschuhen. Zunächst hatten wir eine nette Fahrt und fuhren in einem Schlitten. Wir wollten zum Landesteg der Boote nach Hagensberg fahren. Als wir dort ankamen, war dort der nette Fuhrmann mit dem schönen Pferd, das wir am Neujahrstag hatten und fuhren die ganze Strecke mit ihm. Es war nicht sehr kalt und schneite ein wenig. Wir kamen, meiner Meinung nach, viel zu früh an. Es war 5.30 Uhr und alle anderen (etwa 40 oder 50) waren schon angekommen. In der Empfangshalle (Es ist hier so schrecklich. Sie führen einen nie in ein Schlafzimmer, wo man sich frisch machen kann. Man weiß, daß sie irgendwo schlafen, aber Schlafzimmer sind eine unwichtige Sache), legten wir ab und gaben der Gastgeberin einen silbernen Serviettenring für das Baby. Dann ging Rudolf zu den Männern in ein Zimmer. Ich wurde in einen Salon geführt und geheimnisvoll mit Namen jeder Dame vorgestellt. Es war wirklich ermüdet, dauernd "Frau Karnowsky" zu hören und die lahmen Hände zu reichen, bis es fertig war. Dann durfte ich mich setzen und fragte mich, ob mein Hut und mein Kleid richtig säßen und Aufsehen erregten. Es waren viele Kerzen und eine grüne Laube auf der einen Seite, unter der ein Tisch wie ein Altar angerichtet war. Nachdem wir lange warten gelassen wurden, kam der Pastor (ein klug aussehender großer junger Mann, wie ein Doktor oder Rechtsanwalt) in einem schwarzen Talar mit Bändern herein. Dann brachten sie das Baby in einem großen Umhang und einer Mütze mit Spitzen besetzt (hier sind sie so altmodisch). Die Männer versammelten sich an der Zimmertür um zuzusehen. Dann nahm der Taufpate das Kind und hielt es längere Zeit, während der Pastor sprach. Auf einmal kam eine Magd mit einer Wasserschale herein und sie nahmen dem Baby die Mütze ab. Der Geistliche goß Wasser auf seinen Kopf, taufte ihn "Reinhold Hermann Karl Adolf", trocknete seinen Kopf mit einem Handtuch ab und es war vorbei. Es scheint mir irgendwie etwas zu fehlen, weil ich die englische Art lieber mag, wo der Geistliche das Baby auf den Arm nimmt. Anschließend versammelten sich alle, um zu gratulieren und Diener brachten große silberne Tabletts voll mit eisgekühltem Champagner und Makronen herein. Wir alle aßen und tranken. Ich sprach ein paar Worte mit Rudolf und dann verschwanden sie wieder um sich gegenseitig zu langweilen, während wir Damen ruhig dasaßen und das Gleiche machten. Nach einiger Zeit kam der Troß noch einmal mit Tassen voll Schokolade, Schlagsahne, Süßigkeiten und Kuchen. Dann räumten sie den Altar und die Teppiche weg und tanzten hinterher etwas. Ich denke, daß es etwa 11 Uhr war, als die Gastgeberin kam und sagte: "Bitte zum Tisch!" Ich nahm Rudolf und wir gingen "zum Tisch." Ich dachte, daß es das Mittagessen sein würde, aber das richtige Mittagessen ist 2 oder 3 Stunden später. Dies war aber, was Rudolf einen "Imbiß" oder "Im Biß", eine Art Zwischenmahlzeit, nennt. Jeder von uns hatte 3 Teller, ein Messer und eine Gabel (wir behielten sie für alles). Es gab alles Mögliche zu essen: Räucherlachs, Sardinen, Hummer, Heringe in allen möglichen Sorten (Man muß wissen, daß alles in Büchsen furchtbar teuer ist und die Leute damit angeben wollen, wenn sie auftischen), Sardellen und Eier, Leberwurst, ein riesiger gekochter Schinken, viele andere Dinge, die ich nicht kenne (oder zu kennen glaube) und verschiedenste Käsesorten. Zu trinken gab es Bier, Likör und Selters Wasser. Als wir die Teller abgestellt hatten, dachten wir, daß die Gelegenheit günstig wäre, leise davon zu kommen (, da Rudolf meinte, daß alle uns rund herum die Hand geben wollten). So schafften wir es. Rudolf war auch erkältet und meinte, daß ich sehr müde aussähe, was auch der Fall war).
    Als wir nach Hause kamen war es etwa 10.15Uhr und wir waren noch sehr hungrig, da wir nicht sehr viel gegessen hatten. Ich zündete den Samowar an und wir tranken Tee und aßen kalte Koteletts. Wir saßen und unterhielten uns noch bis nach 12Uhr. Ich denke, daß das immer noch das Beste am Abend ist.
    Ich war zum Nachmittag-Tee und traf den Konsul und seine Frau. Sie sagte, wenn Krieg ist und England darin hinein gezogen wird, dann müssen sie uns verlassen. Ich denke, daß sie sehr glücklich sein wird, aber es wird weniger gut für alle anderen von uns. Alles, was sich darauf bezieht, ist in den Zeitungen geschwärzt. Haben eigentlich schon Schlachten stattgefunden? Mein Mädchen fürchtet, daß ihr Mann auch gehen muß, obwohl sie doch drei Kinder hat. Unser Dvornik muß auch gehen. Euch alles Liebe und schreibt bald.
    Eure Lily
    P.S. Mein Mädchen hat einen Hahn gebracht und ihn, bis sie nach Hause geht, ins Bad gesteckt. Er kräht sehr kräftig. Es ist hier eben ländlich!

    In diesem Brief sind die ersten Vorgeplänkel des Russisch-Japanischen Krieges erwähnt. Dieser Krieg wird auch die folgenden Jahre überschatten, auch wenn man "im fernen Westen" vorläufig kaum etwas davon spürt. Alles, was sich auf den Krieg bezieht, wird in den Zeitungen, die aus dem Ausland kommen, wie hier der Manchester Guardian, den meine Großmutter bekam, zensiert ("geschwärzt").
    Zuletzt geändert von Frank K.; 26.04.2010, 12:09.
    Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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    • Frank K.
      Erfahrener Benutzer
      • 22.11.2009
      • 1318

      #17
      Dokument 11: Frühjahr 1904, Riga, Dienstag 10Uhr.
      Lieber Arthur,
      Ich habe mich so gefreut, die Kritik über Deinen Artikel in den "I.P" in der letzten Freitagausgabe des Guardian zu finden und war überrascht, als ich die Zeitung nach dem Mittagessen gelesen habe. Sie kam erst gestern abend, weil der Zensor alles so lange zurückhält - und so schrecklich schwärzt. Schicke mir doch bitte eine Kopie der I.P. Vielen Dank für Deinen Brief, den Scheck, die Briefmarken und allen Ärger, den Du hattest, auch für Florries Brief. Wir haben hier sonst noch keine Magazine bekommen . Mrs Wiggs usw. kam am Sonntag, wurde aber weggelegt, bis ich mich einmal richtig schlecht fühle. Der Zensor rief Freitag an und sagte daß es da wäre. Wir mußten 8 Kopeken (2 Pence) dafür zahlen. Aimie schickte mir ein Boot´s Diary, für das wir 6 Kopeken (1 1/2 Pence) zahlen mußten. Sallie schickte mir zwei Arztbücher, die umsonst und ungeöffnet durchkamen, wie sie nicht gebunden waren. So ein verrücktes Land!
      Ich halte Dumas für schlechte Literatur, aber vergleiche ihn nicht mit Kipling. Ich bewundere ihn sehr und wünsche mir die 1 Penny Ausgaben von seinen "Barrack Room Ballads." Ich habe gesehen, daß sie in London verkauft werden. Rudolf möchte gerne von Adam Smith "Wealth of Nations" lesen. Es ist eine günstige Ausgabe, die Du nicht behalten möchtest. Kannst Du sie schicken, wenn Du sie gelesen hast? Ich denke, daß die Geschichten über die Azteken usw. lustiger sind. Ich liebe Indianer! Was hat Florrie dazu gebracht, die "Twins" zu lesen? Ich denke, daß sie es mag.
      Wir hatten beide schwere Erkältungen und Rudolf war sehr schlecht dran. Ich konnte noch herausgehen, war aber auch andererseits nicht richtig gesund und habe bemerkt, daß ich in den letzten zwei Wochen zweimal in Ohnmacht gefallen bin. Einmal in der Kirche, dann gestern abend in Kubeliks Konzert. Es war nicht gerade heiß, und ich war zu krank, um mich zu bewegen. Daher merkten es nur wenige Menschen und hatte meine Riechflasche die Salz und Kölnisch Wasser enthält bei mir. So konnte mich Rudolf gut verarzten. In der Pause bekam ich dann etwas Wasser. Die letzten zwei, drei Nächte habe ich nicht viel geschlafen und war deshalb, so denke ich, müde.
      Sonntag gingen wir zu Whittles zum Mittag und ich war so über die Tafel verwundert (Rudolf sagt, daß das nichts gegen das ist, was andere Leute einem oft anbieten), da es ein kleines Essen für zwei Freunde war und ich es sehr lächerlich fand. Zunächst gab es Sardinen, marinierte Heringe, Braten, Zunge und Würste. Wir dachten, daß das alles war, und aßen einiges. Dann kamen gebratene Hühner, Karotten, Kartoffeln, Soße und heißer gekochter Schinken, danach Fleischküchlein, Sülze, Meerrettich und Käse, Bier Schnaps und Klaren Schnaps zu trinken. Danach im Wohnzimmer Tee und Unterhaltung. Mr Whittle hat in Pohles Fabrik einen Betriebsteil unter sich. In England wäre er Vormann. Mrs Whittle ist hier eine große Bereicherung und Rudolf macht Späße über sie und sie ist sehr gutmütig und war zu mir freundlicher als alle anderen hier. Ich denke, daß sie sehr nett ist. Gebildete Leute sind hier selten und ich habe erst 2 oder 3 andere getroffen. Mrs Langford, ihre Schwester, ihren kleinen alten Pastor und seine Frau. Alle anderen erscheinen mittelmäßig. Ich freue mich zu hören, daß es Florrie wieder besser geht und sie keine Schmerzen mehr hat. Ich werde ihr demnächst schreiben. Ihr letzter Brief machte den Eindruck, als ob sie schlagartig erwachsen geworden wäre. Was hat sie vor? Will sie mich besuchen kommen? Mrs Whittle erwartet eine Nichte, die den nächsten Winter bei ihr verbringen will, aber ich denke, daß hier die Winter eine trübsinnige Zeit sind. Es ist nicht nur kalt hier. Letzten Sonntag war ein herrlicher Tag, an dem die ganze Zeit die Sonne schien. Es war so wie im Frühling, aber wir hörten außer den Spatzen, die in einem alten Warenhaus gegenüber leben, herüber fliegen und sich auf unserem Fensterbrett lieben, keine anderen Vögel. Liebe Grüße an Jennie, Dich und alle. Was macht Stanleys Debattierclub?
      Deine Lily.

      Interessant in diesem Brief ist die Schilderung von "ein kleines Essen für zwei Freunde" ... es ist doch erstaunlich, was alles geboten wurde: guten Appetit!
      Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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      • Frank K.
        Erfahrener Benutzer
        • 22.11.2009
        • 1318

        #18
        Dokument 12: Riga, 02./15.??. 1904

        Liebe Florrie,
        heute bekam ich einen langen Brief von Frieda aus Libau, die schreibt, daß es dort sehr ruhig ist. Ich dachte, niemals mehr einen Brief von jemandem zu bekommen, als am Sonntag Dein langer Brief und der von Alice Robinson ankamen. Vielen Dank für die Schnittmuster. Ich denke aber, daß ich sie etwas größer am Hals schneiden muß, da sie eher etwas klein erscheinen. Paddy sieht so lieb aus. Ich würde am liebsten spüren, wie er meine Hand leckt, so wie er es bei Mutter tut. Ist das Bild am Eingang aufgenommen? Es war wirklich toll, die Karten zu bekommen. Ich habe sie bis Sonntag aufgehoben und während dem Essen freudig angesehen. Da Onkel Rudolf faul ist und ich normalerweise allein frühstücke, bin ich zu hungrig, um stundenlang zu warten. "W. at Home" ist zu widerlich, um es aufgeschlagen zu lassen. Die Artikel "The Palette Club" sind sehr interessant. Ich bin so traurig, daß ich meine Malfarben vergessen habe, die ich so sehr vermisse. Viele Dinge, von denen ich dachte, daß sie Annie für mich eingepackt hat, kann ich in meinen Kisten nicht finden: Hackfleischmaschine, große Messer, usw. ... Ich war letzte Woche sehr aufgeregt, als Mrs. Ram hereinkam und sehr nett sein wollte, als Rudolf nicht da war. Sie und Annie trieben mich zur Verzweiflung. Ebenso das Bild von Daisy. Ich dachte eigentlich, es zu zeigen, habe aber ein nettes kleines, das ich so lieb habe. Ich hoffe, daß Du auch das nette Kochbuch bekommen hast, da ich mir gerade einen Herd gekauft hatte. Ich erwartete eigentlich im Juli oder August Flora Smith, fürchte aber jetzt, daß der Besuch bis zum nächsten Frühjahr aufgeschoben wird, weil ihrer Schwester Mrs. Amelt das Knie bald amputiert werden soll. Dann hängt es davon ab, wie es ihr danach geht. Mrs. S. ist keine Verwandtschaft, sondern eine Dame aus Bolton, die ich hier getroffen habe. Sie hat ein 14 Monate altes Baby und erwartet im August ihr nächstes. Ihre Schwester scheint einsam zu sein. Sie ist 18, sehr ruhig, schüchtern, spielt kein Klavier, obwohl sie eines haben, unterhält sich nicht, scheint in der Tat eine Art Kinderschwester für das Baby zu sein und wird zusammen mit ihm zu Hause gelassen. Sie leben in Sassenhof, mitten auf dem Land auf der anderen Flußseite. Ich frage mich, ob Ihr vorletzten Sonntag gerne bei uns gewesen wärt. Wir fuhren mit einem Schlitten auf dem Eis über die Düna. Ich muß zugeben, daß ich mich etwas mulmig fühlte, da die Düna eine gefährliche Strömung hat und hier etwa eine halbe Meile breit ist. Wir kamen auf dem selben Weg zurück. Ich fühlte mich dann etwas besser, weil es mir jetzt schon vertraut war. Letzten Sonntag verbrachten ein Mr und Mrs Bergfried, die beide sehr nett sind, den Abend mit uns von 6Uhr bis 12Uhr. Sie ist Russin und spricht deutsch. Er spricht russisch, deutsch englisch und lettisch. Meine letzte Aufwärterin blieb nur eine Woche und hörte selbst auf. Sie fand aber ein nettes kleine 15 Jahre altes Mädchen, das nach Feierabend, um 4 oder 5Uhr nach Hause geht. Onkel Rudolf meint, daß sie zu jung ist. Ich denke aber, daß sie bald erwachsen wird und will sie gerne behalten. Sie ist sehr sauber und eine gute kleine Arbeiterin. Sie ist freundlich von der Zeit an, wenn sie morgens vor 8Uhr mit "Morgen Gnädige Frau" kommt, bis sie "Adieu" sagt. Sie hat mich sehr überrascht, weil sie meine Hand küßte und mir jeden Tag für das Essen dankte, oder wenn sie bezahlt wurde. Jetzt habe ich mich aber schon mehr daran gewöhnt. Aber ich hasse es! Ich habe etwas mehr zu tun, aber nicht zu viel und bin glücklicher mit ihr als mit einer älteren Frau. Onkel Rudolf wünscht sich zwei Bücher, von denen ich jetzt aber die Namen vergessen habe. Ich weiß, daß eines von Adam Smith ist. Kannst Du Vater fragen, wo man billige Ausgaben bestellen kann, die sie auf Rechnung liefern. Vielleicht kann Vater uns eine Liste mit preiswerten Autoren schicken. Keine Novellen, sondern richtige Bücher. Mir tut Nellie so leid. Was ist der wahre Grund? Ich habe es niemals richtig gehört. Ich bekam nur eine Ansichtskarte von ihr. Es war das erste Mal seit Monaten, daß sie mir geschrieben hat ... < Rest fehlt>
        Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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        • Frank K.
          Erfahrener Benutzer
          • 22.11.2009
          • 1318

          #19
          Dokument 13: 4./17. 04. 1904, Riga.
          Lieber Arthur,
          ist es nicht lustig, daß die Post meine Sachen nicht unaufgefordert schickt. Sie machte es sonst immer, als ich noch in England war. Die Termine sind 3.Januar, 5. April, 5.Juli und 5.Oktober.
          Es ist heute ein wirklich herrlicher Tag. Wir gingen nach dem Essen auf die andere Seite des Flusses spazieren. Nur Frieda kriecht hier mitleidvoll. Rudolf ist eine Ausnahme und geht wie ein Engländer. Seine Schwestern nörgeln wegen seiner Gehweise und wir über ihre!
          Denkst Du wirklich, daß zwischen England und Rußland ein Krieg ausbrechen wird? Das wäre wirklich sehr schlecht (auch nur daran zu denken) für das Geschäft hier in diesem Teil des Landes, da die Menschen sagen, daß die Engländer zuerst kommen werden, um Riga, Libau und die baltischen Häfen zu bombardieren.
          Hat Alf eigentlich schon sein Haus verkauft? Ich wäre froh, wenn es so wäre! Wieviel werden sie wohl dafür erlösen? Er ist wohl etwas müde, da er vergessen hat unseren Guardian zu bezahlen und wir seit etwa drei Wochen ohne englische Zeitung leben. Nur zweimal haben wir, denke ich, in Rudolfs Club die Daily News gesehen. Dort ist ein netter Leseraum, aber vier Stockwerke hoch und ohne Fahrstuhl. Dieses Wetter hier weckt in mir der Verlangen nach England. Hier ist alles so häßlich und manchmal habe ich das Gefühl, keinen Tag länger hier, ohne Euch zu sehen, leben zu wollen. Dieses Gefühl kommt immer öfter, wenn ich Besuch habe und so viel deutsch höre (Ich denke, daß mir das irgendwie auf die Nerven geht). Wenn ich es schaffe, Mrs. Ross, Mrs. Whittle, Mrs. Longford oder eine andere englische Seele in der Woche zu sehen, geht es bei mir besser, da ich auch viel Arbeit habe und sehr von meinem Mädchen angetan bin. Karsamstag gingen Rudolf und ich vor 12Uhr am Abend aus, um noch einige Dinge anzusehen. Die Russische Kathedrale ist illuminiert und die ganze Nacht bis um 4Uhr ist Gottesdienst. Um Mitternacht geht der Pope um die Kirche herum. Danach gingen wir auch noch etwas herum und gingen schließlich in die Kirche in unserer Nähe (durch eine doppelte Reihe schrecklicher Bettler). Dort gibt es keine Stühle und man muß die ganze Zeit stehen. In dieser Nacht hatte wirklich jeder eine brennende Kerze in der Hand. Die Bilder, der Gesang, die Vergoldungen, und alles ist einfach grandios und viel großartiger in der Russischen Kirche.
          Dienstag 6Uhr abends: Der Sommer scheint wirklich doch noch plötzlich gekommen zu sein. Heute war es ziemlich heiß. Ich habe im Zimmer mit weit geöffnetem Fenster gesessen und stopfe Socken. Bis heute trug ich noch einen Pelzhut. Jetzt habe ich einen aus schwarzem Tuch. Ich hoffe, daß sich die Post mit der Zeitung beeilen wird. Ich möchte mir, wenn das Geld kommt, eine kleine Mangel kaufen (kann ich es nicht sinnvoll für Blusen usw. verwenden!). Lisa muß die ganze Wäsche mit einem großen Korb mit nach Hause und zu einer Mangel nehmen, wo man sehr viel bezahlen muß.
          Ostersonntag waren wir um 12Uhr zu Herrn Bergfried (Russe) eingeladen. Ich habe viele Eier angemalt (mit Zwiebelschalen usw.), eines mitgenommen und gegen eines von ihnen eingetauscht. Rudolf begrüßte sie mit der richtigen Begrüßung "Christus ist auferstanden" ("Christos voscres" so ungefähr klingt es russisch). In einer von H. Andersens Geschichten wird es auch beschrieben. Um etwa 1Uhr hatten wir, denke ich, unser Mittagessen, aber alles kalt. Kalbsbraten, (ein ganzer) gekochter Schinken, gefärbte Eier, Käse, Ostergebäck, Paski (ich kann es nicht genau buchstabieren), Quark mit geschlagenen Eiern, Johannisbeeren, Vanille und andere Dingen hinein gemischt und in eine Form hineingetan, das schmeckt sehr gut. Zu trinken gab es Bier und Likör. Es kamen immer wieder einige Besucher, da es bei den Russen üblich ist, sich am Ostersonntag zu besuchen. Wir blieben noch zum Kaffee und gingen um 5Uhr und hatten einen längeren Spaziergang zum neuen Hafen. Der Fluß war voll von Treibeis. Bergfrieds kamen uns am Dienstag Abend besuchen als wir gerade fertig gegessen hatten (Du weißt, wie unordentlich der Tisch dann aussieht!) und ich hatte fast alles für sie im Haus, da es am Morgen geregnet hatte und ich nicht zum Markt gehen wollte, weil ich dachte, genügend zu Hause zu haben. Sie blieben bis 12Uhr und ich war dann ziemlich fertig. Die Leute hier sind so langweilig! Sie machen solche endlosen Besuche und wissen nie, wann sie aufstehen und gehen müssen! Ich habe bei meinen Schwägerinnen den Ruf sehr flink zu sein. Die englischen Schwägerinnen denken das von mir nicht gerade, aber dies ist hier ein lahmes Land.
          Dein Brief ist gerade angekommen. Ich wollte eigentliche auch mit dem Schreiben warten bis die Zeitung kommt (da kannst Du sehen, wie sparsam ich mit Marken bin). Vielen Dank für die Bücherliste. Vater zeigte mir Mr. Woods Schule in Colwyn Bay. Sie liegt schön, aber ich dachte nicht, daß er noch lebt. Morgen werden wir zum Konsul gehen. Dann kann ich die Urkunde beilegen. Hier kommt Stanley langsam aber sicher weiter. Ich bin froh, daß es Florrie wieder blendend geht. Wird sie im Sommer wieder Rad fahren oder darf sie noch nicht? Wie geht es Großmutter? Ich hoffe, daß es nicht ernst war, grüße sie bitte. Jetzt muß ich Feuer machen, weil ich meinem kleinen Mädchen Brot und Kuchen zu backen beibringen will. Hier backen die Leute mit großem Genuß, besonders zu Weihnachten usw. Jetzt aber Auf Wiedersehen und alles Liebe von meinem verehrten Mann, der bei mir ist.
          Deine Lily.

          Alle Vierteljahr mußte eine "Urkunde" = Life Certificate geschickt werden, um nachzuweisen, daß Lily noch lebt! (Dann kann ich die Urkunde beilegen). Das als Voraussetzung dafür, daß sie ihren vierteljährlichen Scheck aus dem Erbe bekam ... hierzu am Briefanfang:
          "ist es nicht lustig, daß die Post meine Sachen nicht unaufgefordert schickt. Sie machte es sonst immer, als ich noch in England war. Die Termine sind 3.Januar, 5. April, 5.Juli und 5.Oktober."
          Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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          • Frank K.
            Erfahrener Benutzer
            • 22.11.2009
            • 1318

            #20
            Dokument 14: Riga, Freitag vor Pfingsten.
            Liebe Florrie,
            Ich habe mich sehr gefreut, Deine schöne Ansichtskarte zu bekommen. Als Vater mir den Scheck schickte, schrieb er: "Nenn das nicht einen Brief, erwarte in zwei oder drei Tagen einen Brief von Jennie oder Florrie." Darauf warte ich seitdem und frage mich, warum nichts kommt. Wir haben schließlich doch noch schönes Wetter bekommen (Wir hatten aber letzte Woche zwei-drei kalte Tage ohne Sonne). Jetzt können wir am Abend und am Sonntag herausgehen. Letzten Sonntag gingen wir zum Rennen außerhalb von Riga. Den Sonntag davor fuhren wir mit dem Dampfer an den Strand. Wir standen früh genug auf, um das Schiff um 10Uhr zu erreichen und kamen um 12Uhr in Bilderlingshof an. Wir genossen das Essen, nahmen eine Zeitung mit, bummelten durch den Wald mit Pausen von Zeit zu Zeit und spazierten am Strand durch Edinburg I & II und Majorenhof bis wir um 3Uhr unser Boot in Dubbeln erreichten und Kaffee tranken. Die Rückfahrt war um 3.30Uhr. Wir kamen um 8Uhr in Riga an und hatten draußen einen geruhsamen Tag. Nächsten Sonntag wollen wir auch wieder dorthin und vielleicht über Nacht bleiben, da das Büro am Pfingstmontag geschlossen bleibt. Gestern Nacht war es herrlich. Wir fuhren etwas auf einem Boot heraus und spazierten nach Hause. Die Dampfer hier sind hier sehr preiswert. Nach Bilderlingshof kostet es uns in der 1.Klasse 20 Kopeken, das sind 5 Pence und von Dubbeln zurück 25 Kopeken (6 1/4 Pence) und ist viel angenehmer als im Zug. Es gibt hier an den Feiertagen keine günstigen Ausflüge und keine Sonderfahrten. Wenn man dann Besuche macht, muß man auch das volle Fahrgeld zahlen und alles ist überfüllt. Es wäre schöner gewesen, nach Libau zu Wilma zu fahren, aber wie schon berichtet, wäre es jetzt für mich zu weit. Ich denke, daß ich jetzt keine acht Stunden im Zug sitzen könnte. An einem Tag vor 2 oder 3 Wochen mußte Onkel Rudolf mit dem Zug geschäftlich nach Mitau (etwa 1 1/2 Stunden entfernt) fahren und nahm mich mit. Eigentlich wollten wir mit dem Schiff fahren. Es ist ein netter alter Ort mit breiten Straßen, Bäumen, niedrigen Häusern und einem lieblichen kleinen Fluß mit Wegen und Bänken an den Ufern. Wir gingen auch zum Schloß hinüber und ich setzte mich dann am Fluß hin und las Adam Bede, während Onkel Rudolf seine Geschäfte tätigte. Anschließend gingen wir spazieren und aßen zu Mittag. Bis zur Abfahrt des Zuges um 11Uhr saßen wir im kleinen Wald beim Bahnhof. Der Zug kroch nach Hause und wir kamen erst nach 1Uhr an. Rudolf hatte dann noch Hunger und wir kamen dann erst zwischen 3.00 und 4.00Uhr ins Bett. Am nächsten Morgen wollte ich lange schlafen, aber bekam fast nur den halben Schlaf den ich sonst habe. Ich bin sehr früh aufgewacht und konnte den ganzen Tag nicht mehr schlafen. Diese Häuser hier sind viel lauter als die englischen. Die lauten Türen und fehlenden Teppiche sind nur zwei Mängel und es ist auch nicht so komfortabel. Es ist schon lustig, müde vom Spazierengehen oder vom Markt nach Hause zu kommen. Bevor man sich hinsetzten kann, muß man sich außerdem noch 48 Stufen hinauf schleppen, obwohl wir noch ziemlich unten wohnen. Es sind noch zwei Wohnungen über unserer und dann kommt noch der Maschinist vom Dvornik. Erzähle Mutter, daß ich meine alte Frau, Frau Siebert zu Besuch hatte. Auf sie hat man sich bestens in Riga verlassen können, da sie schon 37 Jahre hier wohnt. Gestern hatte ich sehr viel Arbeit und heute Maschinenarbeit. Ich habe noch einen Korb voll fertig zu machen, drei oder vier Hemden noch zu mangeln und paar Wolljacken zu stricken. Ich möchte auch gerne noch einige Schürzen und Blusen machen. Ich weiß auch noch nicht, wie ich eine Mütze für ein Baby machen soll. Ich habe schon ein einen kleinen wattierten Bettbezug aus schönem rosa Stoff mir Rosen darauf gemacht und mache den Korb auch rosa. Hier beziehen sie rosa auf ein Mädchen. Ich denke es ist umgekehrt wie bei uns, wo man rosa für einen Jungen hat und blau für ein Mädchen. Was habt Ihr alle zu Pfingsten gemacht? Habt Ihr etwas von Onkel Ted, seiner Frau oder den Jungen gesehen? Ich nehme an, daß Sid im Lager ist. Liebe Grüße an alle und vielen Dank für die Post.
            Deine Liebe Tante Lily.
            Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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            • Frank K.
              Erfahrener Benutzer
              • 22.11.2009
              • 1318

              #21
              Dokument 16: Riga, Sonnabend 4Uhr nachmittags (Frühjahr 1904 - nach Pfingsten)
              Liebe Florrie,
              Ich schicke das Buch zurück, das Vater mit einer 2 1/2P. Briefmarke geschickt hat, weil es viel mehr als 1 Unze wiegt. Zum Glück haben sie es nicht gemerkt, sonst hätten wir 20 oder 30 Kopeken bezahlen müssen. Ich habe es aber nicht riskiert, es zurückzuschicken. Ich hoffe, daß der Sommer bei Euch anhalten wird. Wir hatten gerade 2 Tage lang Sommer (so heiß wie im August. Aber das Wetter schlug um und wurde zu meinem Verdruß wieder kalt). Ich hasse die Hitze, weil ich keinen Garten habe und nicht am Meer sein kann. In der Stadt ist es so furchtbar, obwohl unsere Wohnung schön und luftig ist, und es ist schön, nach dem Markt wieder herein zu kommen. Wie beneide ich Dich um Deinen Garten! Ich versuche mit Blumen und Pflanzen mein Bestes. Es ist eine Freude über den Markt zu gehen, da er voll von violetten Lilien und anderen Frühlingsblumen ist. Gestern bekam ich Lilien für 1 1/4 Pence, die aber im Haus schon bald welken. Pfingstsonntag und Montag waren wir am Strand, aber es war kalt und windig, obwohl Onkel Rudolf mehr liebt, wenn es heiß ist. Mir war sehr es angenehm. Das Meer hatte niedliche weiße Wellen. Es ist so schön aufzuwachen, die Vögel anstatt den Straßenbahnen und Droschken zu hören und auf die Veranda zum Frühstück hinauszugehen, anstatt in ein dunkles Eßzimmer. Frühling und Sommer sind wirklich schön. Seitdem hatte ich schon einige kleine Unfälle. Wir kamen früh nach Hause und der Zug war gestopft voll. Wir waren wie die Heringe im Faß! Als wir dann vom Bahnhof nach Hause fuhren, stieß unsere Droschke mit einer andern zusammen und blieb an Randstein hängen. Nach dem Essen gingen wir in Wöhrmanns Park um ein wenig Musik zu hören, wo ich schrecklich ohnmächtig wurde. Das war das Ende von unserem schönen Urlaub. Letzten Sonntag gingen wir wieder an den Strand. Whittles und Sawitzkis haben dort auch Sommerhäuser und Mrs. Whittle hatte uns für den Nachmittag eingeladen. Wir fuhren mit dem 1Uhr-Zug und gingen von Bilderlingshof aus durch den Wald. Ich trat dort in eine versteckte Glasscherbe, die sogar durch meine Schuhsohle und meine Socken in meine Fußsohle schnitt. Ich blutete nicht stark und Mrs. W. und Mrs.S. versorgten mich mit einem Verband und Lanolin (Mrs. S. ist eine nette, einfache Frau aus Yorkshire. Ihr Mann ist Deutscher und kann kaum englisch sprechen. Sie war hier über 30 Jahre verheiratet). Wir kamen mit dem 10Uhr Zug mit Whittles nach Hause (sie verbringen immer den Sonnabend und Sonntag dort). Es war so voll, daß wir draußen stehen mußten (wir fahren immer 2.Klasse, weil die Züge ekelhaft sind). Ich war aber nur halb so müde. Mein letzter kleiner Unfall passierte gestern, als ich vom Bordstein rutschte und auf meine Knie fiel. Keinem von ihnen fällt es im Traum ein, für irgend jemanden in der Straßenbahn, im Zug oder auf der Straße Platz zu machen. Nach dem Essen gingen wir auf die andere Dünaseite zu einem lieblichen kleinen Park, der dort liegt. Heute habe ich schon fleißig Kuchen gebacken, genäht und jetzt werde ich eine Tasse Tee trinken gehen. Denkst Du nicht, daß es besser und leichter für Dich wäre, hierher zu kommen, um zu zeigen, wie man ein Baby versorgt, als wenn ich mit einem (Baby) nach England komme. Mach Dich auf und komm einmal, liebe Florrie!
              Ich bekam eine Ansichtskarte von Onkel Alf vor Pfingsten, das war das Letzte, was ich hörte. Du weißt, daß sie schreckliche Briefschreiber sind. Ich dachte, daß mich auf einmal jeder vergessen hätte, weil ich vor langer Zeit den letzten Brief, und die letzte Illustrierte und Zeitung bekommen habe, bevor Dein Brief diese Tage kam. Darfst Du dieses Jahr wieder reiten? Liebe Grüße an alle. Mir tut der Paddy so leid. Ist er immer noch so wild zu Fremden?
              Deine liebe Tante Lily.
              Weißt Du, daß Du Deinen letzten Brief mit "Yours sincerely" beendet hast?

              (Dokument 16 wurde vorgezogen, da es vom Datum her vor Dokument 15 einzuordnen ist)
              Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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              • Frank K.
                Erfahrener Benutzer
                • 22.11.2009
                • 1318

                #22
                Dokument 15: Riga. Freitag, 24.Juni 1904 (Englisches Datum).
                Lieber Arthur,
                vielen Dank für den "N.W.C." mit Deinem Artikel, der gestern kam. Rudolf hat ihn noch nicht gelesen, ist aber nicht an J. Cowen interessiert. Ich weiß auch nicht viel von ihm, nur Vater erzählte mir viel von ihm und machte seine genaue Aussprache nach, indem er Mackays Gedicht rezitierte. Er sagte mit emphatischer Betonung wie es Cowen immer sagte: "Gwub little molls! Grub under gwound!" Woher hast Du die Briefe bekommen? Vater hatte der Artikel gefreut. Es ist doch schade, daß er vor uns sterben mußte. Aus der Welt wurde mit ihm ein Viertel der Freude gerissen und ich habe auch nur noch halb so viel Interesse an den Dingen, die ich ihm nicht mehr weiter erzählen kann. Ich möchte ihm immer etwas erzählen, wenn etwas passiert. Jetzt ist Sommer geworden und jeder, der es kann, lebt am Strand. Wenn wir abends spazierengehen, sind alle Straßen leer. Der Strand ist sehr schön und man kommt dort direkt zu den Bäumen oder zum Fluß, wo die Mücken eine schreckliche Plage sind. Sie haben Rudolf böse in den Hals und mich auf die Hand gestochen. Letztes Jahr war ich vielleicht kräftiger, da die Stiche keine Wirkung zeigten. Jetzt ist die Wirkung so schlimm wie bei den anderen und die Stiche schwellen zu gräßlichen und lästigen, unansehnlichen Klumpen an. Fast jeder hat ein Hausmittel dafür, das aber nahezu wirkungslos bleibt.
                Letzten Sonntag gingen wir nicht direkt zum Strand, sondern zuerst zu den Rennen auf der Solitude. Wir blieben, sahen drei oder vier Rennen und ein Hindernisrennen und hatten dann genug davon. Man trottet dort so herum. Zwischen den Rennen ist ungefähr eine halbe Stunde Pause. Die Menge ist dort nicht so aufgeregt wie bei uns zu Hause. Es sind eher wenig interessierte Zuschauer, so wie hier alles mehr indifferent und uninteressiert ist. Interesse zu zeigen erscheint als Unhöflichkeit. Man zieht sich an, sitzt in einer Vorstellung, kritisiert dort seine Nachbarn, schaut gelangweilt herum, gibt das, was man in einer halben Woche verdient hat, zum Essen und Trinken aus und fühlt dann (so wie es die konservativen Laute machen), daß man es richtig macht. Ich denke auch so, daß sie sich dann wirklich daran erfreuen können. Aber, wenn man es nur einmal macht, dann macht es Spaß. Wenn man es aber jeden Tag macht, dann ist es schrecklich langweilig!
                Nach den Rennen machten wir uns um 6Uhr mit dem Zug nach Edinburg auf, gingen nach Majorenhof bis zu Horns Konzertgarten und kehrten mit dem 11.15Uhr Zug zurück. Im Wagen trafen wir ein paar Freunde von Rudolf, einen Bruder und seine Schwester. Der Bruder wurde einberufen und muß nächste Woche an die Front. Seine Schwester wird mich eher zu meinem Schrecken besuchen kommen, da sie kein englisch, aber dafür schnell spricht. Ist "Fräulein Olga Reichart" nicht ein hübscher Name? Ich bin traurig, weil ich sie nicht verstehen kann. Mit Mrs. Bergfried kann ich mich gut unterhalten, habe sie aber, wo sie doch klein und nett ist, schon lange nicht mehr gesehen. Sie haben in Bilderlingshof eine Villa für den Sommer gemietet und uns zu Besuch eingeladen. Als Frieda hier war, merkte ich, daß es schrecklich uninteressant für sie war.
                Sonnabend: Ich habe den Brief bis heute offen gelassen, weil ich dachte, es würde vielleicht noch etwas von Dir kommen, was ich dann bestätigen kann, weil Du oft sonnabends Post schickst. Heute ist es gerade Sonnabend. Ich liebe es am meisten, weil ich dann etwas am Sonntag zu lesen habe. Im Winter ist der Sonntag in der Stadt ein besonders langweiliger Tag.
                Ich nehme an, daß Du Florrie oder jemand anderes ohne Begleitung keinen Winter hier draußen erleben willst. Die junge Mrs. Beckmann (eine Nichte von Mrs. Ball aus Sunderland, die wie Sit ist) kommt für den August oder September nach England. Florrie könnte mit ihr zurückfahren, aber die beste Jahreszeit ist dann schon vorbei. Rudolf sagt immer, daß die beste Zeit nach dem Johannitag vorbei ist, weil dann die Tage wieder kürzer werden und die Vögel schweigen. Das schlimmste aber ist, wenn man im Frühling kommt, jemand zu finden, der zurückfährt. Ich kenne nur eine Dame, die im Winter, aber nicht dieses Jahr zurückfährt. Heute ist ein herrlicher Tag und der Markt war heute früh sehr schön. Einige Damen aus meinem Bekanntenkreis sind sich zu fein, um auf den Markt zu gehen, versäumen dadurch aber viel! Dort sind die Sachen viel frischer und billiger, als in den Läden, weil sie direkt vom Land hergebracht werden. Es ist dort luftig und etwas windig, da er direkt am Hafen liegt und unter freiem Himmel liegt. Natürlich sind die Leute schmutzig und rauh, aber so sind sie auch auf der Straße! Lisa geht hinter mit einem Korb her, in dem sie alles hinein gestapelt ist, und wenn wir nach Hause kommen, müssen wir alles auf den Küchentisch auspacken. Dann zündet sie wieder den Küchenherd an, da ein Holzofen anders brennt als ein gutes altes Kohlenfeuer, weil man die ganze Zeit darauf aufpassen muß.
                Deine Lily.
                Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                • Frank K.
                  Erfahrener Benutzer
                  • 22.11.2009
                  • 1318

                  #23
                  Dokument 17: Riga, Sonnabend, Anfang Juli 1904
                  Liebe Florrie,
                  Danke für das beigelegte, das ich unterschrieben zurückschicke. Ich bin froh, daß es gekommen ist, bevor ich krank werde. Danke für die Zeitung, die Dienstag ankam. Mrs. Smiths Schwester kam Freitag. Sie brachte sie mit Ausnahme des einen Artikels über Moskau mit, den Onkel Rudolf lesen möchte. Frag doch Vater, bevor ich es vergesse, ob er noch alte Paperback Bücher hat. Er soll mir doch eines oder zwei schicken, wenn ich krank bin, weil denn die Stunden vergehen und ich nicht nähen kann und hoffe, daß das Baby nicht die ganze Zeit schreit (Falls doch, wird Onkel Rudolf uns los zu werden wünschen, weil das Schlafzimmer gleich neben dem Büro liegt). Ich denke, daß ich nicht mehr schreiben kann, bevor ich krank bin (und das wird in etwa zwei Wochen der Fall sein), aber Rudolf wird dann zu Vater oder Onkel Alf telegraphieren, weil er eine telegraphische Anschrift hat und es schneller geht. Wer es bekommt, kann den anderen benachrichtigen. Frieda ist sehr gut und sagt, sie wird kommen und sich um alles kümmern, wenn ich krank bin. Die alte Frau Siebert sagt, es würden zu viele Leute werden und ich bräuchte eine Schwester. Deshalb weiß ich nicht, wie es werden wird. Es würde für Rudolf strapaziös werden, aber es wäre das Beste. Es wird eine schreckliche verwirrte Zeit und ich werde ausgesprochen dankbar sein, wenn alles vorbei ist und ich wieder in Ruhe gelassen werde. Ein Brief ist beigefügt, um Onkel Alf dafür zu danken, daß er für uns Messer bekommen hat. Was hat Mutter die ganze Zeit mit ihrem schlechten Bein gemacht? Sie muß vorsichtig sein und versuchen, es hoch zu halten. War ein Arzt da? Sag ihr liebe Grüße und erzähle ihr wie es mir leid tut. Ich denke immer, daß sie und Vater mir nicht mehr schreiben werden, aber Du bist ein glänzender Schreibpartner. Was hast Du doch für einen netten Urlaub gehabt. Ich beneide Dich, weil ich weiß, wie glücklich es Vater machen würde. Ich habe nie einen so schönen Urlaub gehabt, aber Du würdest viele Erinnerungen daran haben. Hast Du das Tagebuch noch? Ich wünschte, ich hätte eine Idee, ein Gemälde mit Aquarellfarben anzufangen, weil ich einen Aquarellkasten, aber keine Ahnung habe und bisher nur mit Ölfarben gearbeitet habe. Ich könnte es hier an einem Tagen am Strand versuchen. Wir wollten diese Woche zwei Tage lang gehen, weil ein Feiertag war. Einige Stunden bevor wir fahren wollten, bekam Onkel Rudolf schreckliche Rückenschmerzen, konnte sich kaum bewegen und mußte seinen Feiertag im Bett verbringen. Ich rieb ihn gut ein und legte heiße Tücher, Terpentin usw. auf. Er bekam gestern Medizin und ein Einreibemittel, das ihm sehr geholfen hat. Ich denke, daß es eine schwere Erkältung nach einer langen Radfahrt letzten Sonnabend gewesen ist. Wir haben noch immer keinen Sommer gehabt, außer ein paar schönen Tagen. Wenn es jeden Tag regnet, dann werden diese Strandorte zu Morast. Die Wege sind zwei aufeinandergelegte Bretter und die Straßen sind bei nassem Wetter matschig und bei trockenem Wetter staubig, aber sie sind schön und einfach. Du brauchst keine Angst zu haben, zu kommen, weil Riga so angenehm ist. Wir können Boote nehmen, daß Du keinen Schritt allein im fremden Land machen mußt. Du kannst hier auch deutsch lernen. Viele Leute geben Deutschunterricht, wenn man ihnen dafür Englischunterricht gibt. Ich befürchte, daß ich jetzt einige Jahre nicht mehr kommen kann. Ich würde Euch alle so gerne sehen, aber es wäre abwechslungsreicher, wenn Du hierher kommen würdest. Mach Vater verrückt, damit er Dich einmal hierher begleitet. Er muß unbedingt Riga sehen.
                  Liebe Grüße an Dich und alle von Deiner lieben Tante Lily.
                  Ich wundere mich nicht darüber, daß der alte Paddy (das ist ein Hund!) eifersüchtig ist. Verletzt seine Gefühle nicht zu sehr. Haben die Amerikaner so viele Pickels gegessen, wie man sagt?

                  Die "Krankheit" bezieht sich darauf, daß eine Geburt bevor steht: Die 1. Tochter kommt ...
                  Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                  • Frank K.
                    Erfahrener Benutzer
                    • 22.11.2009
                    • 1318

                    #24
                    Fragment (Datierung Ende August/ Anfang September 1904)
                    ...Jetzt denken wir schon, daß es am Strand sehr öde und kalt werden wird. Wenn es schön bleibt, können wir am Tag noch einmal einige Stunden gehen und Baby an einem anderen Tag hinüber nach Sassenhof bringen, um Smiths zu besuchen. Ich habe die GOP´s aufgehoben, weil sie jetzt nach England zurückgegangen ist. Die Unruhen waren ihr zuviel, sagt man, aber ich denke es ging ihr hier nicht gut. Vielleicht werden wir am Dienstag Nachmittag ins Theater gehen und ein neues Stück "The White Horse" ansehen. "In 80 Tagen um die Welt" war sehr schön und prächtig aufgeführt. Das Theater war voll von Kindern, denen es großartig gefallen hat. Babs wachte um 3Uhr früh auf, wollte gefüttert werden und schlief dann wieder ruhig bis 8Uhr. Dann schlief sie um 9.30Uhr wieder ein und denkt um 11.30Uhr noch nicht daran, aufzuwachen. Wenn sie es nur täte! Jetzt ist das Wetter noch schön, aber nach dem Essen wird es wahrscheinlich regnen. Ich möchte gerne auf den Markt gehen, habe aber noch gewartet, weil ich darauf wartete, daß sie aufwachen würde. Als Katta morgens ging, war der Salat so teuer, daß sie ihn nicht zu kaufen wagte. Jetzt, ein paar Stunden später, ist er billiger. Hier wird Salatsoße aus Schmand (saurer Sahne) gemacht. Niemand kann sich vorstellen, wie wir in England ohne Schmand leben können - hier ist er nicht wegzudenken. Liebe Grüße an Euch alle ...
                    Eure Lily.
                    Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                    • maria1883
                      Erfahrener Benutzer
                      • 20.08.2009
                      • 898

                      #25
                      Hallo Frank,
                      was hast Du da für einen Schatz. Habe noch nicht alles gelesen, aber sehr, sehr interessant.
                      Liebe Grüße
                      Waltraud
                      Orte und Namen meiner Ahnen:
                      Neu Wuhrow: Pophal, Golz, Is(s)berner, Gehrke, Draheim, Zuther, Mittelste(ä)dt, Hensel, Bleck
                      Gönne (später Westgönne): Hensel, Bleck, Maronde
                      Steinklippe (Belgard/Schievelbein): wie Westgönne
                      Neudorf: Märtens, Boeck, Schulz, Mallon, Harmel, Manz
                      Pöhlen: Milbradt, Boeck, Dittberner, Kannenberg, Märtens
                      bis auf Steinklippe alles Kreis Neustettin

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                      • Frank K.
                        Erfahrener Benutzer
                        • 22.11.2009
                        • 1318

                        #26
                        Danke Waltraud, die interessantesten Passagen kommen aber erst noch, aber ich will nicht vorgreifen ... aber, die Briefe liegen alle im (englischen) Original vor! Es sind Geschehnisse aus einer "fremden" Welt, die das Leben vor dem 1. Weltkrieg, auch in schweren revolutionären Zeiten wiederspiegeln.

                        Dokument 18: Riga, 09/22.11.1904

                        Liebe Jenny,
                        Ich habe mich gestern so über Deinen Brief gefreut. Es ist schon lange her, seitdem ich einen Brief von Dir bekommen habe, da Florrie ein ausgezeichneter Schreibpartner ist. Du mußt sie beglückwünschen und ihr sagen, daß sie, wenn sie Zeit hat, schreiben soll und Mutter und den anderen Mädchen über ihre Arbeit berichten soll. Ich werde mich freuen, die Blätter zu bekommen. Manchmal muß man beim Baby sitzen, wenn es nicht ganz gesund ist oder nicht schläft und eine Hand bei ihr halten. Dann kann ich nicht arbeiten und bin froh, etwas zum Lesen zu haben. Es ist so schade, daß wir so weit weg leben. Ich wünsche mir so, daß Du einmal kommen könntest, aber ich fürchte, daß es unmöglich ist, mit einem winzig kleinen Baby nach England zu fahren. Es ist schon komisch, daß ich Fleisch vom jungen Hammel von den besten Stücken für 2 1/2 Pence bekomme und Rindfleisch für 2 1/2 oder 3 Pence. Schweinefleisch kostet jetzt 4 oder 4 1/2 Pence und Kalbfleisch kostet 3 1/2 oder 4 Pence. Heute habe ich durch einen glücklichen Zufall zwei schöne Hühner für 1/8 gekauft. Katrina und ich gingen auf den Markt und trafen auf einen Landmann mit einem ganzen Korb voll. Gänse kosten jetzt 3/- und Hasen 2/6. Ich wendete mich ab und sagte: "Viel zu teuer!" und ging weiter. Du siehst, daß ich jetzt vier Köpfe zu füttern habe, da wir jetzt eine Schwester für das Baby haben. Du wirst bestimmt denken, daß ich jetzt eine nette, faule Zeit verbringe, aber es ist fast jede Minute verplant. Du solltest den Haufen von Socken sehen, die gestopft werden müssen. Dieses Dienstpersonal braucht mehr Aufsicht als englisches. Wenn es Baby schlecht geht, muß ich die ganze Zeit bei ihr bleiben. Ich stehe auch nachts auf, wenn sie schreit und sehe nach. Christine macht es auch gut, da sie eine erfahrene 47 jährige Frau ist (sie sieht eher wie 74 aus). Ich schildere Dir den Tagesablauf so gut ich kann. Um 8.30Uhr, wenn es noch so dunkel ist, stehen wir jetzt auf. Wenn ich dann angezogen bin, nehme ich das Baby und Christine und Katta frühstücken. Wenn ich esse, putzt Katta das Schlafzimmer und wir gehen dreimal in der Woche zum Markt. Katta folgt mir mit einem riesigen Korb und handelt auch gerne. Sie ist so ein nettes, ordentliches und williges 19 Jahre altes Mädchen, sieht auch gut aus und kocht so gut, wie es hier üblich ist. Rudolf mag aber, (so wie auch ich) kein durch Bedienung gekochtes Essen. Danach bin ich in der Küche bis 1.30Uhr oder 2Uhr fleißig mit Essen kochen, backen und Babys Essen usw. beschäftigt (Ich backe unser ganzes Brot. Letzthin mußte ich zu Baby gehen und Katta verdarb die ganze Partie, weil sie alles zu früh aus dem Backofen nahm). Nach dem Essen nehme ich das Baby bis Christine gegessen, den Abwasch gemacht und die Babysachen gewaschen hat. Dann um 4Uhr habe ich etwas Zeit. Am Abend wird sie gebadet. Das ist in Rußland ein sehr wichtiger Akt, für den hier zwei Leute nötig sind. Ich muß alles beaufsichtigen, sie danach duschen und ihr eine Kamillenkompresse auflegen. Dann am Morgen muß sie ganz mit Spiritus abgerieben werden. Das machen Rudolf und ich selbst. Sie hält es für ein lustiges Spiel, herum gerollt und gerieben zu werden. Gestern und heute schlief sie am Tag insgesamt nur Stunden. Sonst schläft sie immer in der Nacht.
                        (der Rest fehlt... das passiert, wenn der Rest irgendwo verloren gegangen ist ... die Briefe sind auch schon über 100 Jahre alt)

                        Zu den Preisangaben, die nur so drin stehen:
                        Gänse kosten jetzt 3/- und Hasen 2/6 ... das bezieht sich auf englisches Geld ... 3/- = 3 Shilling, 2/6 = 2 Shilling, 6 Pence ...
                        Zuletzt geändert von Frank K.; 26.04.2010, 15:07.
                        Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                        • Wolfg. G. Fischer
                          Erfahrener Benutzer
                          • 18.06.2007
                          • 4919

                          #27
                          Zitat von Frank K. Beitrag anzeigen
                          Fragment (Datierung Ende August/ Anfang September 1904)
                          Hier wird Salatsoße aus Schmand (saurer Sahne) gemacht.
                          Eure Lily.
                          So kenne ich das aus Hessen auch. Lecker!

                          Kommentar

                          • Frank K.
                            Erfahrener Benutzer
                            • 22.11.2009
                            • 1318

                            #28
                            Inzwischen beginnt das Jahr 1905:
                            Dokument 19: Riga, im Februar 1905 (wahrscheinlich um den 11.02.05/ 2. Hochzeitstag)
                            Lieber Arthur, Liebe Jenny,
                            Möchtet Ihr noch ein Budget haben? Habt Ihr das andere an Alf geschickt?
                            Sie scheinen sich keine Sorgen um unsere Sicherheit zu machen, aber ich bekam von Minnie Mitchell (jetzt heißt sie Mrs. Argyle) einen Brief, in dem sie wissen wollte, ob wir hier sicher seien und schrieb: "Ich möchte nur ungern über mein glückliches Leben schreiben, solange Ihr in solch einem Durcheinander seid." Ich denke aber, daß ich genau so glücklich wie sie bin. Wir haben bisher auch keine Unannehmlichkeiten gehabt, außer daß ich meine Vorhänge tagelang nicht aus der Wäsche bekommen habe, da die Waschanstalt in einer gewalttätigen Straße liegt, was aber nicht so wichtig ist. Es hätte aber noch schlimmer sein können! Ein Mann, der einen der Studenten kennt, erzählte Rudolf, daß sie vor hatten, die Gasanstalt und die Wasserwerke zu besetzen, die Versorgung blockieren und die Stadt in Brand setzen wollten. Die Arbeiter weigerten sich aber, sich ihnen anzuschließen. Dann würden wir festsitzen, und könnten nirgendwohin fliehen, weil auch die Bucht von Eis blockiert ist und die wenigen Züge belagert würden. Sie würden auch keine zusätzlichen Züge bereitstellen (ich gehe hier niemals in einen Zug, ohne daß ich meine Beherrschung wegen der Gleichgültigkeit der Wachen, der fehlenden Bequemlichkeit, dem Verlangen nach Luft, oder der schrecklichen Langsamkeit des ganzen Betriebes verliere. Ihr könnt erkennen, daß sich niemand beklagt, weil die Regierung der Betreiber ist. Eine Firma würde es um einiges besser machen!). Jetzt scheint sich alles wieder beruhigt zu haben, aber auf der anderen Seite der Düna arbeiten die Leute noch immer nicht. Bei Pohle (dort ist Mr. Whittle) haben die Leute das Recht in ihre eigene Hand genommen. Sie kommen eine Stunde zu spät zur Arbeit und gehen eine Stunde zu früh wieder nach Hause. Der Direktor wartet eine Weile, aber es geht so weiter. Er überlegt sich, die Firma zu schließen und sie alle zu entlassen, wodurch aber noch mehr Aufruhr entstehen würde. Es gab eine große Demonstration, als ein Student beerdigt wurde. Die Straßen waren überfüllt und die Polizei wagte nicht einzugreifen, sie nahmen sogar ihre Mützen ab. Alle Studenten waren bewaffnet und hatten Bomben dabei. Wir blieben, wie allen klugen Leute, zu Hause. Ich hörte von allem von Mrs Mitchell, an deren Haus die ganze Beerdigung vorbeizog.
                            Montag: Gestern konnte ich nicht fertig schreiben, weil das Baby wenig schlief. Wenn sie wach ist, dann ist sie eine richtige Gräfin und verlangt die volle Aufmerksamkeit. Freitag und Sonnabend waren lieblich milde Tage. Wir dachten, daß der Frühling doch noch kommen würde und freuten uns auch für sie. Das Wetter ist für sie so schlecht, aber wir wachten gestern auf, hatten tiefen Schnee und wieder schrecklich kalten Wind. Der Winter ist hier eine gräßliche Zeit, weil der Wind auch so ekelhaft ist. Gestern bekam ich von Sallie einen langen Brief. Sie ist überrascht, daß ich gar nichts über die Revolten schreibe, die aber erst anfingen, nachdem ich ihr schrieb. Jetzt habe ich nicht viel Zeit zum Schreiben.
                            Morgen sind wir zwei Jahre verheiratet. Einerseits ist die Zeit schnell vergangen, andererseits sehr langsam. Es scheint, als wären es 10 Jahre, seitdem ich Euch alle gesehen habe. Mein "Herr und Meister" kann sich gar nicht vorstellen, warum ich mir immer wünsche, England wieder zu sehen! Rußland wäre gerade richtig, wenn es nur etwas komfortabler und nicht so öde und häßlich wäre. Für mich gibt es immer etwas, was mich bedrückt. Die Leute scheinen nicht so glücklich und vergnügt zu sein und wollen nur angeben und ihre Nachbarn in Verruf zu bringen. Die Leute hier in Riga sind nicht gerade freundlich!
                            Vom kalten Wind habe ich eine Neuralgie bekommen. Es ist ein besonderes Unglück, da ich mir mit Rudolf heute einen Hut ansehen gehen wollte. Ab und zu habe ich den Wunsch, Mrs. Schultz wegen einem Schnittmuster für Babysachen anzurufen (sie hat ein Baby, das 8 Monate alt ist und so kräftig und dick wie ein kleiner Elefant aussieht). Baby wird morgen 7 Monate alt, aber macht Freude wie ein Dutzend von ihnen. Sie vergöttert Rudolf und sieht ihn an, wenn sie nur kann und erscheint wie das perfekte Abbild der Wißbegierde. Es wäre noch viel schöner, wenn Ihr sie nur sehen könntet! Die Bücher kamen Sonnabend an. Vielen Dank. Rudolf las Pompeii bis etwa 1Uhr und ich unterbrach ihn immer wieder mit Informationen wie man ein Barometer oder andere nützliche Dinge macht. Danke Rowley für sein Bild und die anderen Dinge von ihm, die in der Post waren. Es war besonders schön, sie am Sonnabend zu bekommen. Sonntag hatte ich nur eine halbe Stunde Zeit vor dem Essen. Du hast niemals Rowley Auge erwähnt. Ist es jetzt in Ordnung? Wart Ihr deswegen beim Arzt?
                            Wir haben noch einen Stich bekommen und ihn und auch Veras Photo zum Rahmen gebracht. Es hat lange gedauert, aber es ist ein Pech, daß man keine fertigen Rahmen in dieser Größe bekommt. Ich vertue alle meine Handarbeitszeit, indem ich Euch schreibe und muß jetzt aufhören. Ich muß auch Babys Essen fertig machen und das braucht eine gute halbe Stunde. Dann muß alles, wenn das Feuer brennt, sterilisiert werden.
                            Ich nehme an, daß Ihr in den englischen Zeitungen seht, wie schrecklich ein Mann hier bei den Unruhen an dem einen Tag getötet wurde, an dem so viele erschossen wurden. Er war Präsident der Sparkasse und mußte auch von Monopol-Schnapsläden das Geld einsammeln. Zufällig wußten es diese Rowdies. Er wurde von ihnen abgepaßt, als er aus der Straßenbahn ausstieg, weil es an einer Straßenbahnhaltestelle geschah und eine oder zwei Straßenbahnen um die Ecke in die Menge fuhren, bevor sie angehalten werden konnten. Er wurde an mehreren Stellen getroffen und auch mit Messern, die sie bei sich trugen, in Stücke geschnitten. Seine rechte Hand war fast abgeschnitten und seine Kleider und das Geld, das er bei sich hatte (etwa 400 Rubel, am Morgen hatte er 4000 Rubel bei sich, die er aber schon eingezahlt hatte) wurden gestohlen. Er lebte noch, als sie ihn ins Krankenhaus brachten, griff sich dann an die Brust und stellte fest, daß seine Tasche weg war, rief nur noch "Gestohlen!" und starb. Er war erst 32 Jahre alt.
                            Jeder sagt, daß für die englischen Zeitungen alles in Ordnung ist und sie berichten darüber. Wo sollen wir aber hin, wenn aber der Mob nicht zurückgehalten wird? Der Großfürst Wladimir bemerkte gegenüber diesem Interviewer, aber ich denke, daß er sensibel ist: „Es sind die anderen, die sich hinter den Arbeitern verstecken.“ Ich habe gehört, daß die Arbeiter in Petersburg eigenhändig sieben Studenten aufgehängt haben. Wo habt Ihr das von Gorki gehört? Wir haben gelesen, daß er an diesem Sonntag in Petersburg verhaftet wurde. Ich habe von ihm nur das eine Stück "Nacht..." gesehen, aber das ist schrecklich.
                            An unserem letzten Hochzeitstag wollten wir in den Zirkus gehen. Da aber der Krieg gerade angefangen hatte, wurden alle Orte, an denen Belustigungen geboten waren, an diesem Tag geschlossen und es wurden statt dessen Gebete angeboten. Auch in diesem Jahr, denke ich, werden wir nirgends hingehen, da wir auch Baby nicht so lange allein lassen wollen. Ich habe solche Angst bekommen, als ich einige Kosaken gesehen habe. Rudolf sah es anders, da es nicht sicher ist, ob dann Unruhen entstehen könnten. Als wir letzten Sonntag am Hafen waren, trafen wir sogar plötzlich auf 20 von ihnen und ich war sehr aufgeregt. Sie sehen so roh und wild aus und tragen die selben häßlichen Mäntel wie die Soldaten, aber sie reiten gut und ihre Pferde sind schön.
                            Jetzt muß ich aber schließlich und endlich aufhören. Liebe Grüße an alle. Schreibe bald, weil ich so traurig bin, wenn Tag für Tag keine Briefe kommen. Wenn ich aber Briefe bekomme, dann sieht das Leben gleich ganz anders aus.
                            Rudolf ist lieb bei mir .... Eure Lily ...
                            P.S. Berichte mir, wie diese Briefumschläge sind. Ich denke, daß sie viel zu dünn für diese Entfernung sind.

                            Es wird in diesem Brief das erste Mal vom Russisch-Japanischen Krieg berichtet und von Unruhen, die jetzt um sich greifen - geschichtlich gesehen ist das der Beginn der ersten Revolution 1905/06 in Rußland.
                            Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                            • Frank K.
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                              • 22.11.2009
                              • 1318

                              #29
                              Fragment Frühsommer 1905 (der Anfang liegt nicht vor):
                              ... Scheußliche, schnelle braune Käfer sind die einzige schnelle Sache in diesem Land.
                              Du meinst, daß im Guardian Bücher angeboten sind. Du hast wegen ihnen geschrieben, aber vergessen, daß wir nicht gerade Millionäre sind. Die meisten Bücher sind solche für 6 Schillinge.
                              Ich möchte gerne in einem Eisenbahn-Bücherstand Bücher von Brooke & Crystal oder Wenham sehen. Wenn wir wirklich einmal Millionäre sind, werde ich jeden Monat Harper und Scribuer nehmen. Gibt es eigentlich 6 Pence Ausgaben von Gissings "New Grub St.?" Du hast mir nie erzählt, wer Algueron Gissing ist.
                              Gehst Du nach Manchester um den König zu sehen?
                              Hab ich Dir eigentlich schon mal erzählt, wie schön diese beiden Stiche aussehen? Mrs. Whittle hat auf einmal den ganzen zehnteiligen Satz bestellt. Sie hat jetzt alle erhalten und dazu noch kostenlos Aquarellfarben. Der ganze Satz kostet nur £1-1-0, zuzüglich Porto und sie sind so herrlich. Ich möchte gerne die ganze Serie in einem Zimmer haben und sonst keine! Ada schickte mir "Gentlewoman at Xmas". Die Zugabe war Sir J. Reynolds "Cerub Choir" in Farbe auf Seide. Wir haben es eingerahmt und es sieht aus, wie ein richtiges Ölgemälde.
                              Meine Erkältung ist besser geworden und es ist jetzt kein Feiertag diesen Montag. Das Wetter ist wieder wärmer geworden.
                              Liebe Grüße Deine Lily
                              Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                              • Frank K.
                                Erfahrener Benutzer
                                • 22.11.2009
                                • 1318

                                #30
                                Dokument 20: Riga 28.03.1905:

                                Lieber Arthur, liebe Jenny,
                                ich habe jetzt einige Tage lang mit dem Schreiben gewartet, da meine Zeitungen überfällig waren und warte, bis sie kommen. Jetzt ist sie zwar noch nicht angekommen, aber ich habe etwas Zeit, solange Babs schläft, das Essen schon fertig ist und Rudolf noch nicht da ist.
                                Dem Baby geht es wieder gut und ich bin darüber froh. Sie ist aber noch nicht draußen gewesen, da plötzlich der Winter zurückgekehrt ist und wir bitter kalten Wind haben. Gestern und heute schneite es auch wieder. Ich fühle jetzt immer mehr, daß ich das Land verfluchen muß, da unser kleiner Doktor jetzt auch noch zum Kriegsdienst gerufen wurde. Als erster wurde Mr. Demme fortgebracht, dann dachten wir den Doktor von Priestleys zu bekommen. Am Tag bevor ich zu ihm gehen wollte, las ich in der Zeitung, daß er einberufen wurde. Wir sind so zufrieden mit Dr. Berg! Er ist so einfühlsam, nicht aufgeregt, hat selbst Kinder und ist von Baby so begeistert. Er wurde vor ein oder zwei Monaten einberufen, bekam aber wegen einer Krankheit Aufschub. Dieses mal mußte er nach Wilna und wurde dort einige Tage lang zur Untersuchung behalten. Jetzt muß er aber gehen. Sie haben solch einen Mangel an Ärzten, aber es ist eine Schande, daß sie nicht zuerst die Unverheirateten nehmen. Er meint auch, daß die Bezahlung sehr gering ist. Der Arzt von Balls wurde auch zum zweiten Mal einberufen. Mrs. Ball sagte, daß er das erste Mal 1000 Rubel bezahlte, um verschont zu bleiben. Er dachte, daß es damit erledigt sei, aber Ihr wißt, daß das nur Wasser auf ihre Mühlen ist. Dr. Berg ist sehr traurig, meint aber (der arme kleine Mann), daß es doch besser sei, als wenn man an einen Ort mit Cholera geschickt wird. Wir alle fürchten uns und warten darauf, daß diesen Sommer hier die Cholera auftreten wird. Riga ist dafür der richtige Ort. Enge und ausgedehnte Straßen, hohe Häuser und dazu eine nicht vorhandene Kanalisation. Es reicht aus, damit dem Stadtaufseher oder dem Gesundheitsbeamten die Haare zu Berge stehen.
                                Könnt Ihr mir für das beigelegte Bestätigungen schicken?
                                "Grand" war sehr lustig, aber nicht geöffnet. Rudolf sagt, daß es wahrscheinlich deshalb ist, weil es ein neues Buch ist, das der Zensor noch nicht auf seiner Liste stehen hat. Vielen Dank für die 8 Sendungen. Es tut mir so leid, daß ich mit dem "Heart of Una Sackville" schon fertig bin. Es hat mir so viel Spaß gemacht. Dir auch? Liest Du es noch immer laut? Ich wundere mich, daß sie "All was for the Best" durchgehen ließen, ohne daß man dafür zahlen mußte. Es erscheint mir so schwach geschrieben, nur habe ich keine Muße es zu lesen. Wenn es mir Baby erlaubt, was selten der Fall ist, lese ich laut etwas deutsch und habe ein teilweise langweiliges Buch über eine Italienreise für zukünftige Fälle angefangen. Ich habe auch schon Geromes "Sketches in Lavender", Tolstois "Anna K." oder auch etwas anderes wie "Quo Vadis" und ein oder zwei andere bei mir liegen, die bei meiner jetzigen Benutzung etwa 10 Jahre reichen. Ich habe auch Fortschritte mit der Zeitung gemacht und lese auch den Lokalteil. Besonders über alle Überfälle, Morde usw. hier in Riga und warte immer sehnsüchtig bis die Zeitung um 6Uhr abends kommt.
                                Zur Zeit ist es sehr aufregend mit den vielen Schrecken. Es vergeht kaum ein Tag, ohne daß etwas passiert. Es wurden ein oder zwei Polizisten sogar am hellichten Tag erschossen und täglich gibt es Überfälle. Das Wetter wird schöner, um Abendspaziergänge zu machen, aber es ist zu gefährlich und ich denke, daß wir nicht den ganzen Sommer am Strand verbringen werden. Es ist einfach zu riskant und wir werden uns eine Familienkarte für den Schützen-Garten, der nur 3 Minuten entfernt ist, kaufen und dort die meiste Zeit verbringen. Es ist ein hervorragender Park. Die Karten kosten pro Jahr etwa 8 Rubel. Der Anlagen Park und der Kaiser Garten sind auch schön, aber so verpestet mit Rüpeln, so daß man dort nicht lange sitzen kann.
                                Dienstag: Ich wollte noch etwas schreiben, aber habe es wie üblich vergessen, wenn ich in ruhigen Momenten schreibe. Wenn die Briefe weg sind, fällt es mir wieder ein. Ich bekam eine Ansichtskarte von Sallie, die von Nellies Freundschaft schreibt. Ich war überrascht, da ich die ganze Zeit hoffte, es würde Stanley Collinson sein. Es ist so ein netter Kerl aus einer so netten Familie. Wann werdet Ihr mir schreiben und mir ähnliches berichten? Ich wünsche mir so, daß einige der Mädchen hierher zu Besuch kommen könnten, bevor sie gebunden sind. Könnt Ihr, wenn mein nächster Scheck kommt (er ist am 5. April fällig), Ada Wood 8/8 für die I.P.s (sie schickt sie nicht regelmäßig und ich würde sie gerne vom Verlag direkt beziehen), schicken.
                                Babs ist nach einem einstündigen Schlaf auch wieder auf, obwohl ich mich auf zwei oder drei Stunden eingestellt hatte. Sie hielt mich letzte Nacht bis 1Uhr wach. Wir fangen oft an, Schach zu spielen, was meistens damit endet, daß ich mit ihr auf den Knien aufhöre und sie wütend nach den Figuren greift. Sie bevorzugt Springer und Damen, weil sie wahrscheinlich am besten zu greifen sind. Rudolf hat ihr schmackhaft gemacht, auf seinen Armen geschwungen zu werden. Sie ist schon sehr lebhaft und man muß ihr nicht mehr beibringen. Ich befürchte aber, daß sie so groß wie Rudolf oder Frieda werden wird. Ich muß jetzt aufhören und mir das P.S. für später aufheben. Liebe Grüße an alle ... Eure Lily
                                Was denkt Ihr über Preise von Wohnungen von hier? Wir gingen am Sonnabend auf die andere Flußseite, um uns eine Wohnung anzusehen: Garten, Salon, Eßzimmer, Küche, Speisekammer, vier kleine Schlafzimmer, eine Pumpe im Garten und sonst kein Komfort für 17.000 Rubel !
                                Möchtet Ihr nicht gerne hier leben? Das Haus ist ganz aus Holz gebaut und mit Dachpappe gedeckt.
                                Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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