Tagebuch eines Schiffsmissionars (im Herbst 1871 auf dem Segelschiff "Electrik" nach New York)

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  • santho
    Erfahrener Benutzer
    • 29.10.2012
    • 363

    #46
    Zitat von wolf44 Beitrag anzeigen
    Auf der von dir beschriebenen Fahrt waren 226 Passagiere an Bord. Es gab zwei Geburten bei:

    Louise Schwenn 25
    Anna Deicher 25

    und sechs Todesfälle:

    Carolina Ohde 9 Monate
    Maria Kopheim 30
    Christine Holst (Witwe) 48 (sie hatte zwei Söhne an Bord)
    Ludwig Holtz 3 Monate
    Line Lund 9 Monate
    Albert Kluge 7 Monate
    Hallo Wolfgang,

    auf folgender Internetseite:

    http://www.germanimmigrants1870s.com...=23&y=1871&p=1

    habe ich eine abweichende Angabe entdeckt: dort sind es 295 Passagiere. Auf der Seite Genealogische Fundstücke, die Du erwähnst, ist das Abfahrtsdatum 1. Nov. 1867. Das kann natürlich auch nicht stimmen.

    Ich finde das Tagebuch auch sehr interessant und freue mich auf weitere Einträge.

    Viele Grüße
    Sandra

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    • Wolfg. G. Fischer
      Erfahrener Benutzer
      • 18.06.2007
      • 4918

      #47
      23. Okt. 1871

      Hallo Dorothee, Florian und Sandra,

      besten Dank für den Hinweis auf die Vockrodt-Kinder.

      Entweder der Tagebuchschreiber bezieht sich auf den Eintrag eine Woche zuvor oder beim Druck ist eine Passage weggelassen worden. Ich selbst lasse nur manches Religiöse weg, weil es ja nicht typisch war, dass ein Missionar mitreiste.

      1867 kann das Schiff doch am 1. Nov. losgefahren sein, hier geht es um 1871.

      Mit besten Grüßen
      Wolfgang




      Tagebuch:

      "Heute sollte der Stengen des Fockmastes, der vor einigen Tagen gebrochen war, wieder aufgesetzt werden. Hierbei stürzte ein Matrose herunter. Das Blut strömte aus Mund und Nase. Zum Hospital gebracht, erholte er sich bald wieder, so dass er erzählen konnte, wie er zum Fallen gekommen war. Der Kapitän meinte, er werde wohl kein Glied gebrochen haben.

      Auf Deck hörte ich, wie ein Matrose sagte: 'Wir haben einen Pastor an Bord, da passiert stets Unglück.' Der Kapitän hörte dies auch und sagte mir dann, dieser Aberglaube herrsche bei den Seeleuten.

      Am Abend hatten wir das widerwärtige Schauspiel, dass sich zwei Frauen schlugen. Ihre Männer schlichteten den Streit."

      Kommentar

      • wolf44
        Erfahrener Benutzer
        • 19.09.2011
        • 272

        #48
        @Sandra: bei der von mir erwähnten Fahrt ging es um eine andere Fahrt der Electric. Hatte mich wohl nicht ganz klar ausgedrückt.

        Bei der Fahrt 1871 waren, wie schon geschrieben wurde 294 Personen an Bord. Hatte leider nur die Mitteldeck Passagiere angegeben.

        Hier die entsprechenden Ausschnitte aus der Liste:

        Vockrodt hamburg.jpg

        Vockrodt NY.jpg
        Viele Grüße
        Wolfgang

        Blog:Genealogische Fundstücke

        Kommentar

        • santho
          Erfahrener Benutzer
          • 29.10.2012
          • 363

          #49
          Hallo Wolfgang,

          sorry, da habe ich wohl die Fahrten verwechselt.

          Vermutlich weil mir der Name Holtz, auf beiden Listen aufgefallen ist.

          Viele Grüße
          Sandra

          Kommentar

          • Wolfg. G. Fischer
            Erfahrener Benutzer
            • 18.06.2007
            • 4918

            #50
            24. Okt. 1871

            "Dem Matrosen geht es besser; er klagt über Schmerzen in Hüfte, Arm und Brust.

            Es herrscht eine drückende Hitze, 28 Grad im Schatten. Diese Nacht haben viele Leute an Deck geschlafen.

            Ein Schiff sprach uns an; dasselbe kam mit Südfrüchten von Messina und ging nach Philadelphia.

            Im Zwischendeck entstand wieder Streit. Einige Leute hatten sich geweigert, vor ihren Schlafstellen den Schmutz wegzunehmen."

            Kommentar

            • Wolfg. G. Fischer
              Erfahrener Benutzer
              • 18.06.2007
              • 4918

              #51
              25. Okt. 1871

              "Die meiste Not an Bord machen dem Kapitän die sieben alleinstehenden Mädchen. Da gute Worte nicht helfen, ist gestern abend Gewalt gebraucht worden. Es war ihnen streng untersagt, nach 8 Uhr abends den Schlafraum zu verlassen. Trotzdem stehen sie oft bis spät noch auf Deck, singend und lachend. Gestern abend standen sie bis 11 1/2 Uhr vor der Tür.

              Der Kapitän, durch ihr Singen und Schreien geweckt, nahm einen Napf voll Wasser, ging damit aufs Halbdeck und goss es über sie. Dann bekam der Steuermann Befehl, ein Schloss vor die Tür zu legen. Heute abend um 8 Uhr suchte der zweite Steuermann die Mädchen mit einer Laterne in der Hand und schloss dann die Tür zu. Da sie die Luken öffneten, um sich noch mit den Passagieren zu unterhalten, wurden auch diese zugemacht."

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              • renatehelene
                • 16.01.2010
                • 1983

                #52
                Luken auch zugemacht und das bei der Hitze - geht doch garnicht - die
                "armen" Mädels.

                LG Renate

                Kommentar

                • Wolfg. G. Fischer
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.06.2007
                  • 4918

                  #53
                  26. Okt. 1871

                  Hallo Renate,

                  bevor ich mich in den Weihnachtsurlaub verabschiede, kann ich noch berichten, dass der Kapitän dann doch Milde walten ließ:

                  "Gegen Abend kamen zwei der Mädchen und baten unter Tränen, sie doch nicht wie Verbrecher unter Schloss und Riegel zu setzen. Der Kapitän hat die Bitte vorläufig erfüllt."

                  Schöne Feiertage für alle
                  wünscht Wolfgang

                  Kommentar

                  • Christian40489
                    Erfahrener Benutzer
                    • 25.03.2008
                    • 1686

                    #54
                    Zitat von Wolfg. G. Fischer Beitrag anzeigen
                    Herzlichen Dank, DorSch.



                    Hallo Waltraud,

                    das freut mich.

                    LG Wolfgang




                    Für den 14. Okt. 1871 scheint es keinen Eintrag zu geben. Das Folgende steht noch unter dem 13.:

                    "Mit einem Gärtner, der mit Frau und Kind auswandert, hatte ich ein längeres Gespräch. Er ist ein rechtes Beispiel für den unverantwortlichen Leichtsinn, mit dem viele Leute auswandern.

                    Er war Obergärtner in der Provinz Sachsen, hat dann eine eigene Gärtnerei in Mecklenburg gehabt, hat sich dort verheiratet, hat auf einmal die Gärtnerei seinem Schwiegervater übergeben, und ist jetzt auf dem Wege nach Toledo."

                    Ich bin mir bei dem Währung nicht sicher und hänge daher den Rest des Textes an.


                    Hallo zusammen,

                    bei dem Währungszeichen handelt es sich um die Abkürzung für Reichtaler, siehe Anhang.(Quelle: Wikipedia.de) 1871 wurde im Deutschen Reich die Goldmark eingeführt. Der Reichstaler war noch bis 1907 im Umlauf und gültiges Zahlungsmittel. Der Wert eines Talers betrug 3 Goldmark. Die Schiffspassage von New York nach Toledo betrug also umgerechnet 150 Goldmark. Zum Vergleich: Noch um 1900 verdiente ein Hafenarbeiter in Hamburg ca. 60, ein Chemiearbeiter ca. 120 Goldmark/Monat. (Quelle: http://wiki-de.genealogy.net/Geld_und_Kaufkraft_ab_1871) Auf den billigen und beengten Zwischendecks kostete eine Passage von Deutschland nach Amerika ca. 120 Goldmark, das entsprach etwa der Jahresmiete für eine Drei-Zimmer-Wohnung. In der damaligen Zeit und insbesondere für die zumeist aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Auswanderer waren 120/150 Goldmark/Person für die Kosten der Schiffspassage eine große Summe Geldes. Deshalb kam es immer wieder vor, dass die Auswanderer von ihren Verwandten in Amerika im Voraus bezahlte Fahrkarten erhielten.

                    Gruß Christian

                    PS: ich finde auch, dass das Tagebuch eine lebendige Beschreibung der nicht nur riskanten, sondern auch die Leben der Auswanderer gründlich verändernden Atlantiküberquerung ist.
                    Angehängte Dateien
                    Zuletzt geändert von Christian40489; 26.12.2013, 01:31.
                    suche für mein Projekt www.Familienforschung-Freisewinkel.de alles zum Namen Freisewinkel, Fresewinkel, Friesewinkel.

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                    • Wolfg. G. Fischer
                      Erfahrener Benutzer
                      • 18.06.2007
                      • 4918

                      #55
                      Hallo Christian,

                      herzlichen Dank für die Auflösung des Währungszeichens.

                      Mit besten Grüßen
                      Wolfgang

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                      • dorsch
                        Erfahrener Benutzer
                        • 24.12.2011
                        • 295

                        #56
                        Hallo, Christian,
                        dass das Zeichen für Reichsmark stehen müsste, hatte ich mir zwar auch schon zusammengereimt, aber nicht wirklich daran geglaubt, weil der 2. Buchstabe für mich so gar nicht nach einem "t" aussieht. Auch von mir schönen Dank für die Auflösung.
                        Lieben Gruß
                        DorSch
                        „Krönung der Alten sind die Enkel und der Stolz der Kinder sind ihre Ahnen“ (Sprüche, Kap.17, Vers 6)

                        Suche nach FN Leidiger in Thüringen.

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                        • Christian40489
                          Erfahrener Benutzer
                          • 25.03.2008
                          • 1686

                          #57
                          Zitat von dorsch Beitrag anzeigen
                          Hallo, Christian,
                          dass das Zeichen für Reichsmark stehen müsste, hatte ich mir zwar auch schon zusammengereimt, aber nicht wirklich daran geglaubt, weil der 2. Buchstabe für mich so gar nicht nach einem "t" aussieht. Auch von mir schönen Dank für die Auflösung.
                          Lieben Gruß
                          DorSch
                          Da hast Du mich aber falsch verstanden! Das Zeichen steht für Reichstaler, dessen Wert 3 Goldmark entsprach! Die Abkürzung im Deutschen war zumeist: Rthlr., Rthl., rthl., Thl. Es gabt daneben weitere, allerdings weit weniger verbreitete Varianten.
                          Gruß
                          Christian
                          Zuletzt geändert von Christian40489; 28.12.2013, 02:13.
                          suche für mein Projekt www.Familienforschung-Freisewinkel.de alles zum Namen Freisewinkel, Fresewinkel, Friesewinkel.

                          Kommentar

                          • dorsch
                            Erfahrener Benutzer
                            • 24.12.2011
                            • 295

                            #58
                            Zitat von Christian40489 Beitrag anzeigen
                            Da hast Du mich aber falsch verstanden! Das Zeichen steht für Reichstaler, dessen Wert 3 Goldmark entsprach! Die Abkürzung im Deutschen war zumeist: Rthlr., Rthl., rthl., Thl. Es gabt daneben weitere, allerdings weit weniger verbreitete Varianten.
                            Gruß
                            Christian
                            Sorry, Christian! Schreibfehler! Meinte natürlich "-taler", wie käme ich sonst auf "t"? ;-)
                            Zitat von dorsch Beitrag anzeigen
                            weil der 2. Buchstabe für mich so gar nicht nach einem "t" aussieht.
                            Lieben Gruß und guten Rutsch!
                            DorSch
                            „Krönung der Alten sind die Enkel und der Stolz der Kinder sind ihre Ahnen“ (Sprüche, Kap.17, Vers 6)

                            Suche nach FN Leidiger in Thüringen.

                            Kommentar

                            • Wolfg. G. Fischer
                              Erfahrener Benutzer
                              • 18.06.2007
                              • 4918

                              #59
                              27. Okt. 1871

                              Tagebuch:

                              Heute wurde eine Frau entbunden. Mutter und Kind sind gesund. Viele Leute werden missmutig über die lange Reise und noch ist nicht abzusehen, ob wir in 3 bis 4 Wochen am Ziel sein werden.

                              Es ist sehr heiß, heute hatten wir 30 Grad im Schatten.

                              Kommentar

                              • Wolfg. G. Fischer
                                Erfahrener Benutzer
                                • 18.06.2007
                                • 4918

                                #60
                                28. Okt. 1871

                                Tagebuch:

                                Die Papiere der Leute wurden vom Kapitän überprüft, um danach die Listen für die Emigrantenbehörde in New York anzufertigen. Dabei stellte sich heraus, dass Kinder, die 1 1/2 und 2 Jahre alt waren, als Säuglinge, andere von 13 bis 14 Jahren als Kinder zu halbem Passagierpreis aufgegeben waren.

                                Auch fünf Paare, die in wilder Ehe leben, befinden sich an Bord. Eines davon hat drei Kinder. Ich machte sie auf die Ungehörigkeit einer solchen Ehe aufmerksam. Der Mann entgegnete mir, er lebe auch ohne die kirchliche Trauung mit seiner Frau ganz glücklich, seine Kinder brauchten davon nichts zu wissen!

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