Ablegung des „von“

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Minchen1
    Erfahrener Benutzer
    • 18.03.2021
    • 168

    Ablegung des „von“

    Hallo,

    seit Jahren versuche ich mir einen Reim daraus zu machen warum mein Ur-Urgroßvater das „von“ in seinem Namen nicht mehr geführt hat.
    In allen Urkunden nennt er sich Nikodemus Leszczynski. Angeblich wurde das „von“ von seinem Vater verkauft. Was erstens aber nicht möglich war und zweitens wurde auch der Vater in einigen Unterlagen noch als Joseph von Leszczynski geführt.
    Hat jemand Ahnung warum man seinen Namen „verstümmelt“, war es einfach nicht wichtig ? Hat jemand auch so einen Fall in seinem Stammbaum ?

    Vielen Dank für Eure Hilfe
  • Su1963
    Erfahrener Benutzer
    • 08.01.2021
    • 1243

    #2
    Um welchen Zeitraum geht es da? Wann ist das "von" zuletzt aufgetaucht buw wann nicht mehr? Es könnte sich eventuell um politische "antimonarchistische" Einstellungen gehandelt haben, die mit der Führung eines Adelstitels nicht vereinbar waren.

    Die Formulierung "In allen Urkunden nennt er sich Nikodemus Leszczynski" kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die "beurkundete" Person hatte damals wohl nicht viel mitzureden. Es gab damals ja keinen "füllen sie mal dieses Formular aus"-Zugang sondern es wurden die mitgebrachten Dokumente berücksichtigt.

    Es bleibt also die Frage, ob es überhaupt eine offizielle Namenänderung (mit Auswirkungen auf die Nachkommen) gegeben hat. Vielleicht wurde das "von" irgendwann versehentlich weggelassen und fehlt folglich in allen kommenden Dokumenten ebenso.

    Gibt es eventuell irgendwo eigenhändige Unterschriften des Ur-Urgroßvaters, denen man entnehmen kann, was er selbst für den richtigen Namen gehalten hat?


    Gruß, Susanna

    Kommentar

    • Anna Sara Weingart
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2012
      • 15113

      #3
      Hallo
      im Polnischen beinhaltet der Name Leszczyński bereits die Adelskennzeichnung "von", und zwar durch die Endung -ski. Leszczyński bedeutet "von Leszczyno". Leszczyno war der historische Name der heutigen polnischen Stadt Leszno.

      Das heißt, der Name Nikodemus Leszczyński wäre bereits ausreichend, um ihn als Angehörigen der polnischen Adelsfamilie Leszczyński auszuweisen, wenn er denn von dieser abstammt.



      "Nikodemus von Leszczyński" wäre doppelt gemoppelt, würde also bedeuten "Nikodemus von von Leszczyno"
      Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 07.09.2021, 15:12.
      Viele Grüße

      Kommentar


      • #4
        Hallo,
        es gibt sehr viele polnische Adelsfamilien mit dem Namen Leszczyński. Es gibt in Polen etwa 28000 Namensträger. Hier ist eine kleine Auswahl einiger Familien:



        Er könnte aus Galizien oder der Provinz Posen stammen, wo die polnischen Adeligen ein Adelsprädikat führten. Ebenfalls könnte er auch aus dem Baltikum stammen, wo die polnischen Adeligen auch ein Adelsprädikat führten.
        Zuletzt geändert von Gast; 08.09.2021, 15:56.

        Kommentar

        • Minchen1
          Erfahrener Benutzer
          • 18.03.2021
          • 168

          #5
          Nachtrag

          Erklären kann ich noch Folgendes:
          Mein Ururgroßvater wurde 1863 in Sumowo, Kujawien-Pommern geboren.
          Er unterschrieb seine Heiratsurkunde und die Geburtsurkunden alle Kinder mit Nikodemus Leszczynski. Auch im Adressbuch von Bromberg wurde er so geführt.
          Sein Bruder wiederum unterschrieb alle Urkunden mit Anastasius von Leszczynski. Auch meldete dieser den Tod des gemeinsamen Vater 1900 mit Joseph von Leszczynski.

          Kommentar

          • Artem_Nazarov
            Benutzer
            • 06.09.2021
            • 35

            #6
            m.E. kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

            - Wie bereits beschrieben (auch in meinem Thread im Kontext der russischen Adelsnamen) gibt es im Polnischen wie auch im Russischen keine vorangestellten Prädikate, und Namen, denen ein "von" vorangestellt ist und die auf "ski" (oder in Russland "skij", "ow", "in") enden sind grammatisch falsch, denn eine solche Endung ist bereits das Äquivalent eines patronymisch begründeten "von". Damit könnte die "von"-Nutzung oder Nichtnutzung ähnlich wie bei Schweizer Patrizieren fluktuieren und ein polnischer Adeliger könnte das "von" als abschaltbaren Bestandteil ansehen, der vielleicht sogar "nervig" ist und nur im Verkehr mit Deutschen benutzt wird.
            - Auch Leute, die normalerweise im Namen ein "von" tragen, ließen und lassen dies manchmal bei der Unterschrift weg, ohne es als Namensbestandteil zu leugnen, halt aus ästhetischen Gründen.
            - Es kann sich ursprünglich um einen adeligen oder auch nichtadeligen Namen Leszczynski handeln, der bei der preußischen Nobilitierung nur eines Familienzweiges unter völliger Ignoranz des Szlachta-Status von einem preußischen Herold in "von Leszczynski" abgeändert wurde, was evtl. aus ästhetischen Gründen, oder weil man bereits adelig war und eine neue preußische Nobilitierung mit einem grammatisch falschen "von" als unnötig, redundant, ja respektlos ansah, dann wieder abgelegt wurde, mit oder ohne Erlaubnis des Heroldsamtes.
            - Ein preußischer persönlicher Adel, der nur dem Nobilitierten, aber nicht seinen Nachkommen das "von" gewährte??? Wenn man die Biografie von persönlich Nobilitierten liest findet man oft dann irgendwann das "happy end", also das Upgrade auf Erbadel, aber das gab es bei weitem nicht bei allen, etliche sind gestorben, ohne den Erbadel erlangt zu haben, sodass die Kinder ohne das "von" wieder von vorne anfangen mussten. Wenn es ein russischer persönlicher Adel wäre wären die Nachfahren aber "erbliche Ehrenbürger". Aber in Deutschland gab es ja sowas nicht und Nachfahren von Erbadeligen waren allen anderen Bürgerlichen gleichgestellt.

            Kommentar

            • Pommerellen
              Erfahrener Benutzer
              • 28.08.2018
              • 1595

              #7
              Hallo Minchen1,

              das Thema was beschrieben wird kenne ich sehr gut und ist häufig. Der Hintergrund ist vielschichtig.
              1. Der Adel in Westpreußen und der Posener Gegend war ein polnischer Adel welcher bis zu den "Polnischen Teilungen" 1772, 1793, 1795 Teil der Adelsrepublik des Königreich Polens war. Der Adel war staatstragend, das bedeutet jeder noch so kleine Adelige konnte mitbestimmen. Zudem war der Adelsanteil in der Bevölkerung deutlich größer als in Preußen.
              2. Der Polnische Adel kennt kein Prädikat "von". In den Urkunden oder Kirchenbüchern steht: Nobilis, Gen. , ... ggf. steht später ein "de"
              3. Der Adelige in Polen war an einen Landbesitz gekoppelt. Ohne Landbesitz kein Adel. Daher wurden in der Realteilung die Besitzgrößen immer kleiner. Oder Erben ließen sich auszahlen und der Adelslegitimation war weg. Evt. verdingte man sich bei polnischen Magnaten, die dann damit ihr Stimme vervielfachten.
              4. Mit dem Übergang in den Preußischen Staat wurde der polnische Adel in den neuen Gebieten Westpreußen, Nördlich der Netze und zuletzt Südpreußen über eine Huldigung an der Preußischen Staat gebunden und damit auch in den preußischen Adelsstand gehoben. So konnte nun der polnische Adelige das deutsche "von" gebrauchen. Ein Prüfung des Adels fand nicht statt! Spätere Legitimierungen mussten eine Abkunft auf einen Huldigenden vorweisen oder min. eine Abkunft auf die Vasallenlisten von 1775 und 1790 für Westpreußen. Oder es mussten Zeugen für den Adel gefunden werden.
              4. Wie kommt es nun, dass in einer Familie der Bruder den Adelstitel führt der andere nicht. Das liegt oft an den sehr ärmlichen Lebensverhältnissen und auch an einen mangelnden Wissen. Die einzige schriftliche Quelle war das Kirchenbuch. Der Pfarrer schrieb aus dem Gedächtnis und ordnete ggf. falsch zu, besonders wenn kein Landbesitz mehr vorhanden war. Die Menschen hatten keine Papiere. Ich kenne ein Dokument, da steht: ich habe keine Papiere von meinem Vater, ich besitze nur eine Heiratsurkunde die ich nicht lesen kann. Alle meine Kinder haben den Namen von ... . Ich denke oft war es ein Vergessen der alten Herkunft aus dem Adel, da man kein Besitzer mehr war und es wenig Schriftlichkeit gab.
              5. Der Adel konnte auch verlustig gehen. Schon kleine Strafen reichten aus um den Adel zu verlieren. z.B. Diebstahl. Auch konnte auf den Adel verzichtet werden. Ich habe ein Fall, das der Betreffende auf den Adel verzichten musste um seine Dienstmagd zu heiraten. Dann hatte alle Kinder der ersten Ehe einen Adelstitel die der zweiten halt nicht.
              Ich hoffe ein wenig zur Klärung beigetragen zu haben.
              6. Der Adel konnte nicht verkauft, gestohlen ... werden nur aberkannt.

              Mit vielen Grüßen
              Zuletzt geändert von Pommerellen; 08.09.2021, 19:43. Grund: ERgänzung

              Kommentar

              • Minchen1
                Erfahrener Benutzer
                • 18.03.2021
                • 168

                #8
                Danke

                Vielen, vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen.
                Ich hätte nicht gedacht, dass das Thema so vielschichtig ist.
                Ganz liebe Grüße :danke

                Kommentar

                Lädt...
                X