Begräbnis mitten in der Nacht

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  • Hänsel
    Erfahrener Benutzer
    • 26.06.2008
    • 404

    Begräbnis mitten in der Nacht

    Hallo zusammen,

    kürzlich bin ich über einen Beerdigungseintrag gestolpert, wo ein 5 Wochen alter Sohn "FrüMorgen halbey 3 Vhr" beerdigt wird. Das ganze geschah im Jahr 1603 im Raum Borna/Leipzig.

    Hat jemand eine Idee, welche Gründe es sein können, sein Kind zu dieser "unchristlichen" Zeit zu beerdigen?

    Vielen Danke für Eure Anregungen und viele Grüße
    Stefan
  • Karl Heinz Jochim
    Erfahrener Benutzer
    • 07.07.2009
    • 4805

    #2
    Hallo, Stefan,
    ich vermute mal, dass das Kind eine ansteckende Krankheit hatte und sofort nach seinem Ableben beigesetzt wurde. Hast Du schon versucht herauszufinden, ob in dieser Zeit im Ort eine Seuche herrschte (Pest, Cholera, Typhus etc.)?
    Schöne Grüße vom Main
    Karl Heinz

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    • Hänsel
      Erfahrener Benutzer
      • 26.06.2008
      • 404

      #3
      Hallo Karl Heinz,

      danke für deine schnelle Antwort.
      Eine ansteckende Krankheit ist gut möglich, aber einen Hinweis auf eine Seuche habe ich nicht. Die Anzahl der Beerdigungen sind auf den "normalen" Niveau, 14.02., 24.03. am 06.05. oben genannte Beerdigung, dann geht es mit dem 11.05. und 25.07. weiter, also ganz normal für dieses Dorf damals. Todesursachen sind natürlich nicht angegeben.

      Viele Grüße
      Stefan

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      • Karl Heinz Jochim
        Erfahrener Benutzer
        • 07.07.2009
        • 4805

        #4
        Hallo, Stefan,
        "schade!", wäre so eine schöne Erklärung gewesen.
        Hast Du sonstige Anhaltspunkte aus dem Todes-Eintrag?
        War die Mutter ledig?
        Ist sie erst kürzlich in den Ort gezogen?
        Wurde sie als Hexe angeklagt? Das war 1603 immerhin noch möglich!
        Hat sie ihr Kind eventuell umgebracht?
        Fiel das Kind einem anderen Verbrechen zum Opfer?
        Irgend etwas Besonderes muss da gewesen sein, denn ich habe noch nie (und ich betreibe die Familienforschung nun schon rund 50 Jahre) von einer nächtlichen Bestattung gehört oder gelesen!
        Liebe Grüße
        Karl Heinz

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        • Dunkelgraf

          #5
          ich möchte euere Theorie mit der ansteckenden Krankheit eigentlich nicht kaputtmachen.
          Aber nach meiner Forschererfahrung war das eher eine besondere Ehre, wenn jemand zur Nacht begraben wurde. Die Begräbnisse von Adligen fanden durchweg alle Nachts bei Fackelschein statt, einige Geistliche wurden auch nachts mit Fackeln begraben, wenn man ihnen eine besondere Ehre antun wollte. Warum, weiß ich allerdings nicht. Aber Adelsforscher sollten darauf vielleicht eine Antwort haben?
          Im obigen Fall würde ich schätzen, dass die Eltern besonders hochangesehene Bürger der Stadt waren.

          Übrigens Karl-Heinz, ich betreibe das auch schon lange, und hab diese Einträge zu Dutzenden, ist vielleicht eine regionale Erscheinung?


          Gruß
          Dunkelgraf

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          • Hänsel
            Erfahrener Benutzer
            • 26.06.2008
            • 404

            #6
            Hallo Karl Heinz. hallo Dunkelgraf,

            wieder vielen Dank für Eure Antworten.

            Der Vater des Kindes war der Schulmeister des Dorfes, das Kind ein eheliches Kind, zweites Kind aus der zweiten Ehe des Vaters. Ein Schulmeister war vielleicht nicht ganz so angesehen wie Adlige oder Geistliche, aber vielleicht genügte es auf dem Dorf, ihm so eine Ehre zuteil werden zu lassen?
            Bisher kannte ich es noch nicht, daß es eine besondere Ehre ist, nachts beerdigt zu werden, aber man lernt nie aus.

            Viele Grüße
            Stefan
            Zuletzt geändert von Hänsel; 17.05.2012, 21:50. Grund: Rechtschreibung

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            • Joachim Fischer
              Erfahrener Benutzer
              • 15.07.2011
              • 1082

              #7
              Guten Abend und Hallo,
              Moin Hänsel,
              ich habe einige gestorbene Kinder die zur Nachtzeiten begraben wurden in meiner Ahnenforschung.
              Auch zu der Zeit in dem Dein Kind verstarb. Ob es ein Ritual war von Ehrenbürgern habe ich leider noch nicht gehört. Wäre dann für mich Interessant! Müßte hier tatsächlich umdenken.
              Doch wenn ein Kind starb wurde es halt begraben und der Pfarrer hatte es später aufgeschrieben. Waren es doch ganz andere Zeiten und ob dann der Pfarrer zur dieser Zeit anwesen war?
              Gruß Paul Otto

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              • Karl Heinz Jochim
                Erfahrener Benutzer
                • 07.07.2009
                • 4805

                #8
                Guten Abend, Dunkelgraf,
                vielen Dank für Deinen Beitrag und die Aufklärung; man lernt doch wirklich nie aus! Ich weiß nicht, ob es da regionale Unterschiede gibt, aber in meinem hauptsächlichen Forschungsbereich Odenwald, Rhein-Main-Gebiet und Rheinhessen ist mir diese Praxis noch nicht unter gekommen. Vielleicht kommen dazu aber noch weitere Meldungen.
                Schöne Grüße vom Main
                Karl Heinz

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                • GiselaR
                  Erfahrener Benutzer
                  • 13.09.2006
                  • 2183

                  #9
                  Ich hab mal schnell gewühlt, aber leider das gesuchte auf die schnelle nicht gefunden. Da muß ich vorerst mal ohne Beweis berichten:
                  Also die Sache mit der nächtlichen bzw. spätabendlichen Bestattung ist mir bekannt. Ein Coburgischer höherer und angesehener Beamter wurde bei Dunkelheit in Begleitung etlicher Kutschen und unter extra erwähntem Fackelschein begraben. Sogar die Anzahl der Fackeln wurde erwähnt. (habe ich leider vergessen).
                  Das war im 17. oder 18. Jhdt.
                  Und obwohl mein hoher Beamter "nur" aus einer bürgerlichen Familie stammte, scheint mir die Distanz zum Kind eines Dorfschulmeisters doch bedeutend, besonders wenn ich es im Zusammenhang mit Dunkelgrafs Anmerkung aus dem adligen Bereich zusammenbringe.

                  Ich würde da bis jetzt noch nach allen Richtungen offen bleiben. Ein direkter Rückschluß scheint mir zu riskant.

                  Viele Grüße
                  Gisela
                  Ruths, Gillmann, Lincke,Trommershausen, Gruner, Flinspach, Lagemann, Zölcke, Hartz, Bever, Weth, Lichtenberger, von der Heyden, Wernborner, Machwirth, von Campen/Poggenhagen, Prüschenk von Lindenhofen, Reiß von Eisenberg, Möser, Hiltebrandt, Richshoffer, Unger, Tenner, von Watzdorf, von Sternenfels

                  Kommentar

                  • Dunkelgraf

                    #10
                    Hallo an alle,

                    ich hab mal einige Beispiele rausgesucht. So wie Gisela schreibt gab es offenbar sogar unterschiede in der Anzahl der Fackeln, die von der kirchlichen Oberbehörde offenbar auch noch genehmigt werden musste. Im Text 1 steht aber eindeutig, dass es sich um ein standesgemäßes Begräbnis handelt! Mir erscheint der Sprung vom Landadel bzw Beamten zum Dorfschullehrer auch relativ weit.
                    Aber zu derzeit stammten oft die Schulmeister noch aus Familien des Bürgertums und des Landadels, da ja die Schulen oft erst zwischen 1550 und 1650 auf dem Lande eingeführt wurden. Könnte also trotzdem gut sein, dass die Mutter aus einer armen Landadelsfamilie stammte.

                    Gruß
                    Dunkelgraf
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                    • rigrü
                      Erfahrener Benutzer
                      • 02.01.2010
                      • 2559

                      #11
                      Zitat von Dunkelgraf Beitrag anzeigen
                      Aber zu derzeit stammten oft die Schulmeister noch aus Familien des Bürgertums und des Landadels, da ja die Schulen oft erst zwischen 1550 und 1650 auf dem Lande eingeführt wurden.
                      1. Ich verstehe den Zusammenhang zwischen den beiden Teilsätzen nicht.
                      2. Vorsicht mit pauschalen Aussagen. Ich habe hier in Sachsen um 1600 einige Schulmeister, die gleichzeitig Handwerker waren. Ein weiter war Handwerkersohn. Da taucht weder Bürgertum noch Landadel auf.

                      Zum Thema: Speziell für Sachsen war die Kirchen- und Schulordnung von 1580 bindendes Recht (gedruckt z. B. hier: http://archive.org/details/dieevangelischen00sehluoft). Auf den ersten Blick habe ich dort nichts gefunden, was den zeitlichen Rahmen eines Begräbnisses reguliert hätte. Bei großem Interesse kann man da sicher nochmal genauer suchen.
                      rigrü

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                      • GiselaR
                        Erfahrener Benutzer
                        • 13.09.2006
                        • 2183

                        #12
                        Aus dem Landadel stammten zu dieser Zeit sicherlich keine Lehrer. Adlige waren verpflichtet, ein standesgemäßes Leben zu führen. (das ist kein Scherz und auch keine Metapher)

                        Lehrer gehörten in die gleichen Kreise wie Pfarrer, Förster, Ärzte, auch Hochschullehrer, Beamte u.a. auch wenn es unter all diesen mehr oder weniger wohlhabende und angesehene Einzelpersonen gab. Das kann man ganz leicht erkennen, wenn man sich mal durch die Jahrhunderte anschaut, wer wen üblicherweise heiratete.
                        (ich kann das beurteilen, weil meine ältesten Pfarrervorfahren mit Luther bekannt waren, und die jüngsten bis ins 20 Jhdt. reichten)

                        Dorfschullehrer waren in dieser Gruppe sozial gesehen eher am unteren Ende angesiedelt (es sei denn jemand stammte aus einer angeseheneren Familie, z.B. viele bekanntere Pfarrerfamilien hatten Söhne, die als Lehrer anfingen, bis eine passende Pfarrstelle für sie frei wurde. Aber auch da war Dorfschullehrer in der Regel nicht die erste Wahl, angesehener war es, in einer Adligen Familie Hauslehrer zu werden.)


                        Und ja, der Aufwand bei einer Beerdigung (übrigens auch bei Taufen und Heiraten) war z.T. akribisch bis ins kleinste geregelt.
                        Mit Sicherheit hing die Anzahl der Kutschen und auch der Fackeln mit dem Stand zusammen. Der Aufwand mußte aber auch bezahlt werden.

                        Also alles in allem, wenn nicht noch irgendwelche ungeahnten Informatikonen auftauchen, halte ich ein nächtliches Begräbnis "ehrenhalber" im vorliegenden Fall absolut nicht für wahrscheinlich.
                        viele Grüße
                        Gisela
                        Ruths, Gillmann, Lincke,Trommershausen, Gruner, Flinspach, Lagemann, Zölcke, Hartz, Bever, Weth, Lichtenberger, von der Heyden, Wernborner, Machwirth, von Campen/Poggenhagen, Prüschenk von Lindenhofen, Reiß von Eisenberg, Möser, Hiltebrandt, Richshoffer, Unger, Tenner, von Watzdorf, von Sternenfels

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                        • Dunkelgraf

                          #13
                          Hallo Gisela,

                          ich unterschreibe alles, was du sagst.

                          sicher waren adlige verpflichtes ein standesgemäßes Leben zu führen. Aber, ob sie das immer so taten?
                          Keine Regel ohne Ausnahme vermutlich. Ich hab ez.B, den Fall Wiegleb.

                          Die Mutter des Orgelbauers war Eva Polexina von Heldritt, stammte also aus dem Landadel. Sein Bruder wird im Kirchenbuch u. a. erwähnt:

                          15 Maij ist Heinrich Müllern ein Töchterlein zwischen 4 u. 5 Uhr frühe zur Welt gebohren und den 16 dito durch hiesigen Schulmeisters Christoph Wieglebs Weib Agneta den 16 huius zur heil. Tauff befördert und mit den Nahmen Agnes begabet worden.

                          Und dann hab ich noch unter meinen Vorfahren diesen hier:
                          1664. Kirchenbuch Coburg St Matthäus
                          27 Februarij Johann Siegmund von Hager, einem von Adel, welcher von seinem Schuldienst zu Großengarnstadt in die Irre herumbgangen und in großem Elend zu Weidach gestorben, ohne Leichenpredigt begraben

                          Sind halt die Ausnahmen, aber wie gesagt ich unterstütze ansonsten all Deine Aussagen

                          Dass die Dorfschulmeister eher am unteren Rand der Sozialen Skala angesehen waren, ergibt sich auch daraus, dass manche sogar noch ieinen Nebenberuf wie Schuster oder Leineweber hatte. Ich habe sogar einen, der Hirte im Nebenberuf war.
                          Zuletzt geändert von Gast; 18.05.2012, 01:10.

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                          • GiselaR
                            Erfahrener Benutzer
                            • 13.09.2006
                            • 2183

                            #14
                            Hallo Dunkelgraf,
                            ja, da sind wir jetzt auf ein interessantes Thema geleitet worden. Sicher gab es die Ausnahmen, da bin ich absolut einverstanden.

                            Ich möchte nur nicht, daß wir jetzt bez. Stefans Anfrage (um die geht es hier ja eigentlich) zu früh zu viel Gewicht auf eine Möglichkeit legen, die nicht einmal die wahrscheinlichste ist. (obwohl sie natürlich denkbar ist.)
                            viele Grüße
                            Gisela
                            Ruths, Gillmann, Lincke,Trommershausen, Gruner, Flinspach, Lagemann, Zölcke, Hartz, Bever, Weth, Lichtenberger, von der Heyden, Wernborner, Machwirth, von Campen/Poggenhagen, Prüschenk von Lindenhofen, Reiß von Eisenberg, Möser, Hiltebrandt, Richshoffer, Unger, Tenner, von Watzdorf, von Sternenfels

                            Kommentar

                            • Hänsel
                              Erfahrener Benutzer
                              • 26.06.2008
                              • 404

                              #15
                              Hallo zusammen,

                              danke für eure zahlreichen Antworten.

                              Wie es aussieht, kann es viele Gründe haben, die Beerdigung auf so eine Uhrzeit zu legen. Da der Eintrag keine weiteren Informationen hergibt, bleibt alles nur Spekulation. Aber trotzdem danke für eure Anregungen.

                              Viele Grüße und ein schönes Wochenende
                              Stefan

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