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  #11  
Alt 12.02.2012, 12:08
Benutzerbild von AlAvo
AlAvo AlAvo ist offline
 
Registriert seit: 14.03.2008
Beiträge: 6.186
Standard AW: Wie schwer war es seinerzeit eigentlich woanders neu anzufangen (umzuziehen)?

Hallo Barbara,

Deine Frage, hinsichtlich der Umzüge, Auswanderung oder Übersiedelung finde ich sehr interessant.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sollte noch angeführt werden und zwar die behördlichen Genehmigungen.
Bis zur Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 bestanden ja die deutschen Kleinstaaten. Jeder dieser Kleinstaaten hatte seine eigenen Regelungen beim Wohnortwechsel, bei Auswanderung in andere Kleinstaaten und nach Übersee.
Zum genehmigten Verlassen des Territoriums war eine behördliche Genehmigung, in Form eines zeitlich befristeten Passdokumentes, notwendig. Die Ausstellung war z. B. abhängig, ob der Antragsteller ein Bürger- oder Heimatrecht besaß, den Militärdienst geleistet hat, angefallene Steuern bezahlt wurden, er unbeglichene Schulden hatte, etc..
Bei einer dauerhaften Übersiedelung in einen anderen Kleinstaat musste bei der Gemeinde am Zielort die behördliche Genehmigung und die Erlaubnis aus der Entlassung aus dem hiesigen Untertanenverband (Landesbürgerschaft) vorgelegt werden.
Kompliziert wurde es wenn ein Ausreisewilliger jedoch z. B. kein Bürger- oder Heimatrecht besaß. Dies hatte zur Folge, daß es mitunter viele Jahre brauchte um ein Bürger- oder Heimatrecht zu erlangen. Oftmals war dies eine regelrechte Odysee mit vielen Instanzen im Herkunfts- und Zielland. Darüber galten Personen ohne gültigen Pass oder Bürger- bzw. Heimatrecht als vogelfrei. Diese konnten jederzeit in das letzte Herkunftsland abgeschoben werden. Die Kosten hierfür wurden ihnen auferlegt.

Diese Umstände belegen unzählige Dokumente, da meine Vorfahren als Zirkusleute den Wanderberufen angehört haben. Der Erwerb von Bürger- bzw. Heimatrechten bei einigen dieser Personen bis zu 30 Jahre.

Hinsichtlich des Eisenbahnnetzes, erlaube ich mir noch anzumerken, daß es ab 1835 den ersten Eisenbahnverkehr in Deutschland gab. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Eisenbahnnetz in "Deutschland" und ganz Europa stark ausgebaut.
Dies erlaubte auch "ärmeren" Bevölkerungsschichten weitere Distanzen relativ schnell (z.B. im Vergleich zu Pferdefuhrwerken, oder siehe den Hinweis von AnGr) zu überwinden.

Ich hoffe, mit diesen Angaben ein wenig zu helfen.


Viele Grüße
AlAvo
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War Mitglied der Lettischen Kriegsgräberfürsorge (Bralu Kapi Komiteja)

Zirkus- und Schaustellerfamilie Renz sowie Lettland

Reisenden zu folgen ist nicht einfach, um so mehr, wenn deren Wege mehr als zweihundert Jahre zurück liegen!


  #12  
Alt 12.02.2012, 13:51
sternap sternap ist offline
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Registriert seit: 25.04.2011
Beiträge: 4.033
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eine anekdote aus dem jahr 1923 illustriert recht schön die strapazen einer übersiedlung. der bürgermeister eines österreichischen ortes hatte für die übersiedlung seiner tochter und die verbringung der möbel den besten pferdewagen des ortes organisiert. damit ging es nun an den neuen beruflichen einsatzort des jungen paares. die gescheiten alten leute forderten die frischgebackenen eltern noch auf, mehrere schichten windeln sehr fest zu verknoten, und der kutscher wurde angehalten, besonders umsichtig zu fahren. man tat alles wie geraten.

"als wir am zielort ankamen, war wegen dem schlechten zustand der strassen und der damit verbundenen rumpelei und schüttelei klein-h.... völlig aufgewickelt"

(den originalbrief der damaligen eltern habe ich erworben.)
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freundliche grüße
sternap
ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.





Geändert von sternap (12.02.2012 um 14:25 Uhr)
  #13  
Alt 12.02.2012, 18:33
Lauer1974
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schon interessant, zumal ich ja auch Auswanderer nach Amerika habe. Wielange dauerte eigentlich seinerzeit wenn es keine Zwischenfälle gab (wegen Wetter usw.) überhaupt eine Überfahrt von evtl. Bremen nach New York? Die brauchten doch sicher mehrere Tagen oder gar Wochen, um nach Amerika zu gelangen.

Wenn jemand dann noch etliche Kinder hatte, war das sicher ganz und gar nicht einfach. Aber leider hab ich ja auch keine Aufzeichnugen von meinen Vorfahren, jedenfalls nicht, so von der väterlichen Seite bislang gefunden.

Gruß Barbara
  #14  
Alt 12.02.2012, 18:47
Benutzerbild von AlAvo
AlAvo AlAvo ist offline
 
Registriert seit: 14.03.2008
Beiträge: 6.186
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Hallo Barbara,

laut den Hamburger-Passagierlisten, betrug um 1885 die durchschnittliche Reisedauer in die USA etwa 14 Tage.
Durch die fortschreitende Technisierung verkürzten sich die Reisezeiten in den nachfolgenden Jahrzehnten sicherlich um einige Tage.


Viele Grüße
AlAvo
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  #15  
Alt 16.02.2012, 14:33
Lauer1974
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danke für die ausführlichen Informationen. Nur ich hatte jetzt eine Antwort vom Stadtarchiv Eisleben bekommen, die Dame war sehr nett und hilfsbereit, aber mein Opa war zudem Zeitpunkt wo ich die Meldekarte aus Sarstadt mit dem Hinweis bekommen habe, das er nach Eisleben verzogen sei, ihn leider auch dort im Adreßbuch nicht finden konnte.

Kann man eigentlich auch davon ausgehen, das die Angaben die seinerzeit gemacht worden bezüglich der Meldedaten, überhaupt der Richtigkeit entsprechen? Von wem wurden diese damals eigentlich vorgenommen? Denn sowas wie ein Einwohnermeldeamt mit An- und Abmelden, gab es ja sicher damals auch noch nicht. Muss mich aber nochmal an ein anderes Archiv wenden, weil dort noch andere Meldekarten wohl zu finden sind, aber komisch ist es schon, das er dort bislang nicht aufgetaucht ist.

Ui das ist ja eine lange Reisezeit damals gewesen mit 14 Tagen und heute braucht so pi mal Daumen ca. 10 Stunden nach Amerika. Nur kostet das ja heutzutage alles mehr als damals. Was ich mich noch frage, heute kommt man ja nur eigentlich noch mit der Greencard rein, hatten damals also unsere Vorfahren sowas auch beantragen müssen oder konnten die einfach soweit das Geld vorhanden war, ihre Sachen packen und ab nach Amerika?

Gruß Barbara
  #16  
Alt 16.02.2012, 14:41
gudrun gudrun ist offline
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Registriert seit: 30.01.2006
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Hallo Barbara,

damals war eine Auswanderung auch sehr, sehr teuer. Nicht jeder der Ausreisen wollte, konnte es, da das Geld dazu fehlte.
Oft wurde Haus und Hof verkauft und die Verwandten legten noch dazu, daß die Leute die weite Reise machen konnten.

Viele Grüße
Gudrun
  #17  
Alt 16.02.2012, 14:55
sternap sternap ist offline
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Beiträge: 4.033
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bei den einen vorfahren kam ein werber ins dorf, das war ein schon früher nach amerika ausgewanderter deutscher. er versprach den leuten grossen reichtum, und ein faules leben mit wenig arbeit.

am ankunftsort war nur eine mine und eine hüttenstadt. dennoch haben die leute mit grossem fleiss wieder ein neues leben aufgebaut, einige von ihnen sind nachher für die überfahrt weiterer verwandter aufgekommen.
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freundliche grüße
sternap
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  #18  
Alt 17.02.2012, 17:22
Benutzerbild von Svenja
Svenja Svenja ist offline weiblich
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Hallo Barbara

Zur Geschichte der Einwanderung in Amerika sowie der Entwicklung der Verkehrsmittel
habe ich kürzlich auf meiner Website einen Bericht zusammengestellt. Richtig strenge
Einwanderungs-Beschränkungen für Einwanderer aus Europa wurden erst in den 1920er
Jahren eingeführt. Für Asiaten, insbesondere Chinesen, gab es schon früher welche,
diese habe ich aber auf meiner Website weggelassen.

http://iten-genealogie.jimdo.com/aus...nwanderer-usa/

Gruss
Svenja
__________________
Meine Website über meine Vorfahren inkl. Linkliste:
https://iten-genealogie.jimdofree.com/

Interessengemeinschaft Oberbayern http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=38

Interessengemeinschat Unterfranken http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=37

Interessengemeinschaft Sudetendeutsche http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=73
  #19  
Alt 18.02.2012, 20:35
Melanie_Berlin Melanie_Berlin ist offline
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Bezüglich der Auswanderung nach Amerika gab es viele Regeln und ich habe dazu vor einiger Zeit ein sehr interessantes Buch gelesen, allerdings auf Englisch. Es heißt "Island of Hope, Island of Tears" von David M. Brownstone, Irene M. Franck und Douglass Brownstone. So mussten Einwanderer, soweit ich mich erinnern kann, 50 Dollar nachweisen können, um überhaupt ins Land zu dürfen. Sie mussten sich einer strengen Untersuchung unterziehen (z.B. Umklappen der Augenlider), wer nicht gesund war, durfte nicht einreisen. Allein reisende Frauen durften nur einreisen, wenn sie von einem männlichen Begleiter abgeholt wurden, der diese Frau dann heiraten wollte.

Über die Reisezeit damaliger Schiffe kann man z.B. ganz einfach durch die Hamburger Passagierlisten (Abfahrt) und die NY Passenger List (Ankunft) Auskunft bekommen.
__________________
Viele Grüße,
Melanie
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