Umgangssprache der mährischen Urgroßeltern

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  • Su1963
    Erfahrener Benutzer
    • 08.01.2021
    • 1243

    Umgangssprache der mährischen Urgroßeltern

    Die Suche betrifft das Jahr oder den Zeitraum: ca. 1870
    Genaue Orts-/Gebietseingrenzung: Bojkowitz, Mähren
    Konfession der gesuchten Person(en): kath.
    Bisher selbst durchgeführte Internet-Recherche (Datenbanken): ActaPublica, familysearch
    Zur Antwortfindung bereits genutzte Anlaufstellen (Ämter, Archive): -


    Ich stehe bei der Umgangssprache meiner mährischen Urgroßeltern vor einem Rätsel:

    Johann Kasan wurde laut Geburtenbuch 1867 in Bojkowitz als Sohn des Georg Kasan geboren. Auch die Geschwister und Vorfahren haben durchgehend deutsche Vornamen in den Kirchenbüchern eingetragen. Geheiratet hat er - ebenfalls als Johann - in Wien. In der nächsten Generation (also bei den Eltern meiner Mutter) wurde deutsch gesprochen. Ihre Großeltern hat meine Mutter leider nicht mehr getroffen.

    Nun habe ich aber in den Erhebungsbögen zur Volkszählung 1880 tschechische Vornamen und als Umgangssprache "moravský" also mährisch entdeckt. Außerdem ist sein Bruder Karl/Karel in Bojkowitz geblieben - dessen Familie lebt immer noch in der Tschechischen Republik (was ich durch MyHeritage herausgefunden habe).

    Was stimmt nun - welche Umgangssprache ist eher anzunehmen? Was denkt ihr, welcher Quelle ist eher zu trauen?
  • Horst von Linie 1
    Erfahrener Benutzer
    • 12.09.2017
    • 19715

    #2
    Die Sprache wird ja nur im VZB genannt.
    Eine Ableitung anhand der Vornamen im Kirchenbuch wäre nicht statthaft.
    Und aufgrund der Familiennamen auch bedenklich.
    Falls im Eifer des Gefechts die Anrede mal wieder vergessen gegangen sein sollte, wird sie hiermit mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns in folgender Art und Weise nachgeholt:
    Guten Morgen/Mittag/Tag/Abend. Grüß Gott! Servus.
    Gude. Tach. Juten Tach. Hi. Hallo.

    Und zum Schluss:
    Freundliche Grüße.

    Kommentar

    • Kaisermelange
      Erfahrener Benutzer
      • 09.11.2020
      • 956

      #3
      Hallo Su1963,

      vielleicht waren deine Vorfahren zweisprachig.
      Mährisch ist ein tschechischer Dialekt.



      ab Seite 56




      Mähren heißt auf Tschechisch Morava. Hier einige Vokabeln zum Thema.


      Grüße Kaisermelange

      Kommentar

      • Kaisermelange
        Erfahrener Benutzer
        • 09.11.2020
        • 956

        #4
        Hallo Su1963,

        habe noch eine sehr interessante Sprachenkarte von 1926 gefunden. Vielleicht hilft sie dir.



        Grüße Kaisermelange

        Kommentar

        • Su1963
          Erfahrener Benutzer
          • 08.01.2021
          • 1243

          #5
          Vielen Dank euch beiden!

          Ich gehe auch - wie Horst - davon aus, dass die Angabe zur Umgangssprache in der Volkszählung wohl stimmen wird.

          Ich habe mich auch schon ein wenig über die Sprachen-Verteilung in der Region informiert, hätte aber eben gern einen konkreten Anhaltspunkt zu meinen Vorfahren. Irritierend finde ich vor allem den Umgang mit den Vornamen. Da heißt ein Bruder von Jan/Johann beispielsweise im Geburtenbuch Laurenz und bei der Volkszählung Vavrinec
          Zuletzt geändert von Su1963; 21.05.2021, 19:20.

          Kommentar

          • Su1963
            Erfahrener Benutzer
            • 08.01.2021
            • 1243

            #6
            Zitat von Kaisermelange Beitrag anzeigen
            Hallo Su1963,
            habe noch eine sehr interessante Sprachenkarte von 1926 gefunden. Vielleicht hilft sie dir.

            Grüße Kaisermelange

            Vieln Dank für die tolle Karte.
            So genau wusste ich das bisher nicht.Ich werde jetzt also die Namen meiner Bojkowitzer in den Aufzeichnungen entsprechend anpassen. 16213 : 39 ist ja recht eindeutig
            LG Susanna

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            • Hracholusky
              Moderator
              • 17.03.2016
              • 896

              #7
              Zitat von Su1963 Beitrag anzeigen
              Da heißt ein Bruder von Jan/Johann beispielsweise im Geburtenbuch Laurenz und bei der Volkszählung Vavrinec

              Das ist der gleiche Name einmal in Deutsch und einmal in Tschechisch.
              Laurenz=Vavřinec
              Mit besten Grüssen
              Gerd

              Kommentar

              • Horst von Linie 1
                Erfahrener Benutzer
                • 12.09.2017
                • 19715

                #8
                Da haben wir ja den Experten.
                Warum hat man in ein rein mährisches Dorf einen offenbar deutschen Priester gesetzt?
                Oh, sehe gerade, einer heißt Amros und der andere Nesvadba.
                Zuletzt geändert von Horst von Linie 1; 21.05.2021, 19:46.
                Falls im Eifer des Gefechts die Anrede mal wieder vergessen gegangen sein sollte, wird sie hiermit mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns in folgender Art und Weise nachgeholt:
                Guten Morgen/Mittag/Tag/Abend. Grüß Gott! Servus.
                Gude. Tach. Juten Tach. Hi. Hallo.

                Und zum Schluss:
                Freundliche Grüße.

                Kommentar

                • Su1963
                  Erfahrener Benutzer
                  • 08.01.2021
                  • 1243

                  #9
                  Zitat von Hracholusky Beitrag anzeigen
                  Das ist der gleiche Name einmal in Deutsch und einmal in Tschechisch.
                  Laurenz=Vavřinec

                  Ja, das weiß ich.

                  Dennoch kann mir das mal-so/mal-so aus heutiger Sicht nicht mehr wirklich vorstellen.

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                  • Vinzenz
                    Erfahrener Benutzer
                    • 19.06.2010
                    • 116

                    #10
                    Zweisprachigkeit der Urgroßeltern

                    Hallo Susanna,

                    in der Zeit vor 1900 war die Zweisprachigkeit viel größer.
                    Wie Horst schreibt vom Namen her "bedenklich" sagt allerdings gar nichts aus.
                    Habe bei der Volkszählung schon genügend deutsche Personen mit tschechischem Familiennamen gehabt.
                    Entscheidend ist hier natürlich die Lage des Ortes Bojkowitz im fast völlig tschechischen Sprachgebiet und die Herkunft der Eltern und Großeltern, wenn diese dort auch geboren worden sind.
                    Für die deutsche Umgangssprache optierten lediglich einige Juden, Adelige und "versprengte" Deutsche (Beamte, Eingeheiratete, auf der Walz, Spezialfachkräfte, etc.).
                    Allein schon die Definition "Umgangssprache" ist sehr schwammig, ist nicht mit der Nationalität vergleichbar und wurde des Öfteren in der Volkszählung missbraucht. So mussten bei deutschen Fabriken die Angestellten deutsche Umgangssprache angeben.
                    In den deutschen Städten waren häufig tschechische Dienstmädchen in deutschen Familien angestellt. Nicht selten wurden sie mit deutscher Umgangssprache gezählt. Natürlich konnten sie bzw. erlernten sie alle die deutsche Sprache.
                    Deshalb denke ich, dass Deine Urgroßeltern sicherlich Deutsch neben ihrer herkömmlichen Sprache Mährisch sprechen konnten (Niveau selbstverständlich unbekannt).
                    Deutschkenntnisse erleichterten die Integration im deutschen Sprachgebiet, wie z.B. in Wien, wohin sehr viele aus dem Böhmischen und Mährischen auswanderten. Von 1.675.000 Einwohnern im Zählungsjahr 1900 gaben immerhin noch ca. 103.000 Personen der einheimischen Bevölkerung böhmische, mährische und slowakische Umgangssprache an.

                    Schöne Grüße

                    Vinzenz

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                    • sternap
                      Erfahrener Benutzer
                      • 25.04.2011
                      • 4072

                      #11
                      Was war Mährisch?
                      Wikipedia sagt:
                      "Das Mährerreich (in der Fachliteratur auch Mährisches Reich, Großmähren oder Altmähren genannt) war das frühmittelalterliche Herrschaftsgebilde der westslawischen Mährer, dessen Kerngebiet sich in der historischen Region Mähren und der heutigen Slowakei befand."
                      .... " Das Mährerreich, welches das erste bedeutende slawische Staatswesen darstellte...."


                      Im Kapitel "Das lange 19. Jahrhundert" wird der schwierige Prozess erläutert.


                      Das Nationalbewusstsein der Tschechen erstarkte immer mehr, je nach Wohngebiet brauchten die Vorfahren entweder die deutsche oder slawische Sprache.


                      Das Ziel der Gebietsklärung zwischen Deutschsprachigen und Slawischsprechenden wäre gewesen, ein

                      Österreichisch-Tschechischer Ausgleichhttps://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichisch-Tschechischer_Ausgleich


                      In Mähren hätte man außer Deutsch oder Slawisch (Tschechisch, Mährisch) auch Ungarisch sprechen können, bis heute gibt es ungarische Minderheiten.
                      freundliche grüße
                      sternap
                      ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                      wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




                      Kommentar

                      • Muckl-Löi
                        Erfahrener Benutzer
                        • 16.03.2015
                        • 2514

                        #12
                        Hallo Kollegen,

                        der richtige Ansprechpartner zu diesem Thema wäre das Collegium Carolinum e. V.
                        in München, Hochstraße 8, Telefon: +49 89 55 26 06-0
                        E-Mail: post.cc@collegium-carolinum.de

                        Die Leute haben mir zu ähnlichen Themen bereits sehr geholfen.

                        Viele Grüße
                        Oskar

                        Kommentar

                        • Su1963
                          Erfahrener Benutzer
                          • 08.01.2021
                          • 1243

                          #13
                          Vielen Dank Vinzenz, stemap und Muckl-Löi für die Einschätzungen und Linktipps.

                          Mir ging es vorwiegend darum, meinen Vorfahren in meinen Aufzeichnungen die Namen zu geben, die den tatsächlich im persönlichen Umgang verwendeten entsprechen. Ich kannte ja anfangs nur die deutschsprachigen Varianten aus den Kirchenbüchern und bin davon ausgegangen, dass es sich um Angehörige der deutschen Volkgruppe gehandelt hat.

                          Außerdem hat die bereits in Österreich geborene Großelterngeneration - also die Eltern, Tanten und Onkel meiner Mutter - der Erinnerung meiner Mutter zufolge in Wien Deutsch gesprochen. Ihre noch in Mähren geborenen Großeltern hat meine Mutter leider nicht mehr kennengelernt.

                          Inzwischen bin ich zumindest für den Familienzweig aus Bojkowitz überzeugt, dass sie der mährischen Volksgruppe angehört haben. Bei zwei weiteren Urgroßeltern (die sich alle offenbar in Wien kennengelernt und hier geheiratet haben) aus Tracht/Strachotin und Heilbrunn/Hojná Voda bin ich noch auf der Suche nach Anhaltspunkten. Hier konnte ich bisher keine Volkszälungsbögen oder andere hinsichtlich Umgangssprache hilfreiche Quellen im Internet finden. Beduerlicherweise liegen mir keine Briefe o.ä. vor, die mir weiterhelfen könnten.

                          Gruß, Susanna

                          Kommentar

                          • acim
                            Erfahrener Benutzer
                            • 25.12.2020
                            • 1076

                            #14
                            Hallo Susanna,
                            in einer Diplomarbeit (Jevcakova_BP_Spolkovy_zivot_v_Bojkovicich.pdf, im Internet zu finden), ist folgende Tabelle aufgeführt (s. Beilage).
                            Übersetzung der Kopfzeilen:
                            Beilage 2: Tabelle 1: Wachstum der Gemeinde und ihre Nationalitäts- und Religionsstruktur
                            Jahr - Häuser - Einwohner - Nach Nationalität (tsch./deutsch/andere/fremde) - Nach Religion (r.-k./tschechoslowakisch/evang./jüdisch/bekenntnislos/andere)
                            Gruß, Aleš
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                            • Su1963
                              Erfahrener Benutzer
                              • 08.01.2021
                              • 1243

                              #15
                              Danke Aleš für die interessante Übersicht und die mitgelieferte Übersetzung


                              LG Susanna

                              Kommentar

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