Wie verhielten sich unsere Vorfahren 1933 - 1945?

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  • Wolfg. G. Fischer
    Erfahrener Benutzer
    • 18.06.2007
    • 4918

    Wie verhielten sich unsere Vorfahren 1933 - 1945?

    Hallo in die Runde,


    interessanter Beitrag:

    Gab es Nazis in meiner Familie? Das will die Enkel- und Urenkelgeneration wissen. Archive und Historiker können dabei helfen. Ein Anleitung für die eigene Recherche



    Von einem meiner Urgroßväter liegen Lebenserinnerungen vor, da bin ich gut im Bilde. - Leider war er braun angehaucht.

    Ein anderer war katholisch und für "die Sache" vermutlich nicht so empfänglich.

    Mein Großvater Fischer stand der SPD nahe.


    Mit besten Grüßen
    Wolfgang
    Zuletzt geändert von Wolfg. G. Fischer; 30.03.2023, 14:23.
  • Silvio52
    Erfahrener Benutzer
    • 17.06.2021
    • 232

    #2
    Hallo Wolfgang,

    Allgemein

    Nun ja, es waren normale Leute, mit ihren alltäglichen Sorgen und Problemen. Zumal die Entwicklung langsam vonstatten ging. "Aufgewacht" sind die meisten erst, als die Bomben fielen, die Versorgungslage angepannter, die Verlustlisten länger wurden und der Russe vor der Tür stand.

    Konkret

    Großvater A war ein armer Handwerker, der schon im 1. WK einen Unterschenkel verloren hatte. Im Jahr 1933 wendete sich für ihn alles zum Guten: Junge Ehefrau, noch in die NSDAP gekommen, ruhiger Bürojob, Beamter. Letztlich 1945 an seinen Krankheiten, nebst der alten Kriegsverletzung, gestorben.

    Großvater B war Bauer, skeptisch, hat ab 1943 wie "alle" in der Wehrmacht gekämpft, hat überlebt.

    Meine Onkel, die in dieser Zeit groß geworden waren, konnten meist nicht schnell genug in die Waffen-SS und ähnliche Formationen. Einer machte einen Lernprozeß durch, starb aber noch 1946 durch eine Mine. Ein anderer mordete selbst Zivilisten und fiel 1942 im Osten. Ein weiterer blieb als absolute Ausnahme formal "Pole" und starb 1943 im KZ.

    Ich versuche derzeit diese Fälle beispielhaft aufzuarbeiten.

    VG
    Silvio
    Suche FN: Dülge (Stettin, Lublin) / Streich und Hintz (Großpolen, Lublin) / Seeger (Elbing, Danzig und Berlin) / Havemann, Thiede und Stolz (Breslau, Bernau und Berlin).

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    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5535

      #3
      Interessantes Thema! Ich hatte das Glück, noch alle Großeltern kennenlernen zu dürfen. Als die Eltern meiner Mutter starben, war ich allerdings noch nicht alt genug, um mich für das Nazi-Thema zu interessieren. Mit meinem Großvater väterlicherseits habe ich sehr offen gesprochen, was mit seiner Frau nie möglich gewesen wäre. Meine Großeltern, alle Akademiker, waren sämtlich in der Partei. Von beiden Großmüttern sagt man sich, sie seien sogar von "der Sache" überzeugt gewesen. Die Mutter meines Vaters soll rassistische Äußerungen getan haben. Die Mutter meiner Mutter fand blond und blauäugig auch gut. Kaum zu glauben, sie war Ärztin! Ihr Mann, mein Großvater mütterlicherseits benutzte die Partei wohl eher als Möglichkeit, einen bestimmten Job zu bekommen, der ohne Mitgliedschaft in weiter Ferne lag. Er hatte fünf Kinder durchzubringen. Sein Bruder fiel in den ersten Kriegstagen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war er sich, so erzählt man, sicher, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Mein Großvater väterlicherseits war auch ein eher pragmatischer Mann. Er sagte mir, es ging damals eine große Angst vor den Bolschewisten um. Stalin hatte eindrucksvoll gezeigt, daß er ohne mit der Wimper zu zucken Millionen Menschen grausam verhungern lassen konnte. Da mein Großvater als Landwirt genau zu dem Kreis Menschen gehörte, den die Kommunisten so hassten und den sie unter Garantie als erstes ermordet hätten, war es klar, daß er sich einer Partei anschließen würde, die sich zu Gegnern des Kommunismus erklärte. Er meinte, die anderen Parteien der Weimarer Republik waren zu schwach und untereinander zu uneinig, um dem Kommunisten etwas Wirksames entgegensetzen zu können. Auf die Frage, ob er sich denn keine Gedanken um den Antisemitismus der NSDAP gemacht hätte, antwortete mein Großvater, daß in seinem Umfeld niemand "Mein Kampf" gelesen hätte. Das Thema stand damals wohl nicht so sehr im Vordergrund. Für viele scheinen die Nationalsozialisten angesichts eines Stalin ganz einfach das geringere Übel gewesen zu sein.

      Interessanterweise waren meine Urgroßeltern wohl fast alle mehr oder weniger offene Gegner des Nationalsozialismus. Verständlich eigentlich, denn sie wuchsen im Kaiserreich auf, in dem es ihnen gut ging, und waren daher teils recht monarchistisch eingestellt. Ein echter Monarchist kann seiner Natur und Überzeugung nach natürlich kein Nationalsozialist sein. Einer der Urgroßväter stellte sich Anfang der 30er Jahre tatsächlich vor das Wahllokal und gab allen Geld, die nicht NSDAP oder eine linke Partei wählten. Auch später konnte er nicht seinen Mund halten und wurde mit etwa 70 Jahren von der Gestapo abgeholt und inhaftiert. Ein anderer Urgroßvater, Arzt, behandelte, so wird erzählt, Juden umsonst, also ohne abzurechnen, da sie, die teils im Untergrund lebten, sonst aufgeflogen wären.

      Der Riß ging also mitten durch die Familien. Jedenfalls durch meine. Was ich für mich gelernt habe: es ist im Nachhinein immer sehr einfach, sich hinzustellen und mit dem heutigen Wissen über "die Alten" zu richten. Wie hätten wir uns in deren Situation verhalten? So wie nicht jedes SED-Mitglied Kommunist war, so war sicherlich auch nicht jedes Mitglied der NSDAP von der inneren Überzeugung her das, was man heute als Nazi bezeichnen würde. Ich möchte manchen, der heute das Maul am weitesten aufreißt mal sehen, wie mutig er vor 80 oder 90 Jahren gewesen wäre. Bei weitem nicht alle Deutschen hatten das Format eines Stauffenberg oder der Geschwister Scholl...
      Suche:

      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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      • nav
        Erfahrener Benutzer
        • 30.03.2014
        • 715

        #4
        Zu meinen eigenen Vorfahren ist mir nur von einem Urgroßelternpaar etwas zu deren Einstellung zum Nationalsozialismus überliefert.

        Mehr aber zu meiner Urgroßmutter (1904-1972), als zu meinem Urgroßvater (1902-1980), der eingezogen war, dem ich aber mal eine ähnliche Grundhaltung unterstelle. Von meiner Urgroßmutter weiß ich beispielsweise, dass es für sie mal Ärger gab, weil eine Nachbarin erfahren hatte, dass sie Hirtenbriefe las - die Nachbarstochter und meine Oma waren wohl befreundet, so hatte die Nachbarin das erfahren. Ebenso hat sie hinter verschlossenen Türen während des Krieges ein kleines Ritual durchgeführt, bei dem sie hauchdünnes Papier angezündet hat, zu Boden sinken lassen hat und dabei gesagt hat "Hitler soll in der Hölle brennen, Göbbels soll in der Hölle brennen, ...".

        Ebenso ist mir ein wenig - und zwar eher gegenteiliges - zu zwei "Stiefvorfahren" bekannt.

        Der Großvater meiner Stiefmutter (1913-1976) trat bereits im März 1933 der SS bei. Ab Mai 1934 war er im KZ Dachau eingestellt. Dort war er auch später während des Krieges als Wärter tätig. Der mündlichen Überlieferung nach soll er wohl aber relativ mild mit den Insassen umgegangen sein. Da er vor dem Eintritt in die SS auch zwei Jahre lang arbeitslos war, kann man ihm wohl unterstellen, dass diese Entscheidung nicht unbedingt auf voller Überzeugung vom Nationalsozialismus beruhte. Seine Strafe hat er wohl dennoch in Form von 4 Jahren und 7 Monaten russischer Kriegsgefangenschaft mit entsprechenden Beeinträchtigungen der Gesundheit bekommen. Zusätzlich starb er letztlich ziemlich genau eine Woche nach Renteneintritt.

        Der Urgroßvater meiner anderen Stiefmutter (1891-1945) war bis 1933 freier Architekt in Bremen. Danach musste er seine Tätigkeit - zumindest offiziell - aufgeben, da er sich aus politischer Überzeugung weigerte, Mitglied der Reichskulturkammer zu werden.

        Nico

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        • Juanita
          Erfahrener Benutzer
          • 22.03.2011
          • 1425

          #5
          Ich habe mich sehr für das Thema (Eltern/Grosseltern in d. Nazizeit) schon als Jugendliche interessiert. Natürlich war "man" unterschiedlich bereit, darüber zu reden. Beide GE-Paare stammten aus Landarbeiter-/Handwerkerkreisen.
          Grossvater W. Gothe -väterlicherseits (1904 - 1984) war Maurer begeisterter Radfahrer, gehörte einem Radfahrverein an. Deshalb wohl SPD- Mitglied, denn er hatte eigentlich nichts für Politik übrig. Bei Hitlers Machtergreifung trat er aus der SPD aus. Er war später im Krieg u. erlitt eine schwere Kopfverletzung, die er aber überlebte. Mein Vater (1928 - 1951) war ein begeisterter Hitlerjunge. Er liebte Sport über alles u. wurde entsprechend gefördert. So machte er u.a. einen Segelflugschein, u. das in Mühlhausen/Th., einem kleinem Städtchen. Mit 16 J. kam er zum "letzten Aufgebot" u. geriet in engl. Gefangenschaft. Dort konnte er mit einem Freund fliehen. Das war wohl mit Augenzudrücken der Bewacher, da sie wohl die Jüngsten u. sehr verstört waren. Über seinen Kriegseinsatz sprach er nur einmal, als er alkohoisiert war, dann nie wieder. Sie waren sehr motiviert in den Kampf gezogen, aber nach einem starken Angriff kam die entsetzliche Ernüchterung. Mit einer Wolldecke sammelten sie Körperteile der Freunde u. Mitkämpfer ein.
          Mein GV P. Martin mütterlicherseits (1908 - 1989) war Waldarbeiter u. überzeugter Nazi bis an sein Lebensende. Er war getrennt von meiner Oma, später geschieden, u. war Postangestellter in Polen. Darüber habe ich nur wenig erfahren, aber er hatte wohl eine leitende Stelle, denn er war sehr stolz darauf. Da ich ihn erst als Erwachsene kennenlernte, kann ich nicht viel dazu sagen. Er wurde im Krieg ebenfalls schwer verletzt, Bauchschuss, aber überlebte. Meine GM lebte im Dorf Schönstedt/Th. u. zog ihre beiden Töchter allein gross. Politik war bei ihr kein Thema. Es ging ums Überleben. Meine Mutter (1929 - 2011) war begeisterte Hitleranhängerin, wollte BDM- Führerin werden. Das Arbeitsjahr bei enem Bauern hatte ihr gut gefallen. Nach dem Krieg war dann alles anders. Verbittert waren beide Eltern nicht. Sie mussten wohl oder übel sich mit der neuen Situation abfinden, zumal sie dann mit knapp 18 u. 19 J. mich hatten. Also hiess es arbeiten und lernen u. ich wuchs erst einmal bei den Grosseltern auf. Am Beispiel meiner Eltern kann man klar erkennen, was Hitler für einen Einfluss auf die Jugend hatte. Zu DDR-Zeiten war es nicht viel anders, zumindestens in den ersten 10 - 15 Jahren.
          Juanita
          Zuletzt geändert von Juanita; 30.03.2023, 15:34.

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          • Andrea1984
            Erfahrener Benutzer
            • 29.03.2017
            • 2551

            #6
            Zitat von nav Beitrag anzeigen
            Zu meinen eigenen Vorfahren ist mir nur von einem Urgroßelternpaar etwas zu deren Einstellung zum Nationalsozialismus überliefert.

            Mehr aber zu meiner Urgroßmutter (1904-1972), als zu meinem Urgroßvater (1902-1980), der eingezogen war, dem ich aber mal eine ähnliche Grundhaltung unterstelle. Von meiner Urgroßmutter weiß ich beispielsweise, dass es für sie mal Ärger gab, weil eine Nachbarin erfahren hatte, dass sie Hirtenbriefe las - die Nachbarstochter und meine Oma waren wohl befreundet, so hatte die Nachbarin das erfahren. Ebenso hat sie hinter verschlossenen Türen während des Krieges ein kleines Ritual durchgeführt, bei dem sie hauchdünnes Papier angezündet hat, zu Boden sinken lassen hat und dabei gesagt hat "Hitler soll in der Hölle brennen, Göbbels soll in der Hölle brennen, ...".

            Ebenso ist mir ein wenig - und zwar eher gegenteiliges - zu zwei "Stiefvorfahren" bekannt.

            Der Großvater meiner Stiefmutter (1913-1976) trat bereits im März 1933 der SS bei. Ab Mai 1934 war er im KZ Dachau eingestellt. Dort war er auch später während des Krieges als Wärter tätig. Der mündlichen Überlieferung nach soll er wohl aber relativ mild mit den Insassen umgegangen sein. Da er vor dem Eintritt in die SS auch zwei Jahre lang arbeitslos war, kann man ihm wohl unterstellen, dass diese Entscheidung nicht unbedingt auf voller Überzeugung vom Nationalsozialismus beruhte. Seine Strafe hat er wohl dennoch in Form von 4 Jahren und 7 Monaten russischer Kriegsgefangenschaft mit entsprechenden Beeinträchtigungen der Gesundheit bekommen. Zusätzlich starb er letztlich ziemlich genau eine Woche nach Renteneintritt.

            Der Urgroßvater meiner anderen Stiefmutter (1891-1945) war bis 1933 freier Architekt in Bremen. Danach musste er seine Tätigkeit - zumindest offiziell - aufgeben, da er sich aus politischer Überzeugung weigerte, Mitglied der Reichskulturkammer zu werden.

            Nico
            Zwei Stiefmütter ? Wie ist das möglich ? Meinst du vielleicht eine Schwiegermutter ?

            -

            Meine Vorfahren mütterlicherseits haben ab und zu etwas über den Krieg erzählt, meine Vorfahren väterlicherseits gar nichts. Letztere haben eine Arbeit gehabt, ein Dach über den Kopf und sollen - diese Aussage beruht aus Informationen aus zweiter Hand - politisch nicht interessiert gewesen sein.

            Der Vater von meinem Opa mütterlicherseits hat die rechte Hand bzw. den rechten Unterarm im 1. Weltkrieg verloren. Wodurch weiß ich nicht. Krankheit ? Unfall ?

            Zwei weitere Urgroßväter sind unbeschadet davon gekommen bzw. von Verletzungen weiß ich nichts, der vierte Urgroßvater ist in Mauthausen verschollen. Es gibt keine offizielle Sterbemeldung und auf der öffentlichen Liste bei der Ausstellung ist er nicht zu finden.

            Meine Oma mütterlicherseits hat da und dort was mitgeteilt und Glück gehabt, einen Bombenangriff unverletzt überlebt zu haben. Ein paar Mitschülerinnen meiner Oma sind dabei ums Leben gekommen. Das muss ca. 1940 oder 1941 gewesen sein. Mehr Details habe ich nicht dazu.

            Herzliche Grüße

            Andrea
            Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Aufgeben tut man einen Brief.
            Wenn man lange genug Ahnenforschung macht, bekommt man zu dem Ahnenschwund und den Toten Punkten eine Generationsverschiebung gratis dazu.

            Kommentar

            • Sbriglione
              Erfahrener Benutzer
              • 16.10.2004
              • 1177

              #7
              Mein deutscher Großvater war Mitglied der Waffen-SS, mindestens zeitweise "Hilfspolizist" und wohl nicht NUR als Bahnarbeiter weitestgehend vom Militärdienst befreit.
              Er gehörte nach meiner Einschätzung (ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt, weil er vor meiner Geburt gestorben ist) als ehemaliger Knecht, der - weil seine Mutter aus ETWAS wohlhabenderen Kreisen (Kleinbürgertum) kam - zu einer Personengruppe, die für die Nazis besonders anfällig gewesen sein dürften: autoritätsgläubig, ungebildet und gesellschaftlich schlechter gestellt, als er meinte, es "eigentlich" verdient zu haben.
              Zu seiner "Ehrenrettung" in gewissem Sinne könnte man vielleicht sagen, dass er nach Aussage eines Sohnes, dem er sich anvertraut hatte, ein ziemlich schlechtes Gewissen hatte und kaum über die "schlimmen Dinge", die er mit ansehen musste und womöglich auch mitgemacht hat, so wenig hinweg gekommen ist, dass er später seinen Trost bei einer von den Nazis verfolgten religiösen Sekte gesucht hat.


              Dagegen mein anderer Großvater (auf Sizilien): ungebildet (auch sein Vater), seit Generationen Mitglied der Unterschicht, musste schon als Kind so hart arbeiten, dass er bei seiner Musterung zunächst durch das Raster gefallen ist (verkrümmter Rücken und erkennbar unterernährt - ich bin bei meinen Forschungen über seine Musterungsakte "gestolpert" - ), Analphabet aus Not. Er ist schließlich gegen Ende des Krieges doch noch eingezogen und auf Sardinien stationiert worden (das erste Mal, dass er aus seiner Heimat weg war), hatte dort auch erstmals mit Deutschen zu tun - und ist nach der Kapitulation Italiens zunächst mit einem Fischerboot auf das Festland gekommen, dann zu Fuß bis nach Süditalien gewandert, wieder mit einem Fischerboot nach Sizilien gekommen, wieder zu Fuß weiter gelaufen - und kurz vor Erreichen seiner Heimatstadt vor einem Erschießungskommando gelandet!

              Was war passiert? Nun: seine Kleidung war unterwegs dermaßen zerschlissen, dass er sich nur all zu sehr gefreut hat, als er am Wegesrand eine ziemlich gut erhaltene Uniform fand, bei der er sich sehr darüber gewundert hat, warum man so etwas einfach weg geworfen hat (man bedenke seine geringe Bildung und seine auch politische Unwissenheit!). Es handelte sich natürlich um eine Faschistenuniform...
              Dass ich diese supertolle, tolerante, humorvolle und menschenfreundliche Persönlichkeit kennen lernen durfte (er hat mir die Geschichte selbst erzählt) verdanke ich alleine der Tatsache, dass er von einem Mitglied des Erschießungskommandos gerade noch rechtzeitig erkannt wurde, der wusste, wer und wie mein Großvater war.
              Zuletzt geändert von Sbriglione; 31.03.2023, 10:03.
              Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
              - rund um den Harz
              - im Thüringer Wald
              - im südlichen Sachsen-Anhalt
              - in Ostwestfalen
              - in der Main-Spessart-Region
              - im Württembergischen Amt Balingen
              - auf Sizilien
              - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
              - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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              • idrzewiecki
                Erfahrener Benutzer
                • 15.12.2019
                • 226

                #8
                Ich weiß hier tatsächlich kaum etwas. Mütterlicherseits war der Großvater Reichsbahner. Ich gehe hier erst einmal davon aus, dass er nicht direkt in das Kriegsgeschehen involviert war. Allerdings könnte man bei einem Beamten (!) bei der Bahn schon diverse (Zwangs)-Mitgliedschaften erwarten. Danach gesucht habe ich allerdings noch nicht.

                Väterlicherseits gibt es den ersten Sohn meines Großvaters, welcher seit 1942 in der heutigen Ukraine als verschollen galt. Da er erst 20 Jahre als war wird es sich hier eher um einen "einfachen" Soldaten gehandelt haben.

                Bei meinem Großvater weiß ich, dass er im 1. Weltkrieg durch einen Kopfstreifschuß schwer verwundet wurde und daher im Zweiten WK nicht mehr eingezogen wurde.

                Es gibt aber Familienerzählungen darüber, dass eben dieser Großvater in den 1940er-Jahren auf dem Dachboden zwei Juden versteckt haben soll. Angeblich gab es sogar eine Razzia, weil Nachbarn wohl gemeldet hatten, dass auf dem Dachboden Licht wäre. Gefunden wurden dann aber keine Personen. Auch hier wäre es interessant, ob es dazu tatsächlich noch Unterlagen geben könnte - z.B. Polizeiliche Protokolle o.ä.

                So etwas wie Ahnenpässe o.ä. habe ich allerdings bisher noch bei keiner Person ausfindig machen können.
                ~~~~~
                RIBBENTROP - Hildesheim & Niedersachsen & KLUWE - Hildesheim & Drengfurt (Ostpreußen)
                DRZEWIECKI - Hildesheim & MNICH - Hildesheim & Oschiek (Oberschlesien)
                www.familienforschungdrzewiecki.de

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                • Andrea1984
                  Erfahrener Benutzer
                  • 29.03.2017
                  • 2551

                  #9
                  Ahnenpässe o.ä. habe ich auch bei den meinigen Vorfahren nicht gefunden. Vermutlich haben sie alles weggeworfen, wie es nicht mehr gebraucht worden ist.

                  Mein Opa väterlicherseits ist nicht im Krieg gewesen, sein Bruder schon und verwundet worden. Mehr darf ich dazu nicht schreiben, wegen dem Datenschutz. Beide Herren haben eine Familie gegründet und sind in relativ jungen Jahren - gerade 50 und Mitte 50 - gestorben.

                  Der Bruder meiner Oma mütterlicherseits ist im 2. Weltkrieg gewesen, jedoch eher hinter der Front. Was er genau getan oder nicht getan hat, ist mir unbekannt. Er hat den Krieg, zumindest äußerlich gesehen unverwundet überstanden. Über eine Verletzung ist mir nichts bekannt.

                  Herzliche Grüße

                  Andrea
                  Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Aufgeben tut man einen Brief.
                  Wenn man lange genug Ahnenforschung macht, bekommt man zu dem Ahnenschwund und den Toten Punkten eine Generationsverschiebung gratis dazu.

                  Kommentar

                  • assi.d
                    Erfahrener Benutzer
                    • 15.11.2008
                    • 2681

                    #10
                    Hallo,

                    mein Großvater mütterlicherseits trat 1931 aus Not (seit Jahren arbeitsloser Bäcker) in den Militärdienst ein und bleib bis zu seinem Tode 1943 in Russland einfacher Soldat einer Pioniereinheit. Erst mit seinem Tod wurde er zum (Unter-)gefreiten befördert. Er war ein stiller Mitläufer, der überleben wollte und nach dem Krieg mit der Familie an die Wolga auswandern wollte. (Werdegang lt. Wast)

                    Der Großvater väterlicherseits war 1940 schon gestorben und hatte aber mit "der brauen Brut" nichts am Hut. Er, sowie auch dann der Vormund meines Vaters, waren tief im Bauerntum und im katholischen Glauben verwurzelt und wollten nur ein frommes, arbeitsames Leben führen. (Tagebuch des Vormundes von 1950).

                    Gruß
                    Astrid

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                    • Pavlvs4
                      Erfahrener Benutzer
                      • 25.05.2020
                      • 191

                      #11
                      Mein Großvater väterlicherseits war als Arbeitersohn schon als Jugendlicher während des ersten Weltkrieges in der Arbeiterbewegung des Ruhrgebiets aktiv und hat auch in der Ära von Weimar und den Nazis eine sozialistisch/kommunistische Gesinnung beibehalten, sich aber politisch nicht aktiv engagiert. Im dritten Reich wurde eine Akte über ihn geführt, die aber heute nach Auskunft des zuständigen Amtes nicht mehr existent ist. Ein Cousin ersten Grades, von dem ich glaube mein Großvater beeinflusst wurden ist, war militanter Kommunist und hatte mehrere Jahre KZ-Haft erlebt.

                      Meine Großmutter war als Mädchen beim BDM, aber politisch desinteressiert. Jedenfalls hatte sie kein Problem mitten in der Naziherrschaft meinen sozialistischen Großvater zu heiraten. Aber ein Bruder von ihr war ein überzeugter Nazi, zwar kein ordentliches Parteimitglied, aber trotzdem ein 100%-er. Entsprechend soll er mit meinem Großvater auch spinnefeind gewesen sein. Auf dem Hochzeitsfoto wurde er in die hinterste Reihe verbannt, so das sein Gesicht nur zur Hälfte zu erkennen ist. Gänzlich verdeckt ist dafür seine Uniform, an der er eine Hackenkreuzarmbinde trug, wie meine Oma erzählte, die mein Opa nicht auf dem Foto sehen wollte.

                      In den letzten Kriegsmonaten 45 wurde mein Großvater als über Vierzigjähriger zum letzten Aufgebot der Wehrmacht zwangsrekrutiert. Weil der Krieg da schon gelaufen war, hat er nach Familienerzählung gar nicht viel schießen müssen, sondern ist in Oberbayern in amerikanische Gefangenschaft gegangen, aus der er nach kurzer Zeit entlassen wurde. Sein Endlassschein ist noch im Familienbesitz. 1949 wurde er SED-Mitglied, aber auch auf Druck meiner Oma hat er in der DDR kein öffentliches Amt übernommen, obwohl ihm das Bürgermeisteramt seines Wohnortes von der Partei angetragen wurde. Er ist 1989, wenige Monate vor der Wende gestorben.

                      Opas Cousin ist 49 ebenfalls SED-Mitglied geworden und hat in Magdeburg 53 eine prominente Rolle gespielt, die in für einen Wikipedia-Artikel relevant werden ließ. Als General a.D. der Volkspolizei ist er 79 gestorben.

                      Omas Nazi-Bruder ist 45 verschollen gegangen. Es hieß, er sei schon auf dem Heimweg von der Front gewesen, doch ist er zuhause nie angekommen. 52 wurde er von seiner Witwe für tot erklärt. Sein Sohn hatte lange nach seinem Schicksal geforscht, aber bis heute konnte es nicht aufgeklärt werden.

                      Der leibliche Vater meiner Oma mütterlicherseits ist als Soldat im Osten gefallen, genauso wie ihr Stiefvater und drei seiner Brüder im Krieg umgekommen sind. Mein Opa mütterlicherseits war noch keine 15 als der Krieg 45 zu Ende ging.

                      Kommentar

                      • Wolfg. G. Fischer
                        Erfahrener Benutzer
                        • 18.06.2007
                        • 4918

                        #12
                        Zitat von Silvio52 Beitrag anzeigen
                        Hallo Wolfgang,

                        Allgemein

                        Nun ja, es waren normale Leute, mit ihren alltäglichen Sorgen und Problemen. Zumal die Entwicklung langsam vonstatten ging. "Aufgewacht" sind die meisten erst, als die Bomben fielen, die Versorgungslage angepannter, die Verlustlisten länger wurden und der Russe vor der Tür stand.
                        Hallo Silvio,

                        da stimme ich Dir zu. Allerdings sind ein oder zwei Söhne meines Urgroßvaters Reinhardt wohl schon früher aufgewacht. Einer jedoch, * 1916, scheint seine braune Gesinnung in die Bundesrepublik hinübergerettet zu haben. Er war nur zu intelligent, um sie zu äußern.

                        Mit besten Grüßen
                        Wolfgang

                        Die Frau des ältesten hörte Feindsender. Als sie deswegen wohlwollend ermahnt wurde ("Pass auf, dass sie Dich nicht holen!"), antwortete sie: "Es dauert nicht mehr lange, dann holen sie Dich!"

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                        • Silvio52
                          Erfahrener Benutzer
                          • 17.06.2021
                          • 232

                          #13
                          Hallo Wolfgang,

                          ich wollte nur darlegen, daß alles "normal" war. Ich behaupte, die Quote an "Widerständlern" wäre heute keinesfalls höher als damals, "alle" würden brav mitmachen.

                          Der überlieferte "Widerstand" in meiner Familie beschänkt sich auf Anektdoten. So soll jemand "Wichtiges" unangekündigt gekommen sein und traf Oma (Männer waren im Krieg für Großdeutschland) mit ihren polnisches Gesinde am Abendbrottisch. Daraufhin schrie dieser Zeter und Mordio, da Polen nicht mit am Tisch von Deutschen sitzen durften und dies sogar die Einweisung ins Konzentrationslager nach sich ziehen konnte. Oma beendete das, in dem sie sich in ihrer ganzen bäuerlichen Erscheinung – 1,65 m "groß" und untersetzt – aufrichtete und klarstellte:

                          "Wer mit mir arbeitet, soll auch mit mir essen!"
                          Suche FN: Dülge (Stettin, Lublin) / Streich und Hintz (Großpolen, Lublin) / Seeger (Elbing, Danzig und Berlin) / Havemann, Thiede und Stolz (Breslau, Bernau und Berlin).

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                          • Lock
                            Erfahrener Benutzer
                            • 07.04.2016
                            • 452

                            #14
                            Guten Morgen Zusammen

                            Wie bei vielen ist das ganze vielschichtig.
                            Großvater väterlicher Seite stammt aus Ostpreußen nördlich der masurischen Seen und betrieb eine kleine Landwirtschaft. Generell hatte er wohl für "Obrigkeiten" nicht viel übrig gehabt, er hat immer gesehen das er seine Familie über die runden bringt. Im Januar 1945 zum Volkssturm eingezogen, bei erstbester Gelegenheit desertiert und seiner Familie, die sich bei den Flüchtlingstrecks befand hinterher. und er hat sie wiedergefunden was schon ein Wunder ist. Dabei immer auf der Hut nicht der Militärpolizei in die Hände zu fallen. Leider wurden Sie im März/April von der Front überholt und er landete in russischer Kriegsgefangenschaft. Im Frühjahr 1946 war er wieder da, wie er das angestellt hat hat er nie erzählt, aber offiziell entlassen wurde er nicht.
                            Nach dem Krieg hat er sich um eine Neubauernstelle bemüht und auch eine erhalten. Bis zum Schluss hat er sich dann gesträubt LPG Mitglied zu werden.
                            Ihm ging es immer nur um seine Familie.
                            Mutters Großvater gehörte zu einem der Schlägertrupps der SA und wurde 1934 bei dem Röhm-Putsch erschossen.
                            Ein Schwager meiner Großmutter war Polizist und Aufseher in einem Gefängnis, er wurde im Sommer 1945 verhaftet und verstarb im Mai 1946 in Weimar-Buchenwald an Typhus.
                            Ein anderer Schwager verstarb dort ebenfalls aber 1944. Welch Ironie des Schicksals.
                            v.G. Gerhardt

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                            • hessischesteirerin
                              Erfahrener Benutzer
                              • 08.06.2019
                              • 1333

                              #15
                              Meine deutschen Urgroßväter waren nicht in der Partei, meine Großeltern ebenfalls nicht. Der eine starb 1939, der andere 1941

                              Das hatte zur Folge, dass Oma und Opa nicht bauen durften und meine Oma, während Opa in Arnstadt bei Siemens arbeiten musste, viel ertragen musste.

                              Da war zum Beispiel die Geschichte, dass sie meinen verwundeten Onkel im Krankenhaus in Schwetzingen besuchen wollte und da im gleichen Krankenhaus eine Frau aus unsrem Ort lag, bat der Vater dieser Frau meine Oma, ihr doch etwas mitzugeben. Die Fahrt dorthin war eine halbe Tagesreise mit Bus und Bahn und nicht jeder konnte einfach mal dorthin fahren
                              Im Krankenhaus besuchte Oma die Frau, als der Ehemann ins Zimmer kam und Oma rauswarf, die Jugendfreundin hat hier nix zu suchen.

                              eine von vielen Geschichten.

                              Bis heute bin ich jedoch darüber entsetzt, dass der Neffe meines Urgroßvaters, der 1941 starb, ein bekennender Nazi, zu meinem Urgroßvater sagte "wäre du nicht am verrecken, würde ich dich erschiessen"

                              Die letzte Geschichte kannte ich, die Geschichten von Oma erzählt meine Mutter erst in den letzten Jahren, da ich sie immer wieder frage, um diese Geschichten im Buch für die Nachkommen festhalten zu können.

                              Von meinem Opa in Österreich weiß ich nicht viel, er wollte seine Frau und die 3 kleinen Buben sicherlich nicht alleine zurücklassen.

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