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#1
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Hallo!
Eine Bekannte erwarb vor einiger Zeit eine Eigentumswohnung in einer in den 1950er erbauten Wohnanlage bestehend aus drei Häusern. Der Staat gab damals dazu günstige Kredite oder auch direkte Zuschüsse, dafür durften die Wohnungen für 25 Jahre nur an Beamte vermietet werden. Meine Bekannte fand ein online-Adressbuch von 1959 und wollte dann rausbekommen, wer sonst noch in ihrer Wohnung bzw. den drei Häusern gelebt hatte. Ich half ihr beim Suchen mit Ancestry (weitere Adressbuch-Jgg.), der Datenbank des Bundesarchivs, online-Zeitungen usw. Im Jg. 1959 waren noch die Berufsangaben mit dabei. Es wohnten ausgesprochen viele im Höheren Dienst, also Oberregierungsräte, Ministerialräte, Erste Direktoren und ein Landgerichtspräsident, dort. Fast ausnahmslos lassen sich diese "Höheren Beamte", einige waren promoviert zum Dr. jur., Dr. phil. oder Dr. Ing., als NSDAP- und z.T. auch als SA/SS-Mitglieder nachweisen. Einige arbeiteten zuvor im Reichsarbeits- oder Reichswirtschaftsministerium, waren Militärverwaltungsräte, Stabsintendanten o.ä. Das kann natürlich auch nur Zufall sein. Aber daß damals zumindest dort ein großer Teil der Führungsetage der Bundes- wie Landesbehörden aus ehemaligen NSDAP- u. ggf. auch SS-Mitgliedern bestand, drei von ihnen bekamen Ende der 1960er das Bundesverdienstkreuz verliehen, hat uns dann doch sehr erstaunt. MfG Manni |
#2
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![]() Hallo Manni,
selbstverständlich kommt es uns heute merkwürdig vor, daß ehemalige Nationalsozialisten in der jungen Bundesrepublik höhere Ämter bekleideten. Vermutlich war es in den 1950ern aber schwierig, überhaupt jemanden zu finden, der die nötige Ausbildung und Erfahrung hatte, auf den betreffenden Stellen eingesetzt zu werden. Ich kann mir vorstellen, daß unter Hitler jeder höhere Beamte irgendeiner nationalsozialistischen Organisation angehören musste. Anderenfalls hätte er den Job kaum bekommen. Wenn jemand bei der Entnazifizierung dann als Mitläufer eingestuft wurde, stand seiner Beschäftigung in der Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland vermutlich nichts im Wege. Viele Grüße consanguineus |
#3
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#4
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![]() Hallo Manni:
Schau Dir doch mal die Liste der deutschen Bundespräsidenten an. Die ersten drei waren nicht NSDAP-Mitglieder, obwohl der zweite (Heinrich Lübke) an der Verwendung von Zwangsarbeitern beteiligt war. Der vierte (Walter Scheel) hat anscheinend Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt und erhalten, obwohl er dies in seinen öffentlichen Äußerungen verschleierte. Der fünfte (Karl Carstens) zeigt, wie ein junger promovierter Jurist eine aktive NSDAP-Mitgliedschaft durch Verschleppung des Antrags vermeiden konnte. Es gab durchaus auch nicht vorbelastete Beamten in dieser Zeit. Mein Opa war SPD-Mitglied und Gewerkschaftsfunktionär vor 1933; nach dem Juli-Attentat in 1944 verbrachte er 2 oder 3 Monate als Politischer im KZ Oranienbaum, vermochte es aber zu überleben. Direkt nach dem Krieg wurde er von den amerikanischen Militärbehörden zuerst als Landrat und dann 1947 als Landtagsdirektor in Hessen eingesetzt (eine Stelle, die er bis zu seiner Pensionierung in 1959 behielt). Aber es gab wohl nicht genug solche SPDler und ex-Gewerkschaftsfunktionäre, um eine ganze Beamtenschaft auszustatten - und in dem politischen Klima der ersten Nachkriegsjahren wollte man wohl auch nicht eine ganz so linke Beamtenschaft. VG --Carl-Henry |
#5
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![]() Hallo Manni,
es war in der Regel so wie consanguineus es ausführt. Es gab einen eklatanten Bedarf an Beamten die eingearbeitet waren. Und da es kein Internet und online Datenbänke gab war der Lebenslauf auch schnell geschönt, bzw. man kannte sich und es wurde geschwiegen. Ich habe mir exemplarisch zwei Fälle von Personen aus meiner Heimatstadt angesehen, beides Parteimitglieder etwa gleiches Alter UK gestellt und mir dazu die Entnazifizierungsakten angesehen. Fall 1 Industriearbeiter. Akte nur der Fragebogen, keine weiteren Mitgliedschaften => zur weiteren Verwendung oder Entlassung aus dem Dienst freigegeben. Fall 2 Schuldirektor, Akte 130 Seiten. Parteiredner, SD Spitzel ... seit 1950 wieder als Rektor in Funktion. Spätere Auskunft über das Archiv so in den 2000der Jahren. Fall 1. war ein schlimmer Nazi, Fall 2 war nicht so schlimm guter Pädagoge. Es gab auch wie Gastonian schreibt, völlig unbelastete Beamte, denn eine Mitgliedschaft musste nicht eingegangen werden Diese Beamte wurde in der Regel 1945 von den Alliierten für die ersten Stadtparlamente etc. eingesetzt. Später kamen oft die Entnazifizierten wieder dazu. War ja kein Einstellungsverbot außer bei rechtskräftiger Verurteilung als Kriegsverbrecher. Viele Grüße Geändert von Pommerellen (31.05.2023 um 21:57 Uhr) |
#6
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![]() Meine Wahrnehmung ist, dass in der jungen BRD Ex-Nazis nicht TROTZ ihrer Vorgeschichte, sondern genau WEGEN ihrer Vor-"Verdienste" ihre Posten bekamen.
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#7
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Woran machst Du das fest?
Geändert von consanguineus (31.05.2023 um 23:04 Uhr) |
#8
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![]() Hallo,
vielen Dank für Eure Beiträge. Kaum jemand beschäftigt sich so intensiv mit den Vorfahren wie wir Ahnenforscher. Dabei lernt man schnell, kein vorschnelles Urteil über das Verhalten frühere Generationen zu fällen. Denn es stellt sich stets die Frage: Wie hätte man sich selbst damals verhalten? Andererseits wurde "Die Zweite Schuld" oder "Die Braune Justiz nach 1949" in der BRD schon oftmals in Büchern, Dokumentationen im TV usw. thematisiert. Das bleibt aber m.E. meist irgendwie abstrakt. Wenn man aber als Ahnenforscher eine Liste zum Erstellen von Biographien zugeschickt bekommt, und einen nach dem anderen in der fraglichen Datenbank im BA Berlin findet, wird es erfahrbarer, was sich nach 1949 in diesem Zusammenhang abgespielt hat. Nur wenige dieser "Höheren Beamten" blieb übrigens länger dort als Mieter wohnen, die meisten hatten sich bis Ende der 1960er Jahre in den Villen-Vororte der Stadt ein Haus gebaut. Die kamen also schon zws. 1933-1945 gut durch und bis auf eine kurze Durststrecke, einige waren in Gefangenschaft, mußte sich dann als Buchhändler o.ä. rumschlagen, bis sie in den 1950er wieder eingestellt wurden, konnten sie sich in der "jungen" BRD erneut auf der Sonnenseite unserer Gesellschaft einrichten. MfG Manni Geändert von Manni1970 (01.06.2023 um 10:51 Uhr) |
#9
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![]() Meine Wahrnehmung ist in vielen Jahren des Lesens und Erfahrens entstanden. Beim Betrachten von Biografien, zum Beispiel: Der 1. Präsident der Bayerischen Bereitschaftspolizei ist ganz sicher nicht berufen worden, weil er so gut zum Sessel passte. Als Offizier der Wehrmacht war er u. a. verantwortlich gewesen für die Erschießung italienischer Offiziere auf Korfu. Er fand es passend, ihre Leichen ins Meer werfen zu lassen. Außerdem ließ er noch nach Kriegsende, im Sommer 45, Todesurteile an Soldaten in Norwegen vollstrecken. Nur zwei herausragende Schandtaten. Mir kann niemand erzählen, dass ihn dies nicht empfohlen hat für seine Berufung zum Polizeipräsidenten. Warum sonst hätte man ihn auswählen sollen, wenn nicht seiner "Erfolge" wegen? |
#10
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![]() Zitat:
Einzigst sein Stellvertreter Ganzenmüller, Ihm sollte der Prozess gemacht werden, war aber bis zu seinem Tode verhandlungsunfähig. |
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