Tagebuch eines Schiffsmissionars (im Herbst 1871 auf dem Segelschiff "Electrik" nach New York)

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  • Wolfg. G. Fischer
    Erfahrener Benutzer
    • 18.06.2007
    • 4918

    #91
    17. Nov. 1871

    Hallo Grapelli, hallo Matthias,

    Ich hätte nie mit so viel Resonanz gerechnet.

    LG Wolfgang




    Tagebuch:

    Diese Nacht ist wieder ein Kind gestorben, gegen Morgen wurde es ins Wasser gesenkt. Die Mutter, ein Mädchen aus Mecklenburg, ist ganz außer sich.

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    • Wolfg. G. Fischer
      Erfahrener Benutzer
      • 18.06.2007
      • 4918

      #92
      18. Nov. 1871

      Tagebuch:

      Schon um 5 Uhr sollen die Leute an der Schanzbekleidung gestanden und das Land gesucht haben, aber ihre Mühe war vergeblich, es zeigte sich nichts. Einzelne fangen wieder an zu murren, weil sie heute nicht nach New York kommen.

      Nachmittags las ich aus dem "Ratgeber für Auswanderer" einige Abschnitte über die Landung, den Aufenthalt in New York, die Weiterreise und Eisenbahnen vor. Da gab es allerlei Fragen. Soweit ich konnte, habe ich Auskunft erteilt, sonst aber auf Pastor Neumann hingewiesen.

      Abends ein prachtvoller Sonnenuntergang.

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      • Wolfg. G. Fischer
        Erfahrener Benutzer
        • 18.06.2007
        • 4918

        #93
        19. Nov. 1871

        Tagebuch:

        Hoffentlich der letzte Sonntag unserer Reise! Zum Gottesdienst kamen mehr Leute als sonst. Gerade als ich den Vers "O heilger Geist, kehr bei uns ein" vorsagte, rief ein Matrose: "Der Lotse!" Sofort zerstreute sich die Versammlung.

        Ein Schreien, Rennen und Rufen entstand, das man nicht beschreiben kann. Natürlich war nun an Gottesdienst nicht mehr zu denken. Still trug ich Bibel und Gesangbuch in die Kajüte und schaute dann vom Halbdeck nach dem Lotsen aus. In einer Entfernung von etwa fünf englischen Meilen zeigte sich ein Fahrzeug. Durch das Fernrohr konnte man die Nummer 3 deutlich auf dem Segel lesen.

        Um 12 Uhr war der Lotse an Bord. Alle drängten sich heran, um ihn anzustaunen. Im Hospital las ich den Kranken den 103. Psalm.

        Der Lotse brachte uns keine guten Nachrichten. Auf der Reede in New York soll ein Stettiner Dampfer liegen, der 60 Todesfälle gehabt hat, alle an der Cholera. Infolgedessen müssen alle Schiffe, die Emigranten an Bord haben, zehn Tage Quarantäne halten.

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        • wolf44
          Erfahrener Benutzer
          • 19.09.2011
          • 272

          #94
          Zitat von Wolfg. G. Fischer Beitrag anzeigen
          Der Lotse brachte uns keine guten Nachrichten. Auf der Reede in New York soll ein Stettiner Dampfer liegen, der 60 Todesfälle gehabt hat, alle an der Cholera. Infolgedessen müssen alle Schiffe, die Emigranten an Bord haben, zehn Tage Quarantäne halten.
          hier die entsprechenden Zeitungsausschnitte aus der "Ostsee Zeitung":
          Cholera Franklin 18. Nov 1871.jpeg
          Ostsee Zeitung 1. Dez 1871.jpgOstsee Zeitung 1. Dez 1871_2.jpg

          Ergänzung: einen Artikel habe ich noch gefunden und ihn bei Flickr hochgeladen.
          {vision}:{outdoor}=099, {vision}:{sky}=0783, {vision}:{text}=093

          {vision}:{text}=0949, {vision}:{outdoor}=0988, {vision}:{sky}=0787
          Zuletzt geändert von wolf44; 14.02.2014, 11:12. Grund: Ergänzung
          Viele Grüße
          Wolfgang

          Blog:Genealogische Fundstücke

          Kommentar

          • Svenja
            Erfahrener Benutzer
            • 07.01.2007
            • 4353

            #95
            Hallo

            Hier werden Zeitungsartikel aus dem Morning Herald in Halifax, Kanada zitiert:



            Und hier ist ein Artikel der New York Times, mit einer Liste der Verstorbenen
            und derjenigen, die ins Krankenhaus gebracht werden mussten.



            Noch ein Artikel der New York Times, weitere Verstorbene und neu Erkrankte werden namentlich erwähnt.



            Gruss
            Svenja
            Zuletzt geändert von Svenja; 13.02.2014, 23:43.
            Meine Website über meine Vorfahren inkl. Linkliste:
            https://iten-genealogie.jimdofree.com/

            Interessengemeinschaft Oberbayern http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=38

            Interessengemeinschat Unterfranken http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=37

            Interessengemeinschaft Sudetendeutsche http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=73

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            • Wolfg. G. Fischer
              Erfahrener Benutzer
              • 18.06.2007
              • 4918

              #96
              20. Nov. 1871

              Hallo Svenja, hallo Wolfgang,

              herzlichen Dank für die interessanten Ergänzungen!

              LG Wolfgang




              Tagebuch:

              Heute sollen wir New York sehen, aber nicht landen. Um 9 Uhr nahm uns ein kleiner Dampfer ins Schlepptau. Immer näher kamen wir dem ersehnten Land, auf beiden Seiten dehnte sich die langgestreckte Küste.

              Einen schmerzlichen Eindruck machte mitten in der Freude das Cholera-Schiff. Ganz ohne Masten, nur am Hinterteil die vielsagende gelbe Flagge, rechts davon der Dampfer, der die Gesunden an Bord hat, links der "Franklin" ohne Bemannung.

              Heute morgen ist ein Matrose vom obersten Rah des großen Mastes herabgefallen, genau zwischen drei Leute. Er scheint Arm und Bein gebrochen zu haben; leider ist er ein Schwede und versteht kein Wort deutsch.

              In der Ferne hörten wir Kanonenschüsse, Schuss auf Schuss fiel. Es sei ein russischer Prinz mit vier Kriegsschiffen hier, sagte uns der Lotse, dem zu Ehren fände zur See ein Manöver statt.

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              • Wolfg. G. Fischer
                Erfahrener Benutzer
                • 18.06.2007
                • 4918

                #97
                (20. Nov. 1871)

                Tagebuch:

                Unser Hospital ist fast leer, die meisten Kranken haben sich auf dem Verdeck ein Plätzchen zum Sitzen gesucht.

                Um 11 Uhr kamen wir im Hafen an. Rechts Brooklyn, links die freundliche Insel Staaten Island mit ihren schönen Landhäusern. Von der Höhe blickt freundlich eine Kirche herüber. Gott sei Dank, dass wir soweit sind!

                Doch, bis hierher und nicht weiter. Der Dampfer ließ das Tau fahren und wir warfen Anker, um den Arzt zu erwarten. Nachdem dieser alle Passagiere hatte Revue passieren lassen, verließ er uns, um morgen wiederzukommen. So saßen wir fest, vielleicht auf acht Tage.

                Ein reges Leben begann um uns. Schiffe kamen und gingen, die großen Dampffähren fuhren hin und her. Jollen mit Leuten, die uns ihre Waren verkaufen wollten oder sich nach Verwandten erkundigten, umkreisten das Schiff.

                Auch ein kleiner Dampfer, nicht viel größer als ein Boot, kam, um sich Nachrichten für den "Herald" zu holen. Dieses Blatt hält einen Dampfer im Hafen, um die Neuigkeiten baldmöglichst zu erfahren. Abends wurde wieder getanzt.

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                • Wolfg. G. Fischer
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.06.2007
                  • 4918

                  #98
                  (21.?) Nov. 1871

                  Tagebuch:

                  Heute Mittag war große Freude, es gab grünen Kohl und frisches Rindfleisch. Ein Mann äußerte, der Kapitän sei doch ein guter Mann. Unten im Proviantraum ständen noch mehrere Fässer mit geräuchertem Speck und Salzfleisch, trotzdem gebe er so viel Geld für frisches Fleisch aus. Er habe immer gehört, die Seeleute seien grob und gefühllos; wenn dies wahr wäre, dann mache der Kapitän eine Ausnahme.

                  Auf Anordnung des Arztes muss das Zwischendeck ausgeräuchert, auch sämtliche Bettwäsche gewaschen werden. Von Mast zu Mast waren die Leinen gezogen, darauf hingen die Tücher, Laken und Schürzen. Wieder wurde nach der Handharmonika getanzt.

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                  • maria1883
                    Erfahrener Benutzer
                    • 20.08.2009
                    • 898

                    #99
                    Hallo Wolfgang,
                    ich muß doch mal dazwischen"quarken". Endlich bist Du wieder da.
                    Was machen wir blos, wenn das Tagebuch zu Ende ist ?
                    Liebe Grüße
                    Waltraud
                    Orte und Namen meiner Ahnen:
                    Neu Wuhrow: Pophal, Golz, Is(s)berner, Gehrke, Draheim, Zuther, Mittelste(ä)dt, Hensel, Bleck
                    Gönne (später Westgönne): Hensel, Bleck, Maronde
                    Steinklippe (Belgard/Schievelbein): wie Westgönne
                    Neudorf: Märtens, Boeck, Schulz, Mallon, Harmel, Manz
                    Pöhlen: Milbradt, Boeck, Dittberner, Kannenberg, Märtens
                    bis auf Steinklippe alles Kreis Neustettin

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                    • renatehelene
                      • 16.01.2010
                      • 1983

                      Hallo,

                      ja, das frage ich mich auch schon!!!!

                      Kommentar

                      • wolf44
                        Erfahrener Benutzer
                        • 19.09.2011
                        • 272

                        Vielleicht hat August Vockrodt auch über seine zweite Reise, als er mit seiner Frau Anna auswanderte (ab HH 23.4.1873 an NY 8.5.1873 auf der Hammonia) auch einen Bericht verfasst.

                        Gruß Wolfgang
                        Viele Grüße
                        Wolfgang

                        Blog:Genealogische Fundstücke

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                        • Wolfg. G. Fischer
                          Erfahrener Benutzer
                          • 18.06.2007
                          • 4918

                          22. Nov. 1871

                          Hallo in die Runde,

                          ja, das Ende des Tagebuches kommt nun sehr schnell, nämlich jetzt.

                          Liebe Grüße
                          Wolfgang




                          Tagebuch:

                          Vergebens sahen wir nach dem Arzt aus. Die umliegenden Schiffe besuchte er, zu uns kam er nicht. Wahrscheinlich werden wir in den nächsten Tagen das Schiff verlassen können.

                          Der Arzt stellte uns die Bescheinigung aus, dass wir keine Kranken haben, den kranken Matrosen hat er mitgenommen. Darauf entließ er uns aus der Quarantäne.

                          Ein ungeheurer Jubel entstand, als dies bekannt wurde. Nachdem sich derselbe etwas gelegt hatte, versammelte ich noch einmal die Leute um mich. Wie ganz anders klang heute das Lied "Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen"!

                          Um 5 Uhr wurden alle Passagiere auf einer Dampffähre nach Castle Garden gebracht, von wo aus sie morgen weiterreisen werden.

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                          • maria1883
                            Erfahrener Benutzer
                            • 20.08.2009
                            • 898

                            Danke Wolfgang(wenn Du Dir das von einer fast 72jährigen
                            gefallen läßt)
                            Liebe Grüße
                            Waltraud
                            Orte und Namen meiner Ahnen:
                            Neu Wuhrow: Pophal, Golz, Is(s)berner, Gehrke, Draheim, Zuther, Mittelste(ä)dt, Hensel, Bleck
                            Gönne (später Westgönne): Hensel, Bleck, Maronde
                            Steinklippe (Belgard/Schievelbein): wie Westgönne
                            Neudorf: Märtens, Boeck, Schulz, Mallon, Harmel, Manz
                            Pöhlen: Milbradt, Boeck, Dittberner, Kannenberg, Märtens
                            bis auf Steinklippe alles Kreis Neustettin

                            Kommentar

                            • Roswitha
                              Erfahrener Benutzer
                              • 10.10.2009
                              • 507

                              Danke Wolfgang
                              für das aufschlussreiche Tagebuch. Ich habe auch von Anfang an mitgelesen.

                              Viele Grüße
                              Roswitha
                              Suche nach Kreutzburg, Kreuzburg, Creutzburg, Creuzburg.

                              Kommentar

                              • Wolfg. G. Fischer
                                Erfahrener Benutzer
                                • 18.06.2007
                                • 4918

                                Ich danke Euch für die Anerkennung.

                                Mit besten Grüßen
                                Wolfgang

                                Kommentar

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