Verwandtschaft 3. Grades?

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  • Rheinländer
    Erfahrener Benutzer
    • 14.02.2012
    • 1468

    Verwandtschaft 3. Grades?

    Hallo zusammen,

    ich tue mich leider unheimlich schwer mit den Verwandtschaftsgraden und blicke beim System der Nummerierung nach all den Jahren immer noch nicht durch

    Nun stand in einem Sterbeeintrag einer Vorfahrin (Anna Rath) ein Zeuge (Johann Rommersbach), der mit der Verstorbenen im dritten Grad verwandt war. Nachdem ich nun erfolglos seine und ihre Vorfahren auf Gemeinsamkeiten überprüft habe kam mir die Idee, es eventuell mit seiner Ehefrau zu versuchen, der Maria Susanna Zillien. Und tatsächlich war meine Vorfahrin Anna Rath deren Großmutter.

    Jetzt ist meine Frage: Liegt bei dieser Verwandtschaftskonstellation eine Beziehung dritten Grades (angeheiratet??) vor? Im Anhang mal eine kleine Übersicht.

    Wäre froh, wenn mir jemand helfen könnte, Licht ins Dunkel zu bringen!


    Vielen Dank im Voraus und einen schönen Abend
    Zuletzt ge?ndert von Rheinländer; 09.08.2020, 11:02.
  • Anna Sara Weingart
    Erfahrener Benutzer
    • 23.10.2012
    • 15111

    #2
    Hallo,
    unter dem Begriff Verwandtschaft verstand man früher etwas anderes, als das was wir heute darunter verstehen. Genauer ausgedrückt: Verwandtschaft musste nicht automatisch ein genetische sein (gemeinsame Ahnen) so wie man es heute versteht.

    Also früher galt: Schwägerschaft = auch eine Form von Verwandtschaft.
    Siehe dazu das Bild im Anhang. Quelle: https://www.zedler-lexikon.de/index....teiformat=1%27)

    Die Lateiner hatten sogar eine Bezeichnung für Deinen Fall: Mutter der Schwiegermutter = socrus magna
    (Anmerkung: socrus = Schwiegermutter, magnus = groß)
    Angehängte Dateien
    Zuletzt ge?ndert von Anna Sara Weingart; 18.11.2019, 21:34.
    Viele Grüße

    Kommentar

    • Anna Sara Weingart
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2012
      • 15111

      #3
      Zitat aus Oekonomische Encyklopädie von J. G. Krünitz:

      "Verwandtschaft (lat. cognatio, consanguinitas im Rechtswesen),
      1) im weitesten Sinne das durch Beischlaf unter gewissen Personen entstandene Verhältniß. Wird dieses in Beziehung auf die bloß durch den Beischlaf ohne weitere Folgen stattgehabte Verbindung betrachtet, so entsteht daraus das Verhältniß der Schwägerschaft (adfinitas); nimmt man aber auf die durch den Beischlaf entstehende Zeugung, auf die Einheit des Blutes (jus sanguinis) Rücksicht, so tritt das Verhältniß
      2) der Verwandtschaft im engern Sinne (consanguinitas, cognatio stricte sic dicta) hervor, d. h. die durch Erzeugung zwischen gewissen Personen entstandene Verbindung, wonach die eine von der andern, oder beide zusammen von Einer dritten Person abstammen."
      Viele Grüße

      Kommentar

      • Anna Sara Weingart
        Erfahrener Benutzer
        • 23.10.2012
        • 15111

        #4
        Siehe Bildanhang
        Anmerkung: "computatione gradum consanguinitatis" = Berechnung des Grades der Blutsverwandtschaft (bzw. "Blutfreundschaft")

        (Quelle: Johann Gottlieb Heineccius: Academische Reden über desselben Elementa iuris Civilis secundum ordinem institutionum, 1766, Seite 148)
        Angehängte Dateien
        Zuletzt ge?ndert von Anna Sara Weingart; 18.11.2019, 23:40.
        Viele Grüße

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        • HeikoH
          Erfahrener Benutzer
          • 13.11.2017
          • 231

          #5
          Hallo Rheinländer,

          vielleicht hilft dir diese kleine Broschüre auf der Homepage "Familienforschung in Dortmund" weiter.

          Eine der nächsten Ausgaben der "Computergenealogie" wird auch Verwandtschaftsgrade und -bezeichnungen als Schwerpunktthema haben.

          Viele Grüße
          Heiko
          Genealogische Visitenkarte
          Forschungsgebiete:
          Bochum, östl. Teil von Ostwestfalen-Lippe (Kreise Lippe, Paderborn und Höxter), West- und Ostpreußen, Eichsfeld
          Interessengebiete:
          Ahnenimplex, Verwandtenehen, Heiratskreise, Quantitative Genealogie, Nummerierungssysteme, Visualisierung
          Häufigste Namen im Stammbaum:
          Hungerige, Hungrige, Hungerge, Hungern, Gröblinghoff, Crawinkel, Reisdorf, Döring, Haase, Pudenz, Galuske, Grabowski (bis 1920, dann: Rechner), Micus, Reineke, Berg, Leyk

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          • Rheinländer
            Erfahrener Benutzer
            • 14.02.2012
            • 1468

            #6
            Hallo Anna Sara und Heiko,


            vielen Dank für Eure Antworten und die Hilfestellungen. Die Übersichten und die Infos haben die Sache schon etwas klarer werden lassen, also kann beim angeheirateten Verwandten ebenso die Gradbezeichnung angewendet werden, wie beim Blutsverwandten.

            Eine offene Frage wäre aber noch: Johann Rommersbach wird als Verwandter 3. Grades bezeichnet, die Verwandtschaft von Ehefrau zu Verstorbener beträgt aber nur 2 Grade - oder sehe ich das falsch?


            Viele Grüße und einen schönen Abend

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            • Anna Sara Weingart
              Erfahrener Benutzer
              • 23.10.2012
              • 15111

              #7
              Du siehst es richtig.
              Also hatte man in diesem Fall anscheinend, mit der Verbindung von der Ehefrau zum Ehemann, einen weiteren Grad hinzuaddiert. Was ja wohl völlig legitim war, weil es vermutlich gar keine geregelte Art und Weise gab, wie man den Verwandtschaftsgrad bei Schwägerschaften genau berechnet.

              In der einen Quelle, die ich oben zitiert habe, wird philosophiert, dass ein Ehepaar als ein Leib zu betrachten wäre, und demnach der Ehemann den selben Verwandtschaftsgrad zu den Verwandten seiner Frau hätte, wie die Ehefrau selber. Die Argumentation finde ich aber ein bißchen abwegig.
              Zuletzt ge?ndert von Anna Sara Weingart; 20.11.2019, 20:30.
              Viele Grüße

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              • HeikoH
                Erfahrener Benutzer
                • 13.11.2017
                • 231

                #8
                Ja, ich sehe es auch so wie Anna Sara:
                Anna Rath war die Großmutter von Maria Zillien und ist damit mit ihr im 2. Grad verwandt (und zwar sowohl nach dem aktuellen juristischen als auch nach dem alten und neuen Kirchenrecht).

                Johann Rommersbach dann als "3. Grad" zu bezeichnen war eine etwas freie Interpretation des Pfarrers, denn auch Johann Gottlieb Heinecke war ja schon 1748 nicht ganz wohl bei dem Gedanken: In dem von Anna Sara angehängten Screenshot schreibt er ja dann auch, dass die Schwägerschaft "eigentlich keine gradus habe, weil sie nicht ex generatione (durch Erzeugung), sondern ex nuptiis (durch Heirat) entspringen".
                Grade könne man daher bei Schwägerschaft nur "ex analogia" angeben.

                Liebe Grüße
                Heiko
                Genealogische Visitenkarte
                Forschungsgebiete:
                Bochum, östl. Teil von Ostwestfalen-Lippe (Kreise Lippe, Paderborn und Höxter), West- und Ostpreußen, Eichsfeld
                Interessengebiete:
                Ahnenimplex, Verwandtenehen, Heiratskreise, Quantitative Genealogie, Nummerierungssysteme, Visualisierung
                Häufigste Namen im Stammbaum:
                Hungerige, Hungrige, Hungerge, Hungern, Gröblinghoff, Crawinkel, Reisdorf, Döring, Haase, Pudenz, Galuske, Grabowski (bis 1920, dann: Rechner), Micus, Reineke, Berg, Leyk

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                • wimper
                  Erfahrener Benutzer
                  • 28.05.2010
                  • 135

                  #9
                  Also das heutige Recht weist Verschwägerten Linie und Grad der Verwandtschaft des die Schwägerschaft vermittelnden Ehegatten zu. Ehegatten deshalb als "ein Leib" zu betrachten ist auch heute noch so.


                  zum Nachlesen: § 1589 BGB regelt die Verwandtschaft, § 1590 BGB die Schwägerschaft.
                  FN in Mecklenburg u.a.: Baustian, Berlin, Biermann, Bohnhof, Boy/Boi, Borchert, Brandt, Gam(m)elin, Gottschalk, Haecker, Harbrecht, Hartig, Helms, Hoh, Howe/Hobe, Jörss, Klevenow, Köster, Kramer, Krull, Meier/Meyer, Mulsow, Ohmann, Prüß(ss)mann, Rosenow, Schliemann, Schwarz, Sternberg, Tegtow, Vick, Völzer, Voss, Wahls, Wendhausen, Wendt, Wil(c)k(e), Witt, Zachow
                  FN in Vorpommern u.a.: Becker, Eggert, Gransow, Liermann, Müller

                  Kommentar

                  • Rheinländer
                    Erfahrener Benutzer
                    • 14.02.2012
                    • 1468

                    #10
                    Vielen Dank Euch allen für die Überlegungen und Informationen!

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                    • Anna Sara Weingart
                      Erfahrener Benutzer
                      • 23.10.2012
                      • 15111

                      #11
                      Zitat von wimper Beitrag anzeigen
                      ... Ehegatten deshalb als "ein Leib" zu betrachten ist auch heute noch so .....
                      Diese Betrachtungsweise ist aus Sicht des bürgerlichen Rechts durchaus sinnvoll, denn die Ehepartner leben ja in Gütergemeinschaft. Johann Gottlieb Heineckes Werk bezog sich auch auf dieses Rechtsfeld. Dabei ist die Ermittlung des Verwandtschaftsgrades vor allem dann relevant, wenn es um die Verteilung von Erbmassen geht. Mit der Heirat erbte der eine Ehepartner die Erbschaftsansprüche des anderen Ehepartners.

                      Anders beim kanonischen Recht (Kirchenrecht). Denn dort ist die Verwandtschaftsgrad-Ermittlung eher für Dispens-Fälle relevant. Also wenn es darum geht, dass Verwandte miteinander heiraten möchten. Dabei kann man natürlich nicht Ehepartner gleichsetzen, wenn es um den Verwandtschaftsgrad geht.
                      Zuletzt ge?ndert von Anna Sara Weingart; 22.11.2019, 17:23.
                      Viele Grüße

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                      • wimper
                        Erfahrener Benutzer
                        • 28.05.2010
                        • 135

                        #12
                        Zitat von Anna Sara Weingart Beitrag anzeigen
                        Diese Betrachtungsweise ist aus Sicht des bürgerlichen Rechts durchaus sinnvoll, denn die Ehepartner leben ja in Gütergemeinschaft.
                        Dem muss ich widersprechen. Das ist heute in der Regel nicht so. Heute ist der gesetzliche Güterstand die Zugewinngemeinschaft, d.h., die Ehegatten haben aufgrund des Güterstandes gerade kein gemeinschaftliches Eigentum.
                        Beim Inkrafttreten des BGB (01.01.1900) galt auch keine Gütergemeinschaft. Und davor galten viele verschiedene gesetzliche Güterstände, wovon nur etwa die Hälfte tatsächlich Gütergemeinschaft oder gütergemeinschaftsähnlich waren.


                        Das Erbrecht hängt vielfältig mit dem Familienrecht zusammen. Je nach gesetzlichem Güterstand gab/gibt es Erbrechte des überlebenden Ehegatten oder eben nicht. Das der überlebende Ehegatte jedoch stets und ständig Alleinerbe ist oder war, dürfte nicht richtig sein. Denn dadurch würden gemeinschaftliche Kinder evtl. benachteiligt werden, insbesondere für den Fall, dass der überlebende Ehegatte wieder heiratet (und ggf. mit dem neuen Ehegatten Kinder bekommt) und dann vor dem neuen Ehegatten verstirbt.


                        Der Grund, den Verwandtschaftsgrad auf den Schwägerschaftsgrad u übertragen, dürfte ganz einfach darin liegen, dass es einfacher ist, als ggf. noch die Geburt des Ehegatten als weiteren Grad hinzuzurechnen.
                        FN in Mecklenburg u.a.: Baustian, Berlin, Biermann, Bohnhof, Boy/Boi, Borchert, Brandt, Gam(m)elin, Gottschalk, Haecker, Harbrecht, Hartig, Helms, Hoh, Howe/Hobe, Jörss, Klevenow, Köster, Kramer, Krull, Meier/Meyer, Mulsow, Ohmann, Prüß(ss)mann, Rosenow, Schliemann, Schwarz, Sternberg, Tegtow, Vick, Völzer, Voss, Wahls, Wendhausen, Wendt, Wil(c)k(e), Witt, Zachow
                        FN in Vorpommern u.a.: Becker, Eggert, Gransow, Liermann, Müller

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