[gelöst] Schaffner zur

[Anna Sara Weingart]

Quelle bzw. Art des Textes: Taufbuch
Jahr, aus dem der Text stammt: 1664
Ort und Gegend der Text-Herkunft: Strasbourg, Elsass
Namen um die es sich handeln sollte: Joachim Rüderer

Hallo
wobei ist er Schaffner?
Taufeintrag in Straßburg, Münsterkirche, ~19.6.1664

Hr. Joachim Rüderer, Schaffner zur Rettare ???


Eintrag Nr. 105 auf der linken Seite:

http://archives.bas-rhin.fr/detail-document/ETAT-CIVIL-C478-P86-R292604#visio/page:ETAT-CIVIL-C478-P86-R292604-3290644

In dem Link muss man noch die Bedingungen acceptieren, am unteren Ende der Seite

[Ulpius]

Ich weiß, dass dieser hier nicht der Gemeinte sein kann, aber vielleicht ist das Amt aj in der Familie weitergegeben worden:

https://gw.geneanet.org/alexbueno?lang=de&p=joachim&n=ruderer&oc=1

Ich bekomme die Reuerer nur noch(?) nicht mit den Buchstaben überein bzw. kann noch nicht die zeitgenössische Form des Wortes rekonstruieren.

Hier kommt den Namen nach das auch im eingestellten Eintrag gegebene Ehepaar vor:

https://gw.geneanet.org/alexbueno?lang=de&p=johann+joachim&n=ruderer

[Astrodoc]

Hallo!

Meine erste Idee war "Rottern", aber beim Blick auf "Carl von Stein von Reichenstein" (No. 107) könnte es auch ein "v" sein, also "Rovern"

[Astrodoc]

Ich bekomme die Reuerer nur noch(?) nicht mit den Buchstaben überein bzw. kann noch nicht die zeitgenössische Form des Wortes rekonstruieren.

Naja, wenn da "Revern" statt "Rovern" steht, wäre es ja schon erledigt

[Ulpius]

Danke, dann passt das ja. Mir klingt auch im Familiennamen schon etwas in der Richtung an.
Von 1633 (Fähnrich) über 1641 (Leutnant) bis 1655 (Kapitän) findet sich der Vater in der 4. Kompanie der Straßburger Bürgerwehr.

https://archive.org/details/diefahnenderstr00gngoog

[Anna Sara Weingart]

Sehr schön, damit habt Ihr wohl die richtige Lesung gefunden. Viele Dank!

Und was könnte dieses Reuern bedeuten?

Nachtrag: OK, es war irgendein Gotteshaus (Kirche oder Kloster)

[Anna Sara Weingart]

Das könnten die Büßer sein.
Büßer = Reuer

z.B. --> https://wuerzburgwiki.de/wiki/Reuerinnenkloster

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reuerinnen

Der im frühen 13. Jahrhundert entstandene Frauenorden gilt als erste ohne männlichen Zweig organisierte Ordensgemeinschaft in der katholischen Kirche. Entstehung und Schwerpunkt lagen in den Bischofs- und großen Handelsstädten am Mittel- und Oberrhein.

[Anna Sara Weingart]

Also sind mit den "Reuern" wohl die Reuerinnen (Magdalenerinnen) gemeint gewesen?
Sie besaßen ein Kloster zu Straßburg

"Von der ehemaligen Klosterkirche der Magdalenerinnen, dem letzten sakralen gotischen Bau in Straßburg (vollendet 1478), ist seit einem verheerenden Brand im Jahr 1904 nur der spätgotische Chor mit originalen Freskenresten erhalten."

Der in Bild 2 + 3 gemeinte Prediger ist Calvin

[Ulpius]

Das Wort heißt vollständig "Reuerer" bzw. "Reuererinnen" ("Revern" = "Reuern" ist eine verkürzte oder vor Ort übliche Form). Es bezeichnet einen Zweig des vielgestaltigen Karmelit(inn)en-Ordens. Erkennbar steckt in dem Wort der Begriff der Reue, es geht also um Buße und Vergebung, die sich diese Ordensleute als geistlichem Auftrag gestellt haben. Von derartigen Klöstern hat es eine ganze Menge gegeben, das hängt immer auch mit Zeiterscheinungen zusammen, in denen solche Strömungen entstehen.
Falls es interessiert, gibt etwas breiter aufgestellte Literatur über Klostergeschichte hierzu Auskunft.

[Anna Sara Weingart]

Da hat also die Stadt Straßburg Mitte des 16. Jhts. diesen katholischen Damen den Klosterbesitz weggenommen, und Joachim Rüderer war dann so ein von der Stadt eingesetzte Verwalter des nunmehr städtischen Besitzes.
Das Amt des städtischen Schaffners zu den Reuern war also anscheinend infolge der Reformation neu entstanden.

[Ulpius]

Nicht unbedingt, wenn man weiter schaut, wurde hier eher "klassisch" gehandelt. Schaffner wurden solchen Gemeinschaften beigegeben, von denen man setzte, dass sie juristisch nicht eigenständig handeln konnten was auch ökonomisches Agieren einschloss. Das traf ganz besonders Frauengemeinschaften und hatte eigentlich den Hintergrund, dass man diesen in einer rauen, männerdominierten Welt Schutz ihrer Interessen gewähren wollte. So wird gelegentlich schon bei Klostergründungen in der Stiftungsurkunde geregelt, wer denn der Schaffner sein sollte, wer also für den Konvent die Geschäfte führen solle. (Im Idealfall war da eine starke Priorin oder Äbtissin mit einem guten Schaffner beglückt.) Fast regelmäßig bleiben solche Ämter in Familien, aber auch fast regelmäßig verschiebt sich die Interressenlage der Schaffner. Nicht jeder ist edel, hilfreich und gut und so ist es mehr als einmal geschehen, dass Nonnen andernorts um Hilfe gegen ihre Schaffner nachgesucht haben.
Zweites Element: Wenn ein Konvent gut wirtschaftet, weckt er Begehrlichkeiten. Wenn dann noch so etwas wie die Reformation dazu kommt, bei der Straßburg eigentlich erst im 30-jährigen Krieg "fester" auf die protestantische Seite eingeschwenkt ist, dann können auch Stadtobere in Versuchung geraten, in die Töpfe zu greifen. So etwas steckt ziemlich sicher auch hier mit dahinter, ganz egal, ob da jemand katholisch oder protestantisch ist. Das Argument, man würde hier den Besitz des Konvents schützen, ist zweischneidig.
Immerhin haben die Reuerinnen in Straßburg mindestens bis Ende 17. Jh. durchgehalten, auch in eher kritischen Zeiten war deren Kirche ein "Zufluchtspunkt" für Katholiken.
Hier hängt ein Lemma aus einem Lexikon von 1888 an. Sollte ich Neueres leicht in die Hand bekommen, tausche ich ihn vielleicht oder ergänze.

[Anna Sara Weingart]

Ja, Du kennst Dich da besser aus. Sehr interessant was Du schreibst.

Zum Verbleib der Reuerinnen in Straßburg, 1789:

Quelle: https://books.google.de/books?id=b6PVAAAAMAAJ