Adelsfamilien im sozialen Abstieg in Südthüringen ca. 1600-1700

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  • Scherfer
    Moderator
    • 25.02.2016
    • 2512

    Adelsfamilien im sozialen Abstieg in Südthüringen ca. 1600-1700

    Hallo zusammen,


    seit einiger Zeit versuche ich, den offensichtlichen sozialen Abstieg von verschiedenen Adelsfamilien unter meinen Vorfahren nachzuvollziehen. Ein Beispiel:

    Christoph II. von Thüna (1548-1612) war noch stolzer Besitzer von Schloss Lauenstein in Thüringen, außerdem auch Herr zu Schlettwein, Weißenburg und Kaulsdorff. Einige Jahre nach seinem Tod stimmte die Witwe Veronika Dorothea von Waldenfels dem Verkauf des Schlosses durch ihre minderjährigen Söhne zu - vermutlich aufgrund einer finanziellen Notlage, denn schon zuvor war die Familie zunehmend in Bedrängnis geraten. Auch andere Familienbesitztümer wurden in diesen Jahren verkauft.

    Dass der Verkauf des Familiensitzes ein gravierender Schlag für die Familie von Thüna auf Lauenstein gewesen sein muss, geht für mich als Familienforscher auch daraus hervor, dass vom Sohn Hans Veit (geb. ca. 1611) von da an jede Spur fehlt, ich habe keine genauen Lebensdaten von ihm und weiß nicht, wo er starb. Allein ein Wappen an einer Patronatsloge in der Kirche zu Unterwirbach erinnert noch an ihn. Er liegt aber nicht in Unterwirbach begraben.

    Die Tochter des Hans Veit von Thüna, Juliane Sibylle Sophie (geb. ca. 1660) konnte sich gerade noch durch Heirat mit der weitgehend unbekannten Adelsfamilie von Wieblitz in Unterwirbach den Adelstitel erhalten. Laut eines Buchzitates fiel der Edelhof Unterwirbach erst 1688 durch Subhastation (Zwangsverkauf) an diese Familie von Wieblitz.

    Doch damit nicht genug des sozialen Abstiegs: Zwei Generationen später im Jahr 1741 heiratete dann Eva Johanna Sophie Friederike von Wieblitz - meine 5xUrgroßmutter - nicht ganz standesgemäß den Bürgermeister, Ratskämmerer und Medikus Fischer in Blankenburg.

    Anderen Adelsfamilien in dieser Vorfahrenlinie (z.B. von Machwitz) erging es offenbar ähnlich, denn auch sie verschwanden in dieser Zeit aus der Welt des Adels.


    ---

    So weit also die Fakten und bekannten Lebensdaten. Was mich aber interessieren würde ist, ob dies nur ein Phänomen in meinen Vorfahrenfamilien war oder ob es einem generellen Muster des Adelsniedergangs in dieser Zeit folgte. Leider haben meine Recherchen zu Südthüringen da bisher nichts Konkretes ergeben. Allein, die spätmittelalterliche Agrarkrise, diese allerdings einige Jahrzehnte und Jahrhunderte früher, ist mir als möglicher Faktor bewusst. Kann mir jemand mehr zu den Ursachen des Abstiegs thüringischer Adelsfamilien in dieser Zeit erzählen?
  • Alter Mansfelder
    Super-Moderator
    • 21.12.2013
    • 4666

    #2
    Hallo Scherfer,

    das soziale Auf und Ab der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist an und für sich ein großes Glück für uns Genealogen, da es uns unabhängig von unserer unmittelbaren Herkunft das bunteste Gemisch an Vorfahren beschert.

    Da Dir bisher keiner der eigentlichen Adelsexperten auf Deine interessante Frage geantwortet hat, will ich Dir kurz meinen Eindruck schildern, obwohl ich selbst im 17. Jh. gar keinen Adel habe, erst recht nicht in dieser Region, nur etwas früher im 15. und 16. Jh.

    Mein Vorfahre war Junker Erhard v. Watzdorf zu Altenbeuthen, später zu Crispendorf (*um 1455 + v. 1510), Gräfl. Mansfeldischer Rat und Amtmann zu Lauenstein und 1502 "Schwager" des Heinrich v. Thüna (genaue Verbindung unklar). Den noch ansehnlichen Besitz, der zusammen 1 Ritterpferd stellte, mussten sich sechs Söhne teilen. Der 2. Sohn hatte wiederum 5 Söhne. Derer zwei gingen zum Militär und in den Hofdienst ins Mansfeldische und teilten sich gemeinsam das vogtländische Rittergut Dörflas b. Schleiz, das noch 1/4 Ritterpferd entsprach. Einer dieser Söhne ist mein Vorfahre, er ging um/v. 1567 Konkurs, starb und hinterließ drei minderjährige halbwaise Töchter, die dann als Kammerjungfern von Hof zu Hof zogen. Zwei davon starben ledig, meine Vorfahrin Amalia (um 1560-1632) heiratete 1585/86 Christoph Ziegenhorn, Landrichter in Großörner, Sohn eines gräflichen Rates. Sie beklagte später, dass sich die meisten ihrer Watzdorfschen Vettern kaum um sie gekümmert hätten.

    Diese Schicksale prägten individuelle Erbteilungen, Schulden, Waisendasein und mangelnder Rückhalt in der näheren Verwandtschaft.

    Den "Aufstieg" oder "Abstieg" von "Familien" halte ich für eine (unsere) Fiktion aus der Ex-post-Perspektive. In Wirklichkeit agiert meiner Meinung nach jedes Individuum nur abhängig von seinen jeweiligen Möglichkeiten. Und die sehen auch beim Niederadel nicht immer rosig aus, zumal allein schon die sozialen Unterschiede innerhalb dieses Standes mitunter ganz erheblich sind.

    Soweit mein Eindruck, der vielleicht auch auf Deine Fragestellung, Zeit und Raum zutrifft.

    Es grüßt der Alte Mansfelder
    Gesucht:
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    Kommentar

    • GiselaR
      Erfahrener Benutzer
      • 13.09.2006
      • 2176

      #3
      Hallo Scherfer,
      zu deinen Fragen kann ich leider nichts umfassendes sagen oder Trends bestätigen/verneinen.

      Aber ähnlich wie der alte Mansfelder würde ich mir im einzelnen die Familienverhältnisse anschauen, Erbteilungen und das zahlenmäßige Verhältnis von Töchtern zu Söhnen, und zwar über die letzten Generationen.

      Ansonsten fällt mir noch das Stichwort "Geldwirtschaft" ein. Diese begann (und setzte sich durch) zwar schon früher, war aber bekanntlich auf das kaufmännisch agierende Bürgertum zugeschnitten, und keinesfalls auf auf den niederen Adel. Dem gesamten Adel war ja kaufmännische Tätigkeit durch Standesregeln (gäzlich/weitestgehend?) verwehrt.

      OT
      Alter Mansfelder: ich habe eine direkte Vorfahrin namens Amalie Ziegenhorn, Tochter d. Christoph Ziegenhorn, Landrichter in Großöhrner und der nn von Watzdorf. Da haben wir wohl gemeinsame Vorfahren. In der von Watzdorfschen Familienchronik sind ja die einzenlen Personen durchnummeriert. Kannst du mir bitte die Nr. von Junker Erhard nennen? (falls du diese hast)


      Grüße
      Gisela
      Zuletzt geändert von GiselaR; 23.11.2019, 18:52.
      Ruths, Gillmann, Lincke,Trommershausen, Gruner, Flinspach, Lagemann, Zölcke, Hartz, Bever, Weth, Lichtenberger, von der Heyden, Wernborner, Machwirth, von Campen/Poggenhagen, Prüschenk von Lindenhofen, Reiß von Eisenberg, Möser, Hiltebrandt, Richshoffer, Unger, Tenner, von Watzdorf, von Sternenfels

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      • Alter Mansfelder
        Super-Moderator
        • 21.12.2013
        • 4666

        #4
        Hallo Gisela,
        Zitat von GiselaR Beitrag anzeigen
        Alter Mansfelder: ich habe eine direkte Vorfahrin namens Amalie Ziegenhorn, Tochter d. Christoph Ziegenhorn, Landrichter in Großöhrner und der nn von Watzdorf. Da haben wir wohl gemeinsame Vorfahren. In der von Watzdorfschen Familienchronik sind ja die einzenlen Personen durchnummeriert. Kannst du mir bitte die Nr. von Junker Erhard nennen? (falls du diese hast)
        das ist ja ein Zufall! Ich mache Dir eine PN fertig, da diese Frage ja nicht in dieses Thema gehört.

        Es grüßt der Alte Mansfelder
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