Das Jahrhunderthaus

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  • Friedrich
    Moderator
    • 02.12.2007
    • 11322

    #31
    Moin zusammen,

    dann will ich mal aus „meinem Nähkästchen“ plaudern:

    Mein Elternhaus, eine alte Wassermühle, hatte bis Anfang des 20. Jahrhunderts sicher „nur“ den Komfort, den man von vergleichbaren Häusern kannte:

    Keine gescheite Infrastruktur (die besserte sich erst ab 1910): Einen öffentlichen Weg zum nächsten etwa 2 km entfernten Ort Elkeringhausen gab es nicht, und die nächstgelegene Stadt Winterberg war gut 3 km Luftlinie bei 200 m Höhenunterschied zu erreichen. Vor allem für meinen Opa und seine Geschwister und die nachfolgende Generation hinsichtlich des Schulweges nicht einfach. Es war schon eine Erleichterung, daß sie die Schule in Elkeringhausen besuchen durften; normalerweise hätten sie jeden Tag den Berg hoch gemußt.

    Die Wasserversorgung vom Bach, der am Haus vorbeiläuft. Um 1905 dann der Bau einer eigenen Wasserleitung vom eigenen Grundstück. In den 1920er Jahren mit einem erheblichen Stallumbau der „Luxus“, daß man den Kühen das Wasser in die Tröge laufen lassen konnte. Meine Großmutter meinte mal, sie sei froh gewesen, nicht mehr das Wasser fürs Vieh in Eimern schleppen zu müssen. Ein Bekannter (heute 92 Jahre alt) sagte mir vor einiger Zeit, er sei um 1930 mal in unserem Stall gewesen und habe diesen als „hochmodern“ empfunden – immerhin konnte man unsere Kühe von vorne über einen Futtertisch füttern, das gab es damals noch nicht oft.

    Um 1910 erhielten wir Strom! Allerdings nicht durch eine Leitung, sondern durch einen Generator, der vom Mühlrad angetrieben wurde. Vor allem bei Trockenheit und wenn das Mühlrad zufror, bedeutete das Energiesparen.

    Anfang der 1920er Jahre dann Telefonanschluß! Allerdings mit der „netten“ Anekdote, daß das Telefon von der Stromversorgung der Stadt Winterberg abhängig war, und dort wurde der Strom zur zeitweilig produziert. Ausgerechnet, als meine Oma in die Wehen kam, funktionierte das Telefon nicht. Opa mußte also den Berg hoch, die Hebamme zu holen. Aber das Kind war schneller und lebt heute noch mit 91.

    Um 1935 erhielten unsere das erste Bad! Das hatte mein Opa seinem Bruder abgeguckt, der sein Anwesen nach einem Brand 1929 unter damaligen modernen Gesichtspunkten, eben auch mit Bad und WC, wieder aufgebaut hat. Bis dahin bei uns wohl Zinkwanne und ein Plumpsklo, immerhin nicht im Stall, sondern unmittelbar neben den Schlafzimmern. Besagte 91jährige hat mir mal berichtet, als Kinder hätten sie immer die Zeitungsblätter für die Klobenutzung zurechtschneiden müssen.

    Luxus pur bei der Wäsche! Es gab einen Waschkessel, der neben dem Schweinetopf stand. Es konnte auch vorkommen, daß ein Kessel für beide Zwecke benutzt wurde! Das blieb unseren erspart.

    Geheizt wurde mit Holz in der Küche und Stube, aber längst nicht auf allen Schlafzimmern. Vor dem Einbau isolierter Fenster kann ich mich noch gut an die von innen gefrorenen Scheiben erinnern…

    1966 wurden wir ans Stromnetz angeschlossen! Vieles Elektrische lief seitdem einfacher, und man konnte sich „endlich“ den technischen Neuerungen wie Elektroherd, moderne Waschmaschine, Trockner, technischen Kleingeräten widmen. Mit dem „Schwachstrom“ unserer Anlage war das nicht möglich.

    1973 bekamen wir die erste Zentralheizung mit Öl, passend zum Ölpreisanstieg… Warmes Wasser in der Leitung kannten wir bis dahin nicht. Für den Haushalt gab es den Wasserkessel auf dem Herd, für die Badewanne den Badeofen.

    Tja, und jetzt? Sitze ich sogar vor dem PC und kann, wenn auch nicht mit Hochgeschwindigkeit, ins Internet… Aber dafür sind wir hier im Funkloch. Ist das schön, nicht immer per Handy erreichbar zu sein…

    Friedrich
    "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
    (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

    Kommentar

    • Beffi
      Benutzer
      • 23.11.2014
      • 34

      #32
      Hallöchen!

      Das Haus meiner Großeltern Mütterlicherseits hatte kein Bad, und ein Plumpsklo gegenüber dem Schweine stall. Zumindest stand zu meiner zeit aber schon eine richtige Toilette drin, man hörte halt nur das "Plumps" ;-). ( Ich hab nicht so gerne bei ihnen übernachtet, da ich nachts entweder aufn Topf sitzen musste, oder eben raus aufs Klo. Da die Schweine immer einen fürchterliche Krach machten wenn sie die Türe hörten hatte ich immer große Angst).Ich errinnere mich noch an die Waschküche, in der allerdings schon eine Waschmaschine stand. (ich selbst bin Jahrgang 73). Da es wie gesagt kein Bad gab, stand in der ecke die große Wanne. Laut Mutters Erzählungen wurden sie immer zu zweit reingesetzt. wobei 3x2 Mädchen und 2x2 Jungs platz nehmen durfte. Der älteste Junge hatte das Privileg alleine drin sitzen zu dürfen. (11 Kinder)
      Ein Bad kam mitte der 80ger hinzu. Oma hatte im Dezember Geburtstag, so haben alle zusammengelegt und ihr zu weihnachten und Geburtstag in einem ein Bad gebaut. (Handwerker gabs durch sie Söhne und Schwiegersöhne wirklich genug^^).
      In der Küche gab es einen Kohleherd, der später mit einem e-Herd ergänzt wurde. Ihren Zwiebelkuchen hat sie aber immer im Ofen gemacht, der von der Küche aus befeuert wurde und im Wohnzimmer nebenan ein kachelofen war. Mein Opa meinte es oft zu gut, so dass man als kind im winter oft nur in der Unterwäsche da sass^^ Oft sassen wir als Kleinkinder aber auch mit dem bettzeug auf dem kachelofen obendrauf und durften dann Heimatmusik mit den Großeltern guggen.
      Nachts konnte es recht kat werden, Ich errinnere mich heute noch nicht an eine Heitzung in dieser Zeit.
      Zum Schweinestall kam der kuhstall, der Hühnerhof und Hasenstall dazu. Einen richtigen dunklen Erdkeller gabs auch für die Kartoffeln. Hintenraus einen großen Garten, Omas Heiligtum. Bei der Ostereiersuche hat sie immer kräftig geschwitzt dass ihre damals erst so ca 15 Enkel nichts zertrampeln^^
      Heubühne und Scheuer gabs auch.
      Mein Patenonkel wohnte bis auch eine kurze zeit von 2-3 jahren immer in diesem Haus und hat nach und nach angefangen alles zu renovieren bzw zu sanieren oder umzubauen. Aus der waschküche wurde ein Musikzimmer, der Kuhstall wurde zur Garage. Vor 2 jahren wurde dann der Keller zugeschüttet, was praktisch war denke ich, da die große Scheuer und der Heuboden abgerissen wurde.
      Ich selbst bin als Stadtkind geboren und hatte mit so manchem meine Probleme..(tote Hasen aufgehängt und Fell abgezogen hängend am Balken...)
      Trotzdem hatte ich eine tolle Zeit auch wenn es oft in die Reben ging oder aufs Feld, denn helfen musste auch die kleinsten unter uns. Allerlei Streiche wurden gespielt...Sauburscht, elendige Sauburscht ..hab da mein Opa im Ohr!
      Doch so wie es jetzt ist, ist es eben nicht mehr "daheim". Bin eben ein nostalgischer Mensch der die Vorzüge des jetzigen Komforts zu schätzen weiss.

      Kommentar

      • maria1883
        Erfahrener Benutzer
        • 20.08.2009
        • 898

        #33
        Das Jahrhunderthaus

        Hallo, ihr Lieben,
        man könnte doch aus Euren Berichten einen neuen Film drehen, so eindrucksvoll und ausführlich sind Eure Geschichten. Wenn ich im Moment nicht so geschwächt von langer Krankheit wäre, könnte ich auch einiges beitragen. Vielleicht mache ich das später mal.
        Jedenfalls hatte ich durch Euch einen guten Lesestoff, Danke
        Viele Grüße
        Waltraud
        Orte und Namen meiner Ahnen:
        Neu Wuhrow: Pophal, Golz, Is(s)berner, Gehrke, Draheim, Zuther, Mittelste(ä)dt, Hensel, Bleck
        Gönne (später Westgönne): Hensel, Bleck, Maronde
        Steinklippe (Belgard/Schievelbein): wie Westgönne
        Neudorf: Märtens, Boeck, Schulz, Mallon, Harmel, Manz
        Pöhlen: Milbradt, Boeck, Dittberner, Kannenberg, Märtens
        bis auf Steinklippe alles Kreis Neustettin

        Kommentar

        • Matthias Möser
          Erfahrener Benutzer
          • 14.08.2011
          • 2264

          #34
          Zitat von maria1883 Beitrag anzeigen
          Hallo, ihr Lieben,
          man könnte doch aus Euren Berichten einen neuen Film drehen, so eindrucksvoll und ausführlich sind Eure Geschichten. Wenn ich im Moment nicht so geschwächt von langer Krankheit wäre, könnte ich auch einiges beitragen. Vielleicht mache ich das später mal.
          Jedenfalls hatte ich durch Euch einen guten Lesestoff, Danke
          Viele Grüße
          Waltraud

          Gute Idee, ich mach den Regisseur!

          Gruß aus dem Odenwald

          Matthias
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