Nochmal zum Thema Anrede und Schlußformel
Hallo Hochedelgebohrener Heinrich!
Ich glaube da verwechselst Du etwas!
Hier ein Zitat aus einem Brief aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert, den einer meiner Vorfahren an einen anderen schrieb.
Der Absender war ein hochangesehener Hofrat. Der Empfänger war ein Kaufmann, also keinesfalls 'die Obrigkeit'.
Der Absender hatte eine Tochter und der Sohn des Kaufmanns wollte die Tochter des Hofrats heiraten. Und nun schrieb der Herr Hofrat an den Kaufmann, um ihn zur Hochzeitsfeier auf sein Gut einzuladen.
Hochedelgebohrener,
Hochgeschätzter Herr, Freund und Bruder!
Ich möchte nicht gerne gar zu zudringlich scheinen, und doch dringt mich mein Herz noch einen Versuch zu machen, und Ihnen auch unmittelbar zu sagen, was Sie letzthin von meiner Frau schon vernommen haben, daß es mir und allen den Meinigen ein herzliches Vergnügen machen würde, sie, Mein theurer Herr Bruder, künftigen Montag, bey der priesterlichen Einsegnung unserer Kinder, an meiner Seite zu Oßmannstätt zu sehen. Ihre uns allen so werthe Gegenwart und Theilnehmung würde die schöne Freude dieses den beiden Verlobten so heiligen und feirlichen Tages (der auch Mir, so lange ich noch lebe, ein Festtag bleiben soll!) erst vollständig und vollkommen machen. Haben Sie die Güte und geben, wofern es Ihnen nur immer möglich ist, unseren Wünschen und Bitten nach, und befestigen Sie durch dieses neue Zeichen Ihres Wohlwollens die bey unsrer neulichen ersten Zusammenkunft so schön begonnenen Freundschaft.
Inzwischen ersuche ich sie, theuerster Herr, auf jeden Fall meiner aufrichtigen und innigen Hochschätzung versichert zu bleiben, mit welcher ich, meine und Ihre künftige Tochter Julie, nebst allen den Meinigen und mir selbst Ihre Vaterlichen – und freundschaftlichen Liebe angelegenst empfehlend, lebenslänglich beharren werde
pp.
Dero ganz ergebenster Diener u. Bruder"
Ist das nicht ein schöner Text? Der Text gefällt mir deutlich besser als vieles, was man heute so per SMS bekommt. Der Empfänger des Briefes wird zwar nicht als "Hochwohlgebohren" sondern als "Hochedelgebohrener" angeschrieben, aber der Beleg zeigt doch, daß man nicht nur der Obrigkeit gegenüber einen solchen gepflegten Stil pflegte. Und ich habe reichlich Belege dafür, daß auch Fürsten ihre "Mitarbeiter" achtungsvoll anschrieben.
Hallo Hochedelgebohrener Heinrich!
Zitat von Der Suchende
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Hier ein Zitat aus einem Brief aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert, den einer meiner Vorfahren an einen anderen schrieb.
Der Absender war ein hochangesehener Hofrat. Der Empfänger war ein Kaufmann, also keinesfalls 'die Obrigkeit'.
Der Absender hatte eine Tochter und der Sohn des Kaufmanns wollte die Tochter des Hofrats heiraten. Und nun schrieb der Herr Hofrat an den Kaufmann, um ihn zur Hochzeitsfeier auf sein Gut einzuladen.
"Ortsangabe, 30. November 1799, Sonnabend
Hochgeschätzter Herr, Freund und Bruder!
Ich möchte nicht gerne gar zu zudringlich scheinen, und doch dringt mich mein Herz noch einen Versuch zu machen, und Ihnen auch unmittelbar zu sagen, was Sie letzthin von meiner Frau schon vernommen haben, daß es mir und allen den Meinigen ein herzliches Vergnügen machen würde, sie, Mein theurer Herr Bruder, künftigen Montag, bey der priesterlichen Einsegnung unserer Kinder, an meiner Seite zu Oßmannstätt zu sehen. Ihre uns allen so werthe Gegenwart und Theilnehmung würde die schöne Freude dieses den beiden Verlobten so heiligen und feirlichen Tages (der auch Mir, so lange ich noch lebe, ein Festtag bleiben soll!) erst vollständig und vollkommen machen. Haben Sie die Güte und geben, wofern es Ihnen nur immer möglich ist, unseren Wünschen und Bitten nach, und befestigen Sie durch dieses neue Zeichen Ihres Wohlwollens die bey unsrer neulichen ersten Zusammenkunft so schön begonnenen Freundschaft.
Inzwischen ersuche ich sie, theuerster Herr, auf jeden Fall meiner aufrichtigen und innigen Hochschätzung versichert zu bleiben, mit welcher ich, meine und Ihre künftige Tochter Julie, nebst allen den Meinigen und mir selbst Ihre Vaterlichen – und freundschaftlichen Liebe angelegenst empfehlend, lebenslänglich beharren werde
pp.
Dero ganz ergebenster Diener u. Bruder"
Ist das nicht ein schöner Text? Der Text gefällt mir deutlich besser als vieles, was man heute so per SMS bekommt. Der Empfänger des Briefes wird zwar nicht als "Hochwohlgebohren" sondern als "Hochedelgebohrener" angeschrieben, aber der Beleg zeigt doch, daß man nicht nur der Obrigkeit gegenüber einen solchen gepflegten Stil pflegte. Und ich habe reichlich Belege dafür, daß auch Fürsten ihre "Mitarbeiter" achtungsvoll anschrieben.
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