Rund um die Taufe

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  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 4830

    Rund um die Taufe

    Angeregt durch eine andere Diskussion, hier mal ein paar Fragen zu den Taufgewohnheiten in den von euch beforschten Gegenden.

    Ich mach mal eine Musterantwort, Ergänzungen sind gerne gesehen. Ich hoffe auf reichliche Beteiligung.

    Die folgenden Aussagen hab ich bei meiner eigenen Forschung "gewonnen", Fehler sind also meine.

    Die Aussagen beziehen sich strenggenommen nur auf die Leute in meiner Datenbank, also Vorfahren, deren Verwandte, Paten (die ich aber gewöhnlich nicht mit aufnehme), aber auch andere die ich aus verschiedenen Gründen aufgenommen habe.

    Region:
    Bistum Passau (Niederbayern), teilweise auch Teile die heute zu Linz gehören.

    Zeitraum:
    ab 1600 bis etwa 1850, danach haben sich die Zustände etwas geändert und mein Datenbestand ist wohl noch weniger repräsentativ als er ohnehin schon war.

    Religion:
    katholisch, einige Oberösterreicher mit evtl. vorhandenen protestantischen Neigungen.

    Stadt oder Land?
    Land

    Finanzielle Situation?
    Vom Tagelöhner bis zum Großbauern.

    Wann wird getauft?
    Möglichst bald, wenige Stunden bis ein Tag nach der Geburt
    (Diese Information ist erst ab ca. 1800 zugänglich, ich hab keinen Grund zur Annahme daß es vorher anders war).

    Wieviele Taufpaten gibt es?
    Einen, meist männlich bei Jungen, weiblich bei Mädchen.

    Kriterien für Auswahl der Paten?
    Meist keine Verwandten, gerne "bessergestellte", d.h. der Inmann versucht einen Häusler als Paten zu finden, der Häusler einen Bauern, etc.
    Ein Großbauer konnte die Frau eines Bürgermeisters von Schärding als Patin gewinnen.

    Familienstand der Paten?
    Paten waren nur selten nicht verheiratet, öfter bei unehelichen Kindern.

    Besonderheiten?
    Es sind immer wieder dieselben Paten, der Mann eines Ehepaares hebt die Jungen, seine Frau die Mädchen aus der Taufe.

    Wieviele Namen bekam das Kind?
    Meist einen, manchmal Kombinationen mit Maria bei Mädchen (Maria Anna, Maria Elisabeth,...), mit Johann bei Jungen (Johann Georg, Johann Michael, ...). Doppelnamen öfter bei "bessergestellten", oft Wirten.


    Auswahl der Namen?
    Gewöhnlich nach dem Kalender der Heiligengedenktage (Georg im April, Catharina im November, ...), aber nicht ausschließlich und teilweise auch flexibel (Georg im Januar). Ob teilweise nach den Eltern oder den Paten benannt wurde läßt sich nicht immer sagen.
    Da die Anzahl der verwendeten Namen recht gering war gab es ohnehin fast immer Überschneidungen.
    Man müßte mal eine Auswertung Namesvergabe ggü dem Kalender und Name der Eltern/Paten machen.

    Mal auf die schnelle:
    von 69 Georgs mit exaktem Geburtsdatum wurden

    5 im Januar
    8 im Februar
    19 im März
    32 im April
    5 im Mai
    1 im August

    getauft.

    Keine Regel ohne Ausnahme! Bei dem einen im August heißt in der Tat der Vater auch Georg, er war allerdings der zweite Sohn.

    Auffällig sind die vielen Raymunds in der Pfarre Breitenberg, dort wurde ganz offenbar nach dem Schutzheiligen der Pfarre benannt.

    So, jetzt ihr.
    Gruß
    gki
  • Mo-Nika
    Erfahrener Benutzer
    • 31.12.2009
    • 327

    #2
    Da ist eine sehr gute und interessante Aufstellung. Ohne nähere Details zu schreiben, kann ich Dir mitteilen, dass es z.B. an der Mosel (Rheinland-Pfalz) ähnlich war.
    Sehr viele "meiner" Mädchen hießen auch Maria, sowohl mit erstem oder zweitem Namen, die Jungs Johann. Auch bei den Paten verhielt es sich ähnlich; die Kinder bekamen als zweiten Namen den des Taufpaten, wobei es hier zwei Paten waren, Mann und Frau. Meistens war es der Bruder oder die Schwester eines Elternteils. Getauft wurde auch am Tag der Geburt oder einen Tag später bei den Katholiken, bei deinigen evangelischen Mitgliedern der Familie (in unterschiedlichen Regionen) manchmal auch erst eine Woche oder einen Monat später.
    Liebe Grüße,

    Mo-Nika

    ----------------
    Ich suche Mertens aus Rheinbach/Houverath/Vischel;
    Heitmann/Ruser aus der Pfalz; Schwahn aus Dramburg/Pommern;

    Kommentar

    • ulrike G.-W.
      Erfahrener Benutzer
      • 08.06.2009
      • 248

      #3
      Das ist ein interessanter Beitrag. Weiß jemand, welche Paten- und Namensbräuche im Stettin des 19. Jahrhunderts üblich waren?

      Im Beitrag über die unehelichen Kinder gab es den Hinweis, dass man eventuell über die Paten auf den leiblichen Vater schließen könnte. Natürlich wäre auch der Vorname ein Ansatzpunkt, wenn es hier Regeln dazu gab.

      Grüße

      Ulrike
      Meine Namen und Orte, zu denen ich noch suche:
      Frankfurt/Main: Rothenburger
      Odenwald: Rotenberger
      Taunus: Söllner, Jung, Buchecker
      Offenbach/Main: Schulz, Mehl, Leonhard, Hertzog, Gumb/p
      Pommern: Goldmund
      Hannover: Pape, Hagedorn, Rübenack, Backhaus
      Unterfranken: Ankenbrand, Reinhard, Pfeuffer, Kaemerer, Zehnder, Brach
      Linz (Ö): Reder, Karigl
      Mannheim, Oels: Bartsch
      heutiges Polen: Tabor, Kaczanowski, Hachula, Rataj
      Neumark: Buchholz, Helterhof

      Kommentar

      • Kastulus
        Erfahrener Benutzer
        • 18.03.2012
        • 1527

        #4
        Grüß Gott,
        ich stimme gki voll zu. Ergänzung: In der Erzdiözese München-Freising (kath.) war es vor 1900 sehr üblich, vielleicht auch ausschließlich, dass die 1. Tochter der Familie den Namen der Patin erhielt, der 1. Sohn den Namen des Paten. Wenn die Namen von Kind und Pate unterschiedlich waren, konnte man damit rechnen, dass es vorher noch ein anderes Kind gegeben haben muss. Weiterhin gab es manchmal Stellvertreter(innen); vermutlich war der Pate nicht so schnell zur Stelle. Und noch etwas: Manchmal nahm man auch als Vornamen den Patron der zuständigen Pfarrkirche.
        Kastulus

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        • Mark Obrembalski
          Erfahrener Benutzer
          • 05.12.2011
          • 140

          #5
          Ein interessantes Thema, die Taufen! Mit genauen Auswertungen kann ich nicht dienen, immerhin aber mit Erfahrungen, die ich beim virtuellen Kirchenbuchwälzen gemacht habe:

          Region:
          Böhmisches Niederland, vor allem Nixdorf, Groß-Schönau, Hilgersdorf, Lobendau, Zeidler und Wölmsdorf.

          Zeitraum:
          1780 - 1910, ein wenig auch schon ab 1730

          Religion:
          katholisch

          Stadt oder Land?
          Land, aber dicht besiedelt, viel Handwerk und später Industrie

          Finanzielle Situation?
          teils arme Leute, teils bescheidener Wohlstand bis hin zum gutgehenden Handwerksbetrieb.

          Wann wird getauft?
          In den ältereen Kirchenbüchern steht nur der Tag der Taufe, so dass sich über den Abstand zur Geburt nichts sagen lässt. Dann kommt die Zeit, wo beides erfasst wird. Zunächst ist es praktisch immer so, dass das Kind am Tag der Geburt oder am folgenden Tag getauft wird. Ab ca. 1870 gibt es immer öfter größere Abstände, und um 1900 kommt es immer wieder vor, dass zwischen Geburt und Taufe eine Woche liegt.

          Wieviele Taufpaten gibt es?
          Die ältesten Kirchenbücher unterscheiden teils zwischen Paten (levans) und Zeugen (testes). Dann gibt es gewöhnlich nur einen Paten und dazu meist zwei Zeugen. Wo diese Unterscheidung nicht gemacht wird und nur "Paten" erscheinen, sind es gewöhnlich zwei oder drei, hin und wieder sogar vier.

          Kriterien für Auswahl der Paten?
          Meistens Verwandte; gerade die sprichwörtlichen Patentanten und -onkel tauchen oft auf. Hin und wieder der Meister oder sonstige Arbeitgeber. Bei vielen ist auch nicht direkt zu erkennen, in welchem Verhältnis sie zur Familie stehen.

          Familienstand der Paten?
          Sowohl Ledige als auch Verheiratete tauchen auf, ein System kann ich nicht erkennen.

          Besonderheiten?
          Nichts, was regelmäßig auffiele.

          Wieviele Namen bekam das Kind?
          Meist zwei, oft auch nur einen, gelegentlich drei. Bei Mädchen gibt es in manchen Familien häufig eine "Maria" zum eigentlichen Namen hinzu.

          Auswahl der Namen?
          Sehr oft nach den Eltern oder Großeltern (etwas nervig kann es sein, wenn man es mit vier Generationen von Männern zu tun hat, die alle Joseph Pohl heißen). Dann die Namen von Königen - vor allem Maria Theresia und Franz Josef sind sehr häufig. Namensgebung nach dem Tagesheiligen oder nach Paten kommt auch vor.

          Kommentar

          • Garfield
            Erfahrener Benutzer
            • 18.12.2006
            • 2142

            #6
            Zwar dürfte das zu Vergleichszwecken eher wenige Leute interessieren, da ich dazu aber genug schreiben kann, mache ich gerne mit. Die Daten sind allerdings aus meinen Gedächtnis, da ich in dem Zeitraum alle mit meinen gesuchten Familiennamen rausgesucht habe, aber nur die Verwandten in mein Programm eingetragen habe.

            Region:
            Larino in der Region Molise in Süditalien


            Zeitraum:
            ca 1760 - 1930


            Religion:
            katholisch

            Stadt oder Land?
            Land, wobei der Ort als Stadt zählt (5.576 Einwohner im Jahr 1871, heute nur 2000 mehr)


            Finanzielle Situation?
            Nicht genauer definierbar, vereinzelt werden die Berufe der Väter genannt: Bauern und Handwerker. Ein Ehepaar (siehe unten) tritt öfters zusammen als Paten auf, ich nehme an, diese waren wohlhabender.

            Wann wird getauft?
            Am selben Tag wie die Geburt, spätestens 3 Tage danach. So ab 1900 gibt es eine sprungartige Wende und es wurde ein Monat nach der Geburt getauft.


            Wieviele Taufpaten gibt es?
            Zwei, je ein Pate und eine Patin (nach der mir bekannten Tradition kommt dann später noch ein Firmpate dazu - im meist selben Geschlecht wie das Kind).


            Kriterien für Auswahl der Paten?
            Nicht näher definierbar. Manchmal Verwandte, manchmal nicht.


            Familienstand der Paten?
            Oft nicht definierbar. Ich glaube, habe schon Einträge gesehen, in denen explizit erwähnt wurde, dass die Patin unverheiratet sei. Müsste ich aber nochmals nachsehen.


            Besonderheiten?
            Es sind oft ganz verschiedene Paten. Auffallend war aber ein Ehepaar (da wurde angegeben "XX und seine Ehefrau YY"), das bei vielen Kindern Pate war, nicht unbedingt bei Verwandten.


            Auswahl der Namen? und Wieviele Namen bekam das Kind?
            In dieser Region war/ist es Tradition, den erstgeborenen Jungen nach dem Grossvater väterlicherseits, den zweiten nach dem Grossvater mütterlicherseits, das erste Mädchen nach der Grossmutter mütterlicherseits und das zweite Mädchen nach der Grossmutter väterlicherseits zu benennen. Das führt natürlich dazu, dass die Hälfte der Cousins gleich heisst . Bei weiteren Kindern kann ich nicht genau sagen, ob die nach weiteren Verwandten benannt wurden (zB Onkel/Tanten) oder nach der aktuellen Mode oder nach dem "Stadtheiligen". Kommt eh aufs selbe raus, alle heissen gleich...
            Dass die Heiligen des entsprechenden Tages als Namen gewählt wurden, ist mir nicht aufgefallen. Aber der Name des örtlichen Schutzpatrons wurde sehr gerne gewählt und bei Mädchen natürlich "Maria" (teils auch bei Jungen als weiterer Vorname).
            Weiter ist ganz offensichtlich, dass die Namen von verstorbenen Kinder an das nächstgeborene weitergegeben wurden. Soweit ich sehen kann allerdings nur an solche vom selben Geschlecht, es wurde also nicht die weibliche Namensform vom verstorbenen Bruder benutzt. Oft wurde dann aber noch ein weiterer Vorname hinzugefügt, was dem Kind wohl mehr Schutz geben sollte. Der Rekord lag bei 5 Vornamen, normal sind 1-3.
            Viele Grüsse von Garfield

            Suche nach:
            Caruso in Larino/Molise/Italien
            D'Alessandro in Larino und Fossalto/Molise/Italien und Montréal/Kanada
            Jörg von Sumiswald BE/Schweiz
            Freiburghaus von Neuenegg BE/Schweiz
            Wyss von Arni BE/Schweiz
            Keller von Schlosswil BE/Schweiz

            Kommentar

            • Cardamom
              Erfahrener Benutzer
              • 15.07.2009
              • 2023

              #7
              Interessante Fragestellung. Ich gebe mal die Taufgewohnheiten eines Teils meines Mutterstammes als Vergleich an.

              Region: Oberfranken (also nördliches Bayern)
              Zeitraum: Anfang 18. Jhdt. bis Mitte 19. Jhdt.
              Religion: evangelisch-lutherisch

              Stadt oder Land? Land

              Finanzielle Situation? Einfache Bauern, Handwerker, kein Reichtum.

              Wann wird getauft? Meist innerhalb von 3 Tagen, oft bereits am nächsten Tag nach der Geburt, Zeitraum nimmt etwas zu, je später im Jahrhundert die Geburt liegt.

              Wieviele Taufpaten gibt es?
              Normalerweise einen /eine. Auffällig ist, daß bei unehelichen Geburten der Pfarrer das KB für den Eintrag um 90 Grad nach rechts dreht, und dann auch immer mehrere Paten angegeben sind, meist 4-5.
              Sollen die etwa in der Menge positiv auf die Mutter einwirken?

              Kriterien für Auswahl der Paten?
              Auffällig: Durchgehend machte man sich die Mühe, einen Paten /Patin zu suchen, der/die als Namensgeber für das Kind fungiert (Kind wird nach Vorname des Paten/der Patin benannt). Ausnahmen habe ich keine gefunden.
              Daher für Mädchen immer Frauen und für Jungs männliche Paten. Sowohl aus der weiteren Verwandschaft wie auch aus dem Dorf oder dem Nachbardorf.
              Der Schmiedemeister hat dann auch mal den Dorfschultheissen als Paten gewonnen.

              Familienstand der Paten?
              Meist Verheiratete.

              Wieviele Namen bekam das Kind?
              Einen bis zwei.

              Auswahl der Namen?
              (Siehe bei Paten). Es gibt teils Familientraditionen (Johann, aber auch Eberhard in 3 Generationen), teils Favoriten im Dorf, z.B. die Häufung von "Kunigunda". Wenn sie katholisch wären würde das auf die Hl. Kunigunda von Bamberg hindeuten. Erklären kann ich mir das aber nicht, nachdem im evangelischen Bereich ja die Heiligennamen keine Rolle mehr spielten.

              liebe Grüße
              Cornelia

              Kommentar

              • Brigitte Bernstein
                Erfahrener Benutzer
                • 02.08.2010
                • 590

                #8
                Hallo!
                Werde mal die Taufgewohnheiten meiner Familien eingeben.
                Region; Böhmen, Riesengebirge Zeitraum 1730 - 1930 Religion, zu 95% Katholisch

                Wohnorte, Dörfer, kleine Städte, zum Teil sehr abgeschiedene Berghöfe.

                Finanzielle Situation; Bis auf wenige Ausnahmen Bauern, Handwerker, Feldgärtner keine Reichtümer.

                Wann wurde getauft? Bis zirka 1900 am Tage der Geburt. Bis zirka 1910 2 - 3 Tage nach der Geburt . Später auch in längeren Abständen.

                Wieviele Taufpaten gibt es ? Zwei bis drei.

                Auswahl der Paten. In den meisten Fällen gleicher Stand. Zum beispiel bei einem Lehrer fungierte auch ein Lehrer als Taufpate, bei einem Schmied ein Schmied, bei einem Feldgärtner ein Feldgärtner. Bei Mädchen waren es immer Frauen, bei Jungen Männer. Oft wurden für beinahe alle Kinder einer Familie die gleichen Taufpaten angegeben, welche im Gegenug die eigenen Kinder von dem ersten Ehepaar taufen ließen. Bei unehelichen Kindern taufte ein naher Verwandter, zum Beispiel Bruder oder Schwester der Mutter. Bis 1830 bekam das erste Kind den Namen des Vaters als zweiten Namen den des Taufpaten. Das Zweite Kind den Namen des Großvaters als Zweitname den Namen des Paten. Später wurde gewechselt, jetzt wurde der erste Name nach dem des Paten benannt und der zweite nach dem Vater. Verstarb ein Kind wurde das nächst geborene Kind nach diesen benannt. War es ein Joseph, wurde ein Mädchen eine Josepha . Den Namen Joseph gab es in jeder Familie, da der Heilige Joseph der Schutzpatron des Gebietes war. Die wichtigsten Namen bei Mädchen, Anna, Anna Rosina, Maria, Elisabeth, Susanne, Veronike, Theresia und Katharina, Ab zirka 1900 Walburga, Martha, Paulina, Amalia und Filomena Bei den Jungen, Joseph, Johann, Georg, Vinzenz, Rudolf, Christoph, Anton, Augustin, Ignaz und Heinrich. Ab 1900, Brunner, Hermann und Franz.
                Bei meinem Vater war bis zurück bis 1730 der Erstgeborene ein Vinzenz,
                Schöne Grüße
                Zuletzt geändert von Brigitte Bernstein; 21.01.2013, 10:26.
                Suche im Raum Trautenau, Parschnitz, Alt Rognitz, Deutsch Prausnitz, Bausnitz und Lampersdorf. Meine Namen Rasch, Staude, Reichelt, Letzel,

                Kommentar

                • Halbblut
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.11.2012
                  • 149

                  #9
                  Ich bin im Moment sehr intensiv mit KB aus einem kleinen Ort in Pommern zu Gange, deshalb trau ich mich als Neuling mal an eine solche Fragestellung. Die Beantwortung erfolgt aus dem Gedächtnis.

                  Region:
                  Pommern, Kreis Neustettin und hier ganz genau Groß und Klein Küdde

                  Zeitraum:
                  die KB gehen von 1794 bis 1874

                  Religion:
                  evangelisch

                  Stadt oder Land?
                  Land, 10 km von Neustettin entfernt

                  Finanzielle Situation?
                  Vom Knecht bis zum Schulzen, Krüger, Müller, Erbpächter

                  Wann wird getauft?
                  am nächsten oder auch übernächsten Sonntag nach der Geburt. Das führt dazu, dass es - je nach Anzahl der Geburten - oft mehrere Taufen an einem Sonntag gab; z.T. bis zu 4 bis 5 Stück. Ausnahmen von der Taufe am Sonntag gibt es, meist offensichtlich dann, wenn das Überleben des Säuglings gefährdet war (z.T. sind diese Taufen auch mit der Bemerkung Nothtaufe versehen).

                  Wieviele Taufpaten gibt es?
                  Die Regel sind drei – bei Buben 2 männliche und 1 weibliche, bei Mädchen 1 männlicher und 2 weibliche. Bei der Dorfprominenz – sprich Müller, Schulze etc. sind es manchmal 5 Paten. Dann bei Buben 3 männlich und 2 weibliche. Nur zwei Paten hab ich nur in Ausnahmefällen wie Nothtaufe wahrgenommen.

                  Kriterien für Auswahl der Paten?
                  Das gliedert sich sozusagen in drei Gruppen: 1) Verwandte, unabhängig vom Stand, die z.T. auch von anderen Dörfern kommen 2) gleicher Stand und Beruf, diese Paten kommen dann oft auch von anderen Dörfern 3) Dorfprominenz, z.B. ist die Frau des Müllers überdurchschnittlich oft Patin, ohne dass verwandschaftliche Anhaltspunkte erkennbar sind.

                  Familienstand der Paten?
                  Unabhängig vom Familienstand – d.h. sowohl verheiratet als auch unverheiratet kommen regelmässig vor. Ich meine, dass Jgfr. besonders gern kurz vor ihrer Hochzeit als Patin genommen werden – dass ist im Moment aber nur ein Bauchgefühlt und müsste genauer überprüft werden.

                  Besonderheiten?
                  Es sind für jedes Kind neue Paten – ein Pate wird eigentlich nur dann wieder genommen, wenn das Patenkind verstorben ist. Aber auch das nicht regelmässig.

                  Wieviele Namen bekam das Kind?
                  Meist 2 Namen, manchmal drei, ein Name ist selten und 4-5 Namen sind die Ausnahme.

                  Auswahl der Namen?
                  Man hat den Eindruck, dass es nahezu einen geschlossenen Pool an Vornamen gibt, der dann immer wieder durchgemixt wird. Allerdings kann ich derzeit keine durchgängige Struktur hinter der Namensvergabe erkennen. Mal sind die Namen der Paten „verarbeitet“, mal nicht – mal wird ein Kind genau nach Vater oder Mutter benannt, in anderen Familien ist das nicht der Fall. Dass die Heiligengedenk-Tage eine Rolle spielen, kann ich hier nicht finden - ist bei Evangelen auch eher nicht so zu Erwarten.
                  Es gibt beliebtere Namens-Kombinationen wie Carl Gottlieb oder Dorothea Louise – aber immer auch ausreichend davon abweichende.
                  Zuletzt geändert von Halbblut; 19.01.2013, 12:33.
                  Herzliche Grüße
                  Halbblut

                  Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.

                  POM-Neustettin: Barz, Maske, Gaudian OSTPR-Johannisburg: Soppa, Waga, Szesny NS-Kehdingen: Raap; v. Rönn; Diercks WESTF-Minden: Schaub, Roehring SA-Zeitz: Grunert, Boeger Kaiserslautern: Hahn, Maurer WÜRTT-Ostalbkreis: Heinrich, Rahm Schwarzwald: Müller, Aldinger München: Noll, Hütt, Babl, Strohmaier Deggendorf: Dangl, Krampfl FRIAUL-Udine: Colautti, Zanelli, Contarini

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                  • Dunkelgraf

                    #10
                    Hi,

                    zu der Fragestellung mit den Taufpaten habe ich folgende Verordnung aus dem Jahr 1709 gefunden. Herzog Ernst war sicher nicht der einzige Landesherr, der eine Verordnung herausgegeben hat. Zudem steht da, dass sie erneuert wurde, es muss also auch vor 1709 eine solche bereits existiert haben.

                    Da diese verordnung in der umständlichen Sprache des Barocks geschrieben i8st, möchte ich sie nicht ganz transskrpieren. Das Wichtige steht auf Seite 3, wo es heißt:


                    Gewöhnheit nach, bey Ehelicher geburt eines Kindes
                    mehr nicht als eine, bey unehelichen Kindern aber
                    mehr nicht als zwey oder drey Persohnen zu Gevattern
                    zu ersuchen, erlaubet und gestattet, auch eine Per-
                    sohn oder Familie / es seye denn von einen seinerr An-
                    verwanden oder besonsers guten und Special
                    Freundt/ gleichfals mehr nicht, als höchstens jährlich
                    tweymahl zu Gevattern ersuchet, und darzu ad-
                    mittiret, denen Tauffpathen auch als welche bis-
                    hero Ihren verstorbenen Tauffdotthen, due Sterb-
                    kleider macfhen laßen, führo hin solches nechst allen
                    andern auf wandt, auf beyden Seiten, nicht mehr ge-
                    stattet, sondern hiermit gäntzlich, bey willKührlicher
                    Straffe, untersaget und verbotten und weiter
                    nichts als etwa einen, jedoch nicht kostbahren Kranz
                    machen zu lassen erlaubet werden solle.

                    Die Anzahl der Taufpaten war also gesetzlich geregelt.

                    Viele Grüße
                    Dunkelgraf
                    Angehängte Dateien
                    Zuletzt geändert von Gast; 20.01.2013, 17:27.

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                    • Hintiberi
                      Erfahrener Benutzer
                      • 26.09.2006
                      • 1075

                      #11
                      Dann will ich mal meine durch die Forschung gewonnenen Erfahrungen und Aussagen kundtun:

                      Ich merke ins Vorne an, daß es sich durchaus um subjektiv bewertete Feststellungen handeln kann und schließe eine Gewähr auf die Verbindlichkeit der Feststellungen somit aus. Ausnahmen bestätigen die Regelhaftigkeit einzelner Aspekte.
                      Die Daten beziehen sich nicht nur auf Verwandte und Anverwandte, sondern auch auf alle andern Personen, dabei sind allerdings Taufpaten nicht immer berücksichtigt. Es handelt sich stets um Überschlagsinformationen, eine Statistik führe ich nicht.


                      Region:
                      Erzbistum Paderborn, genauer: Altkreise Büren und Paderborn sowie Altkreis Lippstadt.

                      Zeitraum:
                      1700 bis etwa 1875.

                      Religion:
                      Katholisch. Selten und nur vereinzelt auch konvertierte Protestanten.

                      Stadt oder Land?
                      Land

                      Finanzielle Situation?
                      Vom Tagelöhner bis zum Großbauern.
                      Daneben auch Dorfschullehrer, Küster und Organisten.

                      Wann wird getauft?
                      Etwa 1-2 Tage nach der Geburt, oft auch bereits am Tag der Geburt.

                      Wieviele Taufpaten gibt es?
                      2 bis 4, wobei am häufigsten 3 Paten erscheinen: 1x levans, von welchem oft der Vorname für den Täufling herrührt und 2x assistens.

                      Kriterien für Auswahl der Paten?
                      Meist Verwandte. Dazu aber oft auch Paten aus größeren, eingesessenen Familien, die unverwandt sind.

                      Familienstand der Paten?
                      Sowohl verheiratete als auch ledige Personen treten als Paten auf, letztere etwas seltener. Auch Verwitwete tauchen dann und wann als Paten auf, ganz ganz selten auch die eigenen Großeltern (ich glaube, da habe ich nur gefühlte ca. 4-5 Fälle.

                      Wieviele Namen bekam das Kind?
                      Zwischen 1 und 5 Vornamen, dabei erhielten Jungen in aller Regel als ersten Namen Johannes, Mädchen den Namen Anna.
                      Rufname wurde bei den Jungen in den meisten Fällen derjenige, der auf Johannes folgte, also:
                      Joh. Anton = Rufname: Anton,
                      Joh. Anton Bernhard = Rufname: Anton.
                      Bei den Mädchen wurde üblicherweise der letzte aller gegebenen Taufnamen der Rufname, also:
                      Anna Elisabeth = Rufname Elisabeth,
                      Anna Maria Catharina Margaretha Gertrud = Rufname: Gertrud.
                      In einem Ort gab der Pfarrer ab 1832 jedem getauften Kind nur noch einen Vornamen. Das hat sich dort lange gehalten. Nur ganz vereinzelt tauchen in späteren Jahrzehnten zwei oder noch seltener gar drei Vornamen wieder auf.

                      Die am häufigsten, und damit beinahe ausschließlich vorkommenden Namen sind

                      - für Jungs:
                      Johann, Anton, Bernhard, Jodocus, Conrad, Caspar, Heinrich, Friedrich, Joseph, Theodor, Meinolph, Christoph, Wilhelm und der Name des jew. Kirchenpatrons - so kamen bislang (soweit ich das überschauen kann) alle in meinen Forschungsgebieten gefundenen getauften Kilians oder deren Taufpaten bislang aus der Pfarrei St. Kilian, Brenken.
                      Andere männliche Vornamen gibt es, besitzen aber schon fast Seltenheitswert. In einer Pfarrei taucht bspw. der Name Felix im gesamten Zeitraum 1700-1820 nur ein einziges Mal auf.
                      Eine weitere Besonderheit bildet der Name Beda, den ich bislang nur in wenigen Pfarreien um Rüthen entdecken konnte - innerhalb einzelner Filialen dieser Pfarrei ist er dann wieder unwahrscheinlich häufig zu finden - ich habe dafür bislang keine Erklärung.

                      - für Mädchen:
                      Anna, Maria, Catharina, Elisabeth, Margaretha, Gertrud, Francisca, Christina, Clara, Bernardine, Sophia.
                      Auch hier gibt es noch einige andere Vornamen, sie sind allerdings weitaus seltener als die üblichen Verdächtigen.
                      Durch die manchmal als Paten auftretenden Angehörigen der Familie von Ketteler finden sich unter den selteneren weiblichen Vornamen allerdings wiederum häufiger Namen wie Antonetta, Alhardine, Huberta, Charlotte.

                      Auswahl der Namen?
                      In der Regel die Namen der Paten.
                      Manchmal kam der Name des Heiligen dazu, an dessen Tag ein Kind getauft wurde, der Name war aber meist nicht Rufname, wenn nicht zumindest auch ein Pate diesen Namen beisteuerte - und bei Jungs sowieso schon für den Platz nach Johann vorgesehen war (s.o.) )

                      Soweit fürs erste!
                      Viele Grüße
                      Meine Ahnen
                      http://img.photobucket.com/albums/v29/MrMagoo/K.jpg
                      www.gencircles.com/users/hintiberi/17"

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                      • Asphaltblume
                        Erfahrener Benutzer
                        • 04.09.2012
                        • 1500

                        #12
                        Ich hab bisher nicht so darauf geachtet und jetzt schnell mal geschaut, wie das bei einer Schifferfamilie aus Sachsenhausen, einem Örtchen nördlich von Berlin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so war.
                        Die Leute waren evangelisch, die Väter der Kinder fast alles Schiffer, ein paar Kaufleute kamen noch dazu. Die Mütter kamen zumeist aus der Gegend, Töchter von Kolonisten, Handelsmännern, Handwerkern (Maurer, Ziegler, Zimmermann), eine Müllerstochter, zwei Schifferstöchter.
                        Die Taufe erfolgte in der Regel ca. 3 Wochen nach der Geburt und an einem Sonntag. Ich habe einige Kinder, die als Säuglinge starben und bei denen ich keinen Taufeintrag gefunden habe. Die starben aber erst mit 2-3 Monaten, nicht innerhalb der üblichen Dreiwochenfrist. Zwei Knaben wurden unterwegs auf dem Kahn geboren und erst etwas später im Heimatort der Eltern getauft, und das bei beiden nicht an einem Sonntag, sondern an einem Montag, also vielleicht gleich nach der Ankunft?
                        Taufpaten: In der Regel waren es fünf, Männer und Frauen gemischt, Gewichtung und erster Taufpate (-patin) unabhängig vom Geschlecht des Kindes. Innerhalb der Familie tauchten bestimmte Namen mehrfach als Paten auf, Bedeutung im Ort oder Familienzugehörigkeit kenne ich oft nicht (ist auch schwierig, wenn der halbe Ort Dahme heißt, davon die Hälfte Schiffer sind, und gleich mehrere Taufpatinnen als "Ehefrau des Schiffers Dahme" identifiziert werden...). Verheiratete, verwitwete und unverheiratete Männer und Frauen werden gleichermaßen als Paten gewählt. Und kein Ehepaar für ein Kind, wohl aber der Mann für Kind 1, die Frau für Kind 2 einer Familie.
                        Namenswahl: Anscheinend unabhängig von den Namen der Paten, der bzw. ein Name des Vaters/der Mutter wurde gern als zweiter Name gegeben. Auch Namen der Großeltern und von Onkeln und Tanten tauchen auf, in der Regel als Zweit- oder Drittnamen. Der Name von Paten kam gelegentlich auch vor, ohne dass dies aber irgendwie systematisch zu geschehen schien, eher zufällig, weil Friedrich halt so'n schöner Name ist... Modenamen zeigen sich in den Kirchenbüchern recht deutlich, wobei auch deutlich wird, dass es sich nicht (mehr) um mehrere Generationen übergreifende Namen handelt, sondern dass die nach einigen Jahren wechseln, die Namen der Elterngeneration tendenziell in die Reihe der Zweit- und Drittnamen absinken.
                        Anzahl der Vornamen: Mindestens zwei, üblich sind drei, vier gibt es gelegentlich.
                        Gruß Asphaltblume

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                        • Anna Pauline
                          Erfahrener Benutzer
                          • 05.08.2009
                          • 267

                          #13
                          Das ist eine interessante Umfrage. Ich habe mich damit noch nicht auseinandergesetzt, hätte aber mal eine Frage zu diesem Thema. Wie alt musste ein Taufpate/eine Taufpatin sein? Gab es da ebenfalls Vorschriften?

                          Gruß Anna Pauline
                          Liebe Grüße

                          Anna Pauline

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                          • Asphaltblume
                            Erfahrener Benutzer
                            • 04.09.2012
                            • 1500

                            #14
                            Die evangelische Kirche schreibt meines Wissens in dieser Hinsicht nur vor, dass Taufpaten konfirmiert sind. Also religionsmündig = mindestens 14 Jahre alt.
                            Gruß Asphaltblume

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                            • Lama
                              Benutzer
                              • 20.04.2021
                              • 25

                              #15
                              Regeln zur Vornamenswahl können für den heute Forschenden praktisch sein (oder unpraktisch, je nachdem):

                              Region Obersteiermark, Murtal (katholisch, ländlich, 17.-18. Jh., damals Erzbistum Salzburg): nach den Gedenktagen der Heiligen, bis etwa 4 Wochen im Voraus möglich. Die meisten Gedenktage beliebter Namenspatrone sind am Monatsende (Georg, Johannes, Peter und Paul, Jakobus, Andreas, Katharina, Eva...), so dass man mit etwa 99%iger Trefferquote aus dem Vornamen auf den Geburtsmonat schließen kann. Maria geht wegen der zahlreichen Marienfeiertage immer, Genoveva heißen die Leute nur, wenn sie zwischen 24.12. und 2.1. geboren sind. Ausnahmen sind sehr sehr selten und, soweit ich bisher gesehen habe, nie später im Kalenderjahr als der Gedenktag des Heiligen. Noch meine Oma zitierte die zugehörige Regel: "Zurücktauft wird nicht."

                              Region Mährisch-Schlesien (katholisch, ländlich, 17.-18. Jh., damals Bistum Olmütz): An die Söhne werden die Namen des Vaters oder Namen des Großvaters väterlicherseits weitergegeben, so dass es in jeder Generation Unmengen an Joseph und Franz gibt. Unpraktisch.


                              LG Lama

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