Reichenbach (Dzierzoniow) - kath. KB mit evg. Einträgen?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles l?schen
neue Beiträge
  • sonki
    Erfahrener Benutzer
    • 10.05.2018
    • 4692

    Reichenbach (Dzierzoniow) - kath. KB mit evg. Einträgen?

    Jahr, aus dem der Begriff stammt: 1740
    Region, aus der der Begriff stammt: Reichenbach, Niederschlesien


    Hallo,

    beim Durchblättern einiger kath. Kirchenbücher aus Reichenbach (Niederschlesien), habe ich festgestellt, das 1-2 Filme mit falschen Angaben bei Familysearch eingetragen sind. Aber das eigentlich nur am Rande, führte aber dazu das ich mal in Ruhe Seite für Seite durchgegangen bin um weitere Unterschiede zu finden. Dabei fiel mir folgendes auf:

    Im Taufbuch 1740-1790 findet man plötzlich mittendrin ein Einschub für die Jahre 1740-1747. Überschrieben entweder mit (siehe Anhang)

    "Baptizati extra Barochiam"
    "Baptizati extra Ecclesiam"

    Nachtrag: Meist stehen im ersten Jahr noch Ortsnamen dabei, wie Rosenbach, Panth.?? (fast alle Einträge von dort - oder soll das Harthau sein?), Dirschdorf, Dittmansdorf ect., aber auch hin und wiedre Schweidnitz und Nimbsch (Nimptsch?)

    1740 - da klingelt ja was - ich zitiere mal von christoph-www:
    Erst mit dem Übergang Schlesiens an Preußen, 1740 beginnend, erhielten die Einwohner die Möglichkeit sich evangelische Bethäuser ohne Glockenturm zu errichten, allerdings ohne den bestehenden Pfarrzwang (Einzelheiten) aufzuheben.

    Kann man das jetzt so deuten das die Einträge 1740-1747 evangelische Taufen sind? Das wäre insofern interessant, weil laut christoph-www eigentlich keine Taufen aus dieser Zeit erhalten sind.

    Direkt vor den Einschub ist noch ein Text eingefügt - siehe Anhang.


    Ansonsten der Hinweis - im Mormonenfilm 1687472 sind statt:
    Heiraten 1745-1740 Tote 1597-1633
    folgende Dinge:
    Heiraten 1745-1765, 1766-1820, 1821-1840, Tote 1597-1633
    Angehängte Dateien
    Zuletzt ge?ndert von sonki; 24.09.2020, 22:15.
    Слава Україні
  • Manni1970
    Erfahrener Benutzer
    • 17.08.2017
    • 2396

    #2
    Interessante Sache, aber so ganz passt es nicht zu den bekannten Reichenbacher Eckdaten.

    Schlesien war fast völlig evangelisch. Im Verlauf der Gegenreformation erzielte die kath. Kirche aufgrund besonderer Umstände eigentlich nur in der Grafschaft Glatz sowie in Teilen von Oberschlesien Erfolge. Sonst blieb man weitgehend evangelisch, musste aber für Tf u. Tr andere Kirchen aufsuchen. Um es den Ev. noch schwerer zu machen, führte man die Stolae-Gebühr ein. Die Familie ließ ihr Kind also in einer auswärtigen ev. Kirche taufen, musste natürlich den dortigen Pfarrer bezahlen und nun erhielt aber auch noch der kath. Geistliche vor Ort eine Gebühr, obwohl der ja gar nichts dafür tat. Das hielt dieser in den kath. KB fest. Manchmal wurde notiert, dass es eigentlich eine auswärtige lutherische Taufe war, mitunter aber auch nicht. Somit sind ev. Eintragungen in den kath. KB - zumindest in Niederschlesien - die Regel. Als Friedrich von Preußen Ende 1740 nach Schlesien einmarschierte, änderte sich zunächst nichts. Er wollte sich nicht noch mit der kath. Kirche anlegen. Erst im März 1742 gestattete er bspw., dass ev. Leichen auf kath. Friedhöfen mit ev. Pfarrern, Liedern und Geläut beigesetzt werden dürfen - die kath. Stolae-Gebühr musste aber weiterhin bezahlt werden. Erst als die kath. Kirche in Schlesien im 7jährigen Krieg sich ganz eindeutig auf Seite der Habsburger stellte, platzte Friedrich der Kragen und zum 31.12.1757 wurde der kath. Pfarrzwang aufgehoben. Das dauerte aber noch bis in die 1760er Jahre, bis auch überall auf dem Land die Eintragungen ev.Tf/Tr in kath. Bücher aufhörte (es finden sich im Glogauer Raum kath. KB bis 1767 mit ev. Eintragungen!).

    Am 5. März (nicht Januar!) 1741 hielt der Feldprediger des preußischen IR 19 wieder den ersten ev. Gottesdienst in Reichenbach ab. Bereits am 13. Mai 1742 wurde ein zum Bethaus umgebautes Wohnhaus (Nr. 105) am Ring eingeweiht. Erst 1797 wurde dann eine "richtige" ev. Kirche in Reichenbach eingeweiht. Nach Wegnahme der Kirche hatten sich die Ev. zuvor nach Panthenau, Dirsdorf, Schweidnitz und Nimptsch gehalten.

    Warum es also ein gesondertes Heft mit ev. auswärtigen Tf von 1740-1747 [nicht 1757? oder vielleicht früher bis 1757 vorhanden?] in Reichenbach gab, das später in den "normalen" Band eingebunden wurde, ist mir nicht verständlich. Eine eigenwillige Entscheidung das damaligen kath. Geistlichen.

    Kommentar

    • sonki
      Erfahrener Benutzer
      • 10.05.2018
      • 4692

      #3
      Hallo,

      danke nochmal für die ausführliche Erläuterung der damaligen Situation. Ich werde mal schauen ob ich die Taufen die mit der Ortsangabe Schweidnitz versehen sind, mit den eigentlichen KBs der Friedenskirche von dort gegenprüfen kann.
      Auf jedenfall ein interessanter Einschub auch zusammen mit den 2 Textseiten "Anmerkung" am Anfang. Und ja, die Einträge gehen nur bis 1747, am Ende des Jahres steht folgende Anmerkung zu nachfolgenden Taufen - kanns grad auf die Schnelle nicht komplett entziffern. ("siehe vorwärts wo die nächsten stehen"?)
      Angehängte Dateien
      Zuletzt ge?ndert von sonki; 25.09.2020, 09:48.
      Слава Україні

      Kommentar

      • Manni1970
        Erfahrener Benutzer
        • 17.08.2017
        • 2396

        #4
        "Finis hujus Anni

        Die in dem 1748sten Jahre in dem hiesigen Bett Hauß getauften Kinder suche vorwehrts wodie Nähsten stehen. Gott Sey bey uns."


        1738 u. 1748 war in Reichenbach der kath. Pfarrer u. Erzpriester Johann Carl von Bieschin tätig. Also war offensichtlich auch kein Pfarrerwechsel für die Einstellung der Aufzeichnungen 1747 verantwortlich.

        Kommentar

        • Manni1970
          Erfahrener Benutzer
          • 17.08.2017
          • 2396

          #5
          Warum wurde also dieses "Extra-Heft" geführt?

          Reichenbach stellte betref. der Anzahl der Katholiken eine Besonderheit dar. Sonst waren die Ev. klar in der Überzahl, aber in Reichenbach gab es 1750 bei 2155 Einwohnern fast halb so viele Katholiken. Warum? Als der ev. Pfarrer am 24.1.1629 seine Kirche aufgrund der Habsburger Gegenreformation verlassen musste, kam wenig später der gefürchtete katholische Königsrichter Adam Reiprich und ging brutal u. rücksichtslos gegen die bis dahin völlig ev. Einwohnerschaft vor. Als im Herbst 1632 die evangelischen Schweden Reichenbach besetzten, kam es zu Racheakten der erregten Volksmenge, wobei der kath. Pfarrer schwer misshandelt wurde u. wenig später starb. Es war dies der einzige kath. Pfarrer, der im 30jährigen Krieg in Schlesien durch Religionshass ermordet wurde. Wenig später ereilte den Königsrichter dann das gleiche Schicksal. Als Mitte der 1630er Jahre ein kath. Heer nach Reichenbach kam, ließ man die Bevölkerung schwer büßen. Infolge verließen viele Ev. die Stadt, die anderen wurden aus Angst vor weiteren Übergriffen katholisch.

          Vielleicht - nur eine Spekulation von mir - erinnerte sich dieser kath. Pfarrer v. Bieschin an die Geschichte und nahm an, Friedrich würde nun so handeln wie die Habsburger 100 Jahr zuvor. Weshalb er im vorauseilenden Gehorsam von sich aus gesonderte "ev KB" führte. Als er merkte, dass Friedrich ganz andere Ziele verfolgte, stellte er die Sache wieder ein.

          Kommentar

          • sonki
            Erfahrener Benutzer
            • 10.05.2018
            • 4692

            #6
            Das ist schon spannend, Geschichte kann grausam, aber interessant sein. Danke nochmal (wie immer) für die geschichtlichen Details - finde das überaus interssant.

            Ich bin grad nochmal bei den Taufen aus dem Jahr 1741, da änderte sich nämlich im Frühjahr (März bis April) die Ortsangabe mit einigen interessanten Angaben. Danach geht es mit normalen Ortsangaben weiter.

            Varianten (einige Lesefehler wahrscheinlich) von März-April 1741 sind nun:

            "Zu Panthenau, weil die Armee weg war"
            "Eben im ???haus getauft. Vom wem ist unbekannt"
            "Nicht gemeldet und daselbst getauft" (Der Eintrag enthält nur den Namen des Vaters "Gottl. Langer, Hofegärtner von der Klinke"???)
            "Nicht gemeldet, in des Tuch'scher Haan Haus getauft"

            Und im Anhang noch ein ganz besonderer Fall wohl aus dem März 1741.

            Dieser war der erste unter dem ange-
            fangenen Kriegstr??geln, welcher die
            bisherige Ordnung zu stöhren ange-
            fangen, und wurde das Kind ohne zu
            melden wie nachkommend(?) Mehr(?)
            in den rothen ??? Wirthshause
            getaufet, ja weder waren Sie der
            Ehren auf anfichen(?) die Nahmen
            zugeben, welche alle sich auf Kirches-
            bitten weder bewegen ließen, das folge-
            gehalt die Confusion angefangen.


            P.S. Ist diese Person "von der Comenda" vom Johanniterorden? Da gibt es einige Einträge mit "comenda". Bzw. da wohnten einige "auf der Comenda", also in den (alten) Kommenden des Ordens...oder ist das was normales?

            P.S. II Noch ein anderer Fall vom Januar 1742 im 2. Anhang.
            Angehängte Dateien
            Zuletzt ge?ndert von sonki; 25.09.2020, 18:02.
            Слава Україні

            Kommentar

            • Manni1970
              Erfahrener Benutzer
              • 17.08.2017
              • 2396

              #7
              Ich denke, unser Freund hier hatte so seine eigene Orthographie.

              Dieser war der erste unter der angefangenen Kriegs Trungeln [Kriegsdrangsale?], welcher die bißherige Ordnung zustehren angefangen, und wurde das Kind ohne zu melden wie nachkounende [nachkündende?] Mehr in dem rothen Hiersch Wirthshauße getauft, ja weder waren sie der Ehren auf ansuchen die Nahmen des Kindes und deren Pathen herauszugeben, welche alle sich auf Kirsches Bitten weder bewegen ließen, daß solche Gestalt die Confusion angefangen.

              In Reichenbach hatte es eine Malteser-Kommende gegeben.

              Kommentar

              Lädt...
              X