Geschichte des Alltags

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  • Silvio52
    Erfahrener Benutzer
    • 17.06.2021
    • 230

    Geschichte des Alltags

    Hallo,

    ich habe die Geschichte meiner Ahnen dergestalt verschriftlicht, daß ich die Wanderungsbewegungen und Siedlungsgebiete niedergeschrieben und die wichtigen historischen Ereignisse erwähnt habe. Bezüglich des Militärdienstes konnte ich durch Akten des Bundesarchives teilweise sehr konkret werden. Dadurch sind eine Reihe von Höhepunkten erfaßt und die Frauen durch ihre Kinder und die Männer durch den Kriegsdienst "charakterisiert".

    Was ich völlig vergessen habe, war der Alltag.

    Damit meine ich durchaus, wie so ein normaler Tag abgelaufen sein könnte: Wer weckte, wie. Welches Frühstück, war es weit zum Feld? Produzierte der Bauernhof alles selbst, bis auf Salz und Tuche? Natürlich sind solche individuellen Erinnerungen unwiederbringlich verloren.

    Ich werde nun versuchen, dieses aus der Literatur zu ergänzen. Dabei bin ich antiquarisch auf die "Geschichte des Alltags des deutschen Volkes" von Prof. Dr. Jürgen Kuczynski gestoßen, die den Zeitraum von 1600 bis 1945 etwa in den deutschen Grenzen von 1870 abdeckt. Zum Glück ist seine "marxistische Sprache" wenig ausgeprägt und kann leicht "überlesen" werden.

    Mal sehen, wie ich das angehe, der Plan: Erst das für mich interessante exzerpieren und dann punktuell einfügen.

    Wie konntet Ihr den Alltag einbauen, um die Vorfahren "lebendig" zu machen?

    VG
    Silvio
    Suche FN: Dülge (Stettin, Lublin) / Streich und Hintz (Großpolen, Lublin) / Seeger (Elbing, Danzig und Berlin) / Havemann, Thiede und Stolz (Breslau, Bernau und Berlin).
  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1176

    #2
    Hallo Silvo,

    nettes Buch - da habe ich mich auch mal hindurch gewühlt!
    Ich überlege selbst auch, das eine oder andere daraus irgendwann mal in einen Text mit genealogischem Bezug einzuordnen, würde das aber nur dann in Bezug auf konrete Einzelpersonen oder Familien machen, wenn ich unmittelbar aus Dokumenten über sie selbst entsprechende Erkenntnisse gewonnen hätte.
    In meinem Fall würde das ziemlich gut in Bezug auf Hand- und Spanndienste passen, weil ich in einem Archiv für einige wenige Jahre eine konkrete Aufschlüsselung dazu gefunden habe, wann die Dienstpflichtigen aus einigen Orten jeweils für wie lange welche Arbeiten geleistet haben (nach Namen aufgeschlüsselt). Da kann ich also guten Gewissens sehr konkret werden - oder auch, wenn es um die Auswertung von Heiratsverträgen, Erbsachen und Co geht.
    Übliche Tagesabläufe für verschiedene Schichten und Berufsgruppen würde ich - wenn überhaupt - eher in eine allgemeine und maximal noch regionsbezogene Übersicht über die grundsätzlichen Lebensverhältnisse zu verschiedenen Zeiten packen.

    Darüber hinaus versuche ich, sofern bekannt, bei der konkreten Beschreibung einzeler Vorfahren und ganzer Familien herauszuarbeiten, ob es bei ihnen besondere "Geschichten" gibt, irgend etwas, was sie womöglich von anderen Familien unterscheidet oder auch mal etwas, das bei einer Familie so "typisch" ist, dass man es am Beispiel dieser einen Familie sozusagen stellvertretend für das erzählen kann, was damals allgemein verbreitet oder "üblich" war.

    VG
    Giacomo
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
    - im Thüringer Wald
    - im südlichen Sachsen-Anhalt
    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
    - im Württembergischen Amt Balingen
    - auf Sizilien
    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

    Kommentar

    • Silvio52
      Erfahrener Benutzer
      • 17.06.2021
      • 230

      #3
      Hallo Giacomo,

      ich gebe zu, es war ein "Schock" für mich, daß ich den Alltag vergessen hatte. Höhepunkte ja, Anekdoten, natürlich, aber der Alltag wurde von mir noch nicht einmal angerissen.

      Manchmal sind es auch Kleinigkeiten, die in der Kombination plötzlich Sinn machen. So habe ich ein Fotos von Ende 1940, Warthegau, mit einem unauffälligen Schild "Kein Zutritt für Polen". Ich meinte vorher, so etwas gab es nur gegen Juden. Dann gibt es die Episode, daß meine Großmutter verbal "angegriffen" wurde, weil sie mit ihrem polnischen Gesinde am Tisch saß ("Wer mit mir arbeitet, soll auch mit mir essen!").

      Jetzt erst stoße ich auf die "Verordnung des Reichsstatthalters vom 25.9.1940", wo es u.a. heißt: "Deutsche Volkszugehörige, die über das dienstlich oder wirtschaftlich notwendige Maß hinaus Umgang mit Polen pflegen, werden in Schutzhaft genommen."

      Allerdings scheine ich mir da (zu) viel vorgenommen zu haben. Mal schauen, es ist ja Hobby und keine Pflicht.

      VG
      Silvio
      Suche FN: Dülge (Stettin, Lublin) / Streich und Hintz (Großpolen, Lublin) / Seeger (Elbing, Danzig und Berlin) / Havemann, Thiede und Stolz (Breslau, Bernau und Berlin).

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      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 5527

        #4
        Hallo Silvio,

        das ist hochspannend! Ich habe vor über 25 Jahren meine Diplomarbeit über ein agrarhistorisches Thema geschrieben und bin bei der Archivarbeit auf massenhaft Dokumente gestoßen, aus denen Details aus dem dörflichen Alltag hervorgingen. Oft waren es Prozeßakten.

        Eine Sache steht mir noch deutlich vor Augen: die Bauern meines Dorfes waren dem Gutsherren zwei Orte und etwa 7 km weiter dienstpflichtig. Es gab unter anderem eine uralte Vereinbarung, nach der der Gutsherr den dienstpflichtigen Bauern in der Ernte pro Kopf eine bestimmte Anzahl Klappkannen mit Dünnbier auszuschenken hatte. Ich meine, es ging um sieben Kannen täglich. Sein Verwalter gab aber nur sechs Kannen. Da wurde selbstverständlich prozessiert! Man prozessierte im 17. und 18. Jahrhundert ohnehin ständig. Den Bauern waren ihre überlieferten Rechte und Pflichten wohlbekannt. Wollte die Obrigkeit daran etwas zu ihrem Nachteil ändern, so wurde geklagt. Häufig mit Erfolg.

        Viele Grüße
        consanguineus
        Suche:

        Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
        Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
        Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
        Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
        Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
        Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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