Pfarrer vergibt Nachnamen

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  • hotdiscomix
    Erfahrener Benutzer
    • 20.05.2008
    • 755

    Pfarrer vergibt Nachnamen

    Ich beschäftige mich derzeit (mal wieder) mit den Freyburger Kirchenbüchern um die Zeit des 30-jährigen Krieges. Im Winter 1634/35 bezog das kursächsische Lösersche Regiment, in Freyburg und Umgebung, ihr Winterquartier. In diesen Monaten waren etwa die Hälfte der Taufen "Soldatenkinder". Es waren Kinder von Soldaten, Feldwebeln bis zum Hauptmann dabei.
    Von Sommer 1635 bis Anfang 1636 gab es vermehrt die Taufe von "Hurenkindern". Die Mütter gaben an, das der Vater ein Soldat war. Öfters war nur der Vorname des Vaters bekannt. In diesen Fällen vergab der Pfarrer einige Male einen Nachnamen für das Kind, welcher sich von der Funktion des Soldaten ableitete.
    Eine Mutter gab an, das sie von einem Reiter überfallen wurde - das Kind wurde dann Johannes Reuter (damalige Schreibweise für Reiter) getauft. Bei einer anderen war der Vater ein Landsknecht, also ein Soldat mit Pike (Spieß) - das Kind wurde als Abraham Spießman getauft. In einem dritten Fall war der Vater Trommler in Lösers Regiment und das Kind bekam den Namen Sibylla Trommler.

    Bisher kannte ich dieses Vorgehen nur aus einem Fall in meinem Stammbaum. Der Bruder eines direkten Vorfahren war 1683/84 als Lakai zweier adliger Offiziere im Krieg gegen die Türken tätig. Bei der Stürmung der Burg Gran (Grenzgebiet Ungarn/Slowakei) wurden die Türkenführer und ihre Familien getötet. In einem Raum fand der Lakai in einem Versteck Schmuck und ein ca. 3-jähriges Mädchen. Die Offiziere teilten den Schmuck unter sich auf und der Lakai durfte das Kind "behalten". Da zu dieser Zeit auch mehrere Frauen mit ihren Männern im Feldlager lebten, kümmerten sie sich um die Versorgung des Kindes.
    Nach Ende des Türkenkrieges ging der Lakai mit einer Unteroffizierswitwe und dem Kind zurück in seine Heimat. Mit 11 Jahren wurden das Mädchen auf den Namen "Johanna Christiana Waise" christlich getauft. Der Pfarrer vergab den Nachnamen Waise, da das Kind Vollwaise war.

    Ist euch so eine Vorgehensweise der Pfarrer auch schon untergekommen, oder war es eine Spezialiät der Freyburger Pfarrerfamilie Dauderstädt?

    Steffen
    ~*~ Organisation ist, weder den Dingen ihren Lauf noch den Menschen ihren Willen lassen. ~*~
  • Alter Mansfelder
    Super-Moderator
    • 21.12.2013
    • 4649

    #2
    Hallo Steffen,

    also ich kenne es so, dass außereheliche Kinder
    - grundsätzlich den Namen der Mutter erhalten
    - oder aber den des Vaters, etwa bei Anerkennung, nachträglicher Eheschließung der Eltern.

    Von einer Benennung durch den Pfarrer habe ich schon bei Findelkindern gehört. Das Kind erhielt den Namen des Fundortes.

    Sodann gibt es Spitznamen bzw. Bezeichnungen, die zu Nachnamen geworden sind. Dabei übernimmt der Pfarrer praktisch nur, was die Außenwelt bereits als Name/Bezeichnung akzeptiert hat.

    In den von Dir benannten Fällen würde ich zunächst einmal ein nicht geringes Maß von Zynismus des Pfarrers vermuten wollen und fragen: Hat sich der so "vergebene" Name später überhaupt durchgesetzt und ist im täglichen Leben verwendet worden?

    Es grüßt der Alte Mansfelder
    Gesucht:
    - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
    - Tote Punkte in Ostwestfalen
    - Tote Punkte am Deister und Umland
    - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
    - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
    - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

    Kommentar

    • gki
      Erfahrener Benutzer
      • 18.01.2012
      • 4823

      #3
      Hallo,

      in meinem Forschungsgebiet (Niederbayern/Oberösterreich) ließe sich eine derartige Namensvergabe nicht feststellen, da für die Kinder bei Taufeinträgen bis nach 1850 oft keine Familiennamen vergeben wurden. Angegeben wurden meist lediglich die FN der Eltern.

      Also:
      Täufling: Georg
      Vater: Martin Huber
      Mutter: Maria dessen Frau (oder Maria, Tochter des Johann Mayr, bei unehelichen)

      Einen Namen des Kindes könnte man so lediglich bei dessen eigener Hochzeit feststellen. Um 1650 war aber die Kindersterblichkeit hoch und die Wahrscheinlichkeit gering daß uneheliche Kinder heiraten konnten, sodaß derartige Namensvergaben, so sie existierten, wenig nachprüfbar sind.
      Gruß
      gki

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      • hotdiscomix
        Erfahrener Benutzer
        • 20.05.2008
        • 755

        #4
        Zitat von Alter Mansfelder Beitrag anzeigen
        In den von Dir benannten Fällen würde ich zunächst einmal ein nicht geringes Maß von Zynismus des Pfarrers vermuten wollen und fragen: Hat sich der so "vergebene" Name später überhaupt durchgesetzt und ist im täglichen Leben verwendet worden?
        Die 3 Kinder, welche 1635/36 geboren sind, habe ich nie wieder gefunden. Aber 1636/37 gab es eine pestartige Seuche - in dieser Zeit sind 4-5x mehr Personen gestorben als üblich. Das Sterberegister von Freyburg begann erst während dieser Zeit.

        Johanna Christiana Waise trug aber ihren Namen bis zu ihrer Hochzeit.

        Steffen
        ~*~ Organisation ist, weder den Dingen ihren Lauf noch den Menschen ihren Willen lassen. ~*~

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        • holsteinforscher
          Erfahrener Benutzer
          • 05.04.2013
          • 2491

          #5
          Hallo aus Kiel,
          ich glaube, hier hat man wohl ganz besondere Einträge.
          Mittlerweile forsche ich gute 35 Jahre, aber solch eine
          willkürliche Namensvergabe ist mir bislang noch nie be-
          gegnet, meist wurde nur darauf hingewiesen..ein Soldatenkind,
          mit viel Glück dann noch die Angabe..eines schwedischen,
          badischen usw. Soldaten.
          Wie der "Alte Mansfleder" schreibt:
          In den von Dir benannten Fällen würde ich zunächst einmal
          ein nicht geringes Maß von Zynismus des Pfarrers....
          Mit den besten Grüssen von der Kieler-Förde
          Roland
          Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
          Roland...


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          • Mats
            Erfahrener Benutzer
            • 03.01.2009
            • 3391

            #6
            Hallo Steffen,

            in meinem Forschungsgebiet Niedersachsen und OWL sind mir solche Einträge nur bei Findelkindern untergekommen. Die unehelichen Soldatenkinder bekamen immer den FN der Mutter.

            Grüße aus OWL
            Anja
            Es gibt nur 2 Tage im Jahr, an denen man so gar nichts tun kann:
            der eine heißt gestern, der andere heißt morgen,
            also ist heute der richtige Tag
            um zu lieben, zu handeln, zu glauben und vor allem zu leben.
            Dalai Lama

            Kommentar

            • Dominik
              Erfahrener Benutzer
              • 23.06.2011
              • 965

              #7
              hm...ist mir noch nie untergekommen..aber sehr interessant!
              Zuletzt ge?ndert von Dominik; 22.08.2014, 23:37.
              Liebe Grüße

              Dominik

              Kommentar

              • Kris63
                Benutzer
                • 24.05.2019
                • 13

                #8
                Und ich (Schwerpunkt OWL und Niedersachsen) kenne es so, dass bei bekanntem Vater die unehelichen Kinder dessen FN bekamen.
                Beim Scrollen ist mir irgendwo auch ein Findelkind mit dem FN "Fund" vorgekommen.

                Getaufte Juden bekamen dann oft ganz neue VN und FN, z. B. "Christian" als FN.

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                • Garfield
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.12.2006
                  • 2140

                  #9
                  Hallo

                  Ich hatte solche Fälle bisher weder in der Schweiz noch in Italien angetroffen. Die Kinder mit unbekannten Vätern bekamen den Familiennamen der Mutter.

                  Wie schon geschrieben wurde: anders war es bei Findelkindern. In Italien wurden weniger die Fundorte, sondern eher Namen mit Hinweis auf den Fundtermin genommen oder existierende Familiennamen, die in dieser Gegend seltener waren. Aber in meiner Gegend in Italien gab es sowieso bemerkenswert wenige Findelkinder und uneheliche Kinder, dafür ganz viele Hochzeiten im Alter von 17 Jahren .
                  Viele Grüsse von Garfield

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