Thema: Humoris causa
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Alt 07.03.2011, 20:39
Inspektor_Erhardt Inspektor_Erhardt ist offline
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Beiträge: 21
Standard Ich steh in der Bütt

Ihr lieben Leut, es ist wieder soweit,
daß ich was sag nach so langer Zeit.
Nachdem in Kassel ich lange geblieben,
wo Ahnenforscher ihr Unheil getrieben,
da hab ich gedacht: Ist das immer so?
Wird keiner von uns seines Lebens mehr froh,
solange die sich in Freiheit befinden
uns weiterquälen mit ihren Sünden?

So hab ich mich seitdem mal aufgemacht,
habe ermittelt bei Tag und bei Nacht,
habe sie oftmals heimlich belauscht
und mich gewundert, was sie so berauscht,
wenn sie genealogische Kreise ziehn
im Wahn, die Sippschaft sei größter Sinn,
den es von ihnen zu finden gilt:
Sie lieferten mir ein seltsames Bild!

Da hab ich ne junge Frau im Archiv gefunden
in einem Alter, wo andre entbunden,
und einer sie dort neugierig fragt,
ob sie denn nicht besser mal „Ja“ gesagt!
Ich konnte auch hören so mittendrin:
„Ja, hat denn dein Hobby überhaupt Sinn?
Und kostet das nicht viel zu viel?
Du kommst doch sowieso nie ans Ziel!“

Damit nicht genug! Sie fahren dort
von einem zum andern und noch einem Ort.
Kein Kirchenbüro bleibt vor ihnen verschont.
Ob für Ihre Toten der Aufwand lohnt?
Und selbst die Verwandtschaft, die lieben netten,
kann sich vor lauter Fragen nicht retten.
Und dann noch die Bitte um alte Bilder!
Ich sag’s Euch, die werden immer wilder!

So habe ich mich im Netz umgesehen:
Ob sie dort auch um Auskünfte flehen?
Ihr werdet’s nicht glauben, es ist entsetzlich!
Die tummeln sich dort, dreist und unersättlich!
Nicht nur, daß sie nach Namen suchen,
vielleicht mal bei Klicktel jemand verbuchen,
schau’n, was von ihnen zu finden ist:
Nein, sie bedienen sich einer List!

Sie haben Internetforen gegründet,
wo sich immer mehr von ihnen verbündet.
Da gibt es eins, da sind Tausende drin,
doch erschließt sich zunächst mir nicht dessen Sinn.
Da hab ich’s gewagt und mich registriert,
damit ich sehe, was drinnen passiert,
hab mich undercover dort frei bewegt.
Was ich dort gesehn, hat mich furchtbar erregt!

Die reden und reden, was nur sie verstehn
und die Beiträge in Hunderttausende gehen.
Es klingt wie ein wildes, lautes Geschnatter:
Das obiit, Kirchenbuch, GedBas, Gevatter,
als ob ein Fuchs im Hühnerstall wär,
und dennoch, sie quasseln immer mehr!
Und das schlimme bei diesen Verrückten ist:
Jeder versteht, was er da gerade liest!

Und dann entlockt’s mir ein großes Raunen:
Ich sah in dem Forum zu meinem Erstaunen,
daß die dort Lesehilfe anbieten!
Sie lassen die Legastheniker nicht in Frieden,
obwohl sie es oft auch nicht richtig verstehen,
mit den Textlücken anderer umzugehen.
Ihre Lesekunst steht auf wankenden Füßen,
doch wundert’s Euch? Pisa läßt schließlich grüßen!

Dann ist mir noch etwas aufgefallen:
Es gibt ein lokales Zusammenballen.
Jedes Gebiet und jedes Bundesland
Sein regionales Forum fand.
Ich frag mich nur, sind dies Zentren der Macht,
wo man auf Missionierung bedacht,
woher man sendet die Jünger aus
mit der Botschaft der Ahnen von Haus zu Haus?

Doch nicht genug! Jeden Abend dort
versammeln sie sich an geheimem Ort.
Sie nennen es Chat, doch es ist weit mehr!
Von hier kommen finstre Gestalten her.
Ihr könnt es mir glauben, ich war selbst mal dort,
doch groß war die Angst, drum war ich schnell fort.
Doch eins ist gewiß, jeder Genealoge
Kommt jetzt oder später zur Ahnennetloge!

Mir scheint es manchmal, als ob sie’s wissen,
daß andre bei ihnen den Ernst vermissen.
Bei ihnen so mancher Heinz Erhardt ist,
daß das Forum vor Lachen die Hose naßmacht!
Mit bekloppt launig und (auch) noch aua bekannt,
unter ihresgleichen auch Blunaisten genannt
haben sie ihr geliebtes Hobby im Griff,
wie der Kapitän auf der Brücke von seinem Schiff.

Und was mich auch heftig irritiert:
Das Forum wird medizynisch unterminiert!
Nicht nur, daß Doktoten ihr Unwesen treiben,
sie auch noch in eigener Sache hier bleiben:
Es wird hier offen für Doping geworben,
das hat mir nun auch die Laune verdorben!
Das Zeug nennt sich Genealogamin!
Wie gut, daß resistent ich dagegen bin!

Nun denn! Ich ging dann zur Polizei.
Doch dort war man ratlos, es sind wohl dabei
ein paar derer Leute, die können’s nicht lassen,
deswegen kann man die Leute nicht fassen.
Sie werden wohl weiter ihr Unwesen treiben
und offen in dieser Welt verbleiben,
auch weil man manchmal den Eindruck gewinnt,
daß nicht nur bei denen jeder irgendwie spinnt!

Ihr lieben Leute, das war mein Bericht.
Ihr dürft’s ruhig glauben, ich lüge nicht!
Es war kein Vergnügen, was ich da gesehn,
drum will ich so langsam wieder gehen.
Ich wünsch Euch, daß es Euch alle verschont,
daß Ihr nicht werdet mit Ahnen „belohnt“!
Und jetzt nehmt’s so ernst nicht meinen Bericht
Und vergeßt „Inspektor Erhardts Schelmentum“ nicht!
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