Historischer Kontext einer 1873 unverehelichten Frau

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Markus1308
    Benutzer
    • 17.10.2021
    • 42

    Historischer Kontext einer 1873 unverehelichten Frau

    Die Suche betrifft das Jahr oder den Zeitraum: Mitte bis Ende 19.Jahrhundert
    Genaue Orts-/Gebietseingrenzung: Niederschlesien
    Konfession der gesuchten Person(en): Ev.
    Bisher selbst durchgeführte Internet-Recherche (Datenbanken):
    Zur Antwortfindung bereits genutzte Anlaufstellen (Ämter, Archive):


    Hallo zusammen,

    ich bin mir nicht sicher, ob das so direkt hier her passt.

    Bei meiner Recherche zu meiner Familienlinie väterlicherseits bin ich auf die relativ spannende Erkenntnis gestoßen, dass die Mutter meines Ururgroßvaters wahrscheinlich nie geheiratet hat und mein Ururgroßvater ohne bekannten Vater aufgewachsen ist.

    Die Daten am Rande zur Einordnung: Mein Ururgroßvater August Johann Ertner wurde 1873 in Klein Gräditz im Kreis Glogau geboren und ist 1960 in Bayern gestorben.
    Durch Einträgen an seinem letzten Wohnort (Weiden/Oberpfalz) und durch eine Heiratsurkunde aus dem Jahr 1898 konnte ich herausfinden, wer seine Mutter war.
    Sie hieß Christiane Auguste Ertner und das einzig mir bekannte Datum ist, dass sie 1898 in Polach bei Raudten gelebt hat. Weitere Recherchen zu dieser Frau haben mir bisher auf Grund von verschollenen Unterlagen keine Erkenntnisse gebracht.

    Auffällig ist, dass in keinem der bekannten Dokumente ein Vater zu meinem Ururgroßvater eingetragen wurde. In der besagten Heiratsurkunde von 1898 stand, das Christiane Auguste unverehelicht war. Im besagten Meldeeintrag zu meinem Ururgroßvater steht bei den Eltern zu meinem Ururgroßvater nur die Mutter.

    Wie lässt sich sowas im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Bedingungen erklären? Es ist hierbei davon auszugehen, dass mein Ururgroßvater seinen Nachnamen (Ertner) auch von seiner Mutter übernommen hat. Das erscheint mir für die damalige Zeit ziemlich unüblich.
  • Weltenwanderer
    Moderator
    • 10.05.2016
    • 4364

    #2
    Wie lässt sich sowas im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Bedingungen erklären? Es ist hierbei davon auszugehen, dass mein Ururgroßvater seinen Nachnamen (Ertner) auch von seiner Mutter übernommen hat. Das erscheint mir für die damalige Zeit ziemlich unüblich.
    Hallo,

    warum unüblich? Wenn die Mutter nicht verheiratet war, hatten etwaige Kinder keinen Anspruch auf den Nachnamen des Vaters. Der Vater konnte sich natürlich bereit erklären, den Sohn nachträglich zu legitimieren, was zur Änderung des Familiennamens führte, aber dazu musste man im Normalfall heiraten. Alternativ konnte ein nicht verwandter späterer Ehemann dem unehelichen Kind seiner Ehefrau die Erlaubnis geben, seinen Familiennamen anzunehmen.
    Beides ist hier aber nicht geschehen. Es war in Schlesien nicht üblich, angebliche Väter in Geburts- oder Taufeinträgen anzugeben.
    Natürlich waren uneheliche Kinder und deren Mütter mit einem gewaltigen Stigma behaftet. Warum die Schwangerschaft in keiner Ehe resultierte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Mal war man zu arm zum Heiraten, mal gab es Standesunterschiede, mal war es Untreue, mal Vergewaltigung…
    Im Endeffekt ist DNA-Genealogie der einzige noch mögliche Weg, da noch etwas herauszufinden. Aber dazu braucht es dann auch einen ausführlichen Stammbaum, der hier ja nicht vorzuliegen scheint.

    LG,
    Michael
    Kreis Militsch: Latzel, Gaertner, Meißner, Drupke, Mager, Stiller
    Kreis Tarnowitz / Beuthen: Gebauer, Parusel, Michalski, Wilk, Olesch, Majer, Blondzik, Kretschmer, Wistal, Skrzypczyk, von Ziemietzky, von Manowsky
    Brieg: Parusel, Latzel, Wuttke, Königer, Franke
    Trebnitz: Stahr, Willenberg, Oelberg, Zimmermann, Bittermann, Meißner, Latzel
    Kreis Grünberg / Freystadt: Meißner, Hummel

    Mein Stammbaum bei GEDBAS

    Kommentar

    • Horst von Linie 1
      Erfahrener Benutzer
      • 12.09.2017
      • 19752

      #3
      Zitat von Markus1308 Beitrag anzeigen
      Es ist hierbei davon auszugehen, dass mein Ururgroßvater seinen Nachnamen (Ertner) auch von seiner Mutter übernommen hat. Das erscheint mir für die damalige Zeit ziemlich unüblich.

      Gegenfrage:
      Welchen Familiennamen hätte er denn tragen sollen?
      Wir sind ja nicht in AT.
      Falls im Eifer des Gefechts die Anrede mal wieder vergessen gegangen sein sollte, wird sie hiermit mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns in folgender Art und Weise nachgeholt:
      Guten Morgen/Mittag/Tag/Abend. Grüß Gott! Servus.
      Gude. Tach. Juten Tach. Hi. Hallo.

      Und zum Schluss:
      Freundliche Grüße.

      Kommentar

      • Markus1308
        Benutzer
        • 17.10.2021
        • 42

        #4
        Zitat von Horst von Linie 1 Beitrag anzeigen
        Gegenfrage:
        Welchen Familiennamen hätte er denn tragen sollen?
        Wir sind ja nicht in AT.
        Ich bin hier von der Weitergabe des Namens vom Vater kommen ausgegangen. So war es nämlich dann in den Generationen danach. Im Falle einer Heirat wäre es wohl so gewesen.

        Kommentar

        • Familenfreude
          Erfahrener Benutzer
          • 08.03.2021
          • 111

          #5
          Uneheliche Kinder

          Hallo,
          hier eine grundsätzliche Frage an die "alten Hasen" zur ursprünglichen Frage und den Antworten dazu:
          Ich hatte Kontakt mit einer Standesbeamtin, die ihre Bücher huetet wie Kinder, geschichtlich interessiert. Sie meinte zu mir dass es gerade im 19. Jahrhundert sehr viele uneheliche Kinder gegeben habe und das gar nicht sooo moralisiert wurde wie wir dies heute rückblickend tun bzw im 20. Jahrhundert getan wurde. Ist da was dran?
          Grüße!

          Kommentar

          • Horst von Linie 1
            Erfahrener Benutzer
            • 12.09.2017
            • 19752

            #6
            Zitat von Familenfreude Beitrag anzeigen
            Ist da was dran?

            Ja, es war eine arme Zeit.

            In auffallend vielen Gegenden.
            Was ja dann auch zur Massenaus- und -abwanderung führte.


            Zur Moral möchte ich mich nicht äußern.
            Für die ist primär die (katholische) Kirche zuständig (Marx, Ratzinger et al.).
            Falls im Eifer des Gefechts die Anrede mal wieder vergessen gegangen sein sollte, wird sie hiermit mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns in folgender Art und Weise nachgeholt:
            Guten Morgen/Mittag/Tag/Abend. Grüß Gott! Servus.
            Gude. Tach. Juten Tach. Hi. Hallo.

            Und zum Schluss:
            Freundliche Grüße.

            Kommentar

            • U.Christoph
              Erfahrener Benutzer
              • 19.08.2008
              • 1213

              #7
              Die Meinung mag ich so mit der Standesbeamtin nicht teilen. Es war schwierig einen geeigneten Ehepartner zufinden und bei der Heirat wurde die uneheliche Geburt immer erwähnt.

              Viele Grüße
              Ursula

              Kommentar

              • Geschichtensucher
                Erfahrener Benutzer
                • 03.09.2021
                • 733

                #8
                Ich habe neulich - nach vielen evangelischen KB vom 17. bis ins 20. Jh - zum ersten Mal ein katholisches KB aus Bayern, 19. Jh., durchgeschaut. Ungleich mehr uneheliche Geburten als bei den evangelischen...


                Im übrigen muss ich einwenden auf die Frage "wessen Namen denn sonst", dass meine beiden unehelichen Urururgroßväter jeweils die Namen ihres Erzeugers bekamen. In einem Fall ging derjenige mit zur Taufe, im anderen hat ihn die Mutter nur "zum Vater angegeben". Beide Erzeuger spielten offenbar im Leben der Söhne keine weitere Rolle. Ich würde heute anders heißen, wenn das nicht so gewesen wäre



                LG Iris
                Beste Grüße, Iris

                Kommentar

                • Horst von Linie 1
                  Erfahrener Benutzer
                  • 12.09.2017
                  • 19752

                  #9
                  Zitat von Geschichtensucher Beitrag anzeigen
                  Ungleich mehr uneheliche Geburten als bei den evangelischen...

                  Im selben Ort?
                  Bis 1836 musste der katholische Pfarrer von Goisern auch die evangelischen Taufen notieren.
                  Bei starker evangelischer Mehrheit zu jener Zeit kann ich dort aber keinen katholischen Überhang ausmachen:
                  Falls im Eifer des Gefechts die Anrede mal wieder vergessen gegangen sein sollte, wird sie hiermit mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns in folgender Art und Weise nachgeholt:
                  Guten Morgen/Mittag/Tag/Abend. Grüß Gott! Servus.
                  Gude. Tach. Juten Tach. Hi. Hallo.

                  Und zum Schluss:
                  Freundliche Grüße.

                  Kommentar

                  • Geschichtensucher
                    Erfahrener Benutzer
                    • 03.09.2021
                    • 733

                    #10
                    Zitat von Horst von Linie 1 Beitrag anzeigen
                    Im selben Ort?
                    Bis 1836 musste der katholische Pfarrer von Goisern auch die evangelischen Taufen notieren.
                    Bei starker evangelischer Mehrheit zu jener Zeit kann ich dort aber keinen katholischen Überhang ausmachen:
                    https://data.matricula-online.eu/de/...52F05E/?pg=110

                    Nein, nicht im selben Ort. Meine Vorfahren lebten in evangelisch dominierten Gemeinden und dort - in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg und Schlesien - habe ich oft Kirchenbücher gelesen.


                    Beim erstmaligen Durchschauen eines KB aus katholisch geprägter Gegend - Eichstätt - fand ich den Anteil unehelicher Kinder überraschend höher.


                    Das ist also eine Momentaufnahme und nicht statistisch gesichert
                    Beste Grüße, Iris

                    Kommentar

                    • Markus1308
                      Benutzer
                      • 17.10.2021
                      • 42

                      #11
                      Besten Dank für eure Rückmeldungen!

                      Kommentar

                      • Bienenkönigin
                        Erfahrener Benutzer
                        • 09.04.2019
                        • 1696

                        #12
                        Hallo,

                        nur um noch eine Beobachtung hinterherzuwerfen:
                        Auch ich finde in den katholischen Kirchenbüchern (Oberbayern, Böhmen) für das 19. Jahrhundert massenhaft uneheliche Geburten, oft ohne Eintragung des Vaters - wobei das dann schon etwas regional/zeitlich unterschiedlich ist (bei einigen wurde anscheinend mehr auf eine Vatersangabe gepocht).

                        VG
                        Bienenkönigin
                        Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

                        Kommentar

                        Lädt...
                        X