Vertriebene oder Flüchtlinge?

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    Erfahrener Benutzer
    • 07.04.2016
    • 452

    #16
    Guten Morgen Zusammen

    Für eine Differenzierung von geflüchtet oder vertrieben, halte ich die Eigenschaft "freiwillig" für ungeeignet.
    Da wir hier die Ereignisse um das Ende des WK2 und seine Folgen diskutieren, würde ich es eher Zeitlich eingrenzen. Wer vor Ende des Krieges seine Heimat verlassen musste den würde ich mit Flüchtling bezeichnen. Wer sich nach Ende plötzlich in einem neuen Staatsgebiet wieder gefunden hat und seine Heimat verlassen musste den kann man wohl mit Vertriebener bezeichnen.
    Wobei Einzelschicksale erheblichen Abweichungen unterliegen.
    Ich möchte drei Beispiele meiner Familie(Sippe) anführen.
    Die meisten meiner Vorfahren stammen grob gesagt aus der Gegend zwischen ehem. Königsberg und den Masurischen Seen, ei Zweig war in Hirschberg(Schlesien) beheimatet.

    Ende 1944 wollte mein Großvater freiwillig seine Landwirtschaft (in der Nähe von Wehlau)aufgeben und seine Familie in Sicherheit bringen. Er hat wohl die kommenden Ereignisse ziemlich gut eingeschätzt. Dies wurde Ihm verwehrt.
    Wer es genauer wissen will kann sich mal die Anweisungen des damaligen Gauleiters Koch zu Gemüte führen. In folge dessen waren sie Anfang 1945 bei den Flüchtlingstrecks mit dabei.

    Die in Hirschberg beheimateten wurden im Juli/August 1946 schlichtweg ausgewiesen man kann auch vertrieben sagen.

    Und dann gibt es noch den Fall wo weder das eine noch das andere zutrifft
    Ein Teil der Familie besaß ein kleines Bauerngut in der Nähe von Angerburg.
    und sie sind dageblieben. Damit sie dauerhaft bleiben konnten, sind sie polnische Staatsbürger geworden. Die genauen Umstände ließen sich nicht ermitteln jedenfalls bewirtschaften die Nachkommen Heute noch das Gut.

    v.G.Gerhard

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    • Schischka
      Erfahrener Benutzer
      • 10.02.2015
      • 343

      #17
      Die Flucht vor der anrückenden Front hatte mental meist einen vorläufigen Charakter - andere flohen vor der kommunistischen Besatzung, da war dann schon eine gewisse Endgültigkeit im Hinterkopf. Daß Rückkehr und Verbleiben in der Heimat verwehrt wurden - das war dann Vertreibung. Insofern wurden Flüchtlinge im Laufe der Zeit zu Vertriebenen.
      In Polen gab es (ausnahmsweise? immer?) auch die Optionslösung - wer sich als Pole bekannte, durfte bleiben. Andere mußten bleiben, insbesondere in Oberschlesien, um dort die Industriearbeitsplätze zu besetzen. (Kenne zwei Familien - ohne alle Details zu wissen - die sich jahrelang bemüht hatten und erst in den 50er Jahren nach Deutschland (konkret DDR) ausreisen durften.

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      • hmw
        Erfahrener Benutzer
        • 16.06.2016
        • 1369

        #18
        Hallo Araminta,

        zu den Begrifflichkeiten Flucht und Vertreibung wurde ja nun schon einiges geschrieben. Was jetzt in welchem Fall der zutreffende Terminus ist, kann man sicher auch unterschiedlich beurteilen. Ein Begriff, der hier aber noch gar nicht gefallen ist, ist der der Aussiedler bzw. Spätausslieder.

        Meistens wird dieser für Deutsche in der ehemaligen Sowjetunion genutzt, aber dieser Begriff umfasst allgemein Volksdeutsche, die erst nach 1950 und in den folgenden Jahrzehnten ausgesiedelt sind - auch aus Polen.
        Wenn ich es recht im Kopf habe, ist z.B. Ex-Nationalspieler Miroslav Klose ein Beispiel dafür. Dessen Vater war ein deutschstämmiger, dessen Familie nach Kriegsende weiterhin in Polen lebte. Erst in den 1980er-Jahren siedelte die Familie schließlich aus und landete in der Pfalz.

        Von wirklicher Freiwilligkeit lässt sich wohl in keinem der zuvor beschriebenen Fälle sprechen. Aber es ist keinesfalls so, dass die Flucht/Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa 1950 beendet gewesen wäre - im Gegenteil, dieser Prozess ist quasi immer noch im Gange. Natürlich ist es kein Vergleich zur Situation nach dem Kriegsende - sowohl was die Zahlen, als auch die konkrete Bedrohungssituation betrifft. Aber trotzdem waren es in den letzten Jahren etwa 5.000-10.000 pro Jahr, die meisten aus Russland, der Ukraine und Kasachstan:

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        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 5526

          #19
          Zitat von Anna Sara Weingart Beitrag anzeigen
          Ich weiß ja, dass Flucht und Vertreibung als etwas unterschiedliche Sachverhalte verstanden werden können. Aber in ihrer Auswirkung waren beide gleich

          Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung, Suizid, natürlicher Tod etc. sind ebenfalls unterschiedliche Sachverhalte. Dennoch sind sie in ihrer Auswirkung alle gleich.
          Suche:

          Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
          Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
          Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
          Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
          Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
          Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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          • Pitka
            Erfahrener Benutzer
            • 02.08.2009
            • 940

            #20
            Ich las` gerade in einem alten Ostpreußenblatt aus 1953 folgenden Satz:


            Vertriebener oder Flüchtling?
            ... auf dem Ozean der Gesetze und Verordnungen. Der hagere Mann hinter dem Fensterchen ist zwar gebürtiger Ostpreuße, aber er lebte schon vor der Vertreibung in Vorpommern. Und da die Gesetzgeber hinter dem Schicksal um Jahre herzuhinken pflegen — um mühselige Leidensjahre für die Betroffenen —, galt er folglich als Sowjetzonenflüchtling, nicht als Vertriebener, und sah sich ohne Möglichkeit, zu einem Kredit zu kommen. ...


            Es hatte also zusätzlich sehr viel mit den Unterstützungen vom Staat zu tun. Und die waren sehr unterschiedlich, ob man als Flüchtling oder Vertriebener galt.


            LG Pitka
            Suche alles zu folgenden FN:
            WERNER aus Mertensdorf/Kr. Friedland, Allenstein und Marwalde (Ostpreussen), HINZ / HINTZE und KUHR aus Krojanke/Kr. Flatow (Posen/Westpreussen), WERNER, HINZ und SEIDEL aus Gilgenburg/Kr.Osterode (Ostpreussen), ELIS und FESTER aus Siegen bzw. dem Kr. Wetzlar (Hessen), ZILLEN aus Venekoten bzw. In den Venekoten, Gem. Elmpt (jetzt: Niederkrüchten) Kr. Erkelenz (NRW), SAENGER aus Süß und Machtlos (Hessen) u. aus Essen (NRW), PHILIPP aus Wolfsdorf/Niederung Kr. Elbing

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            • schulkindel
              Erfahrener Benutzer
              • 28.02.2018
              • 871

              #21
              Flüchtlinge oder Vertriebene

              Hallo,


              Zitat
              „Nach dem Krieg begann die systematische Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Von April 1945 an vertrieben die neuen polnischen Behörden die ansässige deutsche Bevölkerung, noch bevor die Potsdamer Konferenz im August die ‚wilden Vertreibungen‘ als ‚geordnete Überführung deutscher Bevölkerungsteile‘ aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn sanktionierte. [...]
              Die Vertreibung begründeten die Polen [...] mit dem Prinzip des ‚ethnisch reinen Nationalstaates‘.
              [...] Auch aus der Tschechoslowakei wurden die Deutschen vertrieben, vorwiegend aus dem Sudetenland, also den nördlichen, südlichen und westlichen Randgebieten der böhmischen Länder.“

              Aus einem Beitrag des NDR-Fernsehens
              Stand: 21.07.2008

              https://www.ndr.de/geschichte/chrono...0sanktionierte.

              Eine Anmerkung von mir:
              In der Ostzone, nachmals DDR waren die Begriffe Flüchtlinge, Vertriebene unerwünscht. Man nannte diese Personen Umsiedler!

              Renate

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