Zegenverhör Protokoll, 1757 in Schwarzach; Um was geht es hier genau?

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  • WastelG
    Erfahrener Benutzer
    • 09.04.2021
    • 591

    Zegenverhör Protokoll, 1757 in Schwarzach; Um was geht es hier genau?

    Hallo liebes Forum,

    Gestern bin ich bei Google-Books auf eine sehr umfangreiche Quelle aus dem Jahre 1775 gestoßen, die zumindest fünfmal auf die Familie Rheinfried, meine Ahnen, Bezug nimmt, ich aber nicht so recht zuordnen kann. So wie es mir scheint sind darin Urkunden von Rechtswegen (soweit ich es überflogen habe ausschließlich den Abt oder Marktgrafen betreffend) enthalten. Am Anfang dieser Quelle wird auch ein kurzer historischer Abriss gegeben, der das gegensätzliche Verhältnis zwischen den rebellierenden Äbten und den Souveränen Baden-Badens zeigt.

    Zum Teil scheint die Quelle chronologisch geordnet zu sein, so sind die ersten Treffer auf den NN Rheinfried 1531 bzw. 1533 (ein gewisser ?anthel Rheinfried begeht in beiden Jahren Friedensbruch (?) und muss 20 Gulden Strafe zahlen). Die frühesten Datierungen sind im 13.Jahrhundert, vielleicht ist es eine chronistische Quelle, die "judikative" Vorgänge in der Stadt beschreibt.

    Weitaus interessanter wird es aber dann bei den Treffern im letzten Viertel des Dokuments, in welchen auf Befehl des "Höchfürstl. Marggräflichen geheime Rathe, Hof-Kantzlar, Hofraths-Director auch Hof- und Regierungs-Rathe" eine Zeugenbefragung, darunter meines 7xUr-Großvater, Johann Michael Rheinfried (*01.09.1680, Schwarzach), angeordnet wird. Was der Hintergrund dieser ist wurde mir nach lesen des gesamten Textes nicht wirklich klar.

    Die erste Frage bezieht sich auf eine gewisse Abgabe, die mein Ahne als Monat-Gelder bezeichnet. Es wird weiter auf die Erhebung dieser eingegangen, weswegen ich mir vorstellen kann, dass die Vernehmer davon ausgehen/wissen, das dieses Geld irgendwo abgezweigt oder unrechtmäßig erhoben wurde (Vielleicht vom Abt, mit dem es regelmäßig Stress gibt?).

    Die 8e Frage "Ob nicht in älteren Zeiten die gnädigste Landes-Herrschaft Baaden aus denen sogenannten Abbt-Stäben einen Ausschuss zur Land-Miliz gezogen habe", beantworten die Zeugen mit der Schilderung einer Musterung und anschließenden Einziehung in diese Miliz. Offenbar wurden sie zu dem Dienst gezwungen (Frage 12); der erste Zeuge kaufte sich nach einem Jahr frei, mein Ahne, Johann Michael, wurde von seinem Vater für 35 Florentiner, und zusätzlich (?) einen Ducaten an den Leutnant und einen Gulden an den Feldwebel mit einem anderen Mann ersetzt. Zuerst nahm ich an, dass es sich bei der Abbt-Staab Miliz um irgendeine Frohnleistung, vielleicht die Aushilfe beim Bau einer Kirche o.Ä. handelte, doch die militärischen Begriffe passen nicht so recht ins Bild. 1702 erklärt jedenfalls Kaiser Leopold der I. den Reichskrieg gegen Spanien, und so ging der Spanische Erbfolgekrieg in die heiße Phase. Die frühen Kämpfe dieses Konfliktes fanden geographisch nicht allzu weit von Schwarzach entfernt statt, weswegen ich mir vorstellen könnte, dass sie auch als Soldaten eingezogen wurden, was ich aber für eher unwahrscheinlich halte. Zu jener Zeit waren schließlich erkaufte Söldner die Regel.

    Ich werde aus diesem Verhör einfach nicht schlau, zuviele Dinge sind mir unklar. Ich glaube wenn ich den Zweck verstehen würde, warum überhaupt diese Befragung stattfand, dann wäre schonmal einiges klarer. Ich hoffe jemand kann etwas Licht ins Dunkle bringen, und mir hier aushelfen. Wie immer danke ich euch im voraus für eure Unterstützung, und wünsche beste Gesundheit.

    Viele Grüße

    PS: Ich habe gerade vergeblich versucht den Textausschnitt als Anhang anzuhängen, oder zumindest die genaue Seite in Google-Books zu verlinken. Man findet die Zeugen Befragung in dem das man im Buch "1757" sucht, und den ersten Treffer (Seite 183) anklickt.
    Zuletzt geändert von WastelG; 07.12.2021, 01:34.
  • WastelG
    Erfahrener Benutzer
    • 09.04.2021
    • 591

    #2
    Bei dem Herrn Marktgraf der "Jemanden heraufgeschickt" (Frage 8) hatte um junge Burschen aus Schwarzach mustern zu lassen, müsste es sich um Friedrich VII. Magnus von Baden-Durlach handeln. Es muss doch sicher irgendwie möglich sein, herauszufinden, warum dieser eine Musterung für diese "Abbt=Staab Militz" in Auftrag gab.

    Es steht jedenfalls fest das zehn Schwarzacher in diese Truppe eingezogen wurden. Frage 8 gibt auch Auskunft über folgendes: Josef Götz (Testis Imus) unterstand Hauptmann Butwitz (bin mir nicht 100%ig sicher beim Ersten Buchstaben des Namens), Michael unterstand dem Hauptmann Weisbach, welcher zuvor als Bühler Amtmann die Musterung durchführte. Zu beiden Namen kann ich aber nichts finden.

    Die anfängliche Annahme das es sich vermutlich nicht um eine wirklich militärische Militz gehandelt hat, glaube ich gerade widerlegt zu haben. Auf Frage 15 nennt mein Ahne, andere die ebenfalls zur Militz eingezogen wurde, und darunter war ein gewisser "Hannß Jacob Ruschmann welcher Fourierschütz gewesen" ist. Somit muss das Dokument einen gewissen Bezug zum spanischen Erbfolgekrieg aufweisen.
    Zuletzt geändert von WastelG; 06.12.2021, 15:27.

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    • WastelG
      Erfahrener Benutzer
      • 09.04.2021
      • 591

      #3
      Hallo liebes Forum,

      So wie es scheint ist das Dokument wirklich sehr anspruchsvoll. Die gesamte Urkunde gibt jedenfalls keine Auskunft darüber, was genau die Intention derer war, die diese in Auftrag gaben. Wie bereits angemerkt geht es in den letzten Fragen um die "Abbt-Stäbische Miliz", unter welcher zwei der Zeugen Anno 1702 dienen mussten.
      Die letzte Frage wird sehr umfangreich beantwortet, und da nach dieser die Befragung endet, könnte es auch Aufschlüsse geben, was das Ziel des ganzen war. Zusätzlich wird im letzten Satz eine Art Drohgebärde ausgesprochen, die sich auf die baldige Ankunft eines Notarie (wahrscheinlich eben dieser, der die Befragung führte) bezieht, und man Acht geben solle was man diesem sagt. Deswegen bin ich stark in der Annahme, dass diese letzte Frage relativ wichtig für das verständnis der Urkunde ist.

      Die Zusammenhänge und der Vorwurf an den Geistlichen verstehe ich nicht wirklich. Jedenfalls geht es um eine Strafzahlung des Schultheißes von 100 Reichsthalern, an den Herrn Amtmann Hotzner (?), die irgendwie mit der Militz zusammenhängt. Der Pater, so verstehe ich es zumindest, merkt zynisch an, dass, wenn man ihm (den Schultheiß) "alles nehme", er den Bettelstab ergreifen müsste und sein Amt verlieren würde, wodurch man ihn auch nicht mehr strafen könnte.

      Ich hoffe ihr versteht etwas mehr als ich bei der Antwort meines Ahnen. Falls wir hier wirklich nicht weiter kommen sollten, werde ich das zuständige Archiv, mit welchen ich schon öfters einen sehr nette Email Austausch hatte, kontaktieren.

      Liebe Grüße und bleibts Gsund!

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      • WastelG
        Erfahrener Benutzer
        • 09.04.2021
        • 591

        #4
        Hier der vermisste Anhang
        Angehängte Dateien

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        • WastelG
          Erfahrener Benutzer
          • 09.04.2021
          • 591

          #5
          Hallo liebes Forum,


          Mittlerweile habe ich etwas Klarheit, dank Auskunft des Bühler-Stadtarchivs, in die Sache bringen können. Wie ich bereits annahm war der Zweck dieser Befragung nicht ein Fehlverhalten der Zeugen sondern des Klosters auszumachen, um etwas gegen diese in der Hand zu haben. Hintergrund war die stetige Einflussnahme der Markgrafschaft Baden in das Kloster Schwarzach; Die ewigen Fehden zwischen geistlicher und weltlicher Macht waren schließlich keine Seltenheit. Auch konnte mir der nette Archivar bestätigen, dass es sich um eine militärische Miliz gehandelt hatte (was denn sonst). Nun bin ich stark in der Annahme, dass die Schwarzacher, Bühler und andere Soldaten der umliegenden Dörfer in der Bühl-Sollenhofener Verteidigungslinie eingesetzt wurden, die im übrigen direkt durch die heutige Gemeinde Rheinmünster verlief.

          In einer Sache muss ich euch aber dennoch um Hilfe bitten. Und zwar ist die Antwort auf die Frage wie lange mein Ahne denn diente, wie folgt festgehalten worden:

          Ohngefehr ein Monat weniger als ein Jahr, am Pfingsten hätten sie fort gemüst, und wäre biß nach Ostern angestanden; Es hätte sein Vatter um einen anderen Mann zu stellen 35. Fl. (Florentiner); dann aber dem Lieutenant eine Ducat, und dem Feldwaibel einen Gulden bezahlen müssen, ohne was das suppliciren (ein Bittgesuch stellen) gekostet habe, bey ihrn hochfürstlichen Durchleucht des Herrn Marggrafens, um sich loskauffen zu dörffen, in Ansehung er der eintzige Sohn, und sein Vatter baufällig gewesen.

          Verstehe ich es richtig, dass sein Vater insgesamt 36 Florentiner und einen Dukaten (meint Dukat einfach eine Florentiner Münze, oder ist das eine andere Einheit; im Internet lese ich nur, dass damit eine Goldmünze gemeint ist), exkl. der Kosten des "Bittgesuches" an den Markgrafen bezahlen musste? Es wäre interessant zu wissen wie viel das ganze 1702 Wert war; gibt es vielleicht Quellen zu zeitgenössischen Brotpreisen o.Ä. in dieser Region?

          Vielen Dank im voraus für eure Rückmeldung!

          Viele Grüße,
          Sebastian

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          • WastelG
            Erfahrener Benutzer
            • 09.04.2021
            • 591

            #6
            Ich habe übrigens gerade rausfinden können, dass meine Annahme bezüglich der Bühl-Stollenhofener Linie richtig war.
            Der Amtmann zu Bühl der in der Zeugenbefragung Weißbach genannt wird, war in wirklichkeit ein Johann Bernhard Weißenbacher. In einem ortsgeschichtlichen Aufsatz steht:

            Bei der Vertheidigung der Stolhofner-Bühler Linien im spanischen Erbfolgekrieg war Hauptmann der vereinigten Bühler und Schwarzacher Miliz Johann Bernhard Weißenbacher.

            Eie Zeitschrift des historischen Veriens für Mittelbadengibt Auskunft über den Hintergrund dieser Zeugenbefragung; Das werde ich mir aber noch genauer ansehen müssen.

            Erstaunlich was man nach einem Monat Recherche doch noch so alles finden kann. Die Spurensuche geht jedenfalls weiter...

            Liebe Grüße
            Zuletzt geändert von WastelG; 23.01.2022, 23:39.

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