Über welche Entfernung wurden im 18. Jhd. Leichen überführt?

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5525

    Über welche Entfernung wurden im 18. Jhd. Leichen überführt?

    Hallo zusammen!

    In der Literatur findet man die Angabe, daß der kgl. Preußische Kriegs- und Domänenrat Christian Ludwig Wißmann am 02.11.1759 in Köslin gestorben sein soll (Marcelli Janecki, Handbuch des preußischen Adels, Erster Band, S. 616 und Rolf Straubel, Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806, S. 1115). Den Sterbeeintrag dazu gibt es in Stettin (St. Marien, Bestattungen 1705-1768, S. 83, Nr. 89/1759): "d(en) 4 Nov(embris): H(err): Kriegs=Rath Wissmann, ein Ehemann, alt 56 Jahr."

    Theoretisch betrachtet ist das zunächst kein Widerspruch. Er kann ja durchaus in Köslin gestorben und dann zwei Tage später in Stettin begraben worden sein. Aber Köslin und Stettin liegen rund 170 km voneinander entfernt! Das kommt mir seltsam vor. Mit einem Fuhrwerk wird das kaum in zwei Tagen zu schaffen gewesen sein. Ich weiß nun nicht, ob die Angabe des Sterbeortes in der Literatur korrekt ist, oder ob Wißmann in Stettin begraben wurde. Beides geht meiner Meinung nach nicht. Wurde er vielleicht tatsächlich in Köslin begraben und wurde dieses Ereignis in Stettin, St. Marien notiert, weil er ein Mitglied dieser Kirchengemeinde war? Aber hätte der Pastor dann nicht einen entsprechenden Vermerk gemacht?

    Was meint Ihr?

    Viele Grüße
    consanguineus
    Zuletzt geändert von consanguineus; 15.01.2022, 01:31.
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    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
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    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561
  • GiselaR
    Erfahrener Benutzer
    • 13.09.2006
    • 2176

    #2
    Hallo Consanguineus,
    es wäre interessant zu sehen, ob es ein Kirchenbuch von Köslin mit einem entspr. Eintrag gibt. Manchmal sind ja die Verstorbenen eingetragen, manchmal die begrabenen.

    Außerdem wissen wir wohl nicht, um wieviel Uhr er gestorben ist und unter welchen Umständen. Wenn er früh am Tag, u.U.noch in der Nacht starb und am späten Abend begraben wurde, könnte man 2 3/4 Tage rausschinden. Das wäre zu schaffen.
    Wenn er nicht überraschend starb, könnte der Transport und Begräbnis nach seinem Wunsch schon vorher vorbereitet gewesen sein.

    Grüße
    Gisela
    Ruths, Gillmann, Lincke,Trommershausen, Gruner, Flinspach, Lagemann, Zölcke, Hartz, Bever, Weth, Lichtenberger, von der Heyden, Wernborner, Machwirth, von Campen/Poggenhagen, Prüschenk von Lindenhofen, Reiß von Eisenberg, Möser, Hiltebrandt, Richshoffer, Unger, Tenner, von Watzdorf, von Sternenfels

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    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5525

      #3
      Hallo Gisela,

      ich kenne die Kirchenbücher von Köslin leider nicht. Auch weiß ich nicht, wie überraschend der Tod kam.

      Vielleicht wäre folgendes Szenario denkbar: Wißmann befand sich möglicherweise in seiner Funktion als Kriegsrat bei der Truppe (ich habe keine Ahnung, ob so etwas zu seinem Aufgabenbereich gehörte, glaube es aber eigentlich nicht), es kam zu einem Gefecht, bei dem Wißmann verwundet wurde und in der Folge starb. Auffälligerweise finden sich im Zeitraum vom 18.08. bis 04.11.1759 fast nur Offiziere im Sterberegister von St. Marien. Ich habe gezählt, es sind 16 Offiziere, 2 Mannschaften und eine zu vernachlässigende Zahl von Zivilisten. Kam es also tatsächlich in der näheren oder weiteren Umgebung von Stettin zu Kampfhandlungen in einer Größenordnung, daß 16 Offiziere alleine in St. Marien beerdigt wurden? Hatte Wißmanns Tod damit etwas zu tun?

      Viele Grüße
      consanguineus
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      • sternap
        Erfahrener Benutzer
        • 25.04.2011
        • 4071

        #4
        das datum gibt einen teil der antwort.


        wenn er gut eingepackt war und das wetter stimmte, kam er hübsch gekühlt an.
        da drin könnte bereits ein grund für eine notwendige bestattung in einer gruft in der heimat liegen, wenn z.b. am sterbeort der boden gefroren war.


        in den alpen sah ich gelegentlich besonders schön gestaltete zaunbretter, die gar nicht zur sonstigen umgrenzung passten.
        wie ich schließlich erfuhr, waren das die totenbretter.
        darauf, aber fest vor den größeren tieren weggeschlossen, verbrachte die im winter verstorbenen verwandten liegend ihre zeit, bis man wieder ins dorf konnte und es möglich war, das grab auszuheben.
        freundliche grüße
        sternap
        ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
        wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 5525

          #5
          Hallo sternap,

          wir befinden uns mitten im Siebenjährigen Krieg. Meinst Du, es werden in dieser Situation Pferde und Kutsche verfügbar gewesen sein, nur um den toten Kriegsrat im Eiltempo nach Stettin zu bringen? Ich glaube, solchen Firlefanz hätte der Alte Fritz nicht geduldet. Kriegsrat war jetzt kein so dolles Amt, wie man vielleicht glauben mag. Bei Generälen oder Angehörigen des Hauses Hohenzollern hätte ich mir einen Transport noch vorstellen können. Aber nicht bei einem Kriegsrat. Ich denke auch nicht, daß ein Frost Anfang November schon so tief in das Erdreich eingedrungen ist, daß man da mit dem Spaten nichts mehr machen kann. Als Landwirt ist mir so etwas Anfang November jedenfalls noch nicht begegnet.

          Viele Grüße
          consanguineus
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          • sternap
            Erfahrener Benutzer
            • 25.04.2011
            • 4071

            #6
            Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
            Als Landwirt ist mir so etwas Anfang November jedenfalls noch nicht begegnet.

            Viele Grüße
            consanguineus

            ich bestehe ja nicht drauf.
            aber es geschah in der kleinen eiszeit.
            keine ahnung, ob es ein kalter winter war.
            freundliche grüße
            sternap
            ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
            wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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            • sternap
              Erfahrener Benutzer
              • 25.04.2011
              • 4071

              #7
              hier kannst du über die möglichen tagesstrecken lesen.


              freundliche grüße
              sternap
              ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
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              • consanguineus
                Erfahrener Benutzer
                • 15.05.2018
                • 5525

                #8
                Vielen Dank, sternap, das habe ich mir gedacht. 170 km in zwei oder knapp drei Tagen mit einer Leiche auf der Ladefläche, im November in Hinterpommern: das wäre recht sportlich.

                Bleibt die Frage, wie es zu der Diskrepanz in den Aussagen zu Sterbe- und Begräbnisort kommt. Ohne die Kösliner Kirchenbücher geht da wohl nicht viel.

                Viele Grüße
                consanguineus
                Suche:

                Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
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                Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
                Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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                • sternap
                  Erfahrener Benutzer
                  • 25.04.2011
                  • 4071

                  #9
                  vor jahren hatten wir im forum ein vielleicht brauchbares beispiel.
                  jemand hatte den letzten aufenthaltsort seines angehörigen im krieg in serbien in nähe belgrads.
                  tatsächlich gefunden wurde der eintrag zu dem mann zig kilometer weiter.
                  die militärexperten halfen mit ihrem wissen, das besser zu verstehen.


                  der letzte aus soldatensicht wahrnehmbare ort war der genannte, meist zog man am feld weiter und hatte keinen anhaltspunkt, wo man jetzt gerade wäre...
                  somit nannte man in den papieren den größeren, strategisch bedeutsamen ort smederevo mit seiner großen festung - der jedoch zig kilometer vor dem sterbeereignis lag.
                  freundliche grüße
                  sternap
                  ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                  wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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                  • Alter Mansfelder
                    Super-Moderator
                    • 21.12.2013
                    • 4661

                    #10
                    Hallo consanguineus,

                    Deine Fragen bereichern wirklich das Forum

                    Also ich hätte ja von Köslin nach Stettin ein Schiff benutzt, siehe hier: Reisegeschwindigkeit.

                    Dann wären vielleicht noch Todestag und -ort mit anderen Quellen zu verifizieren. Vielleicht ist er ja früher gestorben.

                    Einen Kriegsrat halte ich für eine ziemlich hochgestellte Persönlichkeit. Es haben auch Geringere ihre sterblichen Überreste über Land transportieren lassen; in meiner Ahnenliste gibt es nur drei Fälle:

                    - die Pfarrerswitwe Catharina Pflugmacher: ist 1690 in (Magdeburg-) Rothensee gestorben und wurde sechs Tage später in Calbe beerdigt (Distanz ca. 45 km);
                    - den Münzmeister Anthonius Koburger: ist 1576 in Leipzig gestorben und liegt in der Petrikirche in Eisleben begraben (Distanz ca. 100 km);
                    - den Ratsherrn Peter Sinner: ist 1431 in Frankfurt verschieden; seine Leiche hat man in einem Fass ins heimatliche Basel gebracht; dort liegt er im Kreuzgang des Münsters beerdigt (Distanz ca. 325 km).

                    Es grüßt der Alte Mansfelder
                    Zuletzt geändert von Alter Mansfelder; 15.01.2022, 01:23.
                    Gesucht:
                    - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
                    - Tote Punkte in Ostwestfalen
                    - Tote Punkte am Deister und Umland
                    - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
                    - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
                    - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

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                    • Anna Sara Weingart
                      Erfahrener Benutzer
                      • 23.10.2012
                      • 15113

                      #11
                      Hallo

                      natürlich über den Wasserweg, Ostsee. Ist doch klar.
                      Spricht doch nichts dagegen.
                      Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 15.01.2022, 01:56.
                      Viele Grüße

                      Kommentar

                      • Gudrid
                        Erfahrener Benutzer
                        • 22.04.2020
                        • 1251

                        #12
                        Guten Morgen,

                        hier ein interessanter Artikel


                        Ich habe gelesen, dass das bei Schifffahrten manches Mal so gemacht wurde, wenn eine hochgestellte Persönlichkeit starb.
                        Liebe Grüße
                        Gudrid
                        Lieber barfuß als ohne Buch

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                        • sternap
                          Erfahrener Benutzer
                          • 25.04.2011
                          • 4071

                          #13
                          (was lernt man daraus?
                          nie im fass hergestelltes sauerkraut mit pökelgeruch am schiff essen!)



                          aber makabren spaß beiseite, die bezeichnung für den gut erhaltenen leichnam des pfarrers aus st. thomas am blasenstein als sinngemäß gepökelter, im dialekt luftg'selchter, hat also ernste hintergründe.
                          freundliche grüße
                          sternap
                          ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                          wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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                          • Schlumpf
                            Erfahrener Benutzer
                            • 20.04.2007
                            • 355

                            #14
                            Hallo

                            Na, na...
                            Der Transport von Leichen im 18. Jahrhundert war die Frage. Sowas kam vor, war aber den
                            Reichen vorbehalten: Der Amtmann + 1764 in Brüssel wurde vielleicht 280 Km transportiert.
                            Ein reicher Bauer 1745 ist nach einem tödlichen Unfall (sein Pferd ist auf ihn gefallen)
                            etwa 60 Km bis zur Heimatpfarrei transportiert worden.
                            Beide Sterbefälle wurden unter den Verstorbenen im KB der Heimatpfarrei beurkundet. Aber:

                            Sowas war eine teurere Angelegenheit. Auf einer Kirchenrechnung 1770 steht: "Zu Elberfeld
                            an Perdsheuer, da ich einmal zum predigen ritte, 3 Tage zu 40 Stüber = 2 Reichstaler." Dann
                            kommt noch die doppelte Stolgebühr. Diese betrug 1770 (mit Totenvirgilien komplett) = 48
                            Stüber für den Pastor und 12 Stüber für den Küster. "Summo sacro sine Ministerio" (netto
                            ohne weitere Feierlichkeiten) = 19 Stüber 8 Heller.
                            Damit sind wir bei 4 Reichstaler! Das ist ein Betrag, den man vielleicht in einem Monat ver-
                            dienen konnte. Ergo: Sowas war zu teuer für Otto Normalverbraucher. Wenn also ein Maurer
                            im entfernten Dortmund verstarb, fehlt der im Kirchenbuch und wurde dort beerdigt. Es
                            konnte vorkommen, dass ein Protestant, verstorben in Remagen auf dem ev. Friedhof in
                            Erpel beerdigt wurde. Beide Orte sind aber auch ca. 120 Km entfernt.
                            Der reformierte Fuhrmann +1772 wurde also auf dem lutherischen Friedhof um die Ecke
                            beerdigt und nicht zu Hause. Wie gesagt: Der Transport für einen Verstorbene über eine
                            weite Strecke war einfach für kleine Leute zu teuer.

                            Biel Spaß damit
                            Schlumpf
                            Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

                            Kommentar

                            • assi.d
                              Erfahrener Benutzer
                              • 15.11.2008
                              • 2676

                              #15
                              Hallo,

                              ich habe vor ewigen Zeiten mal einen Bericht gesehen, von einem Deutschordensritter, der aber aus Irland oder England stammte. Als er in Ostpreußen starb, wurden seine "Gebeine" nach der Heimatinsel überführt. Den hatten sie echt entfleischt...

                              Gruß
                              Astrid

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