Kleine Geschichte aus meiner Vaterlinie

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  • Tenger
    Benutzer
    • 04.02.2020
    • 49

    Kleine Geschichte aus meiner Vaterlinie

    Hallo zusammen. Hier ist eine kleine Geschichte, die ich gerne mit euch teilen möchte



    Wir schreiben das Jahr 1854 oder 1855 in Zentralanatolien in dem damaligen Vilayet Adana im Osmanischen Reich. Zentralanatolien ist zu der Zeit ein ziemlich gefährlicher Fleck der kaum unter der Autorität des Osmanischen Reiches steht, da das Reich es seit ca. 250 Jahren nicht schafft, die nomadisch lebenden Turkmenischen Clans die aus verschiedenen Oghusischen Stämmen wie z.B Afschar und Begdili entstanden sind, unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese schreiben ihre eigenen Regeln vor und handeln dementsprechend. Die Turkmenischen Clans haben keine Einnahmequelle, da sie wie oben erwähnt nomadisch leben. Deshalb ist es seit bestimmt 300-400 Jahren gang und gäbe, dass verschiedene nomadische Clans Reisende aber auch sich gegenseitig überfallen und das Vieh und andere Wertgegenstände rauben. Doch damit nicht genug. Auch umliegende Dörfer in denen sesshaft gewordene Turkmenische Clans leben werden immer wieder geplündert und auf Äckern der Dorfbewohner wird das Vieh unerlaubt geweidet, was logischerweise immer wieder zu Missernten führt.

    Eines Tages wird das Vieh meines nomadisch lebenden 4x Uropas "Türkmen Ali" (zu deutsch in etwa Ali der Turkmene) der zum namensgebenden Afscharischen Clan "Türkmenaliler" (zu deutsch etwa "die die von Türkmen Ali abstammen") vom seit jeher verfeindeten Clan "Cerit" des Stamms "Begdili", geraubt. Die drei jungen Söhne Omar, Osman und Ese (mein 3x Uropa) die dies einige Zeit später bemerken, steigen verärgert und ohne Verstärkung mitzunehmen auf ihre Pferde und reiten den Räubern hinterher. Alsbald sie ihr Vieh einholen, trennt sie nur noch der Fluss "Ceyhan" von ihrem Vieh. Dabei merken sie nicht, dass sie in eine Falle getappt sind. Als sie den Fluss auf ihren Pferden überqueren wollen, feuern mehrere Mitglieder der "Cerit" aus dem Hinterhalt Schüsse mit ihren Gewehren auf die drei Brüder ab, die in den Fluss stürzen und dabei ertrinken. Die Verstärkung die den drei Brüdern hinterhergeritten war, konnte sie nicht mehr rechtzeitig erreichen und nur noch ihre Leichen mitnehmen.

    Als sie mit den leblosen Körper zurückkehren, bricht eine große Trauer aus. Mein 4x Uropa hat sich laut einer Elegie seinen Bart zerissen. Um die Trauer auszudrücken, wird durch einen anderen Afscharischen Clananführer* eine Trauerzeit ausgerufen, bei der das Rauchen des Tschubuk (türkisch Çubuk, eine osmanische Pfeife) und das Trinken des Kaffee bis zum Tag der Rache verboten wird, da diese als Genussmittel und somit als ein Zeichen der Freude gelten. Des Weiteren werden tagelang mehrere Elegien von weiblichen Verwandten und Bekannten gesungen. Nur eine Person fällt besonders auf. Undzwar die Schwester der drei Brüder namens Hatice. Weder weint sie noch singt sie eine Elegie. Als man ihr sagt, dass sie zum Grabe ihrer Brüder kommen soll, antwortet sie damit, dass sie so lange nicht dorthin gehen werde, bis die Rache genommen wurde. Dieses Verhalten zeigt den umliegenden Afscharischen Clans, dass schnell gehandelt werden muss. Da das Wetter zu der Zeit jedoch sehr ungünstig ist (vermutlich sehr heiß), warten sie ab bis es Herbst ist. Als sie dann jedoch erfahren, dass die "Cerit" einen harmlosen und undschuldigen Imam wegen seines Viehs aus Vergnügen töten, obwohl dieser bevor er niedergeschossen wurde sein Vieh freiwillig ihnen übergab, reicht es den Afscharischen Clans.

    Es werden insgesamt 72 Reiter und alle Männer die mit Waffen umgehen können (Zahl unbekannt) zusammengetrommelt. Daraufhin werden die einen neuen Rabzug planenden "Cerit" überrascht und vernichtend geschlagen. Sie verlieren 15 Mann die teilweise bedeutend waren, sowie einen wichtigen Anführer, der geköpft wurde. Im Afscharischen Gebiet angekommen wird gefeiert und das Verbot des Konsums von Genussmitteln wird aufgehoben. Der Kopf des "Cerit" Anführers wird zu der Schwester der drei Brüder als Beweis für den Sieg gebracht, woraufhin sie ihren Schwur bricht und zu den Gräbern ihrer Brüder geht und in Trauer ausbrechend Elegien singt. Mit diesem Sieg enden die Überfälle seitens der "Cerit" an die Afscharischen Clans.

    Schlussendlich schafft es das Osmansiche Reich im Jahre 1865 die nomadischen Clans unter ihre Kontrolle zu bringen und es kehrt Ruhe in Zentralanatolien ein. Dabei wurden Clans vor die Wahl gestellt, ob sie in ihrem Winter- oder Sommerquartier sesshaft werden wollen. Diese Sesshaftigkeit, die die Nomaden nicht kannten bereitete ihnen viele Anpassungsschwierigkeiten, Armut und Streitigkeiten mit der Dorfbevölkerung. Ersteres und zweiteres erklärt vielleicht auch, warum mein 2x Uropa erst mit 43 und zuletzt mit 54 Jahren Vater geworden ist. An diese Geschichte erinnernt heißt mein 2x Uropa ebenfalls Omar bzw. Ömer und dessen erstgeborener Sohn Osman.


    *Erklärung weshalb ein anderer Clanführer das Sagen hat: Die Nomadischen Afscharen-Clans waren sehr eng miteinander verbunden, sodass der Mord eines Afscharen oder der Raubzug an einem Afscharischen Clan wie eine Kriegserklärung an alle nomadischen Afscharen in der Umgebung galt. Warum nur nomadische Clans? Denn Nomadische Afscharen plünderten oft ebenfalls die sesshaft gewordene Dorfbevölkerung die auch Afscharen waren. Daraus lässt sich schließen, dass nomadische Afscharen die sesshaft gewordenen Afscharen nicht (mehr) als ihresgleichen betrachteten).


    So das war eine meiner Familiengeschichten, die ich gerne mit euch teile. Allen einen guten Rutsch ins neue Jahr.


    LG Tenger
    Zuletzt ge?ndert von Tenger; 30.12.2020, 12:34.
    Meine Familiengeschichten:
    Vaterseite väterlicherseits
    Mutterseite väterlicherseits

    Der Rest folgt
  • Henriette-Charlotte
    Erfahrener Benutzer
    • 14.03.2019
    • 161

    #2
    Was hast Du für eine Familiengeschichte! Stoff für einen Film!
    Die mütterliche Seite, die ich als erstes erkunde, ist dagegen sowas von langweilig: teils Bergleute im Maisfelder Land (Kupferschiefer-Abbau) in Sachsen-Anhalt, nach der Industriealisierung Ende des 19. Jh. einfache Handarbeiter oder Tagelöhner in/um Halle/S. Als Filmstoff eher ungeeignet.

    Und was ist aus Hatice geworden?

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    • Tenger
      Benutzer
      • 04.02.2020
      • 49

      #3
      Hallo. Vielleicht stößt du ja irgendwann auch an einen Hollywood Stoff

      Was aus Hatice geworden ist weiß ich leider nicht. Da müsste man ihre Nachfahren fragen falls sie denn welche hat. Ich habe jedoch keinen einzigen Anhaltspunkt wer ihre Nachfahren sein könnten
      Meine Familiengeschichten:
      Vaterseite väterlicherseits
      Mutterseite väterlicherseits

      Der Rest folgt

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      • Geufke
        Erfahrener Benutzer
        • 20.01.2014
        • 1073

        #4
        Danke fürs Teilen, Tenger. Sehr spannend!
        Viele Grüße, Anja

        Noch immer verzweifelt gesucht: Hans (evtl. Johannes) Georg Timm, um 1930 in und um Parchim

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        • Bienenkönigin
          Erfahrener Benutzer
          • 09.04.2019
          • 1694

          #5
          Hallo Tenger,

          wirklich wie ein Abenteuerfilm, so wild ging es vermutlich bei meinen Ahnen nicht zu.
          Falls du das zeitnah liest:
          Füge doch noch über "Bearbeiten" ein paar Zeilenumbrüche ein, dann tut man sich mit dem Lesen leichter!

          Viele Grüße,
          Bienenkönigin
          Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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          • Schischka
            Erfahrener Benutzer
            • 10.02.2015
            • 343

            #6
            Ach ja, für die meisten hier liest sich das sehr exotisch, das Sujet erinnert an die legendären Karl-May-Romane ...
            Wenn solche Geschichten in der Familie weitererzählt werden - was bewirkt das? Die Erinnerung an die heldenhaften Vorfahren ist das eine, aber tradiert das nicht auch Feindschaften oder zumindest Vorbehalte gegenüber den gegnerischen Familien von damals?


            Eine eigene Erfahrung in diesem Sinne wäre für mich, daß meine Mutter in ihrer Schulzeit noch solche alten Sachen ausbaden mußte. Ihr Urgroßvater hatte als junger Mann lange Jahre in Diensten eines betuchten Herren gestanden und kam nun nach dessen Tode (nach 1870) mit relativ viel angespartem (und vielleicht auch etwas geerbtem) Geld in sein Dorf zurück, übernahm die väterliche Kneipe und ließ einen großen Saal anbauen. Seine Schwestern hätten gern mit ihm sein Geld geteilt ;-) - und daß er ihnen nichts abgegeben hat, das haben sie ihm schwer übelgenommen und ihren Kindern und Kindeskindern dieses "Leid" geklagt. Und so hat meine Mutter über das Mobbing(?) von Schulkameradinnen unverhofft was über ihre Familiengeschichte gelernt ...
            Zuletzt ge?ndert von Schischka; 30.12.2020, 12:23.

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            • Tenger
              Benutzer
              • 04.02.2020
              • 49

              #7
              Zitat von Bienenkönigin Beitrag anzeigen
              Hallo Tenger,

              wirklich wie ein Abenteuerfilm, so wild ging es vermutlich bei meinen Ahnen nicht zu.
              Falls du das zeitnah liest:
              Füge doch noch über "Bearbeiten" ein paar Zeilenumbrüche ein, dann tut man sich mit dem Lesen leichter!

              Viele Grüße,
              Bienenkönigin
              Hallo Bienenkönigin,

              Danke für den Hinweis. Ich habe den Text in mehrere Abschnitte unterteilt.

              Ach ja, für die meisten hier liest sich das sehr exotisch, das Sujet erinnert an die legendären Karl-May-Romane ...
              Wenn solche Geschichten in der Familie weitererzählt werden - was bewirkt das? Die Erinnerung an die heldenhaften Vorfahren ist das eine, aber tradiert das nicht auch Feindschaften oder zumindest Vorbehalte gegenüber den gegnerischen Familien von damals?


              Eine eigene Erfahrung in diesem Sinne wäre für mich, daß meine Mutter in ihrer Schulzeit noch solche alten Sachen ausbaden mußte. Ihr Urgroßvater hatte als junger Mann lange Jahre in Diensten eines betuchten Herren gestanden und kam nun nach dessen Tode (nach 1870) mit relativ viel angespartem (und vielleicht auch etwas geerbtem) Geld in sein Dorf zurück, übernahm die väterliche Kneipe und ließ einen großen Saal anbauen. Seine Schwestern hätten gern mit ihm sein Geld geteilt ;-) - und daß er ihnen nichts abgegeben hat, das haben sie ihm schwer übelgenommen und ihren Kindern und Kindeskindern dieses "Leid" geklagt. Und so hat meine Mutter über das Mobbing(?) von Schulkameradinnen unverhofft was über ihre Familiengeschichte gelernt ...
              Dass muss ja furchtbar für eine Mutter gewesen sein wegen etwas gemobbt zu werden wofür sie erstens nichts kann und zweitens nicht einmal wusste warum.

              Die Anfeidnungen endeten 1865 als wie oben erwähnt das Osmanische Reich es geschafft hat die Nomaden unter seine Kontrolle zu bringen. Feindliche Familien wurden in voneinander entfernten Dörfern angesiedelt, sodass sie sich nicht mehr so leicht begegnen konnten. Nach diesem Vorfall kenne ich keine Auseinandersetzungen mehr zwischen den verschiedenen Clans (oder es waren vielleicht nur kleinere Vorfälle die nicht erwähnenswert sind).

              Was es aber heutzutage wohl noch gibt, sind ältere Menschen die von den "Cerit" abstammen sich über Afscharen aus den benachbarten Regionen lustig machen und sie eine Abneigung gegen sie haben. Wieso weshalb warum wissen die meisten aber selbst nicht. Trotz dieser schwierigen Geschichte zwischen den verfeindeten Clans gab es im nachhinein viele Hochzeiten zwischen Nachfahren dieser Clans, da es die meisten schlicht und einfach nicht interessiert was vor 150 Jahren passiert ist.
              Meine Familiengeschichten:
              Vaterseite väterlicherseits
              Mutterseite väterlicherseits

              Der Rest folgt

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              • mumof2
                Erfahrener Benutzer
                • 25.01.2008
                • 1347

                #8
                Vielen Dank für Deine Geschichte. - Familienforschung bei umherwandernden Clans stelle ich mir sehr schwierig vor. Oder gibt es ein Familienbuch (analog der bei uns manchmal geführten Familienbibel) indem Daten festgehalten wurden?
                Viele Grüße
                mum of 2

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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 5525

                  #9
                  Zitat von Schischka Beitrag anzeigen
                  Wenn solche Geschichten in der Familie weitererzählt werden - was bewirkt das? Die Erinnerung an die heldenhaften Vorfahren ist das eine, aber tradiert das nicht auch Feindschaften oder zumindest Vorbehalte gegenüber den gegnerischen Familien von damals?
                  Hallo Schischka,

                  ich sehe das etwas anders. Die Fähigkeit, Geschichten zu überliefern ist doch in unserer Kultur leider ziemlich verkümmert. Wie schön, wenn es noch Gesellschaften gibt, in denen dieser Brauch gepflegt wird. Und was schadet es, wenn die eigene Gruppe in diesen Geschichten als "heldenhaft" dargestellt wird? Die zugrundeliegenden Begebenheiten liegen so lange zurück, daß ein normal intelligenter Mensch das auch richtig wird einordnen können. Man kann doch nicht die Vergangenheit aus den Köpfen tilgen. Damit tilgt man Identität.

                  In meiner Familie gibt es überlieferte Geschichten aus der Zeit, in der Europa von Napoleon unterjocht war. Laut dieser Überlieferung haben sich die Besatzer ganz schlimm und unzivilisiert aufgeführt, um es einmal harmlos auszudrücken. Empfinde ich deswegen heute Feindschaft oder gar Haß gegenüber Franzosen? Natürlich nicht! Unsere besten Freunde sind Franzosen. So etwas wir "Erbsünde" ist ein ganz dummes Konstrukt und paßt so gar nicht in unsere Zeit.

                  Viele Grüße
                  consanguineus
                  Suche:

                  Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                  Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                  Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                  Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                  Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
                  Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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                  • Tenger
                    Benutzer
                    • 04.02.2020
                    • 49

                    #10
                    Zitat von mumof2 Beitrag anzeigen
                    Vielen Dank für Deine Geschichte. - Familienforschung bei umherwandernden Clans stelle ich mir sehr schwierig vor. Oder gibt es ein Familienbuch (analog der bei uns manchmal geführten Familienbibel) indem Daten festgehalten wurden?
                    Hallo. Es ist in der Tat sehr schwer zumal die Registrierung der Osmanischen Bürger erst mit Reformen um 1830 begonnen hat. Wenn man dann noch nomadische oder in ehemaligen Osmanischen Provinzen geborene/aufgewachsene Vorfahren hat (in meinem Fall Bulgarien und Georgien) ist es fast unmöglich etwas herauszufinden. Alles basiert auf Erzählungen und Elegien. Von Primärquellen findet man nichts niedergeschriebenes (zumindest betrifft dies meine Vaterlinie). Deswegen glaube ich auch nicht an jede Familiengeschichte die mir erzählt wird. Denn es liegt die Vermutung nahe, dass vieles über die Zeit bewusst oder unbewusst falsch weitergegeben wurde.

                    Dieser Geschichte stehe ich jedoch positiv gegenüber. Denn ein Hobbyforscher bereiste zwischen den 1940er und 1950er Jahren Zentralanatolien und insbesondere mein Heimatdorf und schrieb die Geschichten teils von Primärquellen teils von deren Kindern, nieder Meine Geschichte hat er sich persönlich von einem namhaften Afscharen namens Anber der zu der Zeit um die 60-70 gewesen sein muss, da er 1882 geboren wurde, angehört und niedergeschrieben. Ebenso wie meine Vorfahren waren auch seine Eltern von der Zwangssesshaftigkeit betroffen. Das legt den Schluss nahe, dass seine Eltern meine Vorfahren und diese Geschichte gekannt bzw. miterlebt haben müssen. Dabei beschreibt der Hobbyforscher in seinem Werk, dass der Mann die Geschichte so lebendig wiedergegeben habe, als wenn er die Geschehnisse mit eigenen Augen sah. Ich bin sehr sehr froh darüber, dass dieser Hobbyforscher alles niedergeschrieben hat. Sonst wüsste ich nicht einmal, dass meine Vorfahren Nomaden waren

                    @consanguineus Gibt es dort auch paar spannende Geschichten oder geht es nur um Elend und Verderben?
                    Zuletzt ge?ndert von Tenger; 30.12.2020, 16:17.
                    Meine Familiengeschichten:
                    Vaterseite väterlicherseits
                    Mutterseite väterlicherseits

                    Der Rest folgt

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                    • consanguineus
                      Erfahrener Benutzer
                      • 15.05.2018
                      • 5525

                      #11
                      Zitat von Tenger Beitrag anzeigen
                      @consanguineus Gibt es dort auch paar spannende Geschichten oder geht es nur um Elend und Verderben?
                      Hallo Tenger,

                      in Bezug auf die Überlieferungen aus napoleonischer Zeit geht es leider tatsächlich nur um leidvolle Dinge. Es war wohl nicht die Zeit und das Umfeld für spannende Heldentaten, zumindest nicht bei meinen Vorfahren. Ich habe die Sache auch nur deshalb angerissen um darzulegen, daß man durchaus alte und ganz alte Geschichten weitergeben darf, ohne dadurch alte Feindschaften wiederaufleben zu lassen.

                      Ich kann keine spannenden Geschichten von meinen Vorfahren beitragen, jedenfalls keine, die annähernd so spektakulär sind wie Deine. Der richtige Vetter meiner Ururgroßmutter Wißmann hat auch sehr spannende Dinge in Afrika erlebt. Die kenne ich allerdings nicht aus mündlicher Überlieferung, sondern nur aus Büchern, die darüber geschrieben wurden. Und es handelt sich nicht um meine Vaterlinie, noch nicht einmal um einen Vorfahren, gehört also nicht wirklich hierher.

                      Viele Grüße
                      consanguineus
                      Suche:

                      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
                      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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                      • Schischka
                        Erfahrener Benutzer
                        • 10.02.2015
                        • 343

                        #12
                        @ Tenger: ja, wie Du schreibst, daß die Alten noch über die der anderen Sippe Witze gemacht haben - das meinte ich mit eventuellen Vorbehalten ... es bleibt doch was zurück! Aber gut zu hören, daß z.B. durch Heiraten Frieden geschlossen wurde. Und dieser Heimatforscher hat ja mit dem Sammeln der Erzählungen wirklich einen Schatz bewahrt, schön!


                        @ Consanguineus: Deinen Afrika-Vetter finde ich ja interessant: ich habe "seit Urzeiten" ein altes Afrika-Buch, welchem die ersten Seiten fehlen, von Hermann v.Wissmann - ist das derjenige, von dem Du sprichst?

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                        • Bergkellner
                          Erfahrener Benutzer
                          • 15.09.2017
                          • 2351

                          #13
                          Tenger, für das Teilen.

                          Ich fand und finde Erzählungen, resp. mündliche Überlieferungen, schon immer spannend, wahrscheinlich, weil mein Großvater ein sehr guter und lebhafter Erzähler war...Die meisten seiner Geschichten haben sich im Nachhinein als wahr herausgestellt, das hatte ich gar nicht erwartet.
                          Das war einer der Gründe, die mich in den 90ern zur "oral history" brachten, als diese Herangehensweise in Deutschland noch nicht verbreitet war. Leider habe ich es dann durch die Arbeit vernachlässigt, ich denke, es ist an der Zeit, wieder dahin zurückzukehren.

                          Durch deine Geschichte habe ich richtig Lust bekommen, meinen "fahrenden Leuten" nachzuspüren. Es wird wohl nicht einfach werden, ihren Spuren zu folgen, da sie - soviel ich weiß - einen Großteil von Österreich-Ungarn ihre Heimat nannten.

                          Leider spielt die mündliche Überlieferung bei uns kaum noch eine Rolle, da heute gilt, was man aufgeschrieben hat, kann man wegtragen.


                          Lg, Claudia
                          Wollt' ich für Arschlöcher bequem sein, wäre ich ein Stuhl geworden.(Saltatio Mortis, Keiner von Millionen)


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                          • #14
                            Hallo,
                            ich hatte auch sehr abenteuerliche Vorfahren. Mein Urururgroßvater Julius Müller (* 26.9.1819 in Bergen auf Rügen, + nach 1897 Charkow) ist im Jahr 1840 im Alter von 20 Jahren alleine mit der Pferdedroschke in das ferne Russland gereist, wo er als Oberverwalter im Osten der Ukraine bei fürstlichen Familien arbeitete. Sein jüngerer Bruder Eduard ist ein Jahr später ausgewandert und hat zu erst als Feldmesser und später als Privatlehrer und Erzieher bei russischen Adelsfamilien gearbeitet. Gerade in Russland waren Privatlehrer sehr verbreitet. Schulen gab es nur für die ärmlichere Bevölkerung.

                            Der Julius Müller hatte die polnische Adelige Ottilie v. Twardowsky genannt Hartmann (* 17.5.1825 Riga, + 19.3.1870 Bely Kolodez Gouvernement Charkow) geheiratet. Sie hatte allerdings wohl eine uneheliche Beziehung mit dem Engländer Charles James Anderson (* 19.3.1835 St. Petersburg), aus der mein Ururgroßvater James Oscar entstanden ist. Aufgrund dieses Skandals wurden sie auch vom Gutsbesitzer von Wassiljewka Herrn Popow verbannt und hatten alles verloren.

                            Der letzte bekannte Wohnort des Charles James Anderson war Orota, Dagestan, Kaukasus. Er hatte also im muslimischen Kaukasus gelebt. Es gibt dort heute noch viele Krisen und die russische Armee hat dort heute noch Probleme im Kaukasus.

                            Ich lese übrigens gerade ein sehr interessantes Buch namens "Der verlorene Sohn" von Olga Grjasnowa, wo es um Jamaluddin, den Sohn des Imams Schamil geht, der im Jahr 1839 von seiner Heimat im Nordkaukasus nach St. Petersburg reist. Die Verbündete des Imam Schamil waren interessanterweise polnische Gefangene, die im Novemberaufstand 1830 gegen die Russen gekämpft haben. Sie haben dem Imam auch geholfen, die Festung Akhulgo zu bauen.

                            Der Vater der Ehefrau des Friedrich Rudolph Hartmann (Instrumentenmachermeister in Nikolajew und Cherson, Bruder der Ottilie) namens Karl August Harff (* 25.1.1800 Mitau) war zur selben Zeit auch Obristlieutenant (Podpolkovnik) in der Kaiserlich Russischen Armee.

                            Die Georgier sind ja eigentlich orthodoxen Glaubens, aber vielleicht könnte ja deine georgische Vorfahrin eigentlich aus dem muslimischen Nordkaukasus stammen.
                            Zuletzt ge?ndert von Gast; 30.12.2020, 23:12.

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                            • mabelle
                              Erfahrener Benutzer
                              • 09.10.2017
                              • 710

                              #15
                              Hallo Tenger,

                              das sind wirklich sehr beeindruckende Geschichten - nicht nur Geschichten, sondern das ist Geschichte! Ich habe vor fast fünfzig Jahren längere Zeit in Afrika zugebracht, da habe ich inmitten der Dorfbevölkerung gelebt und gearbeitet und am Abend hat man sich Geschichten erzählt. Der Dorfälteste kam auch regelmäßig, und manchmal erzählte er die Geschichte seines Stammes. Er wusste jeden Namen, wie der Stamm über Jahrhunderte gewandert ist, den Nil entlang, auf welchen Stamm sie trafen, wie der Stammesälteste hieß, wer wen heiratete und wie ihre Kinder hießen, bis sie im ostafrikanischen Graben ankamen. Das kam alles sehr lebendig rüber, so als hätte es sich gerade gestern zugetragen. Später habe ich in der Uni-Bibliothek von Dar es Salaam Literatur gefunden, die diese Berichte bestätigten und eben jener Dorfälteste namens Peter wurde als eine Quelle und Gewährsperson genannt.

                              Ich beschäftige mich nun seit ein paar Jahren mit der Geschichte meiner Familie und ich muss sagen, dass ich aus den Akten viel Neues gelernt habe, vieles, was Jahrhunderte zurückreicht, vieles das verschwiegen wurde und viel geschichtsträchtigen Stoff beinhaltet. Und das sind Geschichten, die ich an meine Kinder und Enkelkinder weitergeben kann und so bleiben die Vorfahren auch irgendwie lebendig.

                              Danke für Deinen Bericht.

                              Liebe Grüße
                              und ein gutes neues Jahr!

                              mabelle
                              Axinger: Michelsneukirchen, Aipoln, Pittsburgh, Pennsylvania, USA
                              Bezold: Eckenhaid/Eckental, Eschenbach, Tirschenreuth, Moosburg, Ebersberg, Kitzingen, Landshut, Halle-Saale, Duisburg, Hudson, New Jersey, USA
                              Krömer: Bieskau, Schweidnitz, Schlesien
                              Meißner: Lauterbach, Großkonreuth
                              Rother: Königszelt, Költschen, Schweidnitz, Schlesien
                              Thamm: Peterwitz, Saarau, Schlesien

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