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Bergkellner 04.01.2022 11:17

Artikel über das Verschwinden von Minderheitsprachen - Plattdütsch
 
Hallo,

in der heutigen taz der Artikel "Welt ohne Kook und Leev" - link -

Hat zwar nichts unmittelbar mit der Ahnenforschung zu tun, aber mittelbar - finde ich - schon...

Lg, Claudia:wink:

Xylander 04.01.2022 11:45

Dank auk, leiwe Claudia vanne Bergkellners!
Peter ut Hasselkusen

consanguineus 04.01.2022 13:24

Hallo Claudia,

der Verlust an Sprachen bzw. Dialekten ist natürlich auch mit das Resultat einer globalisierten Wirklichkeit. Mein Vater kann noch etwas ostfälisches Platt sprechen, aber würde sich nicht flüssig unterhalten können. In seinem Elternhaus wurde nicht Platt gesprochen. Meine Großeltern hatten beide studiert und Dialekt zu sprechen galt als ungebildet. Im Dorf sprach man selbstverständlich noch Platt. Das hörte, so mein Vater, nach dem 2. Weltkrieg schlagartig auf. Da kamen Flüchtlinge, vor allem aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien, deren Dialekte teils vollkommen anders waren als unser ostfälisches Platt. Um sich verständigen zu können, mußte man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Das war Hochdeutsch. Man hörte den Flüchtlingen noch lange an, woher sie kamen, jedenfalls denen, die ihren Dialekt zu Hause noch aktiv gesprochen haben, aber sie sprachen hier, so wie alle nach 1945, Hochdeutsch.

Heute ist es ja im Prinzip nicht anders, nur daß die Flüchtlinge nicht mehr aus ehemals deutschen Gebieten kommen, sondern aus dem arabischen Raum oder Afrika. Oder es geht um Einwanderer aus Italien oder der Türkei, die schon länger hier sind und heute zumeist Hochdeutsch sprechen. Deren Muttersprachen sind allerdings nicht in Gefahr, da in der jeweiligen Heimat, Syrien, Italien, wo auch immer, ja noch Millionen Menschen leben. Das war in den deutschen Ostgebieten nicht so. Die dortige Bevölkerung wurde nahezu komplett vertrieben oder ermordet oder durfte die deutsche Sprache bzw. den jeweiligen Dialekt nicht mehr gebrauchen. Damit wurde der Dialekt etwas, was in Vertriebenenvereinen gepflegt wurde und wird, ist aber dem Untergang geweiht.

Viele Grüße
consanguineus

hessischesteirerin 04.01.2022 14:07

leider verschwinden Dialekte, was ich sehr schade finde


ich spreche den Dialekt meiner Mutter, den meines Vaters und hochdeutsch


Dialekt zu sprechen bedeutet für mich, eine Kultur aufrecht zu erhalten. Meiner Familie war es immer wichtig, und ist es noch heute, dass wir sowohl Hochdeutsch, als auch Platt sprechen können - nur leider stirbt eine sprache, wenn man sich mit niemandem mehr unterhalten kann

Kasstor 04.01.2022 14:27

Hallo,

kleine Anmerkungen von mir:

Als wir 1968 aufs Gymnasium kamen, konnte von etwa 25 Kindern in meiner Klasse nur einer richtig Plattdeutsch. Meine Großeltern väterlicherseits konnten es noch ( Dorf nahe bei Hamburg ). Ich konnte es meistens verstehen.
Bei Übertragungen des Ohnsorg-Theaters im bundesweiten Fernsehen in den 60ern war es für uns immer befremdlich, dass diese auf Hochdeutsch erfolgten ( vielleicht mal mit kleinen Einwürfen ), während Stücke aus Bayern im tiefsten ( tlw. unverständlichen ) Dialekt ausgestrahlt wurden.
Heute ist die Sprache hier kaum mehr zu hören.

Grüße

Thomas

Friedrich 04.01.2022 14:40

Moin zusammen,


oft hängt das Verschwinden der Dialekte zumindest in den Familien auch mit der Herkunft einzelner Familienmitglieder zusammen. Bei mir ist es so, dass mein Urgroßvater aus dem Paderborner Raum stammte, von Mutters Seite und der der Großmutter väterlicherseits aus Waldeck. Das Waldecker Platt dürfte zumindest in der nördlichen Hälfte, wo die Vorfahren meines Urgroßvaters saßen, dem der Paderborner Gegend ähnlich gewesen sein; es sind niederdeutsche Mundarten. Das galt (mit Abstrichen) auch für das Sauerland, wo es meinen Urgroßvater als Schulkind hin verschlug.


Mit seiner Heirat mit einer Wittgensteinerin (sprachlich hessisch) war es wohl notwendig, dass Hochdeutsch gesprochen wurde, zumal mein Urgroßvater als Leiter einer Erzaufbereitungsanlage wahrscheinlich mit vielen Angestellten Hochdeutsch sprach und wohl auch mit der Urgroßmutter.


Mein Opa dürfte das Sauerländer Platt verstanden und in Grundzügen auch gesprochen haben, aber spätestens nach der Heirat meiner Großeltern war wieder Hochdeutsch angesagt, da Oma aus dem gleichen Wittgensteiner Ort stammte wie ihre Schwiegermutter. Vielleicht haben die beiden untereinander ja Wittjesteener Platt geschwatzt, wie es so schön heißt.


Mit meiner Mutter kam dann das norddeutsche Platt von der Küste (heutiger Kreis Friesland) dazu. Also musste wieder hochdeutsch gesprochen werden. Keiner von meinen Geschwistern oder meinen väterlicherseitigen Tanten sprach/spricht Dialekt. Immerhin, das norddeutsche Platt und das Wittgensteiner verstehe ich so einigermaßen.


Friedrich

Geschichtensucher 04.01.2022 16:25

Ich lese diesen Thread und habe das Gefühl, wir gucken einer versinkenden Schatzkiste nach...


Watt fürn Reichtum jeht da unter! Watt machn wan da?


fracht Iris

assi.d 04.01.2022 16:52

Das mit der Schatzkiste ist wahr:

Das Sudetendeutsche ist schon weg und das Rhöner Platt aus Osthessen wird bald folgen. Nur noch eine Generation, dann ist es weg.

Bee schohd banns weg es.

Und das, obwohl die Rhöner die Zweite Lautverschiebung um 600 n.C. nicht mitgemacht haben und es noch viel in der Mundart zu entdecken gäbe: https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Lautverschiebung

Findet
Astrid

Sbriglione 04.01.2022 18:41

Hallo allerseits,

ich fühle mich von der Frage nach den Mundarten durchaus auch berührt:
zum einen habe ich selbst, obwohl in einer (scheinbar) "hochdeutschen" Region (Salzgitter in Niedersachsen) aufgewachsen, in meiner eigenen Grundschulzeit sowohl ein bisschen "Pladdütsch" kennen lernen dürfen, als auch (gleichfalls keine Selbstverständlichkeit) Sütterlin lesen und schreiben lernen dürfen (beides in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre).
Ich finde es schade, dass es entsprechende Lerninhalte in Niedersachsen anscheinend mittlerweile nicht mehr gibt - zumindest nicht an den Schulen, an denen ich selbst bisher als "Schulbegleiter" gearbeitet habe. In Bayern scheint der Dialekt deutlich selbstverständlicher zu sein (ich habe ihn auf dem Gymnasium in Niedersachsen lernen dürfen, weil ich dort einen bayerisch-dialektsprachigen Lateinlehrer hatte).

Dass auch Salzgitter "eigentlich" ein "Pladdütsch-Gebiet" ist oder war, konnte ich allerdings erst als Student feststellen, als ich mich nach Einbruch der Dunkelheit mal - irregeführt durch die Lichter der Fabriken - verfahren habe und eine ältere Dame nach dem Weg fragen musste.
Schade eigentlich!

Ich weiß nicht, ob Dialekte heutzutage immer noch als "primitiv" abgewertet werden, hätte aber sehr gerne einen von Grund auf gelernt - und sei es auch "nur" der meiner sizilianischen Vorfahren, den mir mein Vater leider nie beibringen wollte aus Angst, man könne uns in Italien für "ungebildet" halten. Wodurch leider die Verständigung mit meinem heißgeliebten Großvater deutlich erschwert wurde...

Ich wünsche euch einen schönen Jahreseinstieg!

Erny-Schmidt 04.01.2022 19:38

Zitat:

Zitat von consanguineus (Beitrag 1426142)
der Verlust an Sprachen bzw. Dialekten ist natürlich auch mit das Resultat einer globalisierten Wirklichkeit. [...]
Man hörte den Flüchtlingen noch lange an, woher sie kamen, jedenfalls denen, die ihren Dialekt zu Hause noch aktiv gesprochen haben, aber sie sprachen hier, so wie alle nach 1945, Hochdeutsch.

Dank Klo-Ballisierung wird die Welt in wenigen Jahrzehnten vielleicht nur noch Englisch sprechen. Oder Chinesisch.:cry:

Täuscht das übrigens oder sind/waren Dialekte in Deutschland und Nachbarländern dank Kleinstaaterei besonders stark ausgeprägt? Niederländisch ist ja eigentlich ein deutscher Dialekt, die Sprache im Rheinland klingt nicht zufällig recht ähnlich. Umgekehrt zählt Schwyzerdütsch nicht als eigene Sprache, obwohl es in Norddeutschland wahrscheinlich schlechter verstanden wird als Niederländisch. Englisch hat zwar ebenfalls Dialekte, aber meines Erachten nicht so ausgeprägte, sieht man mal von starken Akzenten in Afrika oder Indien etc. ab. Und Russisch klingt in Wladiwostok kaum anders als in Petersburg. Ich verstehe es zwar kaum noch, aber einzelne Worte höre ich raus, egal, wo die Leute herkommen. Würde ich als Ausländer Plattdütsch oder Bayrisch hören, wäre das eher nicht so.

Mein eigener Dialekt, das Hallsch, ist praktisch schon ausgestorben.


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