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Araminta 01.02.2017 20:27

Illegitime Kinder
 
Hallo,

mir ist bei meiner Recherche aufgefallen, dass es bei Geburtseinträgen doch recht viele illegitime Kinder gab.

Zwar hat mich Geschichte schon immer interessiert aber bisher habe ich immer nur davon gelesen, dass diese Kinder und deren Mütter egal ob spätere Ehe oder nicht, von der Gesellschaft ausgegrenzt wurden.
Selbst wenn sie den späteren Vater heirateten, galt es als nicht sehr schicklich.

Es scheint aber doch sehr oft passiert zu sein und da frage ich mich ob das mit der "öffentlichen Meinung" oder dem was wir zu glauben wissen, übereinstimmt?
Oder galt das nur für höhere Personen?

Was meint ihr?

Garfield 01.02.2017 20:45

Hallo

Das kommt sehr sehr auf die Zeit und Region drauf an.

In der Schweiz im 20. Jhd. waren uneheliche Kinder bzw die unverheirateten Mütter geächtet und die Kinder wurden oft von Behörden fremdplaziert (Stichwort "Verdingkinder").
In anderen Gegegenden zu anderen Zeiten habe ich schon gelesen, dass das überhaupt kein Problem war, da ein (Ehe)paar ein gewisses Vermögen / Einkommen haben musste, um heiraten zu dürfen. Das ergab natürlich jede Menge uneheliche Kinder bei ärmeren Leuten.

scheuck 01.02.2017 21:43

Hallo, zusammen!

Diese unehelichen Kinder sind mir ein ewiges Rätsel :roll: - Bei der Vielzahl an unehelichen Kindern, die ich in meiner direkten Linie aufzuweisen habe, kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass jemand "schief angesehen" wurde.

Ich nenne mal nur zwei Beispiele:

eine 1806 geborene Frau hat FÜNF uneheliche Kinder; *1829, *1833, *1835, *1838 und *1840; offenbar haben alle das Kindesalter überlebt.
Sämtliche Einwohnerlisten liegen mir vor, es heißt darin immer, die Mutter sei ohne Stand und Gewerbe. Kein einziger Hinweis darauf, dass sie als Magd usw. Geld verdient hat. - Ihre Schwestern sind alle verheiratet, demnach kann es doch auch nicht sein, dass man sich Heiraten "nicht leisten" konnte.
Die Mutter dieser 5 Kinder hat nie geheiratet; auf welche Weise sie die Kinder "durchgebracht" haben mag, ist mir unverständlich. - Vielleicht war dafür die zweite Ehefrau ihres Vaters "zuständig"?

Aber ...

Aus der zweiten Ehe des Vaters gibt es einen weiteren "Fall"; dabei geht es um DREI uneheliche Kinder; *1839 (Zwillinge), *1844 und *1847, wobei das letzte Kind eine Totgeburt war. - Dasselbe "Spiel"; keine Arbeit, keine spätere Heirat.

Die dritte uneheliche Mutter ist eine Schwester, ebenfalls aus der zweiten Ehe ihres Vaters; da gibt es "nur" EIN uneheliches Kind, *1846. - Diese Mutter arbeitet als Magd und heiratet später.

Wie mag es damals mit "Alimenten" ausgesehen haben? Es ist doch unvorstellbar, dass eine 1789 geborene Witwe letztlich für zwei unverheiratete, "arbeitslose" Töchter mit zusammen mindestens ACHT unehelichen Kindern "zuständig" war, oder? - Soweit aber nur der "praktische Aspekt" ...

Bei "Unschicklichkeit" oder "schiefem Gucken" hätte sich diese Familie doch gar nicht mehr aus dem Haus trauen dürfen :o
DAS ist aber nur der absolute "Rekord", ein bis zwei uneheliche Kinder habe ich zu der Zeit reichlich!

Araminta 01.02.2017 21:59

@scheuck vielen Dank für dieses Beispiel!
Darauf wollte ich hinaus! Sicherlich war das kein Einzelfall!

Aber was ist der Grund? Wird man im Geschichtsunterricht, Dokus, Büchern, usw. angelogen? Wird da übertrieben?

Wie war es wirklich?
Denn so schlimm, wie es immer beschrieben wird, kann es ja offenbar nicht gewesen sein.

scheuck 01.02.2017 22:26

Zitat:

Zitat von Araminta (Beitrag 982945)
Wie war es wirklich?
Denn so schlimm, wie es immer beschrieben wird, kann es ja offenbar nicht gewesen sein.

Ich weiß es nicht, Araminta :wink: - Nein, ich glaube auch nicht, dass es wirklich "schlimm" war, uneheliche Kinder zu haben; jedenfalls nicht zu der Zeit, in der es bei meinen zahlreichen Fällen geht.

Wie gesagt, es gibt auch Beispiele, da haben die "unehelichen Mütter" später jeweils geheiratet, auch mit zwei unehelichen Kindern. - Okay, man weiß nicht, ob das nicht die Väter waren bzw. der Vater des "letzten" Kindes sie dann geheiratet hat.

In meiner direkten Linie "spielt" das alles in Wesel; die Mütter hatten zahlreiche Geschwister, die dort lebende Verwandtschaft war recht groß. Die Brüder der ledigen Mütter waren alle selbständig und scheinen ein ganz gutes Auskommen gehabt zu haben. - Dass die Familie geächtet wurde, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Vielleicht kam das "Anrüchige" erst 100 Jahre später? - Man darf nicht vergessen, dass uneheliche Kinder in Deutschland erst seit 1970 im Erb-Recht den ehelichen Kindern gleichgestellt sind.

In der "Neu-Zeit" gibt es in meiner Verwandtschaft noch zwei uneheliche Kinder, beide um 1938 geboren. - In einem dieser "Fälle" hat man es sich ganz "einfach" gemacht; man hat der Mutter ein paar "Scheine" in die Hand gedrückt und sie gleichzeitig unterschreiben lassen, dass sie sich "nie mehr blicken" lässt und die Identität des Vaters auch niemals erwähnen wird :evil:. Spätere Alimente waren durch die "Abfindung" natürlich auch ausgeschlossen. - Heute würde man ein solches Ansinnen sicherlich als "sitten-widrig" bezeichnen und dagegen angehen.

Artsch 02.02.2017 08:48

Hallo miteinander,

meine Eltern heirateten als ihr erstes Kind 2 1/2 Jahre alt war. Dies fiel mir (18 J. alt) erst auf, als die Eltern 1980 Silberhochzeit feierten.
Nachdem ich ins Familienbuch geschaut hatte und mein ältester Bruder dort gar nicht vermerkt war, konfrontierte ich meinen 20-jährigen Bruder mit meiner Entdeckung. Er sah weder in das Familienbuch, noch wollte er die einfache Rechnung nachvollziehen. Für ihn war ich eine Lügnerin.
Meine Mutter nach dem "warum" angesprochen, wandte sich ab, beschimpfte mich als unverschämte Schnüfflerin, ich solle mich schämen überhaupt so etwas zu fragen. Nach dem Motto: "Wage dies nicht noch einmal!"
Trotz Verbot fragte ich meinem Vater. Er hatte damit kein Problem und erklärte mir, daß es damals keine Mietwohnungen gab und wenn er nicht als Familie wohnen könne, er auch keinen Sinn darin gesehen hätte zu heiraten.

Viele Jahre später unterhielt ich mich mit meiner Mutter über vieles, was sie einst abgeblockt hatte. Dabei erzählte sie mir, daß es keine Repressalien für sie gab, weder in ihrer Familie, noch im Umfeld. Daß mein Vater die Geburt auf dem Standesamt in dem kleinen Ort gemeldet hat und der Junge von Anfang an den Namen meines Vaters getragen hätte. Einmal in der Woche habe man sich gesehen. Auch nachdem mein Vater 8 Monate vor der Eheschließung von Sachsen nach Westdeutschland geflüchtet war, hatte sie keine Probleme.

In ihrem letzten Lebensjahr entschlüpfte ihr aber, daß mein Vater vor seiner Flucht sogar oft bei ihr und ihren Eltern und dem Sohn übernachtet hat.
Die Schwester meines Vaters sagte mir, in dem Ort meiner Mutter, habe es nur 2 uneheliche Kinder gegeben und beide im Mietshaus meiner Mutter, allerdings mit einem Abstand von über 10 Jahren.
Mein ältester Bruder erzählte mir am Sterbetag meiner Mutter, daß er erst ihren Mädchennamen getragen habe!!!

Der andere Bruder hatte die Aufgabe von meiner Mutter bekommen, sich um ihre Beerdigung zu kümmern. In der Trauerrede wurde der älteste Sohn nicht erwähnt, und die Eltern hatten sich erst im Westen kennengelernt.

Selbst in der eigenen Familie gehen die Menschen mit sowas verschieden und nicht immer ehrlich um.

In der Kleinstadt in welcher ich aufgewachsen bin, ging es sehr fromm zu. Die Kirchenplätze waren immer besetzt. so daß einige stehen mußten. Nirgendwo in der Umgebung wurde die Kirche so gut besucht wie bei uns.
Im Ort gab es eine Frau, die unehelich 1920 geboren war. Mein Bruder hatte bei seinem Verein gehört, daß der Vater ein Russe gewesen sei. Die Mutter sei schon 1925 gestorben, was die gerechte Strafe wäre.
Sie selbst zeigte mir ein Bild ihres Vaters, der im 1. Weltkrieg im Ort arbeiten mußte und ein Jugoslawe gewesen war. Sie hatte auch seine Heimatadresse noch.
Diese Frau vertrat eines Tages den Pfarrer in der Kirche. :wink:
Man hatte ihr wohl vergeben, weil die Mutter schon gebüßt hatte.
Von einem Gerede wegen der Predigt, kann zumindest ich nichts berichten.

Ein 21-jähriger enger Jugendfreund verunglückte tödlich. Er war das Resultat eines häuslichen Missbrauchs. Hier hörte ich von allen Seiten das gutgemeinte tröstende - "es ist besser so!" :evil:8o
Nie wieder habe ich um einen Menschen so geweint. Vor Trauer, aber auch vor Entsetzen über meine Mitmenschen.

Sicher gab es diesen Satz auch in der Zeit unserer Ahnen.

Auf den Umgang mit diesen Fällen hatte der Pfarrer unserer Ahnen den größten Einfluß. Es wurden auch Strafen und Bußen verhängt.
Er konnte die Gemeinde aber auch ermahnen, nicht zu richten. Was sicher nur selten vorkam.
Stimmungsmacher gab es schon immer.

Beste Grüße
Artsch

Xtine 02.02.2017 10:37

Hallo zusammen,

Zitat:

Zitat von scheuck (Beitrag 982936)
DAS ist aber nur der absolute "Rekord", ein bis zwei uneheliche Kinder habe ich zu der Zeit reichlich!

Oh, da kann ich locker mithalten ;)

Meine Ururgroßmutter (geb. 1858, Haushälterin) hatte 7 uneheliche Kinder von mindestens 3 Vätern :!

Kind 1 geb. 1879 von Vater 1 Zimmerer selbst unehelich
Kind 2 geb. 1880 von Vater nicht genannt :(
Kind 3 geb. 1882 von Vater nicht genannt :(
Kind 4 geb. 1885 von Vater 1
Kind 5 geb. 1887 von Vater 2 Dienstknabe
Kind 6 geb. 1893 von Vater 3 Häusler
Kind 7 geb. 1897 von Vater nicht genannt :( (es steht was unleserliches dabei, es könnte auch der Name von Vater 2 sein)

Meine Vermutung ist ja, daß Kind 2 u. 3 auch Vater 1 haben, aber wissen tu ich es nicht.

Alle Kinder tragen den Namen der Mutter.

In dieser Region war es aber tatsächlich nur möglich zu heiraten, wenn das "Vermögen passte". Den wahren Grund, warum sie nicht heiratete, werde ich aber leider nie erfahren.

scheuck 02.02.2017 10:59

Hallo, Xtine!

Ja, da werden sicherlich noch weitere user "mithalten" können :) - Uneheliche Kinder scheinen damals keine Seltenheit gewesen zu sein ...

Ich will das auch absolut nicht irgendwie "moralisch" bewerten, mich würde aber dennoch brennend interessieren, wie man diese Kinderschar durchgebracht hat. - In Deinem Fall ist die Mutter "wenigstens" Haushälterin, das sieht nach einem Einkommen aus.

Da fällt mir zu diesem Thema der alte Witz ein:

Das Hausmädchen geht zur Herrschaft und sagt, sie müsse nun leider wohl kündigen, denn sie sei schwanger und habe "keinen Mann". Die Gnädige meint daraufhin, das sei doch kein Grund zum Kündigen; ein Kind im Haushalt sei doch schön, damit habe man kein Problem.
Dieses Ansinnen wiederholt sich, sie will wieder kündigen, sie ist wieder schwanger, sie hat wieder keinen Mann ... Die Gnädige sieht auch darin kein Problem, zwei Kinder im Haus sind doch auch schön.
Das Procedere wiederholt sich ein drittes Mal, die Gnädige sieht wieder keinerlei Problem. - Die ledige Mutter meint aber, es sei nun wirklich genug, drei Kinder, dazu das große Haus und die viele Arbeit, das könne sie nicht :)

Simone99 02.02.2017 11:23

Tschuldigung, Scheuck, aber irgendwie finde ich den Witz gar nicht lustig. :(

Früher wurden Hausmädchen sehr oft von den Herren des Hauses als "Besitz" angeschaut und regelmässig vergewaltigt. Die jungen Frauen getrauten sich nicht sich zu wehren weil sie aus armen Verhältnissen kamen und auf das bisschen Geld angewiesen waren.

Ich denke dieser Aspekt ist bei der ganzen Geschichte nicht ausser acht zu lassen.

Viele Grüsse
Simone

scheuck 02.02.2017 11:30

Zitat:

Zitat von Simone99 (Beitrag 983053)
Tschuldigung, Scheuck, aber irgendwie finde ich den Witz gar nicht lustig. :(
Viele Grüsse
Simone

Das tut mit leid, Simone ...

Sicherlich kam es hie und da zu Vergewaltigungen seitens des "gnädigen Herrn"; ob man das aber alles über einen Kamm scheren kann?


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