Rechtsnachfolger des abgestorbenen niederen Adels

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  • Koblenzer14
    Erfahrener Benutzer
    • 06.11.2017
    • 203

    Rechtsnachfolger des abgestorbenen niederen Adels

    Hallo zusammen,

    mir sind in letzter Zeit in einigen Dokumenten des 17. /18 .Jahrhunderts Formulierungen wie, „von Mustermannsch Erben“ , „Erben der von Mustermann“, „Mustermansche Erben“ aufgefallen. In mancher Literatur heißt es dann z.B,“beerbt wurden die von Mustermann von den von xyz“.
    Das ganze ist natürlich aus genealogischer Sicht auch nicht ohne Reiz, da in diesen Dokumenten durch diese Ausdrücke Beziehungen zwischen Familien angedeutet werden, die (bisher) nicht durch Stammreihen belegt werden konnten.

    Leider konnte ich wenig Literatur zu diesem Thema finden.
    Es würde mich interessieren, wie sich Adelsgeschlechter(oder Bürgerliche) in die Rechtsnachfolge der abgestorbenen adligen Familie bringen konnten( ich las recht viel über Erbtöchter) und was genau alles geerbt werden konnte.
    Grund und Boden sind klar ,aber wie sieht es mit Gerechtigkeiten und Herrschaftsrechten, wie mit der Heraldik aus ?

    Kennt Jemand von Euch gute Literatur zu dem Thema ?
    Ich konnte einiges zu Regelungen des Hochadels finden,aber wenig bis nichts zum niedrigen Adel.

    Vielen Dank im Voraus und einen schönen Sonntag

    Oliver
  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 4843

    #2
    Hallo Oliver,

    das Erbrecht als solches war damals nicht so viel anders als heute.

    Was anders war, war die Vererbbarkeit von Lehen, die oft Mannlehen waren. Diese konnten ggf. in Weiberlehen umgewandelt werden, was aber nicht immer passierte.

    Wenn das nicht passierte, konnte der Lehensherr das Lehen als erledigt einziehen und es neu vergeben. Es konnte aber auch passieren, daß ein (sehr) entfernter Cousin Ansprüche erhob.

    Ob es dazu Literatur gibt, weiß ich nicht. Vermutlich liegen die einzelnen Fälle jeweils etwas anders.

    Am besten schaust Du Dir die Dich interessierenden Akten an.
    Gruß
    gki

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    • Koblenzer14
      Erfahrener Benutzer
      • 06.11.2017
      • 203

      #3
      Hallo gki,

      ich danke Dir für Deine fundierte Einschätzung !
      Das macht Sinn, dass es wirklich so profan ist ,dass der niedere Adel weitgehend nach römischen Recht erbte.
      Da war der hohe Adel mit seinen Stammgüter und dem Fideikommiss
      wahrscheinlich eher die Ausnahme,als die Regel.

      Leider behandeln die Akten nicht die Erbschaft / das Testament selber ,sondern es geht i.d.R um Prozesse ,die diese besagten Erben wegen z.B Grenzstreiterein führen.

      Meine Hoffnung war es, eventuell einen Rechtsatz zu finden, der Aufschluss über die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen abgestorbener Familie und den Erben zu finden.Aber wie du richtig sagtest,dass kann ja theoretisch bis zum Cousin x-ten gerades gehen.
      Also leider eine Sackgasse ;-)
      Aber auch die Wege muss man gehen !

      Beste Grüße

      Oliver

      Kommentar

      • gki
        Erfahrener Benutzer
        • 18.01.2012
        • 4843

        #4
        Hallo Oliver,

        vielleicht willst Du einfach mal Dein konkretes Problem schildern?
        Gruß
        gki

        Kommentar

        • Koblenzer14
          Erfahrener Benutzer
          • 06.11.2017
          • 203

          #5
          Guten Morgen gki,

          ein konkretes Problem gibt es gar nicht,es betrifft auch nicht meine eigenen Forschungen.Bei uns ist es z.B so, dass Neugeborene Kinder stets nach dem ersten Paten / der ersten Patin benannt wurden.Diese waren wiederum durchweg nahe Verwandte.Diese Regelmäßigkeit ist ein schönes Behelfsmittel, da dadurch Verbindungen aufgezeigt werden, die bei reiner vertikalen Ahnenforschung häufig im verborgenen bleiben.

          Die hohe Anzahl an Erbengemeinschaften(bürgerliche und Adlige),in denen häufig viele verschiedene Familien organisiert waren,könnte ein weiteres Hilfsmittel sein.
          Da ich vorliegend nicht genug Daten habe ,um eine Regelmäßigkeit abzuleiten ,wie es bei den Paten der Fall ist, bin ich auf der Suche nach Literatur, die sinngemäß angibt :“grundsätzlich erben zunächst xyz das und das ,erst wenn diese nicht existieren ,erben die Entfernten Verwandten das“

          Das Erbrecht war ja deutlich stärker reguliert als etwa Patenschaften,da darüber vor dem Landgericht und letztendlich auch bei dem Reichskammergericht prozessiert wurde.


          Und das theoretisch abstrakte ein bisschen mit leben zu füllen.
          Ich habe hier z.B eine Akte ,in der eine handvoll an bürgerlichen Familien im späten 18. Jahrhundert als Erben eine adligen Familie aufgezeigt werden,die bereits etwa 100 Jahre vorher ausgestorben ist.
          Der Stammbaum der adligen Familie ist umfasst nur wenige Generationen und nie die weiblichen Mitglieder.Die bürgerlichen Familien lassen sich nur bis zum Beginn der Kirchenbücher verfolgen,in denen wiederum die eingeheiratetn Frauen nur mit Vornamen genannt werden.
          Ähnliche Fälle gibt es dann noch 10 oder 15.
          Ziel wäre es hier also mittels belastbaren Kenntnissen zum Erbrecht ungefähre Aussagen darüber zu treffen,wie die Verwandtschaft liegt.

          Ich hoffe ,ich konnte das ein wenig deutlicher machen ,worum es mir geht ,es ist wirklich sehr abstrakt

          Beste Grüße

          Kommentar

          • Sbriglione
            Erfahrener Benutzer
            • 16.10.2004
            • 1177

            #6
            Hallo Oliver,

            ohne mit letzter Sicherheit zu wissen, ob das wirklich bei ALLEN Adelsfamilien und in allen deutschen Regionen der Fall war, hilft Dir vielleicht, was ich von meinen eigenen Vorfahren weiß:

            Zunächst einmal muss unterschieden werden zwischen Allodial-(also Eigen-)Besitz der Familie, "Mannlehen" und solchen Lehen, die auch an Frauen weitergereicht werden konnten.

            Was den Allodialbesitz einer Familie betrifft, waren in den allermeisten Fällen sämtliche ehelich geborenen Kinder des letzten Besitzers gleichberechtigt, sofern nicht einer der Vorbesitzer eine andere Regelung getroffen hatte. Kinder von anerkannten Konkubinen, "Nebenfrauen" oder aus nicht-standesgemäßen Verbindungen wurden in der Regel mit geringfügigeren Anteilen abgefunden, hatten aber - zumindest, so lange es noch legitime Erben gab - bestenfalls in seltenen Ausnahmefällen ein Anrecht auf den adligen Stammsitz selbst.

            Was die Lehen betrifft, so wurden diese zumeist als "Gesamthand-Lehen" verliehen und entsprechend vererbt, wobei der Unterschied zwischen den "Mannlehen" (das war der weit überwiegende Teil und den nicht (ursprünglich) mit militärischen Dienstleistungen verknüpften übrigen Lehen ausschließlich darin bestand, dass bei ersteren die weibliche Linie komplett ignoriert wurde, während sie bei den anderen Lehen (wenn auch wohl zumeist nachrangig zu den männlichen Nachkommen) durchaus zum Zuge kommen konnten.

            Die Regel bei den "Gesamthand-Lehen" sah meines Wissens so aus, dass der jeweils älteste noch lebende Nachfahre der männlichen Stammlinie des ersten Lehnsträgers das komplette Lehen erhielt, aber Teile davon seinen männlichen Miterben für ihren persönlichen Gebrauch überlassen konnte.

            Um nicht ständig das Problem zu haben, dass das Lehen ständig zwischen verschiedenen Familienzweigen hin und her wanderte, kam es gelegentlich zu Verträgen, bei denen ein jüngerer Zweig der Familie gegen eine Entschädigung freiwillig aus dem Lehnsverband ausschied und seine eigene Stammlinie gründete (das kam besonders häufig dann vor, wenn ein jüngeres Familienmitglied ein eigenes Lehen erwerben konnte). Der Verzicht galt in der Regel aber nur bis zum Aussterben des Lehnsverbandes, aus dem man freiwillig ausgeschieden war: gab es bei den anderen keinen männlichen (oder bei Nicht-Mannlehen auch weiblichen) Erben mehr, kam die eigene Linie zum Zuge!

            Nicht-standesgemäße Nachfahren konnten übrigens durch den jeweiligen Landesherren nachträglich als "Adelssproß" legitimiert werden, wenn dieser darum gebeten wurde und sich darauf einließ. Einer meiner Vorfahren hat das für seinen Sohn zu erreichen gesucht, da seine adlige Stammlinie ansonsten ausgestorben wäre, hatte mit seinem Ersuchen aber keinen Erfolg.

            Beste Grüße!
            Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
            - rund um den Harz
            - im Thüringer Wald
            - im südlichen Sachsen-Anhalt
            - in Ostwestfalen
            - in der Main-Spessart-Region
            - im Württembergischen Amt Balingen
            - auf Sizilien
            - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
            - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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            • Koblenzer14
              Erfahrener Benutzer
              • 06.11.2017
              • 203

              #7
              Hallo Sbriglione,

              meinen aufrichtigsten Dank für diese Fülle Informationen!
              Der von Dir aufgezeigte Unterschied zwischen dem Allod und dem Lehen ist ein entscheidender Hinweis und erklärt so einige Ungereimtheiten,die mir aufgefallen sind.

              Z.B der Fall mit den bürgerlichen Erben, obwohl als „Erben der Familie xyz „ bezeichnet ,waren sie nur im Besitz eines mittelgroßen Hofes gelangt ( volles Eigentum). An dem große Lehen der adligen Familie ,zu dem eine Wasserburg und umfangreiche Ländereien gehörte erwarben sie aber nie irgendwelche Rechte,da konnte man das gemeine Volk wohl raushalten

              Verstehe ich deinen ersten Absatz richtig,dass alle ehelich geborene Kinder ,also auch die Töchter gleichberechtigte Erben waren ?

              Beste Grüße

              Oliver

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              • Sbriglione
                Erfahrener Benutzer
                • 16.10.2004
                • 1177

                #8
                Zitat von Koblenzer14 Beitrag anzeigen

                Verstehe ich deinen ersten Absatz richtig,dass alle ehelich geborene Kinder ,also auch die Töchter gleichberechtigte Erben waren ?
                Hallo Oliver,

                ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, ob es wirklich ÜBERALL so war, dass die Töchter gleichberechtigte Erben waren (da könnte es regionale Unterschiede gegeben haben) aber was ich sicher weiß ist, dass sie mindestens einen Anspruch auf eine Abfindung und/oder Versorgung hatten. Spätestens dann, wenn es keine männlichen Erben mehr gab, ging das Erbe am Allodialbesitz aber auf jeden Fall an sie.
                Ansonsten war es immer denkbar, dass es familieninterne Erbregelungen gab, die irgendwann einmal festgelegt wurden, um das Erbe zusammenzuhalten: dann konnte es sein, dass auch der Allodialbesitz innerhalb einer Familie geschlossen an EINEN Erben ging.

                Beste Grüße
                Giacomo
                Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
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                Kommentar

                • Koblenzer14
                  Erfahrener Benutzer
                  • 06.11.2017
                  • 203

                  #9
                  Hallo Giacomo,

                  besten Dank auch für diesen Nachtrag !
                  Dank deiner Infos konnte ich meine Suche etwas präzisieren und habe tatsächlich ein Buch gefunden,was die Thematik wunderbar aufgreift.

                  Aus der Praxis des Staats- und Privatrechts
                  ausgewählte Rechtsgutachten und Denkschriften
                  Von Hermann Johann Friedrich von Schulze-Gävernitz, Hermann Schulze · 1876


                  Genau ,wie du es sagtest ,die Frauen hatten zumindest ein Recht auf Abfindung.
                  Als das Testament immer mehr in Gebrauch kam ,wurde das ganze aber ziemlich uneinheitlich und das Stammgut konnte z.b an den jüngsten Sohn kommen.
                  Es bleibt daher eine absolute Einzelfallbetrachtung.

                  Beste Grüße

                  Oliver

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