Scheidung 1873

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  • Julchen53
    Erfahrener Benutzer
    • 30.09.2015
    • 426

    Scheidung 1873

    Hallo miteinander,


    welchen Scheidungsgrund bzw. welche Möglichkeiten gab es in Arbeiterkreisen um 1873 im Ruhrgebiet?

    Ein Paar heiratete 1864 (Mülheim und Duisburg), eine Tochter wurde kurz davor geboren. Der Mann war lutherisch, die Braut evangelisch.
    Dann wird es rätselhaft:
    Er reist 1873 mit eben dieser Tochter in die USA aus, wo er gleich wieder heiratet.
    Die Frau heiratet 1873 in Dorstfeld einen gebürtigen Mülheimer, laut Eintrag war sie vorher noch nicht verheiratet und sie werden dort auch nur entlassen. Also vermutlich nur Ziviltrauung.
    Erst 5 Jahre später gibt es den Eintrag im Mülheimer Kirchenbuch, worin sie als geschiedene Frau von xxx bezeichnet wird.


    Hat Ehemann 1 sie einfach nur verlassen und sie wollte nicht, dass das bekannt wurde?
    Oder wurde ihr deswegen in Dorstfeld die kirchliche Trauung verwehrt?
    Normalerweise bleibt ein Kind doch bei der Mutter.
    Fand die späte Trauung in Mülheim statt, weil da mittlerweile Gras über die Sache gewachsen war ?

    Hat jemand noch ein paar Theorien? Erfahren werden wir es ja leider nie.

    Liebe Grüße
    Jutta


    PS: Der Fall ist im NRW Forum auch genannt, aber dort integriert in eine Familiensuche
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    Suche alles zum Familiennamen Hündchen / Hündgen (Rheinland)

    Stauch und Ponsold (Kreis Sonneberg)
  • Lock
    Erfahrener Benutzer
    • 07.04.2016
    • 452

    #2
    Hallo Jutta

    Da die Tochter vor der Ehe geboren wurde, ist es wahrscheinlich, das sie nicht ganz "freiwillig" geschlossen wurde, sondern Familiären und oder gesellschaftlichen Zwängen unterlag. Die relativ kurze Dauer der Ehe erhärtet dies.
    Über den Trennungsgrund kann man nur spekulieren.
    Das Kind war ein "Verkehrsunfall" eigentlich wollte die Mutter keins
    Die Mutter war bei der Heirat sehr jung (minderjährig) und andere haben über sie bestimmt
    Sie konnte sich nicht mit den Auswanderungsplänen ihres Ehemannes anfreunden
    Der Vater hat eheliche Gewalt ausgeübt oder war dem Alkohol verfallen

    Wenn Du die Gründe eingrenzen willst, musst Du das Soziale Umfeld der beiden und Ihrer Eltern erforschen.
    Vielleicht findest Du auch die Gerichtsakte der Scheidung.

    v.G.Gerhardt

    Kommentar

    • Julchen53
      Erfahrener Benutzer
      • 30.09.2015
      • 426

      #3
      Hallo Gerhardt,

      ein voreheliches Kind war ja keine Seltenheit. Wenn man durch die Kirchenbücher schaut, gab es viele recht kurze Schwangerschaften.
      Und ob die Ehe glücklich war oder nicht, spielte damals sicherlich nicht eine so große Rolle wie heutzutage.

      Ein Scheidungsurteil dürfte es 1873 eventuell noch gar nicht gegeben haben, bis 1874 lag das ja alles in Händen der Kirche. Darin sehe ich auch einen eventuellen Grund für die 5 Jahre Abstand.

      Die Ehe in Dorstfeld, also relativ weit weg von daheim, wurde ja unter Angabe falscher Tatsachen geschlossen. Vielleicht hatte man sich schon zuvor getrennt, es erstaunte mich nur, dass der Mann die 8jährige Tochter mitnahm bei der Auswanderung.

      Es ist nicht meine Familie, ich helfe da nur weiter.

      Liebe Grüße
      Jutta
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      Stauch und Ponsold (Kreis Sonneberg)

      Kommentar

      • Raschdorf
        Erfahrener Benutzer
        • 25.03.2012
        • 505

        #4
        Hallo,

        zu #1, Zeile 6: was bedeutet: ".... sie werden dort auch nur entlassen" ?

        Jo

        Kommentar

        • Lock
          Erfahrener Benutzer
          • 07.04.2016
          • 452

          #5
          Moin Jutta

          1873 hat mit Sicherheit ein Scheidungsurteil existiert.

          Dokumente über Rechtsstreitigkeiten reichen bis weit vor die Existenz von Kirchenbüchern auch "Familienrecht" oft im Zusammenhang mit Vormundschafts und Erbschaftssachen.

          Ein in etwa analoger Fall datiert bei mir um 1700 herum.
          Im Juni 1693 heiratet der Jägerbursche xy die Tochter des Heidereiters yz.
          Bemerkung des Pfarrer: nach vorangegangener fleischlicher Vereinigung
          Im Oktober 1693 kommt Ihr Kind zur Welt.
          1717 schreibt der mittlerweile zum Oberförster ernannte Jägerbursche einen
          Bittbrief an seinen Dienstherren, wo er seine missliche Lage mit seinen
          Gottlosen Weibern begründet. Die erste bin ich durch Scheidung losgeworden, die zweite ist mir davongelaufen
          1732 stirbt die erstere, geschiedene Wittwe des Hr. Oberförster
          Der Pfarrer fühlt sich verpflichtet auf den Lebenswandel der Frau hin zu weisen. Ehebruch und Hurerey

          Allgemein kann man sagen, das Sorgerecht oblag generell dem Mann und die Frau war weitgehend rechtlos.
          Das BGB von 1900 sagt folgendes.
          2.3.2 Vergleich zu den Müttern ehelicher Kinder
          Die elterliche Gewalt der Mütter unehelicher Kinder muss allerdings auch im Vergleich
          zur ebenfalls fehlenden elterlichen Gewalt der Mütter ehelicher Kinder betrachtet
          werden.
          Gemäß § 1627 BGB stand die elterliche Macht in einer Ehe allein dem Vater zu. Die
          Mutter hatte nur das Recht und die Pflicht für die Person des Kindes zu sorgen,
          vertreten durfte sie ihr Kind nicht (§ 1634 BGB). Verheirateten Frauen wurde ebenso
          die Fähigkeit abgesprochen, ihre eigenen Kinder zu vertreten und sich um die
          Verwaltung des Kindesvermögens zu kümmern.
          Starb der Vater oder „verwirkte“ er sein Recht auf elterliche Gewalt, erhielt die Mutter
          die elterliche Gewalt (§ 1684 BGB). Allerdings wurde vorgesehen, dass ihr vom
          Vormundschaftsgericht ein Beistand bestellt wurde, entweder auf Anordnung des
          Vaters, auf Antrag der Mutter oder wenn das Vormundschaftsgericht dies für nötig
          erachtete (§ 1687 BGB). Vor allem die Vermögensverwaltung wurde der ehelichen
          Mutter nicht generell zugetraut. Es konnten einzelne aber auch alle Angelegenheiten
          sein, die in den Aufgabenbereich des Beistands fielen (§ 1688 BGB). Wenn die Mutter
          wieder heiratete, verlor sie die elterliche Gewalt (§ 1697 BGB).
          Da schon der Mutter eines ehelichen Kindes nicht von Anfang an und in aller
          Konsequenz die elterliche Macht zustand, verwundert es nicht, dass der Mutter des
          unehelichen Kindes diese ebenfalls nicht zustehen sollte.
          Die fehlende Anerkennung und Gleichberechtigung der Frau traf also die ehelichen wie
          die unehelichen Mütter.


          Dazu lässt sich noch bemerken, das bei der deutschen Kleinstaaterei in den einzelnen Ländern unterschiedliche Auslegungen existierten und jedes Land seine eigene Suppe kochte.(das ist ja heute noch so, siehe "Coronaregeln")

          Unter diesen Aspekten ist es nicht verwunderlich, das der Vater die Tochter mit in die USA nahm.

          v.G.Gerhardt

          Kommentar

          • hmw
            Erfahrener Benutzer
            • 16.06.2016
            • 1369

            #6
            Zitat von Julchen53 Beitrag anzeigen
            Der Mann war lutherisch, die Braut evangelisch.
            Hallo Jutta,

            ich kann zwar nichts zu der Sache beitragen, habe aber trotzdem einen Hinweis für dich: Evangelisch ist der Überbegriff, die evangelische Kirche teilt sich dann auf in die lutherische Kirche, die reformierte Kirche usw.
            Es gab hier vor einiger Zeit mal ein entsprechendes Thema: https://forum.ahnenforschung.net/sho...=191757&page=3

            Wünsche dir jedenfalls viel Erfolg bei diesem interessanten Fall!

            Gruß
            Martin

            Kommentar

            • Julchen53
              Erfahrener Benutzer
              • 30.09.2015
              • 426

              #7
              @Jo
              Wenn ein Brautpaar nicht in der Kirchengemeinde lebte, in der es heiraten wollte, musste der/die Auswärtige eine Dimission, also eine Entlassung vom Pfarrer einholen.
              Die Namen werden dann zwar im Kirchenbuch verzeichnet, aber ohne Heiratsdatum. Oft auch mit dem Zusatz, wohin entlassen.

              @Martin,
              mein Fehler, reformiert wäre korrekt gewesen.

              @Gerhard:
              erstaunt war ich hauptsächlich über die Tatsache, dass er überhaupt ein 8jähriges Mädchen bei einer Auswanderung mitnahm. Nicht gerade leicher Ballast, seine neue Frau war noch nicht dabei.
              Dass er die Rechte hatte, hiess ja noch lange nicht, dass er auch die Pflichten übernehmen mochte.
              An 'lockeren Lebenswandel' hatte ich auch schon gedacht.

              Gedanklich hätte ich eine lange Suchliste fürs Archiv.....
              Vielleicht im nächsten Jahr wieder.

              Liebe Grüße
              Jutta
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