Erbe, Hofübergabe

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  • frederica
    Erfahrener Benutzer
    • 09.01.2010
    • 199

    Erbe, Hofübergabe

    Hallo liebe Mitforscher!
    Da mich auch die Lebensumstände meiner Vorfahren in Österr. Schlesien interessieren, suche ich nach Informationen zu dem Thema:
    Erbe, Hofübergabe.
    Einige meiner Vorfahren waren einfache "Häusler" also Kleinbauern, Gärtler aber auch Bauern. Es ist anzunehmen, dass viele - besonders die Häusler - Grund und Boden nur als Lehen hatten.
    In Grundbüchern fand ich um 1700 bis ca. 1780: den Verkauf des Hofes vom Vater an einen der Söhne mit allen Rechten und Pflichten.
    Darin genauestens aufgelistet, wann, an wem, was und wieviel gezahlt werden mußte, auch das Ausgedinge für Vater oder Eltern ist genauestens festgehalten, ebenso die "Ausbezahlung" von Geschwister.
    Jahre später verkauft dieser Sohn dieses Bauerngut wieder an seinen Sohn.
    Meine Frage: Warum mußte der Sohn kaufen und an wen ging diese Kaufsumme? An den Lehensherr? An Großgundbesitzer?
    Mußte auch schon "Erbschaftssteuer" gezahlt werden?
    Gibt es dazu Literatur? Ich habe schon herum gesucht, aber wirklich fündig wurde ich nicht!
    Herzliche Grüße
    frederica

  • #2
    Zitat von frederica Beitrag anzeigen
    Meine Frage: Warum mußte der Sohn kaufen und an wen ging diese Kaufsumme? An den Lehensherr? An Großgundbesitzer?
    Mußte auch schon "Erbschaftssteuer" gezahlt werden?
    Hallo,
    das Geld ging an den Verkäufer. Der war ja noch am Leben. Die Gebühren, die für den Übergang zu entichten waren, waren i. d. R. recht hoch.

    Erbschaftsteuer fällt heute bei Übertragungen unter Lebenden nicht an, höchstens Schenkungsteuer.
    Damals (18. Jhd.) gab es m. W. beide "Folter-"Instrumente noch nicht.

    LG
    Malu

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    • Alter Mansfelder
      Super-Moderator
      • 21.12.2013
      • 4680

      #3
      Hallo Frederica,

      Zitat von frederica Beitrag anzeigen
      warum mußte der Sohn kaufen ...?

      "müssen" musste er nicht (Vertragsfreiheit). Die gesamte Rechtskonstruktion ist aber eine vorweggenommene Regelung der Erbfolge. Der Vater hat entschieden, wer den Hof bekommt, wer mit seinem Erbteil wann auszuzahlen ist und wie seine eigene Altersversorgung aussehen sollte (Ausgedinge). Der Verkauf (richtiger sicher: Erbkauf) mit seinen Detailregelungen setzt die Vorstellungen des Vaters in die Vertragsform um, erspart ihm das Testament und den künftigen Erben vielleicht den späteren Streit.
      Zitat von frederica Beitrag anzeigen
      an wen ging diese Kaufsumme?

      Da musst Du in den Vertrag schauen. Jedem seinen Anteil und dem Vater das, was er für sich zurückbehalten wollte.
      Zitat von frederica Beitrag anzeigen
      An den Lehensherr? An Großgundbesitzer?

      Nein, natürlich nicht. Dafür hätten diese schon selber verkaufen müssen.
      Zitat von frederica Beitrag anzeigen
      Mußte auch schon "Erbschaftssteuer" gezahlt werden?

      Unter diesem Namen gab es das damals noch nicht. Für die Aufzeichnung der Urkunde gab es vielleicht eine Art Schreib-/ Kanzleigebühr. Was darüber hinaus für die Übertragung des Grundbesitzes zu entrichten war, richtet sich nach der Rechtsqualität des Bodens, bei z. B. Lehen die Lehnware (http://lexika.digitale-sammlungen.de/adelung/lemma/bsb00009132_7_0_902) oder ggf. das Besthaupt o. ä. (https://de.wikipedia.org/wiki/Mortuarium#Recht).
      Zitat von frederica Beitrag anzeigen
      Gibt es dazu Literatur?

      Versuchs erstmal mit dem Deutschen Rechtswörterbuch online: https://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/
      Zitat von malu Beitrag anzeigen
      Erbschaftsteuer fällt heute bei Übertragungen unter Lebenden nicht an, höchstens Schenkungsteuer.

      Wobei das de iure grundsätzlich dasselbe ist, daher ja auch Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz: http://www.gesetze-im-internet.de/erbstg_1974/__1.html
      Zitat von malu Beitrag anzeigen
      Damals (18. Jhd.) gab es m. W. beide "Folter-"Instrumente noch nicht.

      Dafür gab es aber andere, siehe oben.

      Es grüßt der Alte Mansfelder
      Gesucht:
      - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
      - Tote Punkte in Ostwestfalen
      - Tote Punkte am Deister und Umland
      - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
      - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
      - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

      Kommentar

      • 1975reinhard
        Erfahrener Benutzer
        • 30.10.2008
        • 325

        #4
        Hallo Frederica,

        der Alte Mansfelder hat es recht gut beschrieben.

        Ergänzend dazu noch:
        Egal, ob Kleinhäusler oder Bauer: Eigentümer des Grundes war bis 1848 der Grundherr (Lehensherr). Der bewirtschaftende Bauer hatte aber bei der Weitergabe seines Besitzes weitgehend freie Hand.

        Wenn du die Datierung dieser Übergabeverträge/Kaufverträge anschaust, fällt auf, dass dieses Datum oft mit der Trauung bzw. dem Ehevertrag des übernehmenden Jungbauern zusammenfällt.

        Viele Grüße
        Reinhard
        Forschungsgebiete:

        waldviertel-genealogie.jimdo.com/
        • NÖ (Waldviertel): Region Gmünd, Weitra, Schrems, Döllersheim

        suedmaehren-genealogie.jimdo.com/
        • Südmähren: Gebiet um Joslowitz

        traunviertel-genealogie.jimdo.com/
        • OÖ: Traunseeregion, Ampflwang, Ottnang,...

        http://sudeten-genealogie.jimdo.com/
        • Böhmen: Beneschau (bei Prag), Königgrätz, Nechanitz, Winterberg/Prachatitz
        • Schlesien: Gebiet um Wigstadtl
        • (Süd-)Mähren: Lispitz

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        • frederica
          Erfahrener Benutzer
          • 09.01.2010
          • 199

          #5
          Vielen Dank für Eure Antworten!
          Trotzdem habe ich noch Probleme mit der Aussage: Der Kaufpreis ging an den Verkäufer = Vater!
          Im Kaufvertrag sagt der Sohn dem Vater für das Ausgedinge wöchentliche Nahrungsmittel, monatlich "Handgeld" 2 x im Jahr Kleidung und Schuhe, sowie das Wohnrecht zu und übernimmt auch die (zukünftigen) Begräbniskosten und dann gibt er ihm noch den Kaufpreis?
          Wovon wirtschaftet er und bezahlt die Schulden und die Geschwister aus?
          (Das Bauerngut war offensichtlich hoch verschuldet.)
          Viele Grüße
          frederice

          Kommentar

          • 1975reinhard
            Erfahrener Benutzer
            • 30.10.2008
            • 325

            #6
            Hallo Frederica,

            meist musste der übernehmende Sohn (oder die übernehmende Tochter) nicht alles allein bezahlen, sondern ein großer Teil wurde durch den einheiratenden Ehepartner beglichen.
            Der einheiratende Ehepartner brachte sein Heiratsgut ein und war gleichberechtigter Besitzer des Anwesens.

            Ein sehr interessanter Artikel hierzu auf einer privaten Genealogieseite:


            Viele Grüße
            Reinhard
            Forschungsgebiete:

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            • Alter Mansfelder
              Super-Moderator
              • 21.12.2013
              • 4680

              #7
              Guten Morgen zusammen,

              Zitat von 1975reinhard Beitrag anzeigen
              Egal, ob Kleinhäusler oder Bauer: Eigentümer des Grundes war bis 1848 der Grundherr (Lehensherr).


              ergänzend dazu noch: Man sollte bei einer solchen Aussage allerdings das ganze Lehnswesen sehen, und dann ist das weniger als die halbe Wahrheit:

              Ein Bauer im Harzvorland des 16.-18. Jahrhunderts zum Beispiel besitzt seinen Boden meist als Afterlehen, Erbzinsgut, Lassgut oder als Mix aus all diesen vom Amt (= Landesherr), von einem oder mehreren niederadligen Herren von X und oft zusätzlich von der Kirche (er hat also nicht selten mehr als nur einen Grundherrn/ Lehnsherrn). Der niederadlige Herr von X (= Lehnsherr) ist dabei nicht Eigentümer des Bodens, denn er hat ihn in der Regel entweder vom hochadligen Grafen/ Herzog/ Kurfürsten von Y oder von einem kirchlichen Stift, Hoch- oder Erzstift (= Oberlehnsherren = Landesherren) auch als Lehen erhalten. Diese wiederum besitzen den Boden entweder als Lehen vom Reich (die Grafen gegebenenfalls auch zusätzlich vom Herzog, Kurfürsten oder vom Hoch- oder Erzstift) oder als freies Eigen. Nur im allerletzten Fall des freien Eigens sind sie "Eigentümer".

              Zitat von 1975reinhard Beitrag anzeigen
              Der bewirtschaftende Bauer hatte aber bei der Weitergabe seines Besitzes weitgehend freie Hand.


              Das kann ich für das Harzvorland bestätigen: Wenn Erben innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Tode des Belehnten um Neubelehnung nachsuchen, dann erhalten sie sie auch. Denn ein Erblehen kann nicht ohne weiteres entzogen werden (anders z. B. Mannlehen). Ich meine, dass es bei Erbzinsgütern ähnlich ist, bei Lassgütern ist der Schutz wohl etwas schwächer. Soweit ich gehört habe, hatten aber nicht überall in Deutschland die Bauern einen so guten Stand.

              Es grüßt der Alte Mansfelder
              Zuletzt geändert von Alter Mansfelder; 12.04.2016, 10:09.
              Gesucht:
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              • gki
                Erfahrener Benutzer
                • 18.01.2012
                • 4842

                #8
                Hallo Frederica!

                Zitat von frederica Beitrag anzeigen
                Vielen Dank für Eure Antworten!
                Trotzdem habe ich noch Probleme mit der Aussage: Der Kaufpreis ging an den Verkäufer = Vater!
                Im Kaufvertrag sagt der Sohn dem Vater für das Ausgedinge wöchentliche Nahrungsmittel, monatlich "Handgeld" 2 x im Jahr Kleidung und Schuhe, sowie das Wohnrecht zu und übernimmt auch die (zukünftigen) Begräbniskosten und dann gibt er ihm noch den Kaufpreis?
                Wovon wirtschaftet er und bezahlt die Schulden und die Geschwister aus?
                (Das Bauerngut war offensichtlich hoch verschuldet.)
                Die "Kauf"-Summe war oft so gestaltet daß sie die Zahlungen an die Geschwister einschloß, auch die ausstehenden Schulden.

                Der Vater erhielt also sicher nicht den Gesamtbetrag, eventuell erhielt er auch gar nichts, denn er bekam ja den Austrag.

                Müßtest Du mal an Deinem Beispiel überprüfen.

                Ein Beispiel von meinen Ahnen:

                Gesamtsumme ist 281 fl 39 kr.

                Schulden:

                80 fl an die Kirche in Wernstein
                3 fl 24 kr ausständige Zinszahlungen an die Herrschaft
                14 fl 15 kr an einen Reitknecht namens Andreas
                28 fl geliehenes Geld an die andere Tochter
                61 fl geliehenes Geld aus der Vormundschaftskasse
                15 fl an den Oberbäcker

                weiter:
                70 fl Erbgut für den Bruder Franz
                10 fl für das Begräbnis.

                Zusammen:
                281 fl 39 kr

                Paßt also.

                Das Gut selber wurde auf einen Wert von 390 fl geschätzt, die Abgabe (10%) dafür mußte die übernehmende Tochter direkt zahlen, ferner die Gerichtsgebühren.
                Gruß
                gki

                Kommentar

                • gudrun
                  Erfahrener Benutzer
                  • 30.01.2006
                  • 3277

                  #9
                  Übergabe

                  Hallo,

                  wegen der Übergabe mußten die Söhne oder Töchter die Übernahmen ja auch einen "Geldigen" Partner haben.
                  Manchmal wäre der Übernehmer besser gestellt gewesen,
                  wenn er sich irgendwo eingekauft hätte und nicht übernommen hätte.
                  Die Schulden und Auszahlkosten an die Geschwister überstiegen manchmal
                  den Wert des Anwesens.
                  Die Eltern hatten oft auch einen sehr hohen Austrag.
                  Das habe ich bei der Familie meines Mannes und in meiner Familie festgestellt.

                  Viele Grüße
                  Gudrun

                  Kommentar

                  • gki
                    Erfahrener Benutzer
                    • 18.01.2012
                    • 4842

                    #10
                    Zitat von gki Beitrag anzeigen
                    Das Gut selber wurde auf einen Wert von 390 fl geschätzt, die Abgabe (10%) dafür mußte die übernehmende Tochter direkt zahlen, ferner die Gerichtsgebühren.
                    Zur Ergänzung: der einheiratende Schwiegersohn brachte 70 Gulden mit (+ gesperrte Truhe). Das entsprach also dem Erbteil der Übernehmerin (wenn man davon ausgeht, daß sie genauso viel wie ihr Bruder bekam). Den Rest dürfte dann der Austrag ausgemacht haben:

                    390 fl Wert des Guts
                    - 281 fl 39 kr Übergabssumme
                    - 70 fl Erbanteil der Übernehmerin
                    ======================
                    = 38 fl 21 kr Auszug
                    Gruß
                    gki

                    Kommentar

                    • frederica
                      Erfahrener Benutzer
                      • 09.01.2010
                      • 199

                      #11
                      Hallo, herzlichen Dank für die vielen Info zu diesem Thema .
                      Ich habe mal auf Empfehlung von gki nachgerechnet :
                      Es entsprach die " Kaufsumme " :
                      den Schulden ( offenen Zinszahlungen ) ,
                      der Auszahlung an die Geschwister ( waren gleich 4 Stück )
                      dem monatlichen Handgeld an den Vater
                      undZinsen für geliehenes Geld an Nachbarn .
                      Ich denke die Höhe des Kaufpreises wurde bewußt so berechnet .
                      Erbanteil durch Ehepartner habe ich keinen gefunden, sie waren schon etliche Jahre verheiratet und hatten selber schon jede Menge Kinder .
                      Der Vater hat kurz nach dem Tode der Ehefrau den Hof übergeben.
                      Waren wohl sehr harte Zeiten !
                      Herzlichen Dank Euch allen !
                      frederica

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