Fragen zum Heiraten und Eherecht in Baden im 19. Jahrhundert

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  • rhinopeak
    Benutzer
    • 05.02.2014
    • 66

    Fragen zum Heiraten und Eherecht in Baden im 19. Jahrhundert

    Hallo,
    ich bitte um Auskünfte zum Heiraten und Eherecht in Baden im 19. Jahrhundert:

    Hintergrund:
    - mein Vorfahre Franz Sales wurde unehlich von Klara in Oberried bei Freiburg geboren
    - Taufpatin war Karolina eine Schwester von Karl, dem Mann, den Klara (die Mutter des Franz Sales) 13 Jahre später geheiratet hat
    - 13 Jahre nach der Geburt von Franz Sales heiratet seine Mutter Klara den Bruder Karl seiner Taufpatin Karolina. Zeitgleich wird Franz Sales von Karl "ehelich anerkannt"
    - Die 13 Jahre Verzögerung werden in der Familie mit finanziellen Schwierigkeiten kolportiert

    Ich habe den ergänzenden Hinweis von einem Ahnenforscher bekommen, dass es in Baden bis ca. 1870 ein Gesetz gab, welches eine Heirat von Ehewilligen erst zuliess, wenn ein bestimmtes und nicht unbeträchtliches Vermögen vorgewiesen werden konnte. Ich habe deswegen das damals gültige Badische Landrecht gelesen (http://de.wikipedia.org/wiki/Badisches_Landrecht_1810) und konnte keine Regelung finden, die ein Vermögen für eine Ehe voraussetzt (die Mitgift=Ehesteuer die darin geregelt ist, schreibt weder Höhe noch Notwendigkeit vor).

    Deshalb folgende Fragen:.
    - Kennt jemand eine solche Regelung, welche Vermögen für Heirat voraussetzt?
    - Was ist die gesetzliche Grundlage dafür?
    - Waren Verzögerungen beim Heiraten aufgrund von fehlendem Vermögen in Baden im 19. Jahrhundert üblich?

    Gruß

    rhinopeak
    ________________

    https://www.bod.de/buchshop/die-wies...-9783746088662

    Interessensgebiete:
    Kohl aus Brüx/Most, Hochpetsch/Bečov, Saidschitz/Zaječice, Schwätz/Bedřichův Světec
    Rudolf aus Paredel/Paridla, Moldau/Moldava, Grünwald/Pastviny
    Mauz aus Burladingen
    Wiestler/Wiestner/Wüestler aus Freiburg, Kirchzarten, Oberried, Vörlinsbach, St. Wilhelm, Steinwasen, Katzensteig
    Schönebaum aus Derenburg, Heudeber, Heimburg
    Metschnabel aus München
    Reichel, Noske aus Dresden
  • Juengling
    Benutzer
    • 15.12.2014
    • 8

    #2
    Badisches Eherecht

    Hallo rhinopeak,

    im Grossherzogtum Baden galt zum damaligen Zeitpunkt nicht nur das Badische Landrecht sondern auch die Eheordnung von 1807.

    Zum Stand des Eherechts gibt es bei Google Books ein ausführliches Buch:


    Daneben galt neben dem weltlichen Recht auch das jeweilige Kirchenrecht, die Zivilehe wurde erst später eingeführt und die Trauungen wurden zum massgeblichen Zeitpunkt vom Ortspfarrer (in staatlicher Funktion als "Standesbeamter") vorgenommen.

    Allerdings hast Du recht, ein Mindestvermögen war nicht vorgeschrieben.
    Ich glaube das Hindernis ist in einem anderen Bereich begründet.

    Das Bürgerrecht (mit den damit verbundenen Privilegien wie Holzbezug, Nutzung der Allmendflächen der Gemeinde etc.) war von einem bestimmten Vermögen abhängig.

    Viele konnten sich in das Bürgerrecht erst einkaufen nachdem sie - zum Teil über Jahre - das notwendige Vermögen zusammengespart hatten.
    Geregelt war das in dem Gesetz vom 01.02.1809 (abgedruckt im Grossherzoglich Badischen Regierungsblatt von 1809, S. 93 ff.). Die Quelle ist im Digitalserver der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe online einsehbar.

    Das Bürgerrecht war zwar keine rechtliche Bedingung für die Eheschliessung, war aber gesellschaftlich Vorraussetzung.

    Ohne Bürgerrecht war man lediglich ein sogenannter "Hintersasse" und damit sozial auf unterer Stufe. Dieser Makel war grösser als der Makel eines unehelichen Kindes.
    Die Ehefrau erwarb das Bürgerrecht dann über die Heirat mit Ihrem Mann, der das Bürgerrecht hatte, sonst hätte sie es selbst ebenfalls erkaufen müssen.

    Gerade in kleineren Dörfern mit armer Bevölkerung ist eine Eheschließung nachdem bereits mehrere Kinder vorhanden sind nichts Äußergewöhnliches.
    Einerseis musste die Familie unterhalten werden, andererseits Rücklagen für den Erwerb des Bürgerrechts bilden und auch die Eheschließung selbst war mit Kosten verbunden.
    Vorliegend war wohl die Schwester des Ehemannes auch Taufpatin.

    Das begründet nach kanonischem Recht eine sogenannte geistliche Verwandtschaft, die nach katholischer Kirchenlehre eine nachgebildete Verwandtschaft ist, welche durch die Taufe und Firmung zwischen dem Paten und Täufling, bzw. Firmling entsteht und ein Ehehindernis begründet, zu dessen Beseitigung es der geistlichen Dispensation bedarf. Auch das war mit - teils erheblichen - Kosten verbunden.

    Heutzutage ist alles etwas einfacher.

    Kommentar

    • didirich
      Erfahrener Benutzer
      • 02.12.2011
      • 1344

      #3
      Hallo
      zum Recht auf Heirat gab es in Baden und Württemberg doch sehr unterschiedliche Bestimmungen.
      hier nochmal ein kleiner Ausschnitt
      Gruß didirich
      Angehängte Dateien

      Kommentar

      • Juengling
        Benutzer
        • 15.12.2014
        • 8

        #4
        Zum Beitrag von didirich sollte man erwähnen, dass dies alleine die Rechtslage im Königreich Württemberg betrifft.
        Mit dem badischen Eherecht gibt es nur eine geringe Schnittmenge.
        Das württembergische Gesetz über das Gemeinde-Bürger- und Beisitz-Recht vom 15. April 1828 war durch Gesetz vom 4. Dezember 1833 (RegBl. S. 509) vollständig revidiert worden und war im Vergleich zur liberalen und modern anmutenden Regelung des französischen Rechtes, das im Grossherzogtum Baden galt, wesentlich reaktionärer.

        Das ist zum Teil der damaligen Verfassung des Königreichs Württemberg geschuldet. Dessen zweite Kammer war nur teilweise eine Volksvertretung und war bis 1906 zwangsweise mit Vertretern konservativer Kreise besetzt.

        Heute ist es nur schwer vorstellbar welch gravierenden Beschränkungen die Generationen vor uns unterworfen waren. Die oft beschworene "gute alte Zeit" ist eher eine romantische Vorstellung als Realität.
        Zuletzt geändert von Juengling; 16.12.2014, 00:58.

        Kommentar

        • rhinopeak
          Benutzer
          • 05.02.2014
          • 66

          #5
          Hallo,

          vielen Dank noch mal für die super gute, ausführliche und sehr gehaltvolle Antwort. Ich bin dabei das alles zu verarbeiten und zu verstehen. Mein erster Eindruck ist, dass das genau die richtige Spur ist.

          Für andere Interessierte zu dem Thema: das oben von Juengling erwähnte Badische Regierungsblatt findet sich hier: http://digital.blb-karlsruhe.de/blbi...ageview/743231

          Gruß

          Rhinopeak
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