Bauern, Pächter - "Inwohner"

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  • rikadel
    Erfahrener Benutzer
    • 25.12.2015
    • 112

    Bauern, Pächter - "Inwohner"

    Guten Abend,

    ich gehe im Moment Familienbeziehungen im nördlichen Oberfranken nach (Gemeindegebiet heute Trogen), was im 17. und 18. Jahrhundert ein durchgehend äußerst ländlich strukturiertes Gebiet war - sehr viel Grund war in Adelsbesitz, insbesondere der Herren v. Feilitzsch.

    In den Tauf- und Heiratseinträgen begegnen mir Taglöhner, ab und an Dienstknechte/-Mägde, Bauern und Halbbauern, Pächter - und Inwohner.

    Weiß jemand zu dieser Gegend Genaueres darüber, wie die Abgrenzung zwischen "Bauer" und "Pächter" war? Bewirtschafteten Bauern grundsätzlich eigene Höfe?
    Uns was kann "Inwohner" bedeuten? Haben sie auf eigene Rechnung auf den Höfen anderer Bauern gearbeitet? Können das auch (unverheiratete) Brüder oder Schwestern eines Hofbesitzers oder Pächters sein?

    Ich freue mich über jede geschichtliche Nachhilfe!

    Herzlich Rikadel
  • Anna Sara Weingart
    Erfahrener Benutzer
    • 23.10.2012
    • 15113

    #2
    Hallo,
    "Inwohner" kenne ich aus Südwestdeutschland im Sinne von Bedeutungserklärung 1.) auf der Seite: http://wiki-de.genealogy.net/Incola

    Dagegen der "Inwohner" als Bezeichnung für einen auf dem Hof eines Bauern wohnenden, mitarbeitenden Tagelöhner, wird hier erläutert, im Abschnitt Taglöhner/Inwohner: http://www.ahnenforschung-benz.de/gewerbe.htm

    Gruss
    Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 08.01.2016, 22:35.
    Viele Grüße

    Kommentar

    • gki
      Erfahrener Benutzer
      • 18.01.2012
      • 4823

      #3
      Hallo,

      aus Niederbayern kann ich zu Inwohnern sagen, daß diese eigentlich immer verheiratet waren. Es kann aber durchaus sein, daß sie auf dem Hof geboren wurden, aber eben ein Bruder oder Schwester den Hof übernahm.

      Der Unterschied "Pächter" gegenüber "Bauern" kenne ich so nicht. Es gab allerdings verschiedene Rechtsformen: Eigen (sehr selten), Erbrecht, Leibrecht, Freistift.

      Es könnte sein, daß die Erbrechter als Bauern bezeichnet wurden, die anderen als Pächter.

      Gibt es für die Gegend einen Band des Historischen Atlas von Bayern? Da könnte sowas drinstehen.
      Gruß
      gki

      Kommentar

      • Dunkelgraf

        #4
        Im oberfränkischen bzw sachsen-coburgischen lässt sich folgendes unterscheiden:

        Bauer: ist Besitzer und Lehen-Träger (Steuerlich verantwortlicher) eines Hofes mit 15 bis 30 Acker Land
        Söldner ist der Lehen-Träger und Bewirtschafter eines Hofes bis 15 Ackern
        Tropfhäusler: besitzt d.h. ist Lehnträger eines eigenen Wohnhauses, aber ohne Grundstücke. Es gehört nur soviel Land dazu wie die Dachrinne tropft (daher auch oft als Tropfhäuser bezeichnet).
        Taglöhner ernährt sich durch den Taglohn, d.h. er hat keinen Jahresvertrag wie der Knecht, sondern geht bei verschiedenen Bauern während eines Jahres zur Arbeit, meist kurzfristig für wenige Tage zum gleichen. Er wohnt oft in einem oben beschriebenen Tropfhaus.
        Pächter ist der Bewirtschafter eines gepachteten Hofes, bei dem der Lehenträger bzw Steuer-Verantwortliche jemand anderes ist.
        Sackbauer ist jemand, der seine Steuern zahlt, nachdem bereits gedroschen und das Getreide in Säcke abgefüllt ist. Alle anderen beglichen ihre Steuern mit den ungedroschenen Garben vom Feld weg. Sie durften nicht eher einfahren bis der Zehnder die Steuer-Garben ausgesucht hatte.
        Inwohner sind mit Mietern gleichzusetzen, unabhängig von der Gebäudeart (ob Hofhaus, Austragshaus oder Tropfhaus)

        Vielleicht hab ich Dir etwas weiterhelfen können
        Gruß
        Dunkelgraf

        Kommentar

        • rikadel
          Erfahrener Benutzer
          • 25.12.2015
          • 112

          #5
          Danke, das hilft alles schon mal weiter!

          Noch eine Frage an Dunkelgraf:
          In den Kirchenbüchern von Trogen ist etwa ab 1750 der soziale Status penibel vermerkt, so dass bei den "Inwohnern" neben den Bauern, Knechten, Mägden und Taglöhnern als einzigen unklar bleibt, wie sie wohl ihr Leben gefristet haben.
          Ist es denkbar, dass es sich hier um die Brüder von Hoferben handelt, die weiter auf dem Hof gewohnt und dort mitgearbeitet haben? Oder hieße das den Interpretationsrahmen überziehen?

          Herzlich Rikadel

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          • holsteinforscher
            Erfahrener Benutzer
            • 05.04.2013
            • 2491

            #6
            Moinsen von der Kieler-Förde,
            Bauern bewirtschaften in der Regel eine Hofstelle, die sich in
            ihrem Besitz oder Eigentum befindet, vergl. mit Hufner, Spänner usw..
            Im Gegensatz zum Pächter sind diese Stellen nicht zeitlich begrenzt.

            Als Pächter werden jene Bezeichnet, die im Sinne des Wortes *Pacht*
            eine Stelle auf Zeit bewirtschaft, somit nicht Eigentümer sind.

            Aus dem Begriff "Inwohner" oder auch Einlieger kann man nicht unbedingt
            eine verwandtschaftliche Beziehung herleiten. Wenn, dann müsste sich
            auch eine Namensgleichheit in den Kirchenbüchern finden lassen.
            I.d.R. waren die Inwohner auch auf den Höfen tätig.

            LG. Roland
            Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
            Roland...


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            • Dunkelgraf

              #7
              Zitat von rikadel Beitrag anzeigen
              Ist es denkbar, dass es sich hier um die Brüder von Hoferben handelt, die weiter auf dem Hof gewohnt und dort mitgearbeitet haben? Oder hieße das den Interpretationsrahmen überziehen?
              Wenn sie nicht direkt als Knecht oder Magd beim Bruder unter Vertrag standen, dann zahlten sie eventuell auch Miete und waren damit auch Inwohner, da sie ja nicht im eigenen Haus wohnten.
              Aber ehrlich gesagt, sind mir solche Fälle eher selten untergekommen. Geschwister blieben eigentlich nur auf dem Hof wenn sie körperliche Handicaps hatte, taub, stumm, bucklig, klumpfüssig oder "mente capte" waren. Ansonsten suchten sich Geschwister eigentlich eher andere Dienstherren.
              und warum gehst Du von männlichen Hoferben aus?
              In Franken gab es ursprünglich fränkisches Erbrecht, was heisst, dass jedes Kind gleich viel erbt, egal ob weiblich oder männlich. Da das irgendwann dazu führte, dass die Höfe imme kleiner wurden, führte man in einigen Gegenden Frankens das Minoratsrecht ein d. h. Haupterbe ist das jüngste Kind egal ob Sohn oder Töchter. Das hat sich teilweise bis ins 20 Jahrhundert fortgesetzt.

              Gruß
              Dunkelgraf

              Kommentar

              • rikadel
                Erfahrener Benutzer
                • 25.12.2015
                • 112

                #8
                Guten Abend und herzlichen Dank für eure Anregungen!

                Ich komme selber aus einer Ackerbürger-/Bauernfamilie im nördlichen Oberfranken - und auf den Höfen denkt man auch heute noch in erster Linie ans jüngste Kind, wenn es um die Übernahme geht. Das hätte mich noch nicht ins Grübeln gebracht.
                Den Hof, den ich da untersuche, hat später auch wirklich eine jüngste Tochter geerbt. Zwischen Mitte des 17. und bis Ende des 18. Jh. standen einfach immer Jungs als jüngste zur Verfügung.

                Es geht um eine etwas seltsame Variante Mitte des 18. Jh. Dazu muss man wissen, dass die Ortschaft sehr überschaubar ist und auch heute nur ein Dutzend Anwesen hat. Auf dem Hof gibt es einen ältesten und einen jüngsten Sohn; der Vater stirbt, als der älteste 16 Jahre alt ist, die Mutter lebt noch 11 Jahre.
                Beide Söhne bleiben nachweislich im gleichen kleinen Ort und heiraten; bei der Geburt der ersten Kinder werden beide als "Inwohner" bezeichnet - der älteste jedoch später als "Bauer", während der jüngste eine Pachtstelle im Nachbarort übernimmt.

                Naja, wahrscheinlich wird das Rätsel ein solches bleiben...

                Herzlich Rikadel

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                • holsteinforscher
                  Erfahrener Benutzer
                  • 05.04.2013
                  • 2491

                  #9
                  Nochmals der Küstenfunk,
                  ...eine jüngste Tochter geerbt...hierbei spricht man von einem
                  *Minorat* oder auch *Jüngstenerbrecht*, was hier wohl auch
                  für Frauen galt.
                  Somit kann man wohl davon ausgehen, dass sich die älteren
                  Geschwister auf anderen Höfen verdingen mussten, da viele
                  Höfe nicht genügend Ertrag abwarfen um mehrer Familien zu
                  versorgen.
                  ...werden beide als "Inwohner" bezeichnet..., ich habe mich einmal
                  durch meine Unterlagen gewühlt. Sitze zwar hier hoch im Norden,
                  aber viele Gegebenheiten findet man überall:
                  Hier vermute ich eine Bezeichnung für Einwohner ohne eigenen Grund-
                  besitz, somit nicht Vollmitglieder der Dorfgemeinschaft sind, wie
                  z.B. die Vollbauern, wohl aber einem Gewerbe nachgehen, da hier
                  eindeutig nach Knechten und Mägden unterschieden werden.

                  ...später als "Bauer", während der jüngste eine Pachtstelle im Nachbarort übernimmt...,
                  somit hatte der älteste Bruder wohl großes Glück und konnte in eine
                  bauernstelle einheiraten oder erwerben.
                  Der andere Bruder *pachtete* seine Stelle im Nachbarort, war aber
                  letztlich auch ein Bauer.

                  Soderle, meine Gedanken zur Nacht
                  Roland
                  Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
                  Roland...


                  Kommentar

                  • gki
                    Erfahrener Benutzer
                    • 18.01.2012
                    • 4823

                    #10
                    Hallo!
                    Zitat von rikadel Beitrag anzeigen
                    Es geht um eine etwas seltsame Variante Mitte des 18. Jh. Dazu muss man wissen, dass die Ortschaft sehr überschaubar ist und auch heute nur ein Dutzend Anwesen hat. Auf dem Hof gibt es einen ältesten und einen jüngsten Sohn; der Vater stirbt, als der älteste 16 Jahre alt ist, die Mutter lebt noch 11 Jahre.
                    In Niederbayern hätte ich damit gerechnet, daß die Mutter nochmal heiratet und mit ihrem zweiten Mann den Hof weiterführte. ggf übernahm dann ein Kind aus der zweiten Ehe oder der Mann heiratete nochmals.
                    Gruß
                    gki

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                    • Dunkelgraf

                      #11
                      Zitat von rikadel Beitrag anzeigen
                      Auf dem Hof gibt es einen ältesten und einen jüngsten Sohn; der Vater stirbt, als der älteste 16 Jahre alt ist, die Mutter lebt noch 11 Jahre.
                      Beide Söhne bleiben nachweislich im gleichen kleinen Ort und heiraten; bei der Geburt der ersten Kinder werden beide als "Inwohner" bezeichnet - der älteste jedoch später als "Bauer", während der jüngste eine Pachtstelle im Nachbarort übernimmt.
                      Hi Ridkal,

                      ich habe das auch mal für mein Heimatdorf untersucht (40 Höfe). Da hat sich einiges ergeben. u.A. habe ich festgestellt, dass einige Familien doch durchaus mehrere Höfe besaßen, die sie dann auch verpachteten oder von einem Hof aus bewirtschafteten und nur das Haus vermieteten. Was ich schnell gelernt habe, war mich von der Vorstellung zu verabschieden, dass die Höfe über Jahrhunderte und Generationen im Familienbesitz blieben. Nein, die wurden munter hin und her verkauft, geteilt, gedrittelt und geviertelt, und dann mal wieder alles zusammengekauft. Selten blieb ein Hof mehr als zwei Generationen in der gleichen Familie.

                      Kann der ältere Sohn, nicht eventuell den Hof von seinem Paten übernommen haben (oft üblich wenn dieser keine Kinder hatte) oder sich den Hof erheiratet haben? (dabei muss die Frau nicht mal aus diesem Dorf sein, aber vielleicht ihre Mutter oder Großmutter?)

                      Junge Ehepaare bezogen häufig ein Mietshaus oder auch einen kleinen Pachthof, wenn die Eltern den eigenen Hof noch bewirtschafteten und kehrten erst später in den eigenen Hof zurück. u.U. lag das auch an familiären Zerwürfnissen. Da sich Pachtzeiten meist auf 3 Jahre beliefen, ist das die Zeit wo einem plötzlich mitten drin ein bis 2 Kinder fehlen bei der Suche, die dann oft in einem anderen auch weit entfernten Kirchenbuch stehen.

                      Gruß
                      Dunkelgraf

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                      • Heike Irmgard
                        Erfahrener Benutzer
                        • 22.11.2016
                        • 461

                        #12
                        Hallo,

                        meine Erfahrung mit der Bezeichnung "Inwohner" in den KB des Frankenwalds: Inwohner bedeutet ungefähr das gleiche wie heute Einwohner, also jemand, der im Ort wohnt (der aber wahrscheinlich i. U. zum heutigen Einwohner eigenen Besitz haben mußte; der Begriff wird also ganz anders als in Gegenden wie z. B. dem Böhmerwald verwendet, wo mit dem Inmann, Inwohner der Mieter ohne eigenen Hausbesitz gemeint ist). Bis ca. 1750 ist in den oberfrk. KB, wenn der Begriff "Inwohner" allein verwendet wurde, meist jemand gemeint, der von Beruf Bauer war; bei Handwerkern hieß es dann regelmäßig "Inwohner und Müllermeister", "Inwohner und Leinweber" etc. Nach 1750 wird auch "Inwohner und Bauer" üblich.

                        Pächter wurden meist "Beständner" genannt; wenn der Ausdruck "Pächter" oder "Pachtmann" verwendet wurde, waren es bei meinen Vorfahren Pächter von adligen Gutshöfen, die bis ca. 1650 meist von Verwaltern bewirtschaftet wurden und später oft an bäuerliche Pächter vergeben wurden. Eine andere Bezeichnung dafür war "Halbbauer". Bei dem Begriff "Pächter" bin ich mir aber nicht sicher, ob man das, was ich bei meinen Vorfahren glaube herausgefunden zu haben, auch wirklich verallgemeinern kann (habe noch zu wenig Vergleichsfälle ausgewertet).

                        Gruß von Heike

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