Passierschein der Kommandatur des Arbeitslagers für einen Tag

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  • derteilsachse
    Gesperrt
    • 28.10.2013
    • 1286

    Passierschein der Kommandatur des Arbeitslagers für einen Tag

    Hallo
    ich bin bei der Erforschung der "Kriegstätigkeit" meines Vaters auf ein Rätsel gestoßen!
    Zur Vorgeschichte: Ich habe herausgefunden, dass Vater im Volkssturm (16 bis 60 jährige) in Ölmitz (Olomouce) "an der Front" war. Am 6. Mai nahm die rote Armee Ölmitz ein. Er wurde zuerst in ein Kriegsgefangenlager bei Auschwitz gebracht, dann kam er über Ostrau (Ostrava) nach Lazy.
    Nun habe ich ein tschechisches Dokument gefunden in dem übersetzt Folgendes steht:
    Passierschein für den 16.9.1946 1 Uhr bis 16.9.1946 24 Uhr zum Zwecke der Fahrt nach Karvina und zurück.
    Karvina ist ca. 10 km nordöstlich von Lazy.
    Den Grund für die Erstellung des Passierscheines kenne ich nicht!
    Aber: Um 24 Uhr hätte Vater wieder im Arbeitslager sein müssen!
    In der Familienchronik steht geschrieben: Über Miltenberg (amerikanische Besatzungszone!) ist Vater nach Leipzig gekommen, von dort aus nach Friedrichroda wo er am 23.11.1946 seine Eltern wieder traf.
    Nun meine Fragen:
    - War das eine geplante/vorbereitete Flucht?
    - Um über Miltenberg nach Friedrichroda zu kommen, mußte er doch Geld besitzen? Aus Briefen weiß ich, dass er bereits im Gefangenenlager Lazy wußte, dass seine Eltern in Friedrichroda leben. Warum dieser Umweg über Miltenberg?
    - Und: Um die sowjetische Besatzungszone zu verlassen - er brauchte sicher Papiere hierzu?
    Fragen über Fragen!
    Hat jemand Ähnliches zu berichten?
    Besser wäre: Jemand könnte mir bei diesem Rätsel weiterhelfen!
    Freue mich auf Antworten.
    Viele Grüße
    Reinhard
  • Vogelsberger
    Benutzer
    • 17.05.2015
    • 97

    #2
    Hallo Reinhard,

    es muß nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen dem Passierschein und dem Ende der Kgf. bestehen. Er könnte auch später einfach regulär entlassen wurden sein. Ohne Entlassungspapiere hätte er große Schwierigkeiten gehabt, denn Männer im wehrfähigen Alter wurden sehr häufig kontrolliert (und ohne Entlassungspapiere ins nächste Lager gebracht) und er hätte die Entlassungspapiere bei der Kommandantur seines Wohnorts vorlegen müssen, denn ohne Papiere kein Ausweis, keine Lebensmittelkarten usw.

    Der Umweg über die US-Zone erklärt sich evtl. mit einer Ausweisung aus der Tschechei nach der Entlassung, wie bei Sudetendeutschen.

    Grüße

    Kommentar

    • AlAvo
      • 14.03.2008
      • 6186

      #3
      Zitat von derteilsachse Beitrag anzeigen
      - War das eine geplante/vorbereitete Flucht?
      - Um über Miltenberg nach Friedrichroda zu kommen, mußte er doch Geld besitzen? Aus Briefen weiß ich, dass er bereits im Gefangenenlager Lazy wußte, dass seine Eltern in Friedrichroda leben. Warum dieser Umweg über Miltenberg?
      - Und: Um die sowjetische Besatzungszone zu verlassen - er brauchte sicher Papiere hierzu?

      Hat jemand Ähnliches zu berichten?

      Reinhard
      Hallo Reinhard,

      nun, der Grund der Ausstellung des Passierscheines liegt im Dunkeln. Ob dieser im Zusammenhang mit dem Treffen seiner Eltern steht, lässt sich nicht unbedingt ableiten, wenn man die zeitliche Abfolge betrachtet.
      Auch der Umweg über Miltenberg ist so nicht erklärbar.

      Aus der Historie meiner Familie ist mir bekannt, dass das Verlassen und Betreten der sowjetische Besatzungszone ohne Papiere eher die Regel war.
      Meist gab es jedoch nur eine Richtung und zwar das endgültige illegale Verlassen der Sowjet-Zone.
      Eine legale Ein- und Ausreise für "normale" Bürger war, wenn überhaupt, mit großen bürokratischen Hindernissen verbunden.

      Der mögliche illegale Besuch seiner Eltern war mit Sicherheit ein riskantes Unterfangen, wenn man sich die Umstände der damaligen Zeit vergegenwärtigt.

      Im Fall meiner Familie gab es, bedingt durch den Schwarzhandel mit Nutztieren, einen regen illegalen "Grenzverkehr"
      Letztendlich verließ die gesamte Familie meiner Mutter 1947 illegal die Sowjet-Zone, während meine Mutter in Hof/Bayern wegen illegalem Glücksspiels (sie wollte die Einnahmen aus dem Schwarzhandel vermehren) für 6 Monate in Haft saß.
      Bei ihrer Rückkehr musste sie dann feststellen, dass niemand mehr da war. Sie verließ dann sofort die Sowjet-Zone in Richtung Bayern, natürlich auch illegal.


      Viele Grüße
      AlAvo
      War Mitglied der Lettischen Kriegsgräberfürsorge (Bralu Kapi Komiteja)

      Zirkus- und Schaustellerfamilie Renz sowie Lettland

      Reisenden zu folgen ist nicht einfach, um so mehr, wenn deren Wege mehr als zweihundert Jahre zurück liegen!


      Kommentar

      • derteilsachse
        Gesperrt
        • 28.10.2013
        • 1286

        #4
        Hallo Alavo
        @Vogelsberger
        Danke für euere Antworten!
        Alavo,ich hätte nicht gedacht,dass wir uns so schnell wieder treffen!Mit deiner Erlaubnis nehme ich deine Antwort mit zu meinen Recherchen?
        Es ist eine gewisse Parallelität festzustellen:anscheinend war die illegale Flucht am "einfachsten" über Bayern!?
        Aufgrund deiner Antwort habe ich noch mal nachgeschaut,welche Details hilfreich sein könnten unter diesen neuen Gesichtspunkten.
        1.Ein Brief von meinem Vater aus Lazy vom 9.9.1945.Er war an eine Maria Rechziegel in Reichenau,Schillerstraße Nr. 334 in einem sehr schlechten tschechisch geschrieben.Mein Kumpel konnte ihn dennoch übersetzen.2 interessante Sätze:"Sie dürfen mich 1x im Monat besuchen" und "alles schriftliche muß in tschechischer Sprache sein".Meine Recherchen haben ergeben,dass Vater mit einem Klassenkamerad zusammen in Lazy gewesen ist.Dieser muß der Sohn von der Maria sein.Desweiteren fand ich herraus,daß diese Maria Tschechin war und deswegen nicht vertrieben wurde."Obwohl" ihr Ehemann Sudetendeutscher war.
        2.In der Familienchronik steht ein Satz:wir (Vaters Eltern) erfuhren von Bekannten,dass Vater in Lazy ist.
        3.Da liegt ein kleines Mißverständnis vor:meine Großeltern haben Vater nicht besucht>die Grenze von Sachsen nach Tschechien war dicht,zumal für Heimatvertriebene.
        4.Meine Großeltern wußten eventuell? nicht bescheid über das "Vorhaben" von Vater.Oder Opa wollte dazu nicht Stellung nehmen:es steht geschrieben "darüber soll mein Sohn in der Fortführung der Familienchronik selber berichten>was Vater nie tat.
        5.Meine Vermutung:die Flucht wurde von der Maria Rechziegel organisiert?
        6.Der Urgroßvater Julius Zitte war zu diesem Zeitpunkt noch in Gablonz.Als Gürtlermeister wurde er nicht sofort vertrieben,sondern mußte in einer Fabrik arbeiten.Er dürfte wohl "der Geldgeber" gewesen sein.
        Ja,teilweise spekulativ>aber nachvollziebar.
        Richtig:der Grund des Passierscheines wird ewig unbekannt bleiben!2 Alternativen habe ich bisher gefunden>Arztbesuch oder Rechtsanwaltsbesuch.Arztbesuch schließe ich aus>zu kurzfristig.Rechtsanwaltsbesuch dürfte in Frage kommen:hierzu fand ich eine kleine Notiz!Wir (seine Eltern) versuchten Helmut (mein Vater) über den Repatriierungs-Ausschuß Halle aus dem Lager herauszubekommen-leider vergebens.Spekulativ:könnte ein Termin festgesetzt worden sein für den Passierschein?Somit wäre ein klarer Zeitpunkt für die Fluchtvorbereitungen möglich?
        Dass hier eine geplante Flucht stattfand ist nun klar!Da fällt mir noch mein Beitrag im Thema "Unglaublich-aber wahr" ein.Schau dir mal meinen #8 vom 12.1.15 an:Titel "unglaublich-aber auch wahr"
        Immer mehr Puzzleteilchen fügen sich zusammen!
        Eventuell finde ich im Nachlaß meines Vaters neue Hinweise.
        Viele Grüße
        Reinhard

        Kommentar

        • AlAvo
          • 14.03.2008
          • 6186

          #5
          Hallo Reinhard,

          vielen Dank für deine Rückmeldung und weiteren Informationen.

          Bitte schön ist doch gerne geschehen.

          Es spricht nichts dagegen, dass du meine Angaben zu deinen Recherchen nimmst.

          Für deine weitere Suche wünsche ich dir viel Erfolg!


          Viele Grüße und ein schönes Pfingsten
          AlAvo
          War Mitglied der Lettischen Kriegsgräberfürsorge (Bralu Kapi Komiteja)

          Zirkus- und Schaustellerfamilie Renz sowie Lettland

          Reisenden zu folgen ist nicht einfach, um so mehr, wenn deren Wege mehr als zweihundert Jahre zurück liegen!


          Kommentar

          • derteilsachse
            Gesperrt
            • 28.10.2013
            • 1286

            #6
            Hallo AlAvo
            es hat mir keine Ruhe gegeben>"das Loch beim Vater"!
            Ich vermute aufgrund deiner Antworten dass du auch zu den letzten gehörst,die noch von Erzählungen der heimatvertriebenen Sudetendeutschen berichten können.Ich bin Baujahr 1961.
            Hab noch mal nachgeschaut:
            Alles passt zusammen>siehe # im Thema "unglaublich-aber wahr"
            Der Vertriebenenausweis Nr.9513/486 wurde für meinen Vater am 14.4.1956 vom Flüchtlingsamt der Stadt Erlangen erstmalig ausgestellt!!!
            Nun,zwischen 1946 und 1956 liegt ja eine große Zeitspanne dazwischen.
            Diese Lücke konnte ich mittlerweile schliesen:Nachkriegsabitur in Ingolstadt im Canasius-Konvikt>dann Jurastudium in Erlangen.
            An dieser Stelle ist interessant,dass erst 1956 ein Vertriebenenausweis ausgestellt wurde!
            Viele Grüße
            Reinhard
            Ps:Nach dem du mir so viel berichtet hattest wollte ich dir auch meine gesamten Erkenntnisse mitteilen!

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            • zula246
              • 10.08.2009
              • 2468

              #7
              Hallo
              Es ging auch andersherum
              Mein Vater ging in Gefangenschaft in Garmisch-Partenkirchen , von dort erzählte er , das die Gefangenen mit den amerikanischen Bewachern Zielschießen gemacht haben . Er ist dann 1945 mit einem Kameraden bei einem Transport vom Auto gesprungen und bis nach Hause nach Sachsen getrampt , und war zu Weihnachten 1945 zu Hause .Als Jugendlicher hatte ich noch sein amerikanisches Militärhemd an was furchtbar kratzte aber sehr warm war.
              Gruß Robert

              Kommentar

              • gki
                Erfahrener Benutzer
                • 18.01.2012
                • 4841

                #8
                Hallo Robert!

                Zitat von zula246 Beitrag anzeigen
                Er ist dann 1945 mit einem Kameraden bei einem Transport vom Auto gesprungen und bis nach Hause nach Sachsen getrampt , und war zu Weihnachten 1945 zu Hause .
                Hast Du Details zum "Trampen" Deines Vaters von Bayern nach Sachsen? Mich wundert, daß er das so einfach tun konnte.

                Hintergrund: Mein Großvater muß 1945 Deutschland von Nord nach Süd durchquert haben und ich frage mich, wie er das schaffte.
                Gruß
                gki

                Kommentar

                • Vogelsberger
                  Benutzer
                  • 17.05.2015
                  • 97

                  #9
                  An dieser Stelle ist interessant,dass erst 1956 ein Vertriebenenausweis ausgestellt wurde!
                  Wahrscheinlich um seinen beruflichen Einstieg zu erleichtern, denn es gab z.B. im öffentlichen Dienst Quotenregelungen für Flüchtlinge/ Vertriebene.

                  Grüße

                  Kommentar

                  • derteilsachse
                    Gesperrt
                    • 28.10.2013
                    • 1286

                    #10
                    Hallo Vogelsberger
                    dein # bezieht sich sicherlich auf mich/meine #-träge.
                    Siehe auch meinen #8 im Thema von Reibeisen.
                    Es ist und wird ein Rätsel bleiben warum Vater erst so spät einen Flüchtlingsausweis erhalten hat?
                    Da er anscheinend,wie oben berichtet,geflüchtet ist war es wohl schwer einen Vertriebenenausweis zu erhalten?!
                    Er kam nach seiner Flucht im Cansanius-Konvikt in Ingolstadt unter,wo er ein Notabitur machen konnte.Mit diesem Abitur begann er in Erlangen ein Jurastudium.Wahrscheinlich hatte er immer Angst,"als Flüchtiger" entdeckt zu werden.Ich weiß es nicht:aber aufgrund deiner Info könnte es sein,dass ein neues Gesetz in Kraft getreten ist was meinem Vater es ermöglichte einen Vertriebenenausweis "gefahrlos" zu beantragen.
                    Werde weiter forschen.
                    Viele Grüße
                    Reinhard

                    Kommentar

                    • zula246
                      • 10.08.2009
                      • 2468

                      #11
                      Hallo gki
                      Leider hat er darüber nicht gesprochen , ich habe ihn aber auch nicht gefragt
                      Er soll nach meiner Schwester in Uniform geschniegelt und gebügelt angekommen sein , kann aber auch ein Gerücht sein
                      Gruß Robert

                      Kommentar

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