Erfahrungen bei Besuchen der Vorfahren auf dem Friedhof

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  • ralf0411
    Benutzer
    • 18.05.2010
    • 69

    Erfahrungen bei Besuchen der Vorfahren auf dem Friedhof

    Hallo,

    meine Vorfahren stammen aus Drossen in der Neumark. Das liegt ca. 25 km östlich von Frankfurt/ Oder in Polen.

    Nun habe ich vor einiger Zeit erfahren, dass es dort einen deutschen Friedhof gibt. Und habe die Gelegenheit genutzt den Ort und den Friedhof zu besuchen. Wenn die Möglichkeit besteht kann ich nur empfehlen dies auch zu tun.

    Der Friedhof wird heute nicht mehr genutzt. Und ist deshalb in einen verwahrlosten Zustand. Die Reihengräber sind gar nicht mehr vorhanden. Grabsteine und Kreuze wurden entfernt. Alles ist nur noch eine unebene Fläche die mit Unkraut überzogen ist.

    Die Familiengruften wurden teilweise geöffnet. Die Steintafeln an den Friedhofsmauern sind teilweise noch vorhanden.

    Bilder werde ich bei Gelegenheit einstellen.

    Ich kenne schon die Hintergründe warum man die Anlage verkommen lässt. Nur können die Toten am wenigsten dafür und die Hinterbliebenen konnten sich nicht kümmern.

    Nun möchte ich gern wissen ob ihr Ähnliches erlebt habt und was ihr gefühlt habt.

    Mir gefällt es sehr in Polen. Weil die Menschen dort freundlich und hilfsbereit sind.

    Gruß Ralf
    Ich suche die Familie Marcus aus Drossen/Weststernberg und aus Guben/Brandenburg
  • Brigitte Bernstein
    Erfahrener Benutzer
    • 02.08.2010
    • 590

    #2
    Erfahrung bei Besuch auf den Friedhof

    Hallo!
    Diese Erfahrung habe ich leider auch gemacht. Als ich nach der Grenzöffnung das erste Mal den Heimatort meiner Eltern besuchte, es war ja vor dem Krieg Sudetenland. Die Steine lagen herum und alles was an die Deutschen erinnerte war zerstört. So gar das Kriegerdenkmal der Gefallenen aus dem 1.Weltkrieg hatten sie umgeworfen. In der Zwischenzeit wurden aber sehr viel wieder erstellt und das Denkmal und eine Kapelle neu errichtet. Meine Familie hatte Glück da eine Tante noch in dem Dorf lebte (sie war Tschechin und durfte nicht weg ziehen, ihr Mann war Deutscher und musste raus) , und die Gräber pflegte. Genau wie bei uns, denken die Nachkommen der Kriegsgeneration anders. Ich bin mit vielen in Briefkontakt und bekomme regelmäßig Ansichtskarten geschickt. Der größte Teil der Denkmäler sind jetzt deutsch und tschechisch beschriftet.
    Schöne Grüße.
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von Brigitte Bernstein; 14.04.2013, 12:37.
    Suche im Raum Trautenau, Parschnitz, Alt Rognitz, Deutsch Prausnitz, Bausnitz und Lampersdorf. Meine Namen Rasch, Staude, Reichelt, Letzel,

    Kommentar

    • Joanna

      #3
      Zitat von ralf0411 Beitrag anzeigen
      Nun habe ich vor einiger Zeit erfahren, dass es dort einen deutschen Friedhof gibt. Und habe die Gelegenheit genutzt den Ort und den Friedhof zu besuchen. Wenn die Möglichkeit besteht kann ich nur empfehlen dies auch zu tun.
      Der Friedhof wird heute nicht mehr genutzt. Und ist deshalb in einen verwahrlosten Zustand. Die Reihengräber sind gar nicht mehr vorhanden. Grabsteine und Kreuze wurden entfernt. Alles ist nur noch eine unebene Fläche die mit Unkraut überzogen ist.
      Die Familiengruften wurden teilweise geöffnet. Die Steintafeln an den Friedhofsmauern sind teilweise noch vorhanden.
      Bilder werde ich bei Gelegenheit einstellen.
      Ich kenne schon die Hintergründe warum man die Anlage verkommen lässt. Nur können die Toten am wenigsten dafür und die Hinterbliebenen konnten sich nicht kümmern.
      Nun möchte ich gern wissen ob ihr Ähnliches erlebt habt und was ihr gefühlt habt.
      Mir gefällt es sehr in Polen. Weil die Menschen dort freundlich und hilfsbereit sind.
      Gruß Ralf
      Hallo Ralf,

      1. Ich habe in Polen sehr viele evangelische Friedhöfe besucht. Einige waren völlig zerstört, andere hatten noch Grabsteine, Grabeinfassungen usw. und viele wurden schon mit Hilfe Deutscher und Polnischer, manchmal auch nur Polnischer Einwohner, wieder hergerichtet - gesäubert und gepflegt.

      2. Natürlich können die Toten nichts für die Evakuierung und Vertreibung der Deutschen Bevölkerung aus Polen. Aber bei uns werden Gräber, die von den Nachkommen nicht mehr verlängert und gepflegt werden, eingeebnet. Ich glaube, da in Polen die Rechtslage der Friedhöfe viele, viele Jahre (und vielleicht auch heute noch) nicht geklärt ist, bestehen sie überhaupt noch.

      3. Dort wo weiterhin evangelische Gemeinden bestehen, sehen die alten Gräber manchmal etwas besser aus. Häufig wird aber auch heute von diesen Gemeinden wenig für die alten deutschen Gräber getan.

      4. Die Hinterbliebenen oder ihre Nachkommen hätten aber in den letzten Jahrzehnten schon etwas für die Friedhöfe tun können, wenn sie gewollt hätten. Und so ist es manchmal ja auch geschehen.

      5. Wenn Du googelst, wirst Du sehr viele alte evangelische deutsche Friedhöfe finden - es gibt hunderte von Fotos, die in der Zwischenzeit von Deutschen und Polen ins Netz eingestellt wurden. Hier ein Link für eine Deutsche Web Seite:


      Leider nutzt es natürlich nichts, wenn einmal dort aufgeräumt wird und weitere Pflege unterbleibt. Ich schaue seite 2006 immer wieder in den Orten, in denen meine Ahnen gelebt haben, auch auf die Friedhöfe, wenn noch vorhanden. Und selbst in diesen 7 Jahren fanden viele Veränderungen statt.

      6. Natürlich sehen Friedhöfe, die sich heute in Wäldern befinden, nicht mehr schön aus. Auch wurden viele Grabsteine durch Überschwemmungen usw. vernichtet bzw. "wanderten" auf den Friedhöfen herum. Es gab vor ein paar Jahren mal ein großangelegtes Projekt von Schulen in Polen, die sich jeweils um bestimmte Friedhöfe gekümmert haben. So konnte man vorübergehend eine Besserung auf einigen Friedhöfen feststellen.

      Auch wenn diese Friedhöfe mit zur Vergangenheit unserer Ahnen gehören, kann man nicht erwarten, das fremde Menschen sie pflegen und hegen. Ich würde es begrüßen, wenn man vielleicht einen großen Stein in den Dörfern anbringen würde, um auf die ehemalige Deutsche Bevölkerung hinzuweisen, und nicht nur auf die Toten. Allerdings ist soetwas natürlich immer problematisch. Ich habe Hinweistafeln gesehen, die über Jahre gut erhalten sind, andere wurden schon nach kurzer Zeit entfernt. Auch Steine, die etwas zu den dahinter liegenden Friedhöfen sagen, habe ich gesehen. Sie wurden teilweise mit Partnerstädten in Deutschland errichtet. Aber danach scheint sich dann auch niemand mehr darum gekümmert zu haben.

      Ich persönlich fand die Suche und Besuche auf diesen Friedhöfen immer sehr interessant. Aber wie gesagt, zu einem Friedhof, der z.B. 1939 geschlossen wurde, zu dem habe ich keine besondere Beziehung. Mir läge mehr daran, insgesamt auf unsere Ahnen, die viel für das Polnische Land getan haben, zu erinnern.

      Gruß Joanna

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      • Brigitte Bernstein
        Erfahrener Benutzer
        • 02.08.2010
        • 590

        #4
        Erfahrungen bei Besuchen auf Friedhöfen

        Hallo
        Natürlich ist es richtig, dass man nicht erwarten kann das die Gräber von Fremden gepflegt werden, aber zum Beispiel für uns ist der Ort Welhotta einfach zu weit entfernt. Doch wurde von der Grenzübergreifenden Denkmalpflege in den letzten 15 Jahren sehr viel erneuert. Auf dem Friedhof wo die alten Gräber sind wurden alle Einfassungen entfernt und Rasen eingesäht. ( Die Steine stehen wieder ). Einmal im Jahr wenn unser Familientreffen statt findet besuchen wir auch unsere Gräber. Wir mähen das Gras und stellen ein Licht hin. Aber der Friedhof sieht jetzt wieder gut aus, da er von dem Friedhofsgärtner regelmäßig gepflegt wird. Steine welche zerfallen sind bleiben so lange liegen, bis sie nur noch Krümmel sind. Wenn Moos auf den Steinen wächst bleibt es natürlich auch. Da von den ehemaligen Dorfbewohnern kaum noch einer den Friedhof besuchen kann ich bin ja schon wieder die nächste Generation ist es sicher eine Frage der Zeit wann die letzten Steine verschwunden sind.
        Grüße Brigitte
        Zuletzt geändert von Brigitte Bernstein; 15.04.2013, 20:02.
        Suche im Raum Trautenau, Parschnitz, Alt Rognitz, Deutsch Prausnitz, Bausnitz und Lampersdorf. Meine Namen Rasch, Staude, Reichelt, Letzel,

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        • ralf0411
          Benutzer
          • 18.05.2010
          • 69

          #5
          Hallo Joanna,

          danke schön für deine ausführliche Antwort.

          Da meine Mutter 1945 mit ihrer Familie aus Königsberg geflohen ist habe ich mich viel mit Flucht, Vertreibung und Nachkriegszeit beschäftigt. Nach so langer Zeit ist es schwer sich in die Menschen hinein zu versetzen. Für die Vertriebenen war es sicher schmerzlich ihre Verstorbenen zurück lassen zu müssen. Für die Polen die ja auch zwangsumgesiedelt wurden bestand ja auch kein Grund die Gräber zu pflegen.

          Für mich hat aber die Stadt Osno Lubuskie den Friedhof "geerbt" und ist verantwortlich für eine etwas würdevollere Ruhestätte.

          Ich fand aber den Link super den du mir geschickt hast. Sehr interressant.

          Gibt es etwas ähnliches für die Neumark?

          Mit freundlichen Gruß Ralf
          Ich suche die Familie Marcus aus Drossen/Weststernberg und aus Guben/Brandenburg

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          • Joanna

            #6
            Hallo Ralf,

            Zitat von ralf0411 Beitrag anzeigen
            Da meine Mutter 1945 mit ihrer Familie aus Königsberg geflohen ist habe ich mich viel mit Flucht, Vertreibung und Nachkriegszeit beschäftigt. Nach so langer Zeit ist es schwer sich in die Menschen hinein zu versetzen. Für die Vertriebenen war es sicher schmerzlich ihre Verstorbenen zurück lassen zu müssen. Für die Polen die ja auch zwangsumgesiedelt wurden bestand ja auch kein Grund die Gräber zu pflegen.
            Meine Familie hat zweimal ihre Toten zurücklassen müssen. Das erste Mal, als sie 1939 von der Deutschen Wehrmacht ins Warthegau evakuiert wurden und dann ein zweites Mal, als sie 1944/1945 vertrieben bzw. flüchten mussten.

            Zitat von ralf0411 Beitrag anzeigen
            Für mich hat aber die Stadt Osno Lubuskie den Friedhof " geerbt " und ist verantwortlich für eine etwas würdevollere Ruhestätte.
            Ich habe Fotos im Netz vom alten Friedhof von Osno Lubuskie gesehen. Er sieht noch recht gut aus. Ich habe schon viel, viel schlimmere gesehen.
            Ob die Stadt den Friedhof "geerbt" hat, weiß ich nicht. Denn es war bestimmt ein evangelischer Friedhof, oder? Und wenn es dort keine ev. Gemeinde mehr gibt, gibt es wahrscheinlich auch keinen Verantwortlichen.

            Zitat von ralf0411 Beitrag anzeigen
            Ich fand aber den Link super den du mir geschickt hast. Sehr interressant.
            Gibt es etwas ähnliches für die Neumark?
            Keine Ahnung. Aber nimm doch mal Kontakt mit Frau Dennerlein auf. Vielleicht kann sie Dir mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Du diesen Friedhof instand setzen möchtest. Evtl. kann sie Dir auch Ansprechpartner nennen.
            Oder nimm doch einmal Kontakt mit dem Bürgermeister oder Ortsvorsteher auf und kläre, ob er bzw. die Gemeinde Dich unterstützen kann und möchte.

            Ich hatte im Jahre 2006 einmal Kontakt mit einem Studienrat (der auch Regionalpolitiker war) vor Ort in Polen, der dann veranlasst hat, dass seine Schüler einen alten ev. Friedhöfe säuberten, die Namen wurden wieder sichtbar gemacht und einige Grabsteine wurden wieder aufgestellt. Ich erhielt sogar Fotos, während die Schüler bei der Arbeit auf dem Friedhofsgelände waren. Im Jahre 2007 konnten wir uns dann von der gelungenen Arbeit vor Ort selbst überzeugen (die Steine waren sogar gesäubert und vom Moos befreit). Aber ich sagte ja schon, wenn man so etwas nicht regelmäßig macht, sehen die Friedhöfe bald wieder wie vorher aus. Und wer soll dafür die Kosten tragen?

            Aber falls Du so etwas vor hast, wünsche ich Dir viel Erfolg.

            Gruß Joanna

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            • Brigitte Bernstein
              Erfahrener Benutzer
              • 02.08.2010
              • 590

              #7
              Erfahrungen bei Besuchen der Vorfahren auf Friedhöfen

              Hallo Ralf!
              Ich denke auch, dass die Hinterbliebenen nach ihrer Ausweisung sicher wichtigere Dinge zu tun hatten, als sich um die Gräber zu kümmern. Von meiner Familie wurden alle vertrieben. Meine Eltern so wie auch die Großmütter. Sie mussten sich und wenn sie Kinder hatten auch für sie ein neues zu Hause schaffen. Das Verlassen der Gräber war sicher schwer, aber genau so schwer oder gar noch schlimmer war, dass sie alles zurück lassen mussten, und nur das mitnehmen durften, was sie tragen konnten. Ich habe mir aus Trautenau die Tranzportlisten von den Vertriebenen besorgt. Was glaubst Du was diese armen Frauen, es waren ja nur Frauen, Kinder und alte Männer (die jungen Männer waren ja gefallen , in Gefangenschaft oder wie bei meinem Vater im Lazarett) erleben musste. Das kann sich einer der selber nicht dabei war garnicht vorstellen. Dazu kommt, dass sie in der neuen Umgebung nicht gerne gesehen waren. Die Bevölkerung hatte ja selber kaum genug zum Essen, und jetzt waren auf einmal so viele
              " Fremde" da. Meine Eltern haben ihre Heimat erst besucht, nach dem die Grenze geöffnet wurde. Meine Großmütter sind nie mehr in dieses Dorf gereist. Der Schmerz saß einfach zu tief. Weshalb sollten sie sich um Gräber kümmern die in einer Gegend lagen wo alles was von den Deutschen war zerstört und zerschlagen wurde. Erst die Nachkriegsgeneration konnte diese Mauer durchbrechen. Ich denke, dass es in Polen auch nicht anders zugegangen ist.
              Schöne Grüße Brigitte
              Suche im Raum Trautenau, Parschnitz, Alt Rognitz, Deutsch Prausnitz, Bausnitz und Lampersdorf. Meine Namen Rasch, Staude, Reichelt, Letzel,

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