Wer schätzte einst den Besitz im Erbfall?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Jettchen
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2011
    • 1361

    Wer schätzte einst den Besitz im Erbfall?

    Hallo in die Runde,

    hier in Franken erbte einst jedes Kind gleich viel. Der Übernehmer des Anwesens musste seine Geschwister ausbezahlen. Auf einem Bauernhof fand ich alte Dokumente, auf denen die Eltern bzw. die Nachkommen allen Besitz und dessen Wert notierten.

    Nun bin ich in Bayreuth aber auf ein amtliches Dokument aus dem Jahr 1680 gestoßen. Das Schreiben beginnt mit den Worten:

    Auf Befehl des Amtsbürgermeisters wird der Besitz des verstorbenen Hanß Örtel – Haus, Stadel und Ziegelhütte – besichtigt und geschätzt.

    War diese Anordnung üblich oder könnte es sein, dass sich die Erben nicht einig waren? Erst 3 Jahre später hat ein Sohn dann die Ziegelhütte erworben, also das Erbe angetreten.

    Hat jemand von euch Erfahrung in solchen Erbangelegenheiten?

    Für mich ist dieses Dokument ein Glücksfall, weiß ich nun ganz genau, welche Gebäude zur Ziegelhütte gehört hatten (auch ein Schweinstall!) und wie groß diese waren.

    Viele Grüße
    Jettchen


  • holsteinforscher
    Erfahrener Benutzer
    • 05.04.2013
    • 2491

    #2
    Moinsen Jettchen,
    Erbschaften waren wohl schon immer ein heikles Thema, sei es nun
    innerhalb der Familie, als auch von staatl. Seite her; insbesondere wenn
    es sich um Vermögen handelt, sei es nun als Grundbesitz oder Barvermögen.

    Wie du schon geschrieben hast, wurde wirklich alles vermessen und gewogen,
    was sich finden ließ, selbst altes Blechdosen oder rostige Nägel, teilweise gehen
    solche Listen über 20 Seiten hinweg.

    Bei einer Ziegelhütte kann man wohl davon ausgehen, daß hier u.a. Grund und
    Boden zur Verhandlung standen. Hier war eine "Schätzung/Bestandsaufnahme durch
    die öffentl. Hand durchaus üblich, insb. aus steuerlichen Gründen, denn auch zu
    dieser Zeit vielen Erbschaftsteuer an. Ferner oblag eine Ziegelbrennerei einer
    Bewilligung, dem "Brandrecht", es durfte ja nicht jeder so einfach eine
    Ziegelbrennerei oder Mühle errichten und seine Profession betreiben es war
    alles fein geregelt, wer, was, wann wo betreiben durfte.

    Die Große der Hütte, Steueraufkommen usw., sofern erhalten, dürfte in den
    entsp. Listen/Büchern zu finden sein (Grundbuch, Erdbuch usw.).

    In den öffentl. Akten dürften die Kinder, als auch die Wwe, durch Vormünder
    vertreten worden sein, was der damaligen Rechtsordung entsprach.

    Grüsse von der Kieler-Förde
    Roland
    Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
    Roland...


    Kommentar

    • gki
      Erfahrener Benutzer
      • 18.01.2012
      • 4834

      #3
      Hallo Jettchen,

      die Schätzung des Vermögens eines Verstorbenen war durchaus üblich. Zum einen, um den Erben den gerechten Anteil zuzuteilen, zum anderen um den Anteil der Grundherrschaft bzw. des Landesherren zu ermitteln.

      Eine besondere Uneinigkeit seitens der Erben war da nicht vonnöten, das war mMn Gesetzeslage, wobei die sich natürlich lokal unterschied.

      Die Schätzleute waren - soweit ich es ergründen konnte - angesehene Gemeindemitglieder. Ich hab auch den Fall gesehen, daß ein Schätzmann von der Herrschaft benannt wurde und einer von der Bauernschaft.

      Oft findet man nicht mehr die eigentliche Schätzung, sondern das Resultat wird lediglich in anderen Akten erwähnt.
      Gruß
      gki

      Kommentar

      • Jettchen
        Erfahrener Benutzer
        • 16.10.2011
        • 1361

        #4
        Ganz herzlichen Dank, Roland und gki, für die ausführlichen Erläuterungen!
        Viele Grüße
        von Jettchen aus dem Frankenland

        Kommentar

        • Schlumpf
          Erfahrener Benutzer
          • 20.04.2007
          • 358

          #5
          tja....
          Der Magistrat, zu händen der Hl. Bürgermeister und der Gerichtschreiber (der Jura studiert hatte),
          beauftragten den beeideten Landmesser, die Güter der Meistbeerbten zu begutachten und
          abzuschätzen. Ganz interessant, wenn der Landesfürst eine Landsteuer von 25 Schätzen ausrief.
          Also schätzte der Landmesser das Steueraufkommen für den einfachen Schatz z.B. auf 4 Albus
          und 4 Heller. Bei den ausgeschlagenen (hier 25 Schätze) belief sich die Steuer auf 1 Reichstaler,
          40 Albus und 4 Heller für die Steuer des Jahres 1661. Die Schatzbücher für 1661 und 1668
          sind erhalten geblieben. Der Stadt- und Gerichtsschreiber trug also alles vor Ort in das sog.
          Schatzbuch ein, dass manchmal mit den Steuern an die Kanzlei abgegeben wurde.
          So lief die Landsteuer bis 1806 ab. Ab 1659 gab es eine Steuer auf Gewinn und Gewerbe, die
          Biersteuer wurde 1660 auf alle Biersorten ausgedehnt...
          So lief das Steuerwesen in Städten wie z.B. Düsseldorf ab.


          Viel Spaß damit
          Schlumpf
          Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

          Kommentar

          • Jettchen
            Erfahrener Benutzer
            • 16.10.2011
            • 1361

            #6
            Hallo Schlumpf,
            ehrlich gesagt, so ganz kapiere ich das nicht.
            Das bezieht sich doch auf eine zu erhebende Steuer, nicht aber auf die Schätzung im Falle eines Todes?
            Viele Grüße
            Jettchen

            Kommentar

            • Schlumpf
              Erfahrener Benutzer
              • 20.04.2007
              • 358

              #7
              Hallo

              Ehrlich, das habe ich mir schon gedacht, dass man damit nicht viel anfangen kann.
              Also: Es wurden für die Steuer eine bestimmte Anzahl von Schätzen ausgeschlagen und
              die Bürgerschaft musste sehen, wie das Geld aufgebracht werden konnte. Ein Schatz
              waren rund 40 Richstaler. Bei ausgeschlagenen 25 Schätzen belief sich die Steuerlast auf
              1000 Reichstaler.
              Nun gab es die Kopfsteuer von 3 alb / Schatz, die Mühlenacise, die Grundsteuer, Keuth und
              Weinaccises und ab 1660 eine Steuer auf Gewinn und Gewerbe. Eine Erbschaftssteuer fehlt
              in diesem System. Möglich, dass andere Territorien das Erbe besteuerten, das war aber am
              Niederrhein nicht der Fall. Jedenfalls ist mir das vor 1806 nicht vorgekommen.
              Das Erbe von Grundbesitz ging folgender Maßen ab:
              Vor dem Lehnsgericht unter Vorsitz des Lehnsherren, der sich meistens vom Lehnsdinger
              vertreten ließ und in Gegenwart der Lehensschöffen, 2 mal im Jahr tagend, erschien:

              Der Peter vom Hövel und Anna Cathrin Ehel. und begehrten über ihre Erbgerechtigkeit auffm
              Hövel belehnt zu werden wie sie es von ihren Eltern Seel. anererbt bekommen haben. Die
              Kirchenruefe sind der Gebühr nach geschehen. Also sind vorglt Peter et Anna Cathrin
              belehnt worden wie allhier bräuchlich ist.
              Mehr gab es nicht. Der Grundbesitz war eingetragen im Schatzbuch und dann ging das oben
              genannte Spielchen los. Nur der Name wechselte: An Stelle des alten Corß zum Hövel, der
              nun mit 0 berechnet war, trat nun der neue Besitzer, hier Peter zum Hövel, der nun an
              Stelle des Vaters (Christian) den kompletten Betrag im Schatzbuch eingetragen bekam.
              Wenn nun jemand was kaufte oder das Erbe geteilt wurde, steht dann im Schatzbuch, das
              der eine einen betrag in Albus und Heller pro gewöhnlichen Schatz weniger zahlte und der
              andere bekam den Betrag auf seine Steuerlast dabei.
              Ach: Steuern wurde im Jahr zu 4 Therminen eingezogen. Die konnten etwas variiren, aber
              dann musste der Receptor Steueralibus (Steuereinnehmer) an die herzogl. Regierung zahlen.
              ... mit Belegen und Schatzbüchern....
              Das ist meiner Meinung ein sehr einfaches Steuersytem. Aber eigentlich war nicht nach dem
              Steuersystem am Niederrhein vor 1806 gefragt.

              Viel Spaß damit
              Schlumpf
              Zuletzt geändert von Schlumpf; 24.03.2017, 14:08.
              Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

              Kommentar

              • Jettchen
                Erfahrener Benutzer
                • 16.10.2011
                • 1361

                #8
                Danke, Schlunpf, dass du dir noch einmal so ausführlich Zeit genommen hast, mir dies zu erklären. Für Steuerangelegenheiten habe ich dies nun verstanden.

                Ich habe zwar nicht das detaillierte Wissen wie du, aber ich denke, hier im Fränkischen war es bei meinen Ahnen nicht so, dass es keine Art von Erbschaftssteuer gab. Der Nachfolger musste das Lehen neu erwerben! Ich habe dies immer so verstanden, dass er im Grunde an den Lehensherrn eine Art von Erbschaftssteuer bezahlen musste.

                Ein gutes Wochenende wünscht dir
                Jettchen

                Kommentar

                Lädt...
                X