Selbstmord eines 17-jährigen. Warum? Weit und breit kein Motiv erkennbar.

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  • Wombat992
    Benutzer
    • 22.03.2013
    • 20

    Selbstmord eines 17-jährigen. Warum? Weit und breit kein Motiv erkennbar.

    Hallo zusammen,

    ich möchte einfach mal in die Runde stellen, welche Ideen ihr habt, warum ein 17-jähriger junger Mann im Jahr 1903 einen Selbstmord begangen haben könnte.
    Johann Thaler (geb. 1885), katholisch, wohnhaft in einer fränkischen Kleinstadt, war der ältere Bruder meines Ur...großvaters Anton (geb. 1892).
    Im Alter von 17 Jahren beging er Selbstmord.
    Dies steht so in der Sterbeurkunde, Todeszeitpunkt früh um 08:00 Uhr.

    Ein Motiv ist für mich (113 Jahre nach der Tat) weit und breit nicht ersichtlich.
    Seine Eltern (Bäckermeisterseheleute) waren vergleichsweise wohlhabend. Sie betrieben eine eigene Bäckerei in ihrem (großen) Haus und hatten auch Grundbesitz.
    Johann war der Ältere von 2 Geschwistern.
    Er besuchte zu jener Zeit eine (höhere) Schule in Erlangen. Krank war er offenbar auch nicht, da (laut Todesanzeige) der Tod sehr überraschend kam. Bleibt das Thema "Liebe". Irgendwie paßt das (Bauchgefühl) in diese Familie aber nicht richtig rein (könnte mich natürlich auch irren).

    Habt ihr irgendwelche Ideen?

    Vielen Dank im Voraus.
    LG, Klaus
  • Philipp
    Erfahrener Benutzer
    • 19.07.2008
    • 841

    #2
    Hallo!

    Sofern in der Familie dazu nichts überliefert wurde wie Briefe oder Tagebücher, kann ich mir nicht vorstellen, dass es dazu eine "richtige" Antwort wirklich geben kann. Ich habe mehrer Suizide in der Familie - und auch da wurde versucht, eine Erklärung zu finden. Diese Erklärungen sind mir bekannt, aber ob es die wahren Gründe sind oder sich die damaligen Verwandten nur eine "Wahrheit" gebastelt haben, mit der sie leben können, hat sich mir noch nicht wirklich erschlossen.

    Die Ursachen und Gründe - und letztendlich der Auslöser- um einen Suizid zu begehen, sind auch nicht immer objektiv nachvollziehbar.

    Guter Schüler - dann bei einer wichtigen Prüfung versagt? Also Frustrationstoleranzgrenze deutlich überschritten?
    Liebeskummer?
    Depression oder depressive Phase?

    Anderweitiger Verlust in der Familie?
    Aber auch der muss sich nicht gleich bemerkbar gemacht haben.

    Ich würde versuchen, an Archivunterlagen der Polizei zu kommen.
    Vielleicht gibt es auch Hinweise im Kirchenbuch.

    Viel Erfolg bei der Aufarbeitung.

    VG
    Philipp

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    • Anna Sara Weingart
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2012
      • 15113

      #3
      Hallo,
      Für mich klingt das nach Leistungs-/Erwartungsdruck.
      Zum Beispiel:
      - bei schulischem Test versagt (vielleicht sogar geschummelt und erwischt worden) > wäre vielleicht von der Schule geflogen, und das nachdem seine Eltern für seine Ausbildung ihr Erspartes hergaben.

      Vermutlich kommen aber mehrere Aspekte zusammen.
      Für einen jungen Mann ist sicherlich die sexuelle Komponente ("Liebe") immer auch ein Thema, und sei es auch nur unterbewusst.
      Gruss
      Viele Grüße

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      • fps
        Erfahrener Benutzer
        • 07.01.2010
        • 2160

        #4
        Zitat von Wombat992 Beitrag anzeigen
        Ein Motiv ist für mich (113 Jahre nach der Tat) weit und breit nicht ersichtlich.
        Wie will man je das Motiv eines Menschen zum Suizid ergründen? Man kann ja nicht in seine Gedanken hineinsehen, und dann auch noch nachträglich?
        Es gibt depressive (Ver-)stimmungen, die für Andere überhaupt nicht ersichtlich sind und die bei eigentlich nichtigen Anlässen zu einer solch verhängnisvollen Aktion führen können, um nur ein Beispiel zu nennen.
        Requiescant in pacem. Lasst sie in Frieden ruhen.
        Gruß, fps
        Fahndung nach: Riphan, Rheinland (vor 1700); Scheer / Schier, Rheinland (vor 1750); Bartolain / Bertulin, Nickoleit (und Schreibvarianten), Kammerowski / Kamerowski, Atrott /Atroth, Obrikat - alle Ostpreußen, Region Gumbinnen

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        • dorsch
          Erfahrener Benutzer
          • 24.12.2011
          • 295

          #5
          Hallo, Wombat,

          ich sehe das wie fps; kann aber verstehen, dass dich die Spekulation beschäftigt. Du schreibst: "Er besuchte zu jener Zeit eine (höhere) Schule in Erlangen." Heißt das, in einer anderen Stadt? Wo wohnte er? Privat? Bei wem - was waren das für Leute? Im Internat? Da ging es damals oft rau zu. Hast du mal Hesse, "Unterm Rad" gelesen oder Charles Dickens, "David Copperfield"? Nicht zu vergessen die skandalösen Aufdeckungen der letzten Jahre. Von Leistungsdruck bis Liebeskummer, von Mobbing bis Missbrauch, von Vereinsamung in der fremden Umgebung bis zu 'angeborener Schwermut' (damals für: Depression) oder ... Ich-weiß-nicht-was ist alles denkbar; wissen wirst du es nie. Suizid ist immer ein Ausdruck subjektiver Ausweglosigkeit - die subjektive Wahrnehmung stimmt aber mit der objektiven Gegebenheit oftmals nicht überein, das macht es so schwer, diese Entscheidung selbst zeitnah und bei gut informativer Faktenlage nachzuvollziehen ... ein Jahrhundert später und mit fast null Information hast du da keine Chance.

          Gruß
          DorSch

          Ich habe nochmal deinen ersten Post gelesen und weiter darüber nachgedacht. Zum Einen kommt zu dem, was ich schon geschrieben habe, hinzu, dass sich die Wertvorstellungen seitdem enorm geändert haben. "Ehre" spielte zum Beispiel eine andere Rolle als heute. Es gab Lebenssituationen, in denen der Freitod für einen "Mann von Ehre" geradezu zwingend erforderlich war - für uns heute unvorstellbar. Wer weiß, was dem Knaben durch den Kopf spukte.

          Zwei Dinge wundern mich: Erstens betonst du, er sei katholisch gewesen. Für einen gläubigen Katholiken (bzw. überhaupt: Christ) ist der Freitod eigentlich keine Option. Zweitens fällt mir die Uhrzeit auf. Das sieht so aus, als sei er morgens aufgestanden und hätte sich umgebracht. Klingt irgendwie komisch. Verzweiflungstat statt Frühstück ... ? Die ausweglosesten Stunden liegen erfahrungsgemäß mitten in der Nacht, zwischen Mitternacht und Tagesanbruch. Weißt du etwas darüber, auf welche Weise er sich umgebracht hat? (D.h. wie schnell und sicher in der Wirkung?) Hat er es da begonnen und ist erst Stunden später, um 8h, gestorben? Oder hat er tatsächlich morgens den Tag begonnen mit dem Vorsatz, heute tu ich's? Das eine würde eher auf eine emotionale Kurzschlusshandlung, das andere auf einen länger gereiften Plan hinweisen. Viel näher als zu dieser Unterscheidung wirst du dem Geheimnis aber wohl nicht kommen.
          Zuletzt geändert von dorsch; 30.03.2016, 01:32. Grund: Nachtrag
          „Krönung der Alten sind die Enkel und der Stolz der Kinder sind ihre Ahnen“ (Sprüche, Kap.17, Vers 6)

          Suche nach FN Leidiger in Thüringen.

          Kommentar

          • Karl Heinz Jochim
            Erfahrener Benutzer
            • 07.07.2009
            • 4804

            #6
            Hallo zusammen,
            ich selbst habe in meinem Umfeld 3 Selbstmorde erlebt, hatte in einem Fall sogar Gelegenheit, bei einem Gespräch mit dem psychologischen Berater dabei zu sein. Bei keinem der 3 Fälle war auf Anhieb ein Motiv erkennbar, erst später kamen dann die "klassischen" Motive zum Vorschein:
            Jugendlicher liebt doppelt so alte Frau aus der Nachbarschaft und wird einfach abgeschoben; er wirft sich vor einen Zug. Junger Mann stürzt sich aus dem 6 Stock; er war ein sensibler Musiker, lebte in Scheidung und hatte kein Engagement mehr. Bei einem weiteren jungen Mann ein ähnliches Bild: Scheidung, Schulden; er erhängte sich.
            Bei keinem der Fälle gab es wenige Stunden vorher Anhaltspunkte für einen Selbstmord. Alle drei wählten "endgültige Suizide", auch ohne einen Abschiedsbrief.
            Dagegen wollen angehende Selbstmörder, die z.B. Schlaftabletten nehmen und dann noch rum telefonieren, gerettet werden und wählen deshalb keine der o.g. endgültigen Selbstmorde. Manchmal kommt aber auch nachträglich raus, dass es der Selbstmörder schon mehrfach versucht hat. Oft sind es Affekthandlungen. Also wird man sicher 113 Jahre später kein Motiv mehr erkennen können. Bei einem so jungen Menschen spielt meist die (verschmähte) Liebe eine große Rolle.
            Liebe Grüße
            Karl Heinz

            Kommentar

            • Acanthurus
              Erfahrener Benutzer
              • 06.06.2013
              • 1657

              #7
              Hallo, "krank war er offenbar auch nicht" schreibst du. 1903 waren psychische Erkrankungen noch tabuisierter als heute. Selbst wenn er etwa an Depressionen litt wird das weder behandelt, noch thematisiert noch in die Todesanzeige geschrieben worden sein. Viele Ansatzpunkte blenden selbst heute ja "dem Familien-Ansehen abträgliche Möglichkeiten" aus, zugunsten von eher leicht verdaulichem wie "Liebe" oder "Misserfolg in Prüfung". Die Spekulationen führen aber nirgendwo hin, es sei denn es gibt Tagebücher o.ä. Praktisch ist das aber kaum aufklärbar. Grüße, Acanthurus

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              • Lola38
                Erfahrener Benutzer
                • 20.01.2013
                • 484

                #8
                Selbstmord vor 113 Jahren
                Vielleicht hatte der junge Mann ein Mädchen geschwängert. Vor seinem kath. Hintergrund und seinen jungen Jahren , 17 Jahre, ein Unding in dieser Zeit. Vielleicht war das Mädchen auch noch evangelisch. Erst recht unmöglich. Lola38

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                • osoblanco
                  Erfahrener Benutzer
                  • 22.11.2013
                  • 625

                  #9
                  Die Motive für einen Selbstmord können vielfältig sein, und sind letztendlich doch nur für den Betroffenen nachvollziehbar. Was für den einen eine kleine Unannehmlichkeit ist, kann für den anderen ein Auslöser für den Suizid sein. Und gerade Depressionen werden von Außenstehenden so gut wie nie erkannt oder gar ernstgenommen ... das wird damals noch schlimmer gewesen sein als heute.

                  Kommentar

                  • AlAvo
                    • 14.03.2008
                    • 6186

                    #10
                    Zitat von osoblanco Beitrag anzeigen
                    Die Motive für einen Selbstmord können vielfältig sein, und sind letztendlich doch nur für den Betroffenen nachvollziehbar. Was für den einen eine kleine Unannehmlichkeit ist, kann für den anderen ein Auslöser für den Suizid sein. Und gerade Depressionen werden von Außenstehenden so gut wie nie erkannt oder gar ernstgenommen ... das wird damals noch schlimmer gewesen sein als heute.
                    Hallo osoblanco,

                    dein Beitrag hat es absolut auf den Punkt gebracht!

                    Dafür vielen Dank!


                    Viele Grüße
                    AlAvo
                    War Mitglied der Lettischen Kriegsgräberfürsorge (Bralu Kapi Komiteja)

                    Zirkus- und Schaustellerfamilie Renz sowie Lettland

                    Reisenden zu folgen ist nicht einfach, um so mehr, wenn deren Wege mehr als zweihundert Jahre zurück liegen!


                    Kommentar

                    • Mats
                      Erfahrener Benutzer
                      • 03.01.2009
                      • 3390

                      #11
                      Hallo Klaus,

                      Selbstmordgedanken bei Kindern gibt es heute, gab es vor 50 Jahren und vermutlich auch vor 100 Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig und können auch angeborene Ursachen haben. Die Selbsttötung bei Jugendlichen kann sowohl eine Kurzschlußhandlung auf ein vor kurzem eingetretenes Ereignis als auch der Schlußpunkt einer jahrelangen Entwicklung sein. Oft können die Betroffenen selbst den Auslöser nicht benennen.

                      Wenn heute vermehrt über Depressionen bei Kindern diskutiert wird und Studien ergeben, daß die Zahl in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, dann nicht, weil es mehr Fälle gibt als früher, sondern weil die Umwelt sensibler geworden ist für dieses Thema. Früher (und damit meine ich nicht vor 100 sondern vor 30 Jahren) hat man die Anzeichen schon bei Erwachsenen nicht erkannt oder ernst genommen. Bei Kindern ist das ungleich schwieriger zu diagnostizieren.

                      Ich hatte schon im Kindergartenalter den Gedanken "so kann und will ich nicht leben". Natürlich konnte ich den Gedanken nicht so konkret äußern in dem Alter und ganz sicher war es nicht durch irgendetwas ausgelöst, was andere hätten sehen können. Ich hatte ein liebevolles Elternhaus, meine Eltern waren zwar nicht "wohlhabend" und hatten damals sicher einige finanzielle Nöte aber es gab alles, was ein Kind für eine glückliche Kindheit und gute Entwicklung braucht. Trotzdem waren diese Gedanken immer da - mal stärker, mal weniger. Ob ich die Pubertät überlebt hätte, wenn ich 80 Jahre früher geboren worden wäre?

                      Ich konnte damals (mit 20) mit meinen Eltern darüber reden und meine Mutter ging mit mir zum Arzt. Der Bruder Deines Urgroßvaters wird vermutlich nicht auf so verständnisvolle Ohren getroffen sein oder hatte niemanden, dem er sich anvertrauen konnte.

                      So spannend die Frage auch ist, alles ist und bleibt Spekulation. Selbst wenn Du herausfinden könntest, ob es in der Familie mehrere Fälle von Depressionen gab, wirst Du die Auslöser dafür nicht herausfinden.

                      Grüße aus OWL
                      Anja
                      Es gibt nur 2 Tage im Jahr, an denen man so gar nichts tun kann:
                      der eine heißt gestern, der andere heißt morgen,
                      also ist heute der richtige Tag
                      um zu lieben, zu handeln, zu glauben und vor allem zu leben.
                      Dalai Lama

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                      • Grapelli
                        Erfahrener Benutzer
                        • 12.04.2011
                        • 2223

                        #12
                        Hallo zusammen,

                        zwei Aspekte sind mir wichtig: Man sollte besser über Freitod oder Suizid sprechen, die genaue Wortwahl ist wichtig. Und außerdem: Das Sprechen über Suizide, insbesondere die detaillierte Schilderung von Suizidumständen, kann eine latent vorhandene Suizid-Neigung verstärken (der sog. Werther-Effekt).

                        Man sollte sich also bei dem Thema eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. In Qualitätszeitungen erscheinen Artikel über Suizide oft nur noch bei besonderem öffentlichen Interesse an der Person und mit einer Notrufnummer unterhalb des Beitrags.
                        Herzliche Grße
                        Grapelli

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