"Rätselhafter" sozialer Aufstieg - der am Rest der Familie spurlos vorbei geht?

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  • alex1412
    Erfahrener Benutzer
    • 07.06.2014
    • 102

    "Rätselhafter" sozialer Aufstieg - der am Rest der Familie spurlos vorbei geht?

    Liebe Forscherkolleginnen und -kollegen,


    derzeit beschäftigt mich der soziale Aufstieg einer Nebenlinie meiner Verwandtschaft mütterlicherseits, der für mich viele offene Fragen aufwirft, die sich in ihrer Gesamtheit wohl auch nicht mehr klären lassen werden. Allerdings finde ich den Sachverhalt interessant genug, um ihn hier zu teilen.

    Alles beginnt mit dem Bruder meines 2x-Urgroßvaters. Er wird 1856 als dritter Sohn eines Taglöhners und Inwohners im oberösterreichischen Traunviertel geboren. Insgesamt gibt es neun Kinder, das jüngste, 1871 geboren, ist mein 2x-Urgroßvater.

    Sämtliche Kinder bewegen sich in ihren späteren Lebensläufen in etwa im sozialen Milieu der Eltern (Taglöhner, Hilfsarbeiter) oder etwas darüber (mein 2x-Urgroßvater wird Maurergeselle). Nur besagter 2x-Urgroßonkel nicht. 1888 scheint er als Bezirksgerichtsbeamter auf, später wird er leitender Beamter der örtlichen Sparkasse und scheint laut Zeitungsartikeln im Vereinsleben des Ortes eine wesentliche Rolle gespielt zu haben.

    Er heiratet die Tochter eines offenbar recht gut situierten Gastwirts, der Ehe entspringen zwölf Kinder, von denen acht das Erwachsenenalter erleben. Zwei Söhne werden Kaufleute, einer Lehrer, eine Tochter heiratet in eine Lehrer- und Apothekerfamilie, eine weitere Tochter heiratet in Spanien einen britischen Großgrundbesitzer und Amateurfußballer der ersten Stunde, ein weiterer Sohn heiratet - ebenfalls in Spanien - die Enkelin eines Generals aus altem Adel und wird Direktor eines Elektrizitätswerks... und so weiter, und so fort. Klingt fast wie aus dem Märchen, wenn man sich die bescheidene Herkunft ihres Vaters vor Augen hält...

    Die Taglöhner- und Kleinhäuslerfamilien im ländlichen Bereich - mütterlicherseits machen sie einen großen Teil meiner Vorfahren aus - kamen mir bislang immer sehr statisch vor. Wenn nicht ein gut situierter Pate oder Gönner da war, waren die Chancen gering, die Lebensverhältnisse maßgeblich zu verbessern. Die Identität eines solchen Gönners konnte ich in diesem Fall noch nicht feststellen.

    Bemerkenswert finde ich auch, dass sich die Lebensumstände der Geschwister des 2x-Urgroßonkels, obwohl sie im selben Ort wohnten und (durch Taufpatenschaften bezeugt) Kontakt bestand, nicht verbesserten. Trotz Patenschaft besteht kein Hinweis darauf, dass ihnen irgendwie "die Wege geebnet" wurden oder ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht wurde. Na gut, vielleicht habe ich da auch einfach falsche Vorstellungen von familiärem Zusammenhalt Auch interessant: die Familie des 2x-Urgroßonkels war politisch aufseiten der Christlichsozialen engagiert, mein Urgroßvater zählte zu den ersten "Sozis" im Ort... Vielleicht ja auch eine Folge des sozialen Risses, der durch die Familie ging.

    Jedenfalls ist mir ein so krasser Unterschied in den sozialen Verhältnissen innerhalb einer Generation und in derselben Familie während meiner Ahnenforschung bislang nicht untergekommen. Hat jemand ähnliche Beispiele zu bieten, oder vielleicht auch Denkanstöße, die ich hier außer Acht gelassen habe?
    Zuletzt geändert von alex1412; 18.01.2017, 00:04.
    Liebe Grüße aus Linz,
    Alex



  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 4837

    #2
    Hallo Alex,

    ich würde mal forschen, was der Ururgroßonkel machte bevor er Gerichtsbeamter wurde. Ich nehme mal an, daß es dazu einer staatlichen Ausbildung bedurfte.

    In einem ähnlichen Fall, mein Ururgroßvater wurde Volksschullehrer, konnte ich nachweisen, daß er am Lehrerseminar in Straubing war. Wer ihm den Aufenthalt bezahlte, ist unklar, die Familie war nicht wohlhabend, der Vater war jung verstorben.

    Auch hier war der Großvater noch ein Häusler und Leinweber.

    Ich vermute, daß mein Ururgroßvater gut in der Schule war und sich so evtl. für ein Stipendium empfahl.

    Inwiefern sich dieser Ausstieg aus der Häuslerszene auf die Geschwister auswirkte kann ich nicht sagen. Ich weiß, daß Kontakte bestanden, mehr aber auch nicht.
    Gruß
    gki

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    • Heike Irmgard
      Erfahrener Benutzer
      • 22.11.2016
      • 461

      #3
      Hallo,

      mir fällt dazu noch die Möglichkeit ein, durch mehrjährigen Militärdienst sozial aufzusteigen. Ich weiß jetzt nicht, wie die Verhältnisse in Österreich waren; in Bayern ist es meinem aus einfachen Verhältnissen stammenden Großvater durch 12jährigen Militärdienst gelungen, 1910 Verwaltungsbeamter zu werden. Der Staat stellte diese im Volksmund "Zwölfender" genannten bewährten Unteroffiziere gerne als einfache Beamte bei der Bahn, Post, Polizei und den sonstigen Behörden ein; die Ausbildung erfolgte in den Behörden und wurde im Falle meines Großvaters z. B. durch einen Fortbildungslehrgang in Schreibmaschineschreiben und Stenographie in München ergänzt.

      Vielleicht trifft Ähnliches auch für Deinen 2x-Urgroßonkel zu?

      Viele Grüße von Heike

      Kommentar

      • alex1412
        Erfahrener Benutzer
        • 07.06.2014
        • 102

        #4
        Hallo Heike,

        vielen Dank für Deinen Hinweis! In der Tat wird der Urgroßonkel in einem Nachruf als "Kriegsteilnehmer von 1878 und 1883" geführt, er war auch Ehrenvorstand des örtlichen Veteranenvereins. Ich halte es also durchaus für möglich, dass etwaige militärische Verdienste zu seinem Werdegang beigetragen haben. Bei seiner Hochzeit 1883 wird er jedenfalls bereits als "k.k. Gerichtsdiurnist" in den Akten geführt.

        Ich werde in der nächsten Zeit versuchen, den Bildungsweg des Urgroßonkels zu rekonstruieren und zu schauen, was sich im Kriegsarchiv in Wien zu ihm finden lässt. Ich hätte mir nicht gedacht, dass mir der Gute einmal soviel Arbeit beschert, aber irgendwie lässt mich die Geschichte nicht mehr los
        Liebe Grüße aus Linz,
        Alex



        Kommentar

        • Wolfg. G. Fischer
          Erfahrener Benutzer
          • 18.06.2007
          • 4918

          #5
          Zitat von gki Beitrag anzeigen
          Wer ihm den Aufenthalt bezahlte, ist unklar, die Familie war nicht wohlhabend, der Vater war jung verstorben.
          Hallo in die Runde,

          ich kenne einen Fall, in dem der Lehrer half, der die Begabung des Jungen erkannte. Aus dem "armen" Kind wurde, ermöglichst auch durch Risikogeschäfte im Ersten Weltkrieg, schließlich ein reicher Reeder, dessen Witwe bis zu ihrem Lebensende, einen eigenen Chauffeur hatte.

          Mit besten Grüßen
          Wolfgang

          Kommentar

          • alex1412
            Erfahrener Benutzer
            • 07.06.2014
            • 102

            #6
            Hallo Wolfgang,

            auch Dir vielen Dank für Deinen Beitrag!

            Die Vermutung mit dem erkannten Talent durch einen Lehrer habe ich auch im Falle des Urgroßonkels, zudem er später in eine Familie einheiratete, in der es in der nächsten Verwandtschaft wahrlich keinen Mangel an Lehrern gab.

            Näheres wird hoffentlich die Recherche noch ergeben.

            Ein kleiner Nachtrag noch zur Frage, warum sich der soziale Aufstieg nicht in der nächsten Verwandtschaft bemerkbar gemacht hat. Die Eltern des Urgroßonkels sterben beide hochbetagt, 1904 bzw. 1911 - der Vater nach wie vor als (gewesener) Taglöhner. Einen frühen Tod der Eltern als Anlass, sich des Urgroßonkels anzunehmen, kann ich also ausschließen - und auch auf die Eltern scheinen sich die verbesserten Lebensumstände des Sohns nicht großartig ausgewirkt haben (jedenfalls nicht auf eine Art und Weise, die sich in den Quellen nachweisen lässt).
            Liebe Grüße aus Linz,
            Alex



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            • DerDirk
              Erfahrener Benutzer
              • 22.10.2010
              • 348

              #7
              Man muss auch bedenken, dass während des Militärdienstes und Kriegseinsätzen sich Männerfreundschaften bilden können, die auch danach Wirkung haben.
              Kontakt als herausragender Soldat zu einem (meist Adligen) Offizier, kann auch der Karriere Schwung geben.
              Taucht ein anderer Soldat als Pate auf?
              FN GESUCHT !

              NEUMANN in Stolp und Lauenburg(Pommern)
              LEIBRANDT in Westpreußen/Pommern
              BRESCHKE oder BRESZKA in Pommern
              KIRSCH und GOOR in Eupen(Belgien)
              RÖMER in Bochum, Hattingen,Essen und Detmold
              SCHAMBACH, LOMBERG,TRAPMANN in Hattingen
              WITTKAMP und BRUNKHORST in Gelsenkirchen/Wattenscheidt
              BUSCH in Hamm

              Infos/Anfragen einfach per PM

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              • Silke Schieske
                Erfahrener Benutzer
                • 02.11.2009
                • 4400

                #8
                Hallo Alex,

                Auch wenn der Vater Tagelöhner war, muss das nichts heißen. Auch Tagelöhner hatten anspruchsvolle Arbeit, von der man oftmals besser leben konnte, als jemand der z.B. Bauer war.

                Auch mein Ururgroßvater ( aus Schlesien)war bei der Armee und bekam nach seiner Militärzeit eine Arbeit bei der Post. So wie ich es gelesen habe, war das auch in Schlesien Gang und Gebe seine Soldaten hinterher z.B. bei der Post in Lohn und Brot zu bringen.

                LG Silke
                Wir haben alle was gemeinsam.
                Wir sind hier alle auf der Suche, können nicht hellsehen und müssen zwischendurch auch mal Essen und Schlafen.

                Kommentar

                • alex1412
                  Erfahrener Benutzer
                  • 07.06.2014
                  • 102

                  #9
                  Hallo, Silke und Dirk,

                  einen direkten Bezug zum Militär habe ich bislang noch nicht gefunden, jedenfalls was die Paten betrifft. Zur Militärzeit des Urgroßonkels werde ich, wie gesagt, demnächst mal in Wien nachforschen.

                  Dass die Berufsbezeichnung "Tagelöhner" nicht wirklich aussagekräftig ist, wenn es darum geht, über die materiellen Umstände zu spekulieren, ist sicher richtig. Im Falle des 3x-Urgroßvaters weiß ich, dass er Zimmermann war. Da er ja auch als Häusler aufscheint, konnte er sich immerhin ein Eigenheim leisten.
                  Liebe Grüße aus Linz,
                  Alex



                  Kommentar

                  • Juanita
                    Erfahrener Benutzer
                    • 22.03.2011
                    • 1425

                    #10
                    Vielleicht war dieser Urgroßonkel (ohne Dir zu Nahe zu treten) einfach nur ein Geizhals u. Egoist. Das gab es nicht zu selten. Zum Paten wurde er evt. nur gedrängt. Aber das bedeutet nicht, daß er dem Patenkind gegenüber großzügiger gewesen wäre.

                    Juanita

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