Wie verlief eine Trauung im 17. bis 19. Jhd.?

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  • Leberecht
    Erfahrener Benutzer
    • 15.03.2009
    • 519

    Wie verlief eine Trauung im 17. bis 19. Jhd.?

    Hallo liebe Mitforscher,

    obwohl es eigentlich überhaupt nicht mein Interesse ist, z.Zt. wird man ja nahezu überschüttet mit Nachrichten über die englische Hochzeit.

    Da habe ich mich gefragt: wie lief eigentlich eine ländliche Trauung im 17. bis 19. Jhd. ab? Gab es eine große Feier oder wurde einfach nur etwas besser gegessen? Wie wurden die Traupaten bestimmt? War das halbe Dorf vor Ort oder lief es alles im kleineren, stilleren Kreise ab? Hat da jemand ev. Quellen, Berichte, Texte oder persönliche Anekdoten?

    Gruß
    Leberecht
  • Silke Schieske
    Erfahrener Benutzer
    • 02.11.2009
    • 4400

    #2
    Hallo Leberecht,

    Ich selber hatte mal gelesen, dass für Hochzeiten auf dem Land meistens die Monate gewählt wurden, in denen keine Ernte war. Dann hatte man nicht nur ruhe dafür, sondern auch etwas Geld. Gehe auch mal davon aus, dass bei der Heirat die Familie beider mit bei waren.
    Ich glaube unter "Schlesien" hatte ich mal einen Link eingestellt, in der es u.a. um Hochzeiten zu dieser Zeit ging.

    LG Silke
    Wir haben alle was gemeinsam.
    Wir sind hier alle auf der Suche, können nicht hellsehen und müssen zwischendurch auch mal Essen und Schlafen.

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    • Catha-Tina
      Erfahrener Benutzer
      • 14.10.2009
      • 1791

      #3
      Hallo Leberecht,
      eine sehr gute Quelle, um auch über Hochzeiten/Trauungen etwas zu erfahren, ist das 3-bändige Werk von Richard van Dülmen "Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit". Damit werden praktisch für das 16.-18. Jh. alle Themen abgedeckt.
      Es gibt in Band 1, den III. Abschnitt "Heirat und Ehe" (ca. 50 Seiten)

      U.a. kann man da lesen:
      Zur Hochzeit kamen in der Regel Verwandte und Freunde des Brautpaares, dann, je nach Stand, nahmen in der bäuerlichen Welt die Nachbarschaft ... daran teil. Eine Hochzeit war niemals das Fest zweier Familien allein, sondern eine öffentliche, repräsentative Festlichkeit. Immer gern gesehene Gäste waren daher höhere Standespersonen,..., auf dem Lande der Gutsherr.
      ....
      Das wichtigste Ereignis für alle Teilnehmer war die nach der Trauung folgende Hochzeitsfeier. Sie fiel je nach Stand und Vermögen unterschiedlich aus. Auf sie zu verzichten, bedeutete einen beträchtlichen Prestigeverlust, deswegen stürzten sich viele Eltern in ungewöhnliche Unkosten und machten Schulden, die über Jahre abgetragen werden mussten.


      Es gibt hier sogar Statistiken, an welchen Wochentagen welche Konfessionen zumeist geheiratet haben.
      Ich habe mir die Bände zu Weihnachten schenken lassen und kann sie wirklich nur empfehlen!
      Viele Grüße
      Catha-Tina

      Suche
      - die Herkunft des Joh. August Kuhblank, Geburt um 1722, Tod 1808 in Schafstädt, seit 1751 in Schafstädt nachweisbar, sowie
      - die Herkunft des Joh. Gottfried Siegmund, Holz- und Revierförster bei den Grafen von Stolberg in Wachau (Sachsen), Geburt um 1719,
      Heirat 1751 in Wachau mit Johanna Rosina Förster, Tod 1805 in Wachau

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      • Mats
        Erfahrener Benutzer
        • 03.01.2009
        • 3390

        #4
        Die 3 Bände von Richard van Dülmen kann ich nur empfehlen.
        Ich hab sie per Fernleihe in meiner Bibliothek ausgeliehen.

        Da bekommt man einen guten Einblick in die Lebensgewohnheiten unserer Ahnen.
        Es gibt nur 2 Tage im Jahr, an denen man so gar nichts tun kann:
        der eine heißt gestern, der andere heißt morgen,
        also ist heute der richtige Tag
        um zu lieben, zu handeln, zu glauben und vor allem zu leben.
        Dalai Lama

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        • fred56
          Erfahrener Benutzer
          • 11.11.2009
          • 703

          #5
          Gerade gefunden ... als Leseprobe



          Ich glaub ich bestell mir die Bücher, Danke Catha Tina
          FN: Kantel, Piechocka, Rozalska, Bittner, Oginska, Lewandowska, Klejs, Nizak, Bentkowski
          aus dem Raum Gnesen & Posen

          FN: Rutter, Mutschmann, Dittmann, Pankratz, Raabe, Timm, Tober
          aus dem Großraum Thorn

          FN: Piatkowski aus dem Raum Neutomischel

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          • hannaw
            Benutzer
            • 17.05.2010
            • 60

            #6
            Hallo zusammen,
            ich habe in den Unterlagen meines Schwiegervaters folgende handschriftliche Aufzeichnung aus dem Raum Wadeck/Hessen gefunden:
            Bericht von Johann Henrich Weidemann über die goldene Hochzeit seiner Eltern (* 1764/+1848 - *1769/+1846) am 18. November 1839:
            .... Nachdem nun zu diesem Ehejubelfest die Erlaubnis vom ......(noch nicht entziffert) ertheilt war, wurde dasselbe auf den oben bezeichneten Wochentag angesetzt, der Gemeinde bekannt gemacht und dieselbe zur Theilnahme eingeladen. Am gedachten Festtage wurde um 11 Uhr Mittags mit allen Glocken zum ersten Mal geläutet, um 1/2 12 das zweite und um 12 das dritte mal. Zu dieser Stunde geschah aus der jubelierenden Eheleute Wohnung der Kirchgang in folgender Ordnung: Musikanten machten den Anfang, ihnen folgten ....... (noch nicht entziffert) die 22 bekränzten Enkel der jubilierenden Eheleute dann folgten diese selbst vom Pfarrer und Schulmeister begleitet. Hierauf die Söhne mit ihren Eheweibern dann die Töchter mit ihren Ehemännern und hieran schlossen sich die sämtlichen erbetenen Gäste an. In der Kirche wurde zuerst ein auf diese Feier eigens gedichtetes Lied aus dem Frankfurter Gesangbuche gesungen, da in unserem Gesangbuch kein passendes stehet, der Pfarrer hielt dann eine Rede am Altare vor dem die jubelnden Eheleute auf Stühlen saßen worauf die Einsegnung und der Schlußgesang folgten.
            Nach geendigtem Gottesdienste ging der Zug in der oben beschriebenen Ordnung wieder zurück in das Haus der Jubelgreise, wo die versammelten Gäste mit einer freudigen Mahlzeit bewirthet wurden.

            Ich gehe davon aus, dass die tatsächliche Hochzeit 1789 nicht weniger aufwendig war, da es sich hier um gutsituierte Bauern handelte.

            Grüße
            Hanna

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            • Leberecht
              Erfahrener Benutzer
              • 15.03.2009
              • 519

              #7
              Hallo vielen Dank für eure Tipps, vor allem für den Buchtipp Richard van Dülmen. Vielen Dank auch an Hanna für den Erlebnisbericht.

              Wenn noch jemand was hat: immer her damit...

              Gruß
              Leberecht

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              • #8
                Ich kann dir ein paar Beispiele aus Trautexten nennen, die meiner Ansicht nach einen guten Eindruck über Hochzeitsfeierlichkeiten geben.

                Kirchenbuch Schottenstein:
                1590:
                den 1 Dec sind ehelich copuliert und eingeleitet worden Hieronymus Speth und Barbara Schramm von Kaltenbrunn. Die Hochzeitsgeste und Zeugen sind gewesen:
                Jacob Schramm von Cleußen, Andreas Schramm von Cleußen, Peter Schramm von Stadel, Hanß Winßel von Cleußen, Georg Schramm von alten Banz, Baltzer Dippolt, Hans Cilian, Rar, Hans Brecklein, Cuntz Döler, Baltzer Döler, Andreas, Möller zu Schleiffenhain, Michael Baez.

                Kirchenbuch Weißenbrunn vorm Wald Trauungen 1624:
                Eodem die ist auch Hanß Heinckel zu Mittelberg mit Margareha Rüssin von Katzberg, welche Er geschwängert und darauf öffentliche Kirchenbuß gethan vor dem Altar ehrlich getrawet worden und Alsbalden mit vorigen Breutigam Matthes Fischern Witwern zu Newkirchen Hochzeit gehalten in Herrn Clausen Müllers des Schulthessen behausung hat 2 Tisch Hochzeit Leuth gehabt.

                Kirchenbuch Weißenbrunn vorm Wald 1627:
                Dienstag nach Septuagesima als den 29 Januarij hat Petrus Kolb, Schaumburgischer Kutscher auf der Lauterburck, Hansen Kolben zu Unterlauter Eheleiblicher Sohn mit Barbara Erlicherin weiland Jörgen Erlichers alten Schulthessen alhier seiner hinterlassenen Eheleiblichen Dochter seinen hochzeitlichen Ehrentag Sollemniter gehalten, die Hochzeit auch selbsten zu 7 Tischen verlegt, Gott beschere beeden Personen gesunden Leib und reichen Seegen

                Kirchenbuch Weißenbrunn vorm Wald 1634:
                Eodem die ist auch Hanß Schmid zu Vornbach mit seiner Brauth Elsa Eckardin nach geschehner öffentlicher Copulation ehelich copuliret u. getrawet worden, die Hochzeit hatt Clauß Müller alter Schultheiß verleget. N.B. N.B. N.B. alita 2 letzere Brauth beide in Krantz unnd bendel zur Kirchen gangen, haben aber keine Spielleuth gehabt, der die damahl wegen des Tödlichen unnd seligen Antrits Ihrer Fs. He. Herzog Johann Casimir zu Sachsen, Jülich, Cleve unnd Berg kenßlich verbothen.


                Fazit:
                Die Hochzeitsgesellschaft bestand je nach Geldbeutel wohl aus 20 bis 70 Personen, Musikanten waren wichtig und gefeiert wurde meist 2 bis 5 Tage. In einigen Einträgen habe ich gelesen, dass am 2 oder 3 Tag die Hochzeitsgäste wechselten, weil entweder die Frau oder der Mann zu Hause die Wirtschaft versorgen mußte und jeweils nur einer von beiden kommen konnte.


                Die Bilder von Pieter Breughel geben, denke ich auch einen interessanten Einblick. So kann man sich wohl eine Hochzeit beim Landvolk vorstellen:




                oder gib einfach mal bei google unter Bilder Bauernhochzeit + Brueghel ein. Die Brueghels waren ja die Hochzeitsmler de 16 Jahrhunderts schlechthin
                Zuletzt geändert von Gast; 03.05.2011, 19:42.

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