Selbstmord und die Kirchenbücher?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • MarthaLU
    Erfahrener Benutzer
    • 13.02.2013
    • 509

    Selbstmord und die Kirchenbücher?

    Hallo liebe Kollegen,
    Ich habe hier eine rechtliche Verfügung von 1765, die eindeutig darauf hindeutet, der Ersteller muss sich hinterher das Leben genommen haben.

    Gibt es da überhaupt eine Chance, ihn in einem Kirchenbuch zu finden? Sein Tod ist als einziger seiner Familie nicht aufgeführt in dem Kirchenbuch der traditionellen Familienkirche. Woanders beerdigt, und woanders im Sterbebuch, oder stillschweigend beigesetzt? Was meint ihr?

    Besten Dank, sagt Martha!
  • katrinkasper

    #2
    Guten Tag,
    neben dem Jahr (1765) wäre eine Kenntnis weiterer Fakten für eine Einschätzung hilfreich:
    Konfession,
    Lebensalter,
    Region und
    sozialer Status.
    Ansonsten: Keine Beisetzung, sondern regelrecht außerhalb der Friedhofsmauer verscharrt.
    20 interessante Seiten beim ersten Google-Treffer mit
    "suizids im wandel der"
    Zuletzt geändert von Gast; 05.03.2017, 12:47.

    Kommentar

    • Friedrich
      Moderator
      • 02.12.2007
      • 11323

      #3
      Moin Martha,

      was ist da in der rechtlichen Verfügung eigentlich enthalten, daß man davon ausgehen kann, daß der Ersteller sich das Leben genommen hat?

      Friedrich
      "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
      (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

      Kommentar

      • MarthaLU
        Erfahrener Benutzer
        • 13.02.2013
        • 509

        #4
        Hallo ihr beiden, und danke für Antwort!
        Der junge Mann war 21 Jahre alt, adlig aus angesehenem Hause. Er war werdender Vater, die Schwangere war eine Magd. Er hat verfügt, welchen Namen das Kind tragen solle. Getauft wurde das Kind dann tatsächlich auf diesen Namen, in einer winzigen evangelischen Dorfkirche ohne Taufpaten.

        Von ihm fehlen ab da alle Lebensspuren. Daraus meinen wir, könnte man folgern, er hat sich umgebracht aus Liebeskummer. Offensichtlich durfte er ja das Mädchen aus niedersten Kreisen nicht heiraten, liebte sie und das Kind aber. Hätte er sein Elterhaus lediglich verlassen oder wäre verstoßen worden, wieso war er dann nicht dabei bei der Taufe? Es hätte keiner schriftlichen Namensverfügung bedurft, wenn er noch am Leben war. Doch außer der Mutter des Kindes, dem Pfarrer und dem Organisten war niemand in der Kirche.

        LG Martha

        Kommentar

        • katrinkasper

          #5
          Guten Tag,
          vielleicht ist er Offizier geworden und taucht in Ranglisten auf?
          Vielleicht hat er sein Glück in Ostindien gesucht?
          Oder man hat ihn ob des Skandals einfach außer Orts gebracht. Mit 21 war er ja noch minderjährig. Und in die Abwesenheit bei der Taufe seines Kindes würde ich rein gar nichts reininterpretieren wollen.

          Kommentar

          • MarthaLU
            Erfahrener Benutzer
            • 13.02.2013
            • 509

            #6
            Hm, das kommt mir nun eher unwahrscheinlich vor. Diese Taufe war ja geheim seine Familie war daran nicht beteiligt. Das Kind hatte nicht einmal Taufpaten. Weshalb hätte er da denn fehlen sollen? Die Lebensgeschichte der Mutter und des Kindes lässt sich nahezu lückenlos nachweisen. Nie wieder tauchte dieser Mann irgendwo auf.
            Er war übrigens bereits Offizier, es existieren alte Dokumente dazu. Sein Name fehlt ab dem Jahr 1765 in den Ranglisten.

            Ja sicherlich, da bleibt ein Restchen Unsicherheit. Darum würde ich ja zu gern den Sterbeeintrag finden.

            LG Martha
            Zuletzt geändert von MarthaLU; 05.03.2017, 14:02.

            Kommentar

            • MarthaLU
              Erfahrener Benutzer
              • 13.02.2013
              • 509

              #7
              Will nochmal kurz ergänzen:
              Meine Frage bezieht sich eigentlich nicht darauf, ob er sich das Leben genommen hat. Dafür gibt es Indizien, aber einen Beweis eben so lange nicht, wie wir keinen Sterbeeintrag haben.
              Frage daher stattdessen. wie verfuhr man allgemein mit Selbstmördern vor rund 250 Jahren ?

              Kommentar

              • katrinkasper

                #8
                Guten Tag,
                hier ein paar ältere Impressionen.
                noch so ein Thema, zu dem ich gerne mal euere Erfahrungen hören würde, wie in anderen Gegend damit umgegangen wurde. Selbstmörder wurden meiner Erfahrung nach entweder gar nicht (vor 1850) ins Kirchenbuch eingetragen, oder nur in den historischen Nachrichten. Man begrub sie auch nicht, sondern der Henker oder Schinder mußte

                Die Mehrzahl der Diskutanten verkehrt heute noch regelmäßig im Forum.

                Kommentar

                • Kastulus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.03.2012
                  • 1519

                  #9
                  Grüß Gott,

                  aus kath. bayr. Kirchenbüchern: Entweder der Pfarrer fand (oder erfand aus verständlichem Mitgefühl für die Familie) einen Grund wie "totale Depression" und der Verstorbene konnte kirchlich beerdigt werden oder die kirchl. Bestattung wurde versagt. Es fand sich dann für die Beerdigung eine ungeweihte Stelle im oder außerhalb des Friedhofs. Es erfolgte aber in diesem Fall auch ein entsprechender Eintrag im Kirchenbuch; es gab ja kein Standesamt. Der Salzburger Scharfrichter Wohlmut schrieb, dass Selbstmörder verscharrt werden mussten "mit dem Gesicht nach unten".

                  Schönen Sonntag! Kastulus
                  Zuletzt geändert von Kastulus; 05.03.2017, 15:08.

                  Kommentar

                  • Weltenwanderer
                    Moderator
                    • 10.05.2016
                    • 4357

                    #10
                    Hallo Martha,

                    dass er nicht im zivilen Kirchenbuch auftaucht, ist jetzt nicht so verwunderlich. Da würde ich in den Militärkirchenbüchern seiner Einheit nachgucken.

                    LG,
                    Weltenwanderer
                    Kreis Militsch: Latzel, Gaertner, Meißner, Drupke, Mager, Stiller
                    Kreis Tarnowitz / Beuthen: Gebauer, Parusel, Michalski, Wilk, Olesch, Majer, Blondzik, Kretschmer, Wistal, Skrzypczyk, von Ziemietzky, von Manowsky
                    Brieg: Parusel, Latzel, Wuttke, Königer, Franke
                    Trebnitz: Stahr, Willenberg, Oelberg, Zimmermann, Bittermann, Meißner, Latzel
                    Kreis Grünberg / Freystadt: Meißner, Hummel

                    Mein Stammbaum bei GEDBAS

                    Kommentar

                    • Garfield
                      Erfahrener Benutzer
                      • 18.12.2006
                      • 2140

                      #11
                      Hallo

                      Ich habe gerade eben eine Beerdigung von 1862 aus einem Dorf in Italien (katholisch) gefunden, da steht sinngemäss: "Ist in Wahnsinn verfallen und hat sich selbst mit einem Schuss aus der Schrotflinte getötet."
                      Und da steht auch - wie bei allen anderen Einträgen zu dieser Zeit -, dass er auf dem Friedhof begraben wurde.

                      Im Fall von Martha gehe ich aber wie die anderen auch eher davon aus, dass der Vater von diesem unehelichen Kind möglicherweise irgendwohin geschickt wurde, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Wenn die Familie adlig und gut situiert war, wurde er vielleicht einfach zu Verwandten geschickt um zu lernen, wie man mit einem Lehen oä umgeht. Oder eben, wenn er schon vorher im Militärdienst war, dann später vielleicht immer noch. Vielleicht hat er von dort aus die Verfügung geschickt, weil er wegen dem Militär nicht an der Taufe dabei sein konnte.
                      Ob er die Mutter und das Kind geliebt hat, kann man nach so langer Zeit auch nicht ohne weiteres sagen. Vielleicht dachte er oder die Familie, dass sie das Recht dazu hätten, den Namen zu bestimmen, einfach weil sie als Adlige wichtiger sind.

                      Magst du mal den Taufeintrag und die Verfügung hier einstellen? Vielleicht gibt es da noch Hinweise drin.
                      Viele Grüsse von Garfield

                      Suche nach:
                      Caruso in Larino/Molise/Italien
                      D'Alessandro in Larino und Fossalto/Molise/Italien und Montréal/Kanada
                      Jörg von Sumiswald BE/Schweiz
                      Freiburghaus von Neuenegg BE/Schweiz
                      Wyss von Arni BE/Schweiz
                      Keller von Schlosswil BE/Schweiz

                      Kommentar

                      • Monika Holl
                        Erfahrener Benutzer
                        • 15.03.2007
                        • 1088

                        #12
                        Hallo,

                        habe einen Selbstmörder in meiner direkten Linie - hat sich 1870 erhängt. Steht im kath. Kirchenbuch mit "erhängt bei geistiger Verwirrtheit".
                        Ganz normal begraben.

                        Grüße

                        Kommentar

                        • Dunkelgraf

                          #13
                          Hallo,

                          Ich denke wie das mit den Selbstmördern gehandhabt wurde, das kommt auf die Zeit und den sozialen Stand an und auch, ob es der Pfarrer (evangelisch oder katholisch?) eher moderat sieht oder sehr streng. Je nachdem wurden Selbstmörder auch ins Kirchenbuch eingetragen, manchmal gesondert auf den letzten Seiten, manchmal stehen die Einträge auf dem Kopf, manchmal stehen sie gar nicht im Kirchenbuch, aber in der Pfarrchronik. So z.B. bei einem Schulmeister, der sich 1690 erhängt hatte. Da vermerkte der Pfarrer in der Pfarrchronik, dass ihn niemand abschneiden wollte, weil er im Leben schon versoffen war. Die gemeinde dingte dann den nächstbesten Bettler, ihn abzuschneiden und auf dem Schinderanger zu begraben.

                          Bei Adligen, wie hier, würde ich schon davon ausgehen, das ein Selbstmörder in irgendeiner Form ins Kirchenbuch eingetragen worden wäre, zumindest in der Pfarrchronik. War eigentlich das Erbbegräbnis dieser Adelsfamilie am Wohnort oder woanders?
                          Ähm, das mit der Nichteilnahme an der Taufe, ist für mich überhaupt kein Argument, da es gar nicht üblich war, das uneheliche Väter, überhaupt bei großem Standesunterschied an der Taufe teilnehmen, zumindest überall dort wo ich forsche, wäre kein Adliger auf die Idee gekommen, zur Taufe seines unehelichen Balges zu gehen, da sie über dem Pfarrer standen

                          Gruß
                          Dunkelgraf

                          Kommentar

                          • MarthaLU
                            Erfahrener Benutzer
                            • 13.02.2013
                            • 509

                            #14
                            Hallo und guten Morgen,
                            Sorry, kam in der Woche nicht zum Antworten.
                            Dankeschön euch allen für die guten Anregungen, die mir sehr helfen. Der Fall wird möglicherweise wohl für immer ungeklärt bleiben. Es gibt einige Details, die mich weiter dazu bringen, an den Suizid zu glauben, aber beweisbar ist es nicht.

                            So gab es Brüder, die ebenfalls nicht standesgemäß Kinder zeugten, die sind aber alle aufgeführt im Kirchenbuch, und auch nicht verstoßen . Das winzige Kirchlein liegt nur wenige km entfernt von der Familienkirche. Zwei früh verstorbene Geschwister, die ebenfalls Offizier waren, finden sich im normalen Kirchenbuch, nicht im Militärkirchenbuch. Ich hatte einen Vorfahren, der in Hamburg Mitglied der Genealogischen Gesellschaft war, und der hatte ebenfalls schon geforscht. Er gibt das Jahr 1765 an als Sterbejahr, nur hat er leider dafür keinen Beleg hinterlassen. Da aber all seine Behauptungen, die ich bisher überprüfte, sich als korrekt erweisen, muss ich den Hinweis ernst nehmen.

                            Mal sehen, vielleicht finde ich irgendwann des Rätsels Lösung. Herzlichen Dank an alle !

                            Martha

                            Kommentar

                            Lädt...
                            X