Essen und Trinken im 18./19. Jahrhundert

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  • Molle09
    Erfahrener Benutzer
    • 24.03.2009
    • 1379

    Essen und Trinken im 18./19. Jahrhundert

    Hallo Zusammen,

    mich würde mal interessieren, was man im ausklingenden 18. Jahhundert bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts in den verschiedenen Schichten (ausgenommen der Landadel) im evangelischen Mitteldeutschland zu sich nahm.
    Also was aß die ärmere Landbevölkerung, was die Bauern oder der Pfarrer. Was waren das für Mahlzeiten? Bei wem kam das "gute Sonntagsessen" auf den Tisch, gab es das überhaupt schon. Was gab es in der Fastenzeit. Benutzten sie die Finger oder gab es Löffel.

    Was immer Euch dazu einfällt, ich bin gespannt!
    Liebe Grüße
    Mlle
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    Bertuch in Donndorf ab 1784-1799
    Joh. Martin Koch,1743 Hammelknecht in Marienroda u. Frau Regina

    den Verbleib von Johann Wilhelm Nürnberger *04.12.1803
  • memo
    Erfahrener Benutzer
    • 19.01.2009
    • 315

    #2
    Hallo Molle09,

    Nicht gerade vom platten Land und als Sohn eines Korn- und Mehlhändlers wohl nicht ganz arm schreibt mein Urgroßvater (* 1844) über seine Kindheit in Gardelegen:

    'Damals war es Sitte, daß jede Hausfrau sich vom Bäcker Sauerteig holte, am Abend desselben in den Teig mischte, denselben am anderen Morgen rührte, dann knetete, zu Broten formte und dann dem Bäcker zum Backen übergab. Brot vom Bäcker holten nur ärmere Leute. Zu den Festen bereitete die Hausfrau die Kuchen und Weizenbrote auch selbst vor, um sie dann backen zu lassen. Jeden Morgen gab es zum Kaffee 2 Bretzeln, sogenannte Kringele, für 1 Silbergroschen (12 Pf) gab es 6 Stück, zum Frühstück bekam der Vater Schinken oder Wurst, wir Kinder auch sonntags, alltags aber nur Butterbrot. Die Butter wurde selbst gemacht, Käse ebenfalls und zum Aufbewahren in Steintöpfe gepackt.

    Zur Sparsamkeit und Einfachheit war das ganze Volk von der napoleonischen Zeit bis 1840/50 angewiesen. Wir hatten 2 Kühe im Stall und schlachteten 2 Schweine, hatten aber nur zum Sonntag ¾ Pfund Rindfleisch zur Reissuppe. Braten gab es nur bei selbstgeschlachteten Kälbern, wo gewisse Teile mit den Nachbarn ausgetauscht wurden.

    Manchmal ging ein Ausrufer mit einer großen Klingel durch die Straßen und machte bekannt: "Bi Hossen op Sandstrat jibt et Brunbier un wat to drinken." Hierbei sollte das letztere eine geringere Biersorte ankünden!'

    Außerdem beschreibt er die vielen Gemüse- und Obstgärten in der Stadt und das Pflaumenmuskochen.

    Gruß,
    Mechthild

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    • Molle09
      Erfahrener Benutzer
      • 24.03.2009
      • 1379

      #3
      Hallo Mechthild,

      man, da hast Du ja ein tolles Erbstück! Ist bestimmt äußerst interessant zu lesen. Das ist mit das Beste was einem in der Ahnenforschung passieren kann. Auf die Art und Weise bekommt man doch erst einen wirklichen Einblick in den Alltag unserer Ahnen.

      Das klingt eigentlich fast wie bei uns heute. was mich wundert, das die schon Reis kannten.

      In den KB, die ich so durchforstet habe waren auch immer Braumeister erwähnt. Da muss wohl jeder kleine Ort seine eigene Brauerei gehabt haben. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen und wie mag das wohl geschmeckt haben?!

      Ich danke Dir sehr für die tolle Bereicherung!
      Liebe Grüße
      Mlle
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      • memo
        Erfahrener Benutzer
        • 19.01.2009
        • 315

        #4
        Hallo Molle,

        Dass man Reis kannte, wundert mich auch. Aber es muss etwas besonderes gewesen sein, für den Sonntag.

        Es hat offensichtlich mehrere Brauereien in Gardelegen gegeben. Mein Ur-Urgroßvater fuhr regelmäßig nach Magdeburg um Korn zu verkaufen. Auf der Rückfahrt brachte er Gerste mit:

        '... wo das verschiedene Korn in getrennten Räumen aufbewahrt wurde, bis es auf Pferdewagen nach Magdeburg geschafft wurde. Auf jeden Wagen wurden 3 Wispel Korn geladen, in den ersten Jahren noch in 3 Scheffel-Säcken. Die Wagen fuhren die Chaussee über Dolle, wo die Pferde gefüttert wurden, und hielten noch einmal in Wolmirstedt. Vor dem Krökentor wurden die Wagen von der Polizei untersucht und durften dann in die Stadt hineinfahren. Jede nicht angeschnittene Wurst mußte hier versteuert werden, überhaupt alle Lebensmittel, die nicht zur täglichen Nahrung nötig waren. Der Vater bezog Roggen und Weizen von den Gütern Weteritz, Lindstedt, Zichten und von den Gastwirten, wo die Bauern ausgespannt hatten. Wenn es möglich war, wurden die Wagen in Magdeburg mit Gerste beladen, die von Naumburg mit Ähren (Firma I.G.Hölz & Föhne) besorgt wurden, und an die Brauereien Karl Müller, Sandstraße, Wilhelm Müller (Kaufmann), Markt und Saalfeld verkauft wurden, weil der Gerstenanbau sich in Gardelegen nicht lohnte.'

        Ja, es ist schön, dass er das aufgeschrieben hat.
        Gruß,
        Mechthild

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        • Molle09
          Erfahrener Benutzer
          • 24.03.2009
          • 1379

          #5
          Hallo Mechthild,

          das hat er so schön detailliert geschrieben, das könnte man ja als Buch veröffentlichen! Klasse und ich bin schon etwas neidisch!

          Mit Wohlmirstedt und Naumburg kam er ja sogar in mein Forschungsgebiet.
          Liebe Grüße
          Mlle
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          • UnFassbar
            Gesperrt
            • 14.11.2010
            • 87

            #6
            "mehrere Brauereien" in Gardelegen? Bis zum 30jährigen Krieg soll es bis zu 260 Brauhäuser dort gegeben haben. Bis heute ist eine davon übriggeblieben und auf deren HP kann man sich zur Geschichte des Garley, der Stadt und anderen mehr informieren. Prost!
            UnFassbar

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            • Schlupp
              Erfahrener Benutzer
              • 27.03.2009
              • 416

              #7
              "Garley" gilt übrigens als am längsten durchgehend bestehender und noch existierender Markenname der Welt - seit 1314!!! (Für die Nicht-Sachsen-Anhalter unter uns und diejenigen, die bei Jauch einmal die 250.000-€-Frage knacken wollen ... )

              Aus Briefen einer gutbürgerlichen Familie der 1780er Jahre, weiß ich über die Freude des Mai-Spargels, der Spickgänse, von Torten und Fisch, der per Kutschfahrt von Rostock nach Halle geliefert wurde . Und ganz wichtig: Der 11jährige Sohnemann schreibt vom leckeren Kaffee, der nach dem Spaziergang schon auf dem Tisch stand (und ich glaube, er meinte tatsächlich das Getränk, das ich in diesem Alter noch nicht trinken durfte ...)

              Schlupp
              Woher stammen: 1) der Hirte Johann Peter Matthias TRIEGER (* um 1760, angeblich in Barby bei Magdeburg, V: Andreas Trieger), 2) der Hirte Michael BREITMEYER (* um 1727, V: David Breitmeyer, 1740er: wohnhaft in Schwanebeck bei Halberstadt)

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              • Friedrich
                Moderator
                • 02.12.2007
                • 11323

                #8
                Moin Molle,

                Zitat von Molle09 Beitrag anzeigen
                In den KB, die ich so durchforstet habe waren auch immer Braumeister erwähnt. Da muss wohl jeder kleine Ort seine eigene Brauerei gehabt haben. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen und wie mag das wohl geschmeckt haben?!
                nicht nur viele Orte hatten sozusagen ihre eigene Brauerei, sondern das Bierbrauen geschah zum Eigenbedarf auf den einzelnen Höfen! Für den Ausschank gab es dann noch das sog. Reihebrauen, d. h. da ging es mit einem Braukessel rundum. Natürlich alles von der Obrigkeit reglementiert.

                Bier war eben ein Alltagsgetränk.

                Friedrich
                "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
                (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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                • Schlupp
                  Erfahrener Benutzer
                  • 27.03.2009
                  • 416

                  #9
                  Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
                  das Bierbrauen geschah zum Eigenbedarf auf den einzelnen Höfen!
                  Ja, ja, das Sauerland ...

                  Schlupp
                  Woher stammen: 1) der Hirte Johann Peter Matthias TRIEGER (* um 1760, angeblich in Barby bei Magdeburg, V: Andreas Trieger), 2) der Hirte Michael BREITMEYER (* um 1727, V: David Breitmeyer, 1740er: wohnhaft in Schwanebeck bei Halberstadt)

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                  • UnFassbar
                    Gesperrt
                    • 14.11.2010
                    • 87

                    #10
                    "... Die Bauersfrau hatte auch schon seit uralten Zeiten Kenntnis von der Bierbereitung. Auf dem Herdbilde sieht man rechts ein kegelförmiges Faß mit einem Bierhahn, unter dem Hahn stand ein Krug. Das Faß wurde mit Wasser gefüllt und zum Vergären buk die Bäuerin Brotknuste, die zerstückelt nebst *Broatschen und Plumen*, Hopfen und Hefe hineingetan wurden.. Im Winter stand das *Stannen* genannte Gefäß in der *Dönz*, im Sommer auf der Diele, und der *Koffent*, ein ganz dünnes obergäriges Bier, wurde niemals alle"

                    Diese Beschreibung gilt für die Zeit um 1775.
                    Auszug aus "Der altmärkische Bauernhof- von SR Dr. Schulze Diesdorf" in Heimatbuch Gardelegen 1938
                    UnFassbar

                    Kommentar

                    • Friedrich
                      Moderator
                      • 02.12.2007
                      • 11323

                      #11
                      Moin Schlupp,

                      Zitat von Schlupp Beitrag anzeigen
                      Ja, ja, das Sauerland ...
                      Irrtum! Wittgenstein, nachzulesen in der Zeitschrift Wittgenstein Bd. 74, Heft 4: Girkhausen und das Bier: Eine Brauerlaubnis von 1777, ab S. 132

                      Na gut, im Sauerland wurde auch gebraut...

                      Friedrich
                      "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
                      (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

                      Kommentar

                      • Molle09
                        Erfahrener Benutzer
                        • 24.03.2009
                        • 1379

                        #12
                        Hallo Zusammen,

                        könnte es sein, dass das Thema gerade nur in eine Richtung läuft?

                        Auch wenn es nicht nur Brauereien gab sondern selber gebraut wurde. Wie war das zum Bsp. in Weinanbaugegenden, etwa an Saale Unstrut. Wer hat alles Wein getrunken? Alle? Er war ja sicher kein Genussmittel sondern Alltag oder irre ich mich da? Ich meine Schlupp schreibt von einem 11-jährigen , der Kaffe bekam, war das mit Wein auch so?

                        Und dann hätten wir ja noch das Essen, was mich ja eigentlich mehr interessiert. Gab es nur dürre Brühe und ein Stück trocken Brot? Gerstengrütze? Wie kam man über den Winter? Haben die Ende 18.Jhd./Anfang 19.Jhd. schon eingekocht? Hatte jeder Salz und Zucker zur Verfügung oder war das Luxus?
                        Liebe Grüße
                        Mlle
                        ----------------
                        Es gibt keine Zufälle!!!

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                        den Verbleib von Johann Wilhelm Nürnberger *04.12.1803

                        Kommentar

                        • Friedrich
                          Moderator
                          • 02.12.2007
                          • 11323

                          #13
                          Moin Molle,

                          Zitat von Molle09 Beitrag anzeigen
                          Wie kam man über den Winter? Haben die Ende 18.Jhd./Anfang 19.Jhd. schon eingekocht? Hatte jeder Salz und Zucker zur Verfügung oder war das Luxus?
                          Salz und Zucker waren sicher nicht Alltagsware; es wurde ja nicht überall gewonnen (Salz wurde auch besteuert).

                          Mit dem Einkochen bin ich mir nicht sicher, aber es wurde Fleisch gepökelt und mit Sicherheit Weißkohl (Kaps) zu Sauerkraut verarbeitet, also eingesäuert. Ich denke, daß das Einsäuern damals eine viel größere Rolle spielte als heute. Wer macht denn heute noch selber Sauerkraut? Und das mußte, weil es, wenn man den Gärtopf öffnete, möglichst schnell verbraucht werden. Man konnte ja nichts einfrieren.

                          Friedrich (der gestern noch selbstgemachtes Sauerkraut auf dem Teller hatte )
                          "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
                          (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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                          • UnFassbar
                            Gesperrt
                            • 14.11.2010
                            • 87

                            #14
                            Die Konservierung von Lebensmitteln geschah durch Pökeln des Fleisches, Einlegen von Früchten oder durch Trocknen von Obst. "In jedem dörflichen Haushalt, in dem geschlachtet wurde, stand im Keller ein vom Böttcher aus Eichenholz hergestelltes Pökelfaß. Nach dem Schlachten wurden die Schinken, der Speck und die Vorderblätter 4 Wochen eingepökelt, danach abgewaschen und in den Rauch gehängt. Der erste Schinken wurde angeschnitten wenn der Kuckuck rief, der letzte beim Kartoffel auskriegen"

                            Weiterer Auszug vom schon erwähnten SR Dr. Schulze:
                            "In der kühlen Jahreszeit kochte die Bäuerin am Sonntagvormittag im großen Kessel für die ganze Woche. Dasselbe Gericht wurde jeden Mittag, vielfach auch noch morgens und abends, auf den Tisch gebracht, also diese Woche Kohlrüben, die nächste Weißkohl, die 3. Möhren mit Pökelfleisch, das Fleisch aber in so knappen Mengen, daß man es mit der gleichfalls zum Salzen benutzten Lake eben herausschmecken konnte. ...Für den Winterbedarf wurden Pflaumen und Birnen in großen Mengen im Backofen gedörrt und in Fässern und Truhen auf dem Hausboden aufbewahrt zu dem die Kinder freien Zutritt hatten. Beim Backen bekamen sie *Apfeltrülen*, in Kubelteig gebackene Äpfel, ein Leckerbissen, der gesünder erhielt als Eis und Schokolade. ...Mangelkrankheiten konnten bei dieser schollengebundenen Kost nicht auftreten, zumal die Kinder Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit auch roh aßen. Zahnkrankheiten, wie sie heute infolge der verfeinerten Kost in erschreckenden Maße auch auf dem Lande auftreten, waren selten."
                            Und das schrieb der Herr Doktor schon 1939!
                            UnFassbar

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                            • Friedrich
                              Moderator
                              • 02.12.2007
                              • 11323

                              #15
                              Zitat von UnFassbar Beitrag anzeigen
                              Mangelkrankheiten konnten bei dieser schollengebundenen Kost nicht auftreten, zumal die Kinder Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit auch roh aßen. Zahnkrankheiten, wie sie heute infolge der verfeinerten Kost in erschreckenden Maße auch auf dem Lande auftreten, waren selten."
                              Und das schrieb der Herr Doktor schon 1939!
                              Keine Mangelkrankheiten?????????????????

                              Der hat aber bestimmt nicht in die Kirchenbücher geguckt!

                              Friedrich
                              "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
                              (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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