ein mir etwas rätselhafter Sterbeeintrag

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  • Jettchen
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2011
    • 1355

    ein mir etwas rätselhafter Sterbeeintrag

    Ich bin in Probstzella/Thüringen auf einen Sterbeeintrag aus dem Jahr 1700 gestoßen, den ich zunächst wegen der lateinischen Formulierungen im Forum "Lesehilfe" eingestellt hatte. Das ist nun geklärt, aber inhaltlich verstehe ich manches dennoch nicht. Vielleicht kann mir jemand von euch weiterhelfen?
    Aber auf jeden Fall ist interessant, aber auch traurig, was der Pfarrer dort über die Ehe von Ahnen von mir niedergeschrieben hat.


    Hier der von Bibelstellen und und unnötigen Formulierungen bereinigte und rechtschritlich etwas veränderte Text:


    Hans Dreßel, Inwohner in Zopten starb den 26. Juni .....
    NB Er ist dahier gestorben. Ich bin nicht erfordert worden, so wie es Sitte in Zella, Zopten und Neundort ist.
    Er hat in Uneinigkeit seinen Ehestand angefangen, in uneiniger Ehe 38 Jahre gelebt, wie wohl das Weib, wie meist üblich, die Ursache gewesen ist.


    Wozu könnte der Pfarrer nicht erfordert gewesen sein? Zur Beerdigung???
    Oder war der Schreiber der Lehrer? Die drei genannten Orte gehörten alle zur Pfarrei Zella (Probstzella). Was war da so besonders bei diesem Tod, dass da etwas niedergeschrieben wurde, was eigentlich üblich war?
    Jetzt beim Schreiben kommt mir dieser Gedanke:
    Üblich könnte es gewesen sein, dass der Lehrer mit Schulkindern bei der Beerdigung zum Singen kam. In diesem Fall wurde darum aber nicht gebeten.
    Könnte dies so passen?


    Traurig, was über diese für damalige Zeit sehr lange Ehe zu lesen ist. Wie schlimm muss das Leben in diesem Haus gewesen sein, dass dies extra im KB erwähnt wurde. Und immer war die Ehefrau die Schuldige!
    Wie gut, dass heute eine Scheidung möglich ist!

    Was könnte es bedeuten, dass bereits der Ehestand in Uneinigkeit angefangen hat? Schwanger war die Braut aber noch nicht!


    Viele Grüße
    Jettchen
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  • Geschichtensucher
    Erfahrener Benutzer
    • 03.09.2021
    • 734

    #2
    Auf jeden Fall ist dieser Eintrag ja ein Geschenk für den Ahnenforscher Du bekommst über Jahrhunderte hinweg einen Einblick in das Leben des Ahnen. Schade, dass es offenbar ein verbittertes Leben war. Er wollte den Beistand des Pfarrers nicht - wie der genau ausgesehen hätte, wird hier sicher noch jemand beitragen, der sich auskennt. Ehe in Uneinigkeit begonnen - da hatten dann andere (Interessen) ihre Hände im Spiel, er musste diese Ehe gegen seine Neigung eingehen, so lese ich das. Sicher materielle Gründe... vielleicht wird es klarer, wenn du dir die jeweiligen Besitzstände anguckst.
    Beste Grüße, Iris

    Kommentar

    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5536

      #3
      Zitat von Geschichtensucher Beitrag anzeigen
      Ehe in Uneinigkeit begonnen - da hatten dann andere (Interessen) ihre Hände im Spiel, er musste diese Ehe gegen seine Neigung eingehen, so lese ich das. Sicher materielle Gründe... vielleicht wird es klarer, wenn du dir die jeweiligen Besitzstände anguckst.
      Nein, das sehe ich anders. Die Idee einer Liebesheirat existierte damals noch nicht. Ehen wurden fast immer arrangiert. Da das gewissermaßen normal war, wäre es wohl niemandem eingefallen, hierin einen Grund für "Uneinigkeit" zu erblicken. Zudem kann man eine arrangierte Ehe bzw. deren Unannehmlichkeiten ja beim besten Willen nicht der Frau anlasten, die dafür ebensowenig verantwortlich war wie ihr Mann. Ich denke, die Frau wird in diesem Fall ganz einfach ein zänkisches Wesen gehabt haben und ihrem Mann damit das Leben zur Hölle gemacht haben. Das kam zu allen Zeiten vor und gibt es noch heute. Hier muß es so schlimm gewesen sein, daß der Kirchenbuchführer es der Erwähnung wert fand. So wie bisweilen auch gewalttätige Ehemänner in Kirchenbüchern dokumentiert wurden. Oder Frauen, die ihre Schwiegertochter zum Selbstmord getrieben haben.
      Suche:

      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

      Kommentar

      • Xtine
        Administrator
        • 16.07.2006
        • 28396

        #4
        Hallo Jettchen,

        Zitat von Jettchen Beitrag anzeigen
        Wozu könnte der Pfarrer nicht erfordert gewesen sein? Zur Beerdigung???
        Ich denke, er wurde nicht gerufen um die Sterbesakramente zu erteilen, da der Verstorbene wohl nichts mehr von ihm oder der Kirche wissen wollte.

        Gibt es denn überhaupt einen Traueintrag??? Oder soll die uneinige Ehe evtl. eine wilde Ehe ohne Trauschein bedeuten?
        Viele Grüße .................................. .
        Christine

        .. .............
        Wer sich das Alte noch einmal vor Augen führt, um das Neue zu erkennen, der kann anderen ein Lehrer sein.
        (Konfuzius)

        Kommentar

        • Scriptoria
          Erfahrener Benutzer
          • 16.11.2017
          • 2757

          #5
          Zitat von Xtine Beitrag anzeigen
          Ich denke, er wurde nicht gerufen um die Sterbesakramente zu erteilen, da der Verstorbene wohl nichts mehr von ihm oder der Kirche wissen wollte.

          Hallo,

          die Familie war evangelisch. Die Krankensalbung ist hier kein Sakrament wie in der katholischen Kirche und im Allgemeinen auch nicht üblich, kann jedoch auf Wunsch durchgeführt werden (dennoch ungewöhnlich). Das ist hier sicher nicht gemeint. Der evangelische Pastor kann ans Sterbebett gerufen werden, dort hält er eine kurze Andacht und segnet den Sterbenden (sog. Aussegnung), auch nach dem Tod kann die Aussegnung stattfinden. Vorgeschrieben und für das Seelenheil notwendig ist sie jedoch nicht, die Entscheidung liegt beim Kranken. Er muss sich also nicht zwingend von der Kirche abgewandt haben.
          Wie schon angemerkt, kann es auch eine Ablehnung der Person des Geistlichen gewesen sein.

          Der Verstorbene legte wohl keinen Wert auf diesen Beistand, der sonst in der Gegend anscheinend häufig genutzt wurde.

          Grüße
          Scriptoria
          Zuletzt geändert von Scriptoria; 15.01.2024, 11:37.

          Kommentar

          • Scriptoria
            Erfahrener Benutzer
            • 16.11.2017
            • 2757

            #6
            Zitat von Jettchen Beitrag anzeigen
            Wozu könnte der Pfarrer nicht erfordert gewesen sein? Zur Beerdigung???
            Oder war der Schreiber der Lehrer? Die drei genannten Orte gehörten alle zur Pfarrei Zella (Probstzella).

            Hallo Jettchen
            "Hans Dreßel, Inwohner in Zopten starb den 26, junii morgends umb 10 Uhr und ward Christlich beerdigt den 29. eiusd.(em)" steht ja auch noch in deinem Text.
            https://forum.ahnenforschung.net/showthread.php?t=242016
            Der Pfarrer war anwesend, und es gibt sogar zwei Angaben zu Predigttexten. Der Lehrer hat mit dem Eintrag nichts zu tun. Dreßel verzichtet lediglich auf Beistand am Sterbebett, der in der Pfarrei Zella "Sitte", keine allgeinmeingültige religiöse Verpflichtung, war.

            Grüße
            Scriptoria


            Zuletzt geändert von Scriptoria; 15.01.2024, 11:58.

            Kommentar

            • Gastonian
              Moderator
              • 20.09.2021
              • 3325

              #7
              Zitat von Xtine Beitrag anzeigen

              Gibt es denn überhaupt einen Traueintrag??? Oder soll die uneinige Ehe evtl. eine wilde Ehe ohne Trauschein bedeuten?

              Nicht eine wilde Ehe - die haben am 24.11.1662 nach dreimaliger Proklamation, also ganz regelkonform, geheiratet (https://www.archion.de/p/8fa39dfb36/).


              Und wie auch Jettchen schon erwähnt hat, war es auch nicht eine durch Schwangerschaft erzwungene Heirat - das erste Kind wurde fristgerecht am 10.09.1663 geboren (https://www.archion.de/p/b8408e6d71/).


              Zu der "Uneinigkeit" - dies mag sehr abwegig sein, aber in englischen und amerikanischen Quaker-Gemeinden bedeutet das Wort "disunity", daß man nicht mehr in Eintracht mit der Kirchengemeinde ist. In solch einem Kontext würde man diesen Eintrag also nicht als Kommentar auf die Qualität der Ehe lesen, sondern dahin deuten, daß die Frau aus dem Mann einen Dissidenten oder Andersgläubigen gemacht hat.


              VG


              --Carl-Henry
              Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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              • Scriptoria
                Erfahrener Benutzer
                • 16.11.2017
                • 2757

                #8
                Zitat von Gastonian Beitrag anzeigen
                Zu der "Uneinigkeit" - dies mag sehr abwegig sein, aber in englischen und amerikanischen Quaker-Gemeinden bedeutet das Wort "disunity", daß man nicht mehr in Eintracht mit der Kirchengemeinde ist. In solch einem Kontext würde man diesen Eintrag also nicht als Kommentar auf die Qualität der Ehe lesen, sondern dahin deuten, daß die Frau aus dem Mann einen Dissidenten oder Andersgläubigen gemacht hat.

                Hallo,

                dass der Mann kein Dissident ist, ist schon an seiner doch deutlich kirchlichen Beerdigung zu sehen. Der Terminus der uneinigen Ehe ist geläufig für sich streitende Paare. Hier ein Beispiel aus Württemberg.




                Und hier eine Meinung von katholischer Seite dazu:https://www.google.de/books/edition/...sec=frontcover

                Aus dem 19. Jahrhundert.



                Grüße
                Scriptoria
                Zuletzt geändert von Scriptoria; 15.01.2024, 23:05.

                Kommentar

                • Jettchen
                  Erfahrener Benutzer
                  • 16.10.2011
                  • 1355

                  #9
                  Vielen Dank für eure interessante Diskussion!
                  Ja, ich sehe solche Einträge auch immer als Glücksfall an, obwohl sich hier ein trauriges Schicksal zeigt. Da verdeutlicht einfach die menschliche Seite der Ahnen.


                  Dass es die "Aussegnung" im Haus war, kann ich mit jetzt gut vorstellen. Daran hatte ich gar nicht gedacht.

                  Ich hatte mir noch folgende Gedanken dazu gemacht:
                  War vielleicht der Schreiber der Lehrer, der normalerweise bei einer Beerdigung mit Schulkindern gesungen hatte? Nun entging ihm eine erwartete Einnahme - und das hat er aus Ärger festgehalten. War das evtl. die Rache der Frau an ihrem ungeliebten Mann, dass er ohne den Gesang der Schulkinder unter die Erde gebracht wurde? (Habe nachträglich gemerkt, dass ich da ja schon oben geschrieben hatte! Entschuldigung!)


                  Finanzielle Probleme dürften bei der Familie m.E. nicht geherrscht haben. Die Paten aller 7 Kinder waren alle angesehene Personen: Handwerksmeister, Kastenvorsteher, der Fürst, vertreten durch den Amtsschösser, der Richter.


                  Die Großväter der beiden Eheleute waren Schultheiße, der Vater des Mannes führte in Probstzella eine Gastwirtschaft. Der Mann arbeitete als Kärrner, ehe er wohl die Wirtschaft weitergeführt hatte.
                  Irgendwann lebte das Paar dann aber im benachbarten Zopten, dem Geburtsort der Frau. Wann und weshalb dieser Umzug erfolgte, versuche ich noch herauszufinden.
                  Ein Enkel übernahm später für viel Geld ein sehr großes Gasthaus an einer wichtigen Handelsstraße bei Tettau. Geld muss also in der Familie gewesen sein.
                  Ab da finde ich dann in Heimatbüchern viel über diese Familie.


                  Viele Grüße
                  Jettchen
                  Zuletzt geändert von Jettchen; 15.01.2024, 14:41.

                  Kommentar

                  • HelenHope
                    Erfahrener Benutzer
                    • 10.05.2021
                    • 722

                    #10
                    Ich denke, dass der Pfarrer beleidigt war, weil er nicht gerufen wurde, und die Schuld der Ehefrau gab. Er hatte ja offenbar ohnehin kein gutes Frauenbild. Und wenn jemand, der ja offenbar nicht ganz so unbedeutend in der Ortschaft gewesen zu sein scheint, den Pfarrer beim Sterben nicht dabei haben will, dann kann das schon eine ordentliche Kränkung gewesen sein. Wahrscheinlich ging der Pfarrer davon aus, dass die Frau es ihm ausgeredet hat oder das Holen des Pfarrers irgendwie unterbunden.

                    Kommentar

                    • Geschichtensucher
                      Erfahrener Benutzer
                      • 03.09.2021
                      • 734

                      #11
                      Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
                      Nein, das sehe ich anders. Die Idee einer Liebesheirat existierte damals noch nicht. Ehen wurden fast immer arrangiert. Da das gewissermaßen normal war, wäre es wohl niemandem eingefallen, hierin einen Grund für "Uneinigkeit" zu erblicken. Zudem kann man eine arrangierte Ehe bzw. deren Unannehmlichkeiten ja beim besten Willen nicht der Frau anlasten, die dafür ebensowenig verantwortlich war wie ihr Mann. Ich denke, die Frau wird in diesem Fall ganz einfach ein zänkisches Wesen gehabt haben und ihrem Mann damit das Leben zur Hölle gemacht haben. Das kam zu allen Zeiten vor und gibt es noch heute. Hier muß es so schlimm gewesen sein, daß der Kirchenbuchführer es der Erwähnung wert fand. So wie bisweilen auch gewalttätige Ehemänner in Kirchenbüchern dokumentiert wurden. Oder Frauen, die ihre Schwiegertochter zum Selbstmord getrieben haben.

                      Da sind wir also verschiedener Meinung die Frage, ob Ehen damals fast immer arrangiert wurden, wäre mal ein extra Thema wert. Ich glaube schon, dass meine Vorfahren unter den vom Stand "Passenden" eine gewisse Auswahl getroffen haben - oder verliebt ins Heu gingen und dann heiraten mussten. Vielleicht liegt der Unterschied darin, dass die alle arm waren und für Verkuppelung uninteressant.
                      Im übrigen würde ich selbst bei arrangierter Ehe davon ausgehen, dass man sein Gefühl ja nicht völlig ausschalten konnte. Sicher gab es dann harmonische Paare und solche, die es nie wurden. Es klingt für mich, als hätte der Mann diese Frau trotz starker Abneigung heiraten müssen. Da hatten vermutlich die Schultheiß-Väter das Sagen.
                      Beste Grüße, Iris

                      Kommentar

                      • Wolfg. G. Fischer
                        Erfahrener Benutzer
                        • 18.06.2007
                        • 4919

                        #12
                        Zitat von Jettchen Beitrag anzeigen
                        "Ich bin nicht erfordert worden, so wie es Sitte in Zella, Zopten und Neundort ist."
                        Hallo Jettchen,

                        so wie es formuliert wurde, konnte der Sterbende vielleicht nicht mehr selbst entscheiden. Seine Ehefrau musste die Entscheidung treffen und deswegen war der Pfarrer vor allem auf sie wütend.

                        LG Wolfgang

                        Kommentar

                        • sternap
                          Erfahrener Benutzer
                          • 25.04.2011
                          • 4072

                          #13
                          ich interpretiere es als ein frau, die den pfarrer nicht rief, jedoch wäre der verstorbene doch christlich gewesen und habe daher ein christliches begräbnis erhalten.
                          in glaubens- und pfarrersbeurteilung wäre das paar uneinig gewesen.
                          es ist ein aus sicht des pfarrers ichbezogner eintrag.
                          Zuletzt geändert von sternap; 15.01.2024, 21:32.
                          freundliche grüße
                          sternap
                          ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                          wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




                          Kommentar

                          • Jettchen
                            Erfahrener Benutzer
                            • 16.10.2011
                            • 1355

                            #14
                            Da kam doch jetzt am Ende noch ein interessanter Gedanke auf:
                            Der Eintrag ist offensichtlich sehr Ich-bezogen, und der Pfarrer fühlte sich wohl sehr verletzt.
                            Eindeutig klären kann man nicht mehr, was sich in dem Leben des Paares abgespielt hatte. Ich werde alle Überlegungen aufschreiben, so können sich spätere Leser eigene Gedanken dazu machen.


                            Euch allen ein ganz herzliches Dankeschön für die angeregte Diskussion und euren Zeitaufwand für meine Frage!
                            Viele Grüße
                            Jettchen

                            Kommentar

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