"Mischehe" lutherisch vs. reformiert: wie wurden die Kinder getauft?

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5542

    "Mischehe" lutherisch vs. reformiert: wie wurden die Kinder getauft?

    Hallo zusammen!

    Tatort: Eine evangelisch-reformierte Gemeinde (Hugenotten) in einer norddeutschen Kleinstadt, in der es zwei evangelisch-lutherische Stadtgemeinden gab.

    Tatzeitpunkt: 1756

    Tatbestand: Ein lutherisch getaufter Mann, sehr wahrscheinlich aus eingesessener Familie, heiratet eine Hugenottin aus der örtlichen reformierten Gemeinde. Die Trauung findet sich im Kirchenbuch dieser Gemeinde, wobei vermerkt ist, daß der Mann die Erlaubnis seines lutherischen Pastors einholen musste. Die Kirchenbücher der lutherischen Gemeinden sind aus dieser Zeit nicht überliefert.

    Frage 1: War es bei der beschriebenen Konstellation erforderlich oder üblich, daß einer der Ehepartner die Konfession des anderen annehmen musste, oder blieb jeder bei seinem Gesangbuch? Falls einer konvertieren musste, welcher Konfession gebührte der Vorrang?

    Frage 2: Wie handhabte man es mit der Konfession der gemeinsamen Kinder? Hatten die Eltern die freie Wahl, welcher Kirche die Kinder angehören sollen, oder gab es für solche Fälle verbindliche Regelungen zivil- oder kirchenrechtlicher Art?

    Vielen Dank und viele Grüße
    consanguineus
    Suche:

    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561
  • benangel
    Erfahrener Benutzer
    • 09.08.2018
    • 4332

    #2
    Hallo,

    ich weiß nicht, ob man das so pauschal beantworten kann. Es könnte auch vom jeweiligen Land abhängig sein. Ich kenne Heiratseinträge aus Baden-Württemberg in welchen der Ehemann z. B. als ev. und die Ehefrau als kath. angegeben wurde. Zusätzlich wurde vermerkt, das die Eheläute vereinbart hätten, dass Kinder männlichen Geschlechts ev. zu taufen wären und Mädchen kath. Die Ehefrau wurde in solchen Fällen auch kath. beerdigt, war also nicht konvertiert. Den genauen Zeitraum dieser Fälle weiß ich so aus dem Stehgreif leider nicht mehr.
    Gruß
    Bernd

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    • Hans Gans
      Erfahrener Benutzer
      • 04.02.2021
      • 257

      #3
      Hallo,
      Meiner Erfahrung nach richtete ma sich häufiger nach der Konfession der Mutter. Festgeschrieben war das aber auch nicht, das die des Vaters gewählt wurde, ist nicht ausgeschlossen
      Gruß
      Hans
      Vielen Dank für alle Antworten und einen guten Tag wünsche ich

      Kommentar

      • sternap
        Erfahrener Benutzer
        • 25.04.2011
        • 4072

        #4
        ich wohnte offenbar an der grenze zweier brauchtumszonen.




        in der einen wurden die mädchen evangelisch,die buben katholisch getauft, in der anderen unterschied man nach ungeraden und geraden zahlen.
        kind 1, kind 3, kind 5 z.b. nach der mutter glauben,

        kind 2,kind 4, kind 6 z.b.nach des vaters glauben.
        freundliche grüße
        sternap
        ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
        wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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        • Cardamom
          Erfahrener Benutzer
          • 15.07.2009
          • 2024

          #5
          Hallo consanguineus und Interessierte,


          wie schon erwähnt wurde, lässt sich das nicht pauschal feststellen. Wenn man auf den historischen Kontext schaut, sieht man ab Ende 18./Anfang 19. Jhdt. vielerlei lokale Bestrebungen, eine Union aus reformierten und lutherischen Kirchen entstehen zu lassen. So z.B. 1817 die unierte evangelische Kirche in Preussen.
          Die bekenntnismässigen Differenzen wurden nicht mehr so streng bewertet.

          Mir sind zu dieser Zeit keine kirchenrechtlichen Anweisungen bekannt, die die Konfession der Kinder aus solchen reformiert-lutherischen Ehen betreffen.

          Es ist eher davon auszugehen, dass die Lösung den Eltern überlassen wurde, die dann pragmatisch (halbe/halbe oder nach der Mutter) ausfiel. Ich kann mir auch noch diese Möglichkeit denken, dass aufgrund einer strengen Familientradition und des gesellschaftlichen Standes einer der Ehepartner auf seiner Konfession beharrte.


          Mit freundlichen Grüßen


          Cornelia

          Kommentar

          • Silvio52
            Erfahrener Benutzer
            • 17.06.2021
            • 232

            #6
            Zitat von Hans Gans Beitrag anzeigen
            Meiner Erfahrung nach richtete ma sich häufiger nach der Konfession der Mutter.

            So kenne ich das auch: Die Frau ist zuständig für die Erziehung der Kinder (der Mann meist auf dem Feld) und daher bestimmt sie die Religion. Kenne ich so von Vorfahren im heutigen Polen.
            Suche FN: Dülge (Stettin, Lublin) / Streich und Hintz (Großpolen, Lublin) / Seeger (Elbing, Danzig und Berlin) / Havemann, Thiede und Stolz (Breslau, Bernau und Berlin).

            Kommentar

            • Gastonian
              Moderator
              • 20.09.2021
              • 3327

              #7
              Hallo consanguineus:


              Wie gesagt, vom jeweiligen Land abhängig. In Frankenberg (Eder) gab es sowohl eine lutherische wie auch eine reformierte Gemeinde (Stadtbevölkerung war überwiegend lutherisch; Landesherr [Hessen-Kassel] und daher hohe Beamtenschaft war reformiert, und es gab auch Hugenotten). Hier richtete man sich nach der Konfession des Mannes - war er lutherisch, so wurde die Heirat und die Taufen der Kinder in der lutherischen Kirche gehalten (17. bis 19. Jahrhundert). Aber konvertieren mußte man nicht - war der Mann lutherisch und die Frau reformiert, dann kommunizierte die Frau alleine in der reformierten Gemeinde und wurde schließlich auch dort begraben.

              VG


              --Carl-Henry
              Zuletzt geändert von Gastonian; 19.05.2023, 13:05.
              Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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              • consanguineus
                Erfahrener Benutzer
                • 15.05.2018
                • 5542

                #8
                Guten Morgen!

                Vielen Dank für Eure hilfreichen Erklärungen! Meine Frage hatte den Hintergrund, daß ich die Eltern einer Vorfahrin suche. Diese Vorfahrin Charlotta Amalia Petersen ist zum Zeitpunkt ihrer Trauung 1778 in Neubrandenburg offensichtlich lutherisch, aber es gibt für Mitte des 18. Jahrhunderts keine lutherischen Taufbücher mehr in ihrem Geburtsort Pasewalk. So hatte ich die leise Hoffnung, ihre Eltern könnten dieses gemischtkonfessionelle Ehepaar in Pasewalk sein, um welches es hier geht. Inzwischen habe ich festgestellt, daß das Paar seine Töchter nach reformiertem Ritus hat taufen lassen. Von der Existenz von Söhnen ist nicht die Rede. Entscheidend ist aber, daß meine Vorfahrin Charlotta Amalia nicht unter den Töchtern des besagten Paares ist. Somit kann ich aufgrund der Kirchenbuchsituation in dieser Linie leider einen Schlußstrich ziehen.

                Trotzdem etwas gelernt!

                Viele Grüße
                consanguineus
                Suche:

                Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
                Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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                • benangel
                  Erfahrener Benutzer
                  • 09.08.2018
                  • 4332

                  #9
                  Hallo,

                  wie heißen denn die Eltern? Im Heiratseintrag stehen diese nicht dabei und auch nicht, dass sie aus Pasewalk stammt.
                  Gruß
                  Bernd

                  Kommentar

                  • consanguineus
                    Erfahrener Benutzer
                    • 15.05.2018
                    • 5542

                    #10
                    Hallo Bernd,

                    ich weiß leider nicht, wie die Eltern heißen, da das, wie Du zutreffend angemerkt hast, im Traueintrag nicht erwähnt wird. Daß Charlotta Amalia (err.) 1753 in Pasewalk geboren wurde, geht aus dem Sterbeeintrag 1823 (Neubrandenburg, St. Marien) hervor. Die Paten der Kinder des Ehepaares Henck/Petersen haben keinen erkennbaren Bezug zu Pasewalk.

                    Der Familienname Petersen ist mir in Pasewalk bisher nicht begegnet. Stattdessen findet man dort den Namen Peters. Möglicherweise handelt es sich um dieselbe Sippe.

                    Viele Grüße
                    consanguineus
                    Zuletzt geändert von consanguineus; 20.05.2023, 11:49.
                    Suche:

                    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
                    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

                    Kommentar

                    • schulkindel
                      Erfahrener Benutzer
                      • 28.02.2018
                      • 872

                      #11
                      sternap,
                      ... in der einen wurden die mädchen evangelisch,die buben katholisch getauft, in der anderen unterschied man nach ungeraden und geraden zahlen.
                      kind 1, kind 3, kind 5 z.b. nach der mutter glauben, ...
                      Ein Kuriosum:
                      Ein ganz bekannter Politiker (konfessionslos) schreibt in seiner Autobiografie über seine in Russland 1912 geborene deutsche Mutter. Sie war Tochter eines wohlhabenden deutschen Fabrikbesitzers und einer deutsch-russischen Adeligen. Der Vorfahr beschloss, seine Jungen evangelisch zu taufen, die Mädchen katholisch. Die Mädchen sollten züchtig auf ihrem Lebensweg sein, die Jungen evangelisch und geschäftstüchtig.

                      Renate

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