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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schulbildung


BenediktB
25.12.2006, 16:22
Wie ich gestern abend noch in einem meiner neu geschenkten Bücher lesen konnte, gibt es die staatliche Schulaufsicht offensichtlich erst ab dem 19. Jahrhundert, davor waren Schulangelegenheiten durch den örtlichen Pfarrer wahrgenommen. Ist das soweit korrekt?
Gibt es in den Pfarrarchiven dann vielleicht noch etwaige Unterlagen, wie Schülerlisten o.ä.? Oder gibt es andere Möglichkeiten zum Rückschluss auf Schulbildung im bürgerlich-bäuerlichen Bereich?
Danke! :)

Der_Preuße
25.12.2006, 17:34
Hallo,

Die staatliche Schulaufsicht als Ablösung der kirchlichen Schulaufsicht geht auf den Kulturkampf Bismarcks in den 1870er Jahren zurück.

Zum rest kann ich dir leider nicht helfen, ist aber ien interessanter ansatz...

Viele grüße,
Norman!

Rossi
25.12.2006, 17:56
Genau genommen geht das auf von Hardenberg und vom Stein zurück.

Marlies
26.12.2006, 07:30
Hallo Benedikt,

Schülerlisten in Pfarrarchiven sind mir bisher noch nicht untergekommen, allerdings habe ich auch nicht ausdrücklich danach gefragt.

Viele, gerade kleinere Orte stellen jedoch so etwas wie eine Schulchronik zusammen, darin sind dann oftmals die Lehrer genannt, die im Laufe der letzten 200 Jahre dort unterrichteten.

Mir liegt ein solches Heftlein vor, dort heißt es über Lehrstoff und Methode im Jahr 1822

Er unterrichtete 82 Kinder - eingeteilt in die Vorbereitungsklasse und die Klassen 1-3. Die erste Klasse mußte lesen, öfter syllabieren und wurde auf die Buchstaben und auf den Sinn aufmerksam gemacht. Im Rechnen ward das Zählen weiter fortgestezt. Die Kinder mußten die Zahlen aussprechen lernen. Die Rechnungsarbeiten wurden nur durch leicht anschauliche Beispiele beigebracht und damit auch der Anfang im Kopfrechnen gemacht. Das Schreiben wurde angefangen auf Schiefertafeln oder auf schwarzen Täfelchen mit der Kreide und dann fortgesetzt in Heften mit Schreiben der kleinen und großen Buchstaben und mehrsilbigen Wörtern.

Die zweite Klasse lernte fertiges Lesen, ward nicht nur auf die Silben in den Wörtern und auf die Unterscheidungszeichen, sondern auch wieder mehr auf den Sinn des ganzen aufmerksam gemacht. Einzelne Sprüche wurden auswendig gelernt. Auch Geschriebenes mußte gelesen werden. Das Kopfrechnen wurde weiter fortgeführt. Im Rechnen wurden leichte Aufgaben auf der Tafel gerechnet, Maße, Gewichte, Münzsorten gelernt, das Schönschreiben, Rechtschreiben nach Musterschriften geübt.

Die dritte Klasse lernte, Gedrucktes und Geschriebenes fertiger und ausdrucksvoller zu lesen; Diktate, Aufsatz, Briefe.

Soweit dieses "Zitat"

Einen schönen 2. Feiertag wünscht
Marlies

Marlies
26.12.2006, 09:33
Informationen über den Schulbetrieb und den Lehrplan aus einer Weisung, die Bischof Albrecht Siegmund 1670 allen Pfarrern der Diözese Regensburg erteilt hat: Er befahl ihnen "fleißige und taugsame" Schulmeister anzustellen. Mesner, die nicht lesen und schreiben konnten, kämen nicht in Frage.

Lerninhalte waren das Kreuzzeichen, der Katechismus "Wort für Wort", das Vaterunser, das Avemaria, die 12 Artikel des Glaubens, die 7 Sakramente, die 10 Gebote, die 5 Gebote der Kirche und die 4 letzten Dinge des Menschen. Es handelt sich also im wesentlichen um Religionsunterricht. Bischof Albrecht Siegmund äußert sich auch zum Erziehungsstil: Die Schulmeister sollen " die strafwürdigen Kinder nicht im großen Zorn mit groben Schlägen stoßen, fluechen, schändten ud schmähen, sondern väterlich mit der Ruethen zichtigen"

Marlies
04.02.2007, 09:50
...... Um die Bedeutung der Schule zu unterstreichen, mußte ....... bei jeder Eheschließung und Gutsübergabe der sogenannte Schulentlaßschein, eine Art Abschlußzeugnis vorgelegt werden.

(Verodnung vom 28.12.1802 Bayern)

Stephan Appel
04.02.2007, 10:57
Hallo Benedikt,

nach u.g. Quelle war die geistliche "Aufsicht über das Volksschulwesen durch einen Geistlichen in fachlichen, aber auch in Glaubens- und Sittlichkeitsfragen" zu führen.
Leider steht in der Quelle - auf meinen ersten und zweiten Blick nichts über die Art der Durchführung :(.
Da ich - glücklicherweise - in der Verwandschaft mehrere Priester habe, werde ich mal "die Kirche" bemühen. - also bis bald.

Quelle wird ja auch Marlies freuen:
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44597

Gruß
Stephan

schaefera
04.02.2007, 11:54
2 meiner Ur-Ur-Opas(Vater und Sohn) waren im 18 und 19 Jahrhundert als Lehrer im Taunus tätig.
Joseph Wilhelm * um 1740 in Bremthal und dort auch als Lehrer tätig.Er war verheiratet und hatte zehn Kinder.Sein Gehalt belief sich auf 65 Gulden,wovon 22 Gulden und 27 Kreutzer in bar ausbezahlt wurden,den Rest erhielt er durch Naturalien.Seinen Dienst,zu dem auch Glöckner-,Vorsänger und Orgeldienst gehörten,versah er 30 Jahre.
In der Amtszeit seines ältesten Sohnes Peter wurde am Rande des Kirchhofes 1816 ein Schulhaus gebaut,ein mit Ziegeln gedeckter verputzter Fachwerkbau..Im Untergeschoß befanden sich das Lehrzimmer und des Lehrers Wohnstübchen,im Obergeschoß waren der Heuboden und 2 kleine Zimmer für den Lehrer.
Sohn Peter(* 1771 + 1841,Studium in Mainz und im Seminar Idstein) wechselte 1818 in die Schule nach Eisenbach(suchte schon einige Jahre nach einer neuen Stelle wo er mehr verdiente)wo er bis 1826 unterrichtete,sowie als Küster und Organist tätig war
Auch hier waren die Wohnverhältnisse sehr beengt.Man kam zuerst in die Küche und von hier in das Lehrzimmer.Vom Lehrzimmer aus kam man dann in das Wohnstübchen.
Von der Küche aus ging es über eine Treppe in den ersten Stock,wo der Lehrer noch ein Stübchen hatte und das Ratszimmer vorhanden war.
Es gehörte ein Keller dazu und im Keller war das Polizeigefängnis untergebracht.Vor dem Haus war der öffentliche Pranger.Zur Lehrerwohnung gehörte noch ein Stall,der aus Kuhstall,Schweinestall und Heuboden bestand.
Das Klassenzimmer war zwischen 7 und 8 Fuß hoch,rechts stand der Ofen auf dem die Hühner zeitweise ihr Legenest hatten.3 Fenster gingen nach Südosten,eins nach Westen,möbliert mit Bänken und einer Wandtafel.
Bis 1816 wurde mittwochs und Samstags Religion gelehrt und an den anderen Tagen Lesen,Rechnen und Schreiben.Den Mädchen war die Teilnahme am Schreiben und Lesen freigestellt.Die meisten weiblichen Mitglieder meiner Vorfahren aus Eisenbach machten noch bis ca.1840 ihre drei XXX,also gehe ich mal davon aus das die meisten Eltern bei den Mädchen auf eine Teilnahme verzichtet haben.

Schöne Grüße

Astrid

Stephan Appel
12.02.2007, 19:08
Original von Appel
Da ich - glücklicherweise - in der Verwandschaft mehrere Priester habe, werde ich mal "die Kirche" bemühen. - also bis bald.


Nun habe ich eine priesterliche Einschätzung des Themas:
"Bis 1919 waren im Deutschen Reich (zumindest in Preußen und Bayern) die Pfarrer für die Schulaufsicht zuständig. Bereits nach 1600 gab es eine staatliche Verordnung zur Schulpflicht in Deutschland, wobei die Pfarrer (Pastoren) ein wichtiges Wort mitzureden hatten.
Berichte über den Ablauf eines Schuljahrs, über Schulnoten, Lehrereinstellungen u.a. lassen sich in den Kirchenbüchern oder kirchlichen Jahresbüchern finden.
Am 11. März 1872 ging das Schulaufsichtsgesetz auf den Staat über, die Pfarrer blieben aber noch zuständig (und haben sich - weil sie oft keine Ahnung hatten - auch unbeliebt gemacht!). Schulakten dürften sich bei den Schulämtern (Schulrat o.ä.) finden lassen."

Ich hoffe dies bringt Licht ins Dunkel.
Gruß
Stephan

Stephan Appel
27.04.2007, 07:24
Hallo Marlies,
was erstaunt Dich daran denn?

Die kleine Feinheit, dass "in Preußen" die Schulpflicht später als in der benannten Literatur eingeführt worden sein soll?

Danke - habe bei Leschinsky einige Vorlesungen und Seminare besucht :D.

Oder die weiteren Ausführungen zu Quoten und Arbeitsverhalten von Kindern im 19. Jhd.?

Ich finde es sehr bemerkenswert, dass in einer 9. Klasse solche Themen bearbeiter werden. --> ich freue mich darüber, dass die historische Betrachtung unserer Wurzeln immer noch Spass machen kann.

Ganz dem Motto:
Du kannst die Gegenwart und Zukunft nicht verstehen wollen, wenn Du die Vergangenheit nicht kennst [etwas modifiziert].

Gruß
Stephan

Marlies
28.04.2007, 10:10
Original von Stephan Appel
was erstaunt Dich daran denn?


Hallo Stephan,

z.B das es gelungen ist, innerhalb 30 Jahren die Quote nach oben zu bringen, z.T. ja ganz beachtlich: in Posen von 20% auf 75%


Ich finde es sehr bemerkenswert, dass in einer 9. Klasse solche Themen bearbeiter werden. --> ich freue mich darüber, dass die historische Betrachtung unserer Wurzeln immer noch Spass machen kann.


ich auch! :)

Schönes Wochenende!
Marlies

Andreas G
28.04.2007, 10:55
Hallo,
mir liegt zu dem Thema ein Buch vor: Bildungspolitik und Bildungsreform in Preußen (von Helga Michalsky, 1978). Dort wird auf gut 350 Seiten ein Versuch der Zusammenfassung des Themas unternommen.
Wenn Interesse besteht, dann könnte ich darin nach bestimmten Themen suchen, es gibt aber KEIN Namensregister.

Viele Grüße
Andreas